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Ottendorfer Zeitung : 06.12.1918
- Erscheinungsdatum
- 1918-12-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191812063
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19181206
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19181206
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-12
- Tag 1918-12-06
-
Monat
1918-12
-
Jahr
1918
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 06.12.1918
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Der Osten. Durch Deutschland? Niederlage und Revo lution ist auch der ganze Osten in erneute Be wegung geraten. Die Friedensschlüsse von Brest und Bukarest, mit denen die deutsche Polilik glaubte, die Ostiragen allein und ohne Rücklicht aus den Ausgang deS Krieges lösen zu können, sind sür nichtig erklärt, untere Truppen sind im Rückmarsch und selbst von der revolutionären Umgestaltung ergriffen, die nun ihrerseits auf den Osten weiterwirrt. Für Fin^and ergibt sich daraus säst naturnot wendig eine neue Orientierung. ES hofft auf EnternelebenSmittel und auf englische Truppen zrm Schutz gegen die Bolschewik!. Neuwahlen und eine neue Regierung sind in Aussicht, der deutsche König in Finnland ist erledigt und General Manneiheim, der von Haus aus enienietreundlich war, dürste nun als Reichs verweser lein durch Deutschland vom zaristischen Druck beireiieS Land in die Gefolgschaft der Enteiste herübersühren. Stärker noch als Finnland droht den Ost- see-Provinzen die bolschewistische Gefahr, wenn uniere Truppen herausziehen. Noch am 22. September hatte Deuiichland Livland und Estland samt Riga und Osel als selbständig anerkannt, worauf der vereinigte Landesrat Schritte zu einer Zusammenfassung der balti schen Lande zu einem einheitlichen und monar chisch regierten Staate beschloß. Diese Pläne sind jetzt auch erledigt, wir hören bereits, daß eine Republik Estland und eine Republik Lett land proUamiert sind, die beide entweder bald Anschluß an ein föderatives Rußland oder zunächst bei England Schutz suchen werden. Litauen sucht nun sein Ziel, die Unabhängig keit aus der Friedenskonferenz garantiert zu er halten, zu erreichen durch konstituierende Ver sammlung, eigene Verwaltung und Miliz. Aus Lem eigenen Lande droht ihm der Bolschewismus weniger, wohl aber aus den russsschen Nachbar gebieten, wenn auch da unsere Armee abrückt. Den Willen zum eignen Staat hat Litauen bei der Entente vor allem gegen Polen durchzu setzen. Der deutsche Friedensschritt vom 5. Oktober und die bürgerliche Revolution in Deutschland hatten die Ukraina bereits in große Erregung versetzt. Eiligst erörterte man dort die Frage, wie auf dem nun näher rückenden Friedens kongreß die Ukraine vertreten sein solle, ob als selbständiger Staat oder zusammen mit dem übrigen Rußlaud. Diese Bewegung führte zu einem Ruck nach links und zu einer stärkeren Betonung der ukrainischen Selbständigkeit, die vom ukrainischen Nationalbund verfochten wurde. Der Hetman mußte daS Kabinett umbilden, in das zur Hälft» Anhänger der ukraini schen Staatlichkeit und Selbständigkeit ein- traten, und mußte die lange verzögerten Schritte innerer Reform: Heer, Agrar frage, Berufung eines Landtages, ankündigen. Aber die Weltereignisse gingen schneller. Der deutsche militärische Zusammenbruch und die deutsche Revolution riefen automatisch und daher in großer Schnelligkeit eine völlige Schwenkung in der Ukraine hervor. Der Heiman mußte gleich am 11. November in der West-Ukraine den Kriegszustand erklären, waS auf große Er regung der Massen