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Ottendorfer Zeitung : 02.07.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-07-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191507024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19150702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19150702
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-07
- Tag 1915-07-02
-
Monat
1915-07
-
Jahr
1915
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 02.07.1915
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Marlckau geräumt? Neutrale und russische Blätter bringen die Meldung, daß auf Befehl des Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch die Stadt Warschau von der Zivilbevölkerung geräumt werden mußte. Ungefähr 100 000 Personen mußten in den letzten Tagen Warschau verlassen. Diese Nachricht zeigt, daß die russische oberste Heeresleitung mit größeren Kämpfen in der Umgebung Warschaus für die nächste Zeit rechnet. Der Sieg in Galizien und die Eroberung Lembergs dürften bei dieser Maßnahme eine Rolle gespielt haben. Denn es kann nicht übersehen werden, daß der Einfluß dieses Sieges sich nicht nur auf die örtliche Gegend der Schlacht selbst beschränkt, sondern weit hinüber nach allen Teilen der Front im Osten reicht. Wenn auch die Entscheidungskämpfe an einem bestimmten Teil der Schlachtfront geführt weiden, wo die größten Truppen massen vereinigt worden sind, um einen be stimmten Zweck zu erreichen, so werden doch die Stellungen auf allen Teilen des gewaltigen Gebietes dadurch beeinflußt. Wir haben schon gesehen, daß die Russen insolge ihrer Nieder lage bet Lemberg ihre Stellungen am San und bei Kielce geräumt Haden, da bei dem- Rückzug der Hauptmacht die übrigen Teile des Heeres in der Luft schweben würden, wenn sie ihre Stellungen ohne Anschluß an die Hauptmacht zu behaupten versuchen würden. Somit wird sich die ganze deutsche Front an dieser Stelle an der Vorwärtsbewegung beteiligen. Dadurch dürfte auch ein stärkerer Druck auf Warschau erfolgen. Das Ringen um Warschau, das in den letzten Monaten ziemlich zum Stillstand gekommen war, da andere Unternehmungen durchgesührt werden mußten, begann schon im Februar. Am 16. dieses Monats hatten wir hier die Linie Plock—Razionc, die nordwestlich von Warschau liegt. Vorher war schon durch die Siege bei Bolimow—Sochaczew bei Beginn des Jahres der Angriff direkt von Westen her gegen Warschau vorgetragen worden. So standen die Dinge, bis wir vor kurzer Zeit hörten, daß an der Rawka neue Unternehmungen im Gange seien, die auch mit den Kämpfen um Warschau eng zusammenhängen. Kaum zehn Tage sind es her. daß unser Generalstab von einem erfolgreichen Einbruch unserer Truppen in die russischen Stellungen an der Rawka Mitteilung machen konnte. Es handelte sich um die Örtlichkeit Halbwegs der Linie Bolimow - Sochaczew. Der Angriff wurde an dieser bereits als Schlachtfeld be kannten Stätte in der Nähe Warschaus wieder ausgenommen. Auch nördlich und nordöstlich von Warschau waren unsere Truppen erfolg reich. Die Räumung der Festung, auf die sich der hier befindliche Teil der russischen Front stützt, beweist, daß dis Russen ihre bis herige Kampfesweise der zähen Verteidigung auch hier fortzusetzen bemüht sein werden. Wir können aber dem Kampfe um den Besitz Warschaus mit Ruhe entgegensetzen, da es sich noch stets — und in jüngster Zeit erst wieder bei der Eroberung von Przemysl — gezeigt hat, daß unserem