schließen ließ. Während dem näherte sich die Entente; in Tagen, sicher in Wochen, war mit dem Erscheinen englischer Kriegsschiffe in den Schwarzmeer-Hchen und mit dem Erscheinen von Ententetruppcn im Süden zu rechnen, die Rumänen überschritten bereit- die ukrainische Grenze. Da Besprechungen in Jassy keinen Zweifel an dem alten Standpunkt der Entente ließen, daß diese die ukrainische Selbständigkeit nicht anerkennt und die Wieder herstellung Rußlands alS Föderalivstaat wünscht, warf der Hetman daS Steuer ganz herum. In einer Botschaft vom 14. November verkündigte er, daß aus Grund der neuen Lage die Ukraine den föderativen Anschluß an ein wieder aufzu- bauendes Rußland suchen werde, und ernannte er ein neues Kabinett aus großrussischen Kadetten. Gleichzeitig übertrug er den Ober befehl über die Truppen in der Ukraine dem General Grafen Keller, dessen Name schon eirr Symbol ist und der den Kampf gegen die Er hebung der ukrainischen Nationalisten unter Petljura und Winnitschenko aufnahm. Wie diese Kämpfe, die den Bolschewismus in der Ukraine neu beleben können, heute stehen, ist nicht näher bekannt. Für die Ukraine ist eine Nebenfrage, aber immerhin eine wichtige Frage, wie das Schicksal Ost galiziens sich entscheidet. Dieses hat sich am 19. Oktober als selbständiger Staat konstituiert, der Galizien bis zum San, die Nordwest- bnkowina mit Czernowitz und daS ukrainische Gebiet NordostungarnS beansprucht. Es steht in erbittertem Kampf mit den Polen und will seine Selbständigkeit auch in den Friedens verhandlungen durchsetzen. Vie Kuslieferung Wilhelm H. Uber die völkerrechtlichen Grundlagen deS von der Entente geplanten Verfahrens zur Auslieferung Wilhelm II. wird geschrieben: Das Bureau Reuter läßt sich aus Belgien melden, daß Nechtsgelehrte festgestellt haben, daß einer Auslieferung des früheren deutschen Kaisers Wilhelm II. Hindernisse völkerrechtlicher Art nicht im Wege ständen. Die Entente soll aus diesem Grunde die Absicht haben, die Aus lieferung Wilhelms II. zu fordern. Wie ist nun die wahre Rechtslage? Die Feststellung belgischer Rechtsgelehrter dürste nicht ganz objektiv ausgefallen sein, sondern in dem Sinne, wie es die Entente wünscht. Tatsächlich verhält sich die Sachlage anders. Nach völkerrechtlichen Abmachungen besteht ein internationales Auslieferungswesen sür flüchtige Verbrecher. Die Verbrechen, die in Betracht kommen, sind genau festgelegt, und umfassen Mord und andere schwere Delikte. Von irgend welchen Verbrechen privater Natur, die dem früheren Kaster zur Last gelegt werden könnten, kann natürlich keine Rede sein. ES würde sich im schlimmsten Falle um Verbrechen politischer Natur handeln. Hierbei ist aber erstens zu berücksichtigen, daß der deutsche Kaiser für Vorgänge irgendwelcher Art niemals die Verantwortung trug, sondern daß dafür Minister vorhanden waren, die dem Reichstage und der Welt gegenüber verantwortlich waren. In diesem Sinne kann von einem Verbrechen Wilhelms ll. nicht gesprochen werden. In jedem Falle handelt eS sich aber bei den von der Entente erwähnten Angelegenheiten um Dinge politischer Natur. Diese sind aber von der Auslieferung ausgeschlossen. Der Anschluß wird übrigens gerade auf ein belgische- Gesetz vom Jahre 1883 zurückgesührt, daS sür politische Vergehen Auslieferung ausichließt. Nur in den Verträge« Rußlands mit Preußen und Bayern, sowie in dem deutschen Vertrage mit dem Kongostaate vvn 1890 wurde diese Bestimmung nicht ausgenommen. Nach der im Völkerrecht maßgebenden belgi schen Auffassung ist nicht das Motiv der Tat entscheidend, sondern die Richtung deS Ver brechens. Politische Verbrechen sind solche, die gegen die Sicherheit deS eigenen oder fremden StaateS gerichtet sind und die vorsätzlich be gangen werden. Aus allen diesen rein völker rechtlichen Ausführungen geht hervor, daß eine Handhabe zum Verlangen der Auslieferung Wilhelms II. nicht besteht. Nun beruft sich die Entente darauf, daß Wilhelm II. noch nicht in aller Form abgedankt habe, daß also die Bestimmungen auf ihn nicht zuträfen. Darauf ist zu erwidern, daß di« Ab dankung formell und verbindlich war, daß aber diese Frage gar nicht bei der Beurteilung der Sachlage in Betracht kommt. yoUMcke Deutsch lar». * Die Meldungen, nach denen die Oberste Heeresleitung von WilhelmShöhe nach Berlin verlegt werden soll, sind unrichtig. Mit Rücksicht auf die durch die Demobilisierung zu bewältigenden Arbeiten ist mit einer Ver- legung vor Weihnachten nicht zu rechnen. * Die Verhandlungen der Reichsleitung mit der Obersten Heeresleitung über das Vor gehen einzelner Generale gegen die Arbeiter- und Soldatemäte und dir sozialistischen Fahnen im Westen, nehmen, wie versichert wird, einen befriedigenden Fortgang, über eine Absetzung einzelner Generale find noch keine Beschlüsse gefaßt. * Don der preußischen Regierung sind an Stelle deS bisherigen Justizministeriums Dr. Spahn di« Rechtsanwälte Dr. Kurt Rosenfeld und Wolfgang Heine mit der Leitung des Justizministeriums beauftragt worden. Minister Heine war bisher durch anderweitige Verpflichtungen, die er in Anhalt übernommen hat, daran verhindert, die Ge schälte zu übernehmen. * Durch eine Verfügung des Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung ist die geistliche OrtS-Schulaufsicht in Preußen aufgehoben. Die bisherigen In haber bleiben so lange im Amt, bis ihre Be fugnisse durch die Kreisschulinspektoren Über nommen sein werden. Die Übernahme ist un verzüglich in die Wege zu leiten und muß am 31. Dezember abgeschlossen sein. Frankreich. * Eine Havasnotr meldet: ES bestätigt sich, daß die FriedenSverhandlungen nicht in Versailles, sondern in Pari- im Auswärtigen Amte stattfinden werden. Lloyd George wird gleichzeitig mit Wilisn in Paris eintreffen. Bei der ersten Vollvrrsammlung werden die Delegierten Kom missionen ernennen, die die verschiedenen Fragen in allen Einzelheiten beraten und der Konferenz Berichte vorlegen werden. Die Konferenz wird dann definitive Beratungen abhalten. Sie wird drei Monate dauern, und die Unterzeichnung des Vertrage- wird rächt vor April erfolgen. * Der französisch» Kommissär in Straßburg, Maringuer, Kat mehren« Pressevertretern erklärt, die vielgestaltige und feinausgearbeitete Einrichtung der deutschen Ver waltung arbeite wie bisher im Elsaß und könne nicht ohne weiteres umgeworfen werden. In demselben Sinn» verlangt der frühere Reichs- tagkabgeordnete Weill, daß der deutsche Aufbau der Verwaltung im Elsaß vorläufig beibehalten und nur die d»utschen Beamten durch französische ersetzt würden. * Der Ministerrat beschloß die Umwandlung deS Ministeriums für Rästungsangelegenheiten in ein Ministerium für industriellen Wiederaufbau. Die Zahl der Handelk- attachsk im Aukland« soll vermehrt werden, und rS sollen ihnen Handelsagenten unterstellt werden. Die Fabriken sollen sofort umfang reiche Aufträge für den Wiederaufbau der Handelsmarine und für di« Lieferung land wirtschaftlicher Maschen« erhalten, an denen e» »angelt. Snqlcm». *An Beantwortung von Äußerungen derDer- bandsmächte, die di« Internierung der Kaiser- in seiner Eigenschaft als Oberbefehls haber der deutschen Armee fordern, hält die holländische Regierung ihre Auffassung aufrecht, nach der der Kaiser, nachdem er abgedankt habe, nicht mehr als Glied der Armee ange sehen und demgemäß auch nicht interniert werden könne. Sie versichert, von dem Staatssekretär Solf eine Note erhalten zu haben, die die Ab dankung mittrilt. Di« holländisch« Regierung füge hinzu, der Kaiser werde streng überwacht, jo daß er da- holländische Gebiet nicht ver lassen könne. *Sir Eric GeddeS sagt» in einer Rede in Cambridge, die Frage der Entschädi gungen strotze von Schwierigkeiten. Man wünsche, daß Deutschland Entschädigungen zahle, aber die Rechnung würde gegen fünf Milliarden Pfund Sterling betragen. Diese Summe könnte nur in Gold oder Waren oder durch Arbeit bezahlt werden. Deutschland habe kein Gold. Wenn die Entschädigung in Waren gezahlt würde, so würde das einen Stillstand in der englischen Produktion und auf dem Arbeits markt Hervorrufen. Obwohl er für Entschädi gungen fei, würde er gern wissen, wie sie be zahlt werden könnten. Holland. * ,Nieuwe Courant' schreibt: Die Entente arbeitet bereits an einem Sonderbund auSdensüdlichenund den rheini schen Gebietsteilen Deutschlands. Wenn Beilin diesen Umständen nicht Rechnung trägt, wird man bald vor unwiderruflichen Ereignissen stehen. Aus der neuen Lansingnote kann man herauslesen, daß eine Förderung bolschewistischer Grundjätze nur zur Erhöhung des Elendes im deutschen Volke beitragen kann. Amerika. * Die Regierung der Vereinigten Staaten ist entschlossen, nicht »her in Friedens- Verhandlungen einzutreten, bis Rußland durch eine zentrale bürgerliche Re; gierung an den Verhandlungen teilzunehmen in der Lage sein wird. Die «ndgültigen Friedens- Verhandlungen würden demnach so lange hin ausgeschoben werden, bis der Verband in Ruß land dauernde Ordnung geschaffen hat. Preissturz auf dem Goldmarkt. Edtlmetalle werden billiger. Gold und Silber waren, wie jedermann weiß, während de- ganzen Kriegs sehr be gehrte Artikel, ebenso wie die Juwelen, be sonders die Brillanten «nd Perlen. Viele Leute »rblickten in dem Ankauf von Geschmeiden, von Gold- und Silbergegenständen eine be sonders gute Anlage ihres erübrigten Geldes. Selbst Kriegerfrauen kauften goldene Schmuck gegenstände, weil man sich sagte, daß Gold im Werte noch immer steigen werde. Nun zeigt sich aber, daß auch sür Gold und Silber die Hochkonjunktur überschritten ist. Das Gold, daS noch vor zwei Monaten in Wien mit 21000 Kronen für daS Kilogramm gehandelt wurde, ist im Presse auf 17 000 Kronen gesunken. Silber, das noch im September 65 Kronen für daS Kilogramm kostete, wird jetzt böchstenS mit 48 Kronen bezahlt. Es ist mit Gold und Silber in der ganzen Welt viel spekuliert worden; der Verkehr mit Gold- und Silbergegenständ»n war in den letzten Jahren ziemlich groß. E- wurden nicht selten fabel hafte Summen auSgegeben, und Kriegs gewinnler kauften ganze Sammlungen von gol denen Dosen, Ketten, Schalen uiw. Manche Geschäfte wurden geradezu auSver kauft, und von den Händlern wurden angesichts der dauernd steigenden Preis« viele Gold- und Silbergegen- stände weggeräumt und versteckt, weil man sie bei Gelegenheit zu noch höheren Preisen an den Mann oder an die Frau zu bringen hoffte. Jetzt ist in den Gold- und Silberwarengeschätten eine merkliche Stockung eingetretrn. Der Grund für diesen Stillstand des Geschäfts ist naiürlich in der jetzt herrschenden unsicheren Lage zu suchen. Der Krieg ist zwar zu Ende, aber man weiß nicht, war noch kommt, und wie der Friede auSsehen wird. Auch die allgemeine Unsicherheit bewirkte, daß der Ein- und Verkauf von Gold- «nd Silberwaren abflaut. Man hört so viel von falschen Patrouillen, die auf eigene Faust in den Wohnungen Wertgegen stände und Geldbeträge „beschlagnahmen", die Einbrüche «nd Diebstähl» werd»» immer zahl reicher, der Besitz zittert. ES gibt reichgewordene Leute, die in der KriegSzeit Unmengen von goldenen und silbernen Gegenständen zusammengekauft haben, um sie alt Familienschatz aufzubewahren, falls daS Papiergeld noch mehr entwertet werden sollte. Auch Brillansschmuck, der jetzt kaum getragen werden kann, wurde lediglich als Kapitalsanlage gekauft «nd verschwand in eisernen Geld- jchränken. Die Preise für Brillanten und Perlen sind übrigen» neuerdings in Holland bedeutend gestiegen. In Prag und Budapest sollen zurzeit viel Juwelen und Goldwaren ge kauft werden, während in dem sonst jo leicht sinnigen Wien da» Geschäft ruhig ist. Viele Goldarbeiter, di» ihre Waren versteckt hallen, kommen j»tzt mit ihren Schätzen hervor und verkaufen sie an Händler, die sie weitergeben. Wahrscheinlich wird da- Gold- und Silber- Warengeschäft einen neuen Aufschwung nehmen, wenn die Weltlage geklärter und die Unsicher- h«it durch strenge gesetzlich» Maßnahmen ver mindert sein wird. In bösem 8ck)em. Ss Kriminalroman von Heinrich Lew cgortletung.) Es erfolgte an demselben Vormittage auch noch einmal die Vernehmung Schmiedeckes, des alten Scholz, der beiden Buchhalter, des Lehr lings und der Köchin Anna.. Im wesentlichen gab sich kein neues Moment. Anna Halle, wie Schmiedecke bekunden konnte, etwa zehn Minuten, nachdem sich die Herrschaft entfernt, das HauS verlassen und bis dahin hatte sie kein fremdes Wesen darin gesehen. Ähnliches sagte der alte Schol; aus, er hatte während der Wache fast fortwährend den Hof vor Augen gehabt, aber keine menschliche Seele darin bemerkt. Um das kritische Zimmer des »Herrn*, daS ja ebenfalls nach dem Hofe zulag, aus dem man die Vor gänge darin auch gut hätte beobachten können, hatte er sich naiürlich nicht bekümmert. Nur -inmal, alS er in nicht zu weiter Entfernung davon vorüberging, kurz bevor der Schuß fiel —> erst nachträglich, erst beim Verhör, als der Herr Amtsrichter ihn mahnte, jein Gedächtnis anzustrengen, war es dem Alten eingefallen — nur dieses eine Mal war eS ihm gewesen, als ob aus dem Zimmer oder wenigstens aus dem Wohnhaus« Stimmen herauSkümen. „Was sür Stimmen?" fragte der Herr Amtsrichter. Aber Genaueres konnte der Alte nicht sagen. Es war nur ein ver hallender Laut gewesen. Er hatte eben nicht Weiler darauf geachtet. Vielleicht täuschte er sich j» such. .Wen» ihn der Herr Amtsrichter nicht so i gemahnt hätte, so hätte er auch garnicht mehr daran gedacht." Obwohl diese Aussage der Alten etwas neues war, so wußte Amtsrichter Braun- fisch doch auS seiner Praxis, was er davon zu halten hatte. Eine unsichere Auslage war ver wirrender als gar kein«. Namentlich beruhten solche Aussagen auf nachträglichen Selbst täuschungen oder auf dem Wichtigkeitsgefühl, das sich mancher Zeugen bemächtigte. Hätte der Alte in der Tat eine solche Stimme gehört, so müßte sie, um durch das Fenster zu dringen, sehr laut gewesen sein. ES müßte ein Streit gewesen sein. Dem aber widersprach der ganze Tatbestand. Nicht im Streit, sondern im Schlafe war der Tote ermordet worden. Was Schmiedecke betraf, so hatte er im Ge fühle seiner heutigen Bedeutung auf seine» schwarzen Sonntagsrock seine sämtlichen Militär- Auszeichnungen angelegt, er hatte in feinen jungen Jahren in Potsdam Lei der Garde ge standen und seitdem eine Art Berliner Dialekt und Wesen an sich behalten, durch den er sich gebildeter vor kam. »Herr Amtsgerichtsrat," sagte er, „bevor Sie mich vernehmen, möchte ich mir eine ergebenste Meinung erlauben. Ich habe einen Freund, der ist Schlosser und der kennt den Geldschran! von Herrn Rosenau ganz genau, jveil er aus der Fabrik ist, wo der Schrank ge macht worden ist. Soll ich Ihnen sagen, was mein Freund meint? Wer daS Schloß nicht ordentlich kennt, meint er, der bringt'» auch nicht aus — auch nicht mit die Schlüssel. Wenn einer also das Geld rausgenommen hat — ein Fremder war'» nickt. Oder Herr Lolli eld müßt'S gewesen sind — na «nd davon kann doch nicht die Rede sind. Also meint er «nd dar mein' ich auch: alle» das Zeug, daß ein Fremder dabei im Spiele ist, ist Unsinn. Die Sache liegt eben so — ganz unter uns Heiden gesagt, Herr AmlsgerichtSrat, «nd «S braucht ja auch sonst niemand wa» davon zu wissen — Herr Rosenau hat sich da» Leben genommen. Warum? Du lieber Gott, dar fragen die Leute immer, wenn einer so 'ne Sache macht, ohne daß man gleich einen Grund sieht. Die reichen und die anständigen Mensche« haben auch ihren Kummer, ohne daß er ihnen gleich jedeSmal im Gesicht steht, «nd so wird'S eben auch bei Henn Rosenau gewesen sind." „Schweigen Sie fetzt," schrie der Herr Amtsrichter. Schmiedeck« fuhr betroffen zurück. „Sie werden hier nur um Ihr Zeugnis, nicht um Ihre Meinung befragt. Antworten Sie nur auf daS, was Sie gefragt werden." Wa» Schmiedecke darauf antworten konnte, war im allgemeinen nur die Wiederholung von gestern. Eine sehr langwierige Sache wurde die Vernehmung deS FabrikpersonalS. Was die Vernehmung Hollfeld» betraf, so hatte sie der Amtsrichter aus einem besonderen Grunde sür den Nachmittag festgesetzt. Hollfeld schien ihm von allen Personen, die vorläufig bei der Sache in Betracht kamen, die wichtigste zu sein. Er wollte sich mit diesem Herrn Holl feld in aller Muße beschäftigen, deshalb hatte er sich eigen- für ihn den ganzen Nachmittag Vorbehalten. Es war wieder ein so heißer Tag wie gestern. Uubarmüertia bräunt» draußen auf den menschenleere» Straßen wieder «ine wahre Kochofenglut. Der Aufenthalt in den Korridoren deS GerichtSgebäude», dessen alte dickr Stein pfeiler «in« angenehme Kühle verbreiteten, war dagegen ei» wahres Labsal. Auf den an den dicken Mauern entlang laufenden Bänken saßen di« Leute mit ihren Dorladungsbefehlen und wischten sich aufatmend den Schweiß von der Stirn. So konnte ein GerichtSgebäude auch sein Angenehmer haben, wenn einem das auch heut« wohl zum ersten Male zum Bewußtsein kam. „Herr Hollfeld k" erscholl die Stimme deS GerichtSdienerS durch den kühlen langen Gang. Er ließ die Tür offen — Hollfeld trat ein. „Ich habe noch eine Anzahl Fragen an Sie zn richten," begann Amtsrichter Braunfisch. „Sie haben, wir mir nachträglich bekannt wird, Herm Rosenau sehr nahe gestanden, nicht nm im geschäftlichen, sondern auch im rein men'ch- Uchen Sinne?" Der Amtsrichter faßte bei diestr Frage fein Gegenüber genau ins Auge. Ruhig begegnete Hollfeld seinem Blick. „Jawohl!" erwiderte er. „Herr Rosenau hat häufig Beratungen mit Ihnen gehabt, das besagt also, Sie waren häufig mit ihm allein, Sie hatten jederzeit Zutritt zu ihm, auch in seine Privatgemächer?" „Allerdings!" — „Hm." Amtsrichter Braunfisch strich sich seinen Schnurrbart. „Böotien Sie mir nun ganz genau erzählen, was Sir am gestrigen Morgen mit Herrn Rosenau zu tun gehabt haben, wann und wo Sw w > ihm zusammen gewesen sind, wie lauge und F weiter."
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