Belagerungsgeschütz gegen über Festungen nicht mehr die Bedeutung haben, die ihnen früher zukam. So wird es immer klarer: Der große Sieg der Verbündeten in Galizien ist die Grundlage der Entscheidung geworden. Der Krieg ist jetzt in ein Stadium getreten, daß jeder neue deutsche Erfolg eine bedeutende Stärkung unserer und eine beträchtliche Schwächung der Lage unserer Feinde bedeutet. Früher, als unsere Feinde uns zahlenmäßig ungemein überlegen waren, war ein Sieg nur ein erfreuliches Waffen ereignis, dem aber eine entscheidende Wirkung nicht zukam. Man denke an Lie gewaltigen Niederlagen der Russen an den masurischen Seen und bei Tannenberg, wo sie solche Ver luste erlitten haben, daß ein kleineres Reich darunter zusammengebrochen wäre. Mit dieser Übermacht ist nun endgültig gebrochen. Es gilt jetzt nicht mehr, durch vernichtende Schläge die russischen Millionen zu beseitigen, sondern es gilt jetzt, das geschlagene und ge schwächte Heer auf die Knie zu zwingen. Wie es sich schon jetzt damit verhält, geht aus der erstaunlichen Tatsache hervor, daß die Russen bereits furchtbare Angst vor weiteren Geschützverlusten haben und aus diesem Grunde zuerst beim Rückzug die Ge schütze zu retten suchen. So ist die geringe Geschützbeute aus den letzten großen Siegen zu erklären. Diese Tatsache spricht eine Leut« ltchereSprache als alleBerichteüberNtederlagen und Verluste. Das weite Rußland, das bei Beginn des Krieges in übermütigster Weise mit seinen Vorräten an Menschen und Waffen Verschwendung trieb, sieht sich bereits genötigt, seine Geschütze Hals über Kopf zu retten. Die weitere Entwicklung der Schlacht läßt sich darum schon ietzt voraussagen. Das russische Heer zieht sich sowohl nach Osten als nach Norden eiligst zurück, da es dem Ansturm der Sieger sich nicht mehr gewachsen sieht. Wo unsere Heere den Feind stellen werden, werden sie ihn aufs Haupt schlagen und ihn weiter nach Rußland hinetntreiben. Es fragt sich nur, wie lange Rußland das mit ansehen kann, da ihm nirgends Rettung winkt. Die öden Ruhmredereien des Franzosen Hervö, der sich veranlaßt sieht, für Rußland hohle Phrasen von einer bevorstehenden neuen Eroberung Galiziens durch das russische Heer zu ver öffentlichen, wird man jetzt in Rußland richt! r als das Geschwätz eines politischen Spaß machers betrachten. (Z-nN« o. K. i. d. M.» verschiedene Uriegsnachrichlen. Von dermil.Zensurbehörde zugelassene Nachrichten. Ein Wort unseres Kaisers. Vom westlichen Kriegsschauplatz wird der .Hemerschen Zeitung' von einem Kriegsteil nehmer geschrieben: Als der Kaiser bei seinem letzten Besuch an der Westfront an eine Stelle kam, wo nach heftigen Kämpfen viele brave Söhne des Vaterlandes den Heldentod ge funden, kniete er erschüttert nieder und betete; als er sich erhob, sagte er zu seiner Umgebung: „Ich habe es nicht gewollt!" * Oberkriegsrat des Vierverbandes. Die von Petersburg ausgegangene An regung, einen obersten Kriegsrat des Vier oerbandes einzusetzen, der aus Vertretern der Verbündeten bestehen und die Aufgabe haben soll, die kriegerischen Ope rationen auf den verschiedenen Fronten zu leiten und einheitlich durch- zusühren, soll nach dem ,B. T.' zugegangenen Meldungen zur Verwirklichung gelangen. Man berichtet, daß Unterhandlungen darüber unter den Verbündeten im Gange sind. Die verspätete Kriegserklärung. Die römischen Morgenblätter nehmen Italiens Kriegserklärung gegen die Türkei schon als sichere Tatsache an. ,Messaggero' sagt, dass sie unvermeid lich und von grosser Tragweite sei, die Forcierung der Dardanellen, Russlands Versorgung mit Waffen und Munition sicherstellen, sein Heer im Kaukasus be freien und das Schicksal Les russische» Feldzuges entscheiden würde. Am Gol denen Horn könnten die Verbündeten nicht nur dem Sultan, sondern auch den Kaisern den Frieden diktieren. Selbstverständlich werde mit dieser Kriegserklärung auch der künstliche Frieden mit Deutschland erledigt sein. Das Luftschloss der italienisch-deutschen Verstän digung zur Schonung der Türkei sei zu sammengebrochen. Auch.Corriercd'Jtalia^ begrüsst den Entschluss der Negierung, weil er das Ende des Krieges beschleu nige und Italiens Beteiligung an der Liquidation der Türkei sichere. Enttäuschung in Italien. Der .Köln. Zig.' zufolge ist in Italien nichts mehr von dem Überschwang der ersten Tage zu bemerken. Die amtlichen Berichte verhüllen mehr als sie ilären. Zuweilen sickert durch die verbündete Presse ein Bericht, Ler die geheime Furcht Les Volkes be stätigt, so das .Ttmes'-Telegramm, das aus Verona von großen Schwierigkeiten berichtete, die das italienische Heer zu bestehen habe. Die italienischen Truppen rennen gegen Mauern, über deren Festigkeit man sich-täuscht. Die Presse sucht immer noch zu vertuschen, allein Lie Kenntnis im Volke wächst. Das Volk und namentlich dis gebildeten Schichten darunter fühlen beute schon, daß sie von den politischen Führern über die Schwierigkeiten der Unternehmung grausam getäuscht worden sind. Die Enttäuschung wird um so stärker empfunden, als die Hoffnung auf ein Eingreifen der Balkanstaaten täglich geringer wird. * Englands Rekrutenbedarf. Der militärische Korrespondent der Lon doner .Times' schreibt: Wir werden ver mutlich mindestens 100000 Rekruten monatlt ch brauchen, um Lie Armeen aus- zufüllen. Unsere jetzige Unfähigkeit, die Rekruten zu bewaffnen und auszurüsten, wird erst enden, wenn Lloyd George die Erweite rung der Produktion erreicht haben wird. Es muß aber auch vermieden werden, daß eine Mannschastskrisis an Stelle der Munitions krisis eintritt. * Algiers Friedenssehnsucht. Aus Le Havre wird gemeldet: In allen algerischen Blättern kommt der Wunsch zum Ausdruck, man möge so bald wie mög lich Frieden schließen. Die wirtschaft liche Lage des Landes sei so bedenklich, daß eine Verlängerung des Krieges Algerien in bittere Not und Elend stürzen würde. Die einheimischen Deputierten ersuchten den Handelsmtnister Thomson, nach Algier zu kommen und sich persönlich von Lem schreck lichen Niedergang der Gewerbe tätigkeit zu überzeugen. Cm Fakrestag. Wie Erzherzog Franz Ferdinand den Krieg ahnte. Ein Jahr ist vergangen, seitdem in Serajewo das furchtbare Attentat auf den Thronfolger von Österreich verübt worden ist. Niemals hat ein Attentat ein so entsetzliches Gefolge gehabt, und wohl noch nie sind einem einzigen Toten die Geister der Menschheit in so grausigen Scharen gefolgt. Das Attentat in Serajewo war die eigentliche Veranlassung zu dem Kriege, die Ursache aber lag wohl tiefer, und schon lange war von dem Drei verband der Krieg geplant. Bereits im März hatten die Russen ihr Heer mobilisiert, und die Franzosen waren sckon seit dem Mai bereit. Erzherzog Franz Ferdinand hatte das Treiben des Dreiverbandes sehr bald erkannt und in weiser Voraussicht seinem Kaiserlichen Oheim in allen Entschließungen beigestanden. Verwundert nahm man in Petersburg und London, in Paris und Belgrad wahr, daß in Österreich ein Mann an der Spitze steht, der sich in keiner Weise hinter das Licht sühren lassen wollte. Dieser Mann war der damalige Thronfolger. Der greise Herrscher des Donau reiches hatte es gerade damals als sehr wohl tuend empfunden, eine junge Kraft neben sich zu haben, die ihm beratend zur Seite stand. Dabei war das Benehmen des Thron folgers von dem feinsten Takt diktiert, denn natürlich war Ler Posten, den der Erzherzog Franz Ferdinand hatte, nicht leicht. Aber Kaiser Franz Josef rief seinen Neffen selbst bei allen wichtigen Entscheidungen heran, denn nur zu bald hatte er erkannt, daß das Streben Les Erzherzogs nur darauf gerichtet war, Österreich zu festigen und zu stärken. Der Kaiser vertraute wohl darauf, daß die Völker sein hohes Alter ehren würden, er selbst war ja friedliebend und ruhebedürstig nach all dem Schweren, Las er erlebt. Erzherzog Franz Ferdinand hingegen dachte unablässig daran, sein Land so zu rüsten, daß es für den Krieg bereit stände. Er hatte einen unfehl baren Blick für die Männer, die seines Ver trauens würdig waren, und er erkannte, ob jemand für den Posten geeignet sei oder nicht. Da freilich kannte er keine Rücksichten, denn das Wohl Les Landes stand ihm immer höher als die Freude oder das Wohl des einzelnen. Der Vertraute des Kaisers, der greise Feldmarschalleutnant Baron Bock, bekleidete damals das Amt eines Chefs des Generaistabes. Erzherzog Franz Ferdinand sah bald ein. Laß im Falle eines Krieges der Geist dieses alten Mannes nicht mehr hinreichen konnte, um ein Land zum Siege zu sühren. Er setzte Konrad v. Höhen- dorf als Chef des Generalstads ein, und die Armee hat damals gejubelt, als sie dies er fuhr. Denn man war sich über die Gaben dieses ungewöhnlichen Mannes auch damals klar, ehe die Kriegssurie noch das Land durch tobte. Für die Vermehrung der Flotte war der Erzherzog auf das Eifrigste besorgt, und er tat in jeder Hinsicht das, was das Heer eines Landes nötig hat, um sein Land verteidigen zu können. Erzherzog Franz Ferdinand wollte ein schneidiges Heer, Männer, die mit der Waffe umzugehen verstanden wie die Bundes genossen, denn er war sich wohl niemals im Zweifel darüber, daß ein künftiger Krieg Deutschland und Österreich Schulter an Schulter finden würde. Darum betonte er auch bei jedweder Gelegenheit die unvergleich liche Bündnistreue Kaiser Wilhelms, des treuesten Bundesgenossen, der jemals gelebt, und vor dem einst alle Völker, wenn der Augenblickshaß verebbt sein wird, sich neigen werden. Lange Jahre wirkte er im stillen darauf hin, und könnte er heute niederschauen aus Lem Reiche, aus Lem es keine Wieder kehr gibt, er würde stolz seine Truppen be trachten, die fast Unmögliches geleistet haben. In seinen Mußestunden lebte er glücklich und zurückgezogen auf dem Schloß Konopischt, widmete sich seiner Frau, der Herzogin von Hohenberg, seinen drei Kindern. „Sopherl", wie er seine Gemahlin nannte, war ihm die treueste Beraterin, und wenn er sich nach dem Herzen Böhmens, nach Konopischt zuräckzog, dann sprach er nicht selten mit seiner Ge mahlin von den Möglichkeiten eines Krieges, den er voraussah. Im Falle eines Feldzuges war ihm Ler Oberbefehl gegen die Serben staaten zugedacht, über ein einheitliches Heer, wie die Wirklichkeit es beschert hat. Er fiel von ruchloser Mörderhand, im Frieden, da weder Deutsche noch Österreicher an einen Krieg dachten, viel weniger ihn nahe sahen. Politische Kunäschau. Deutschland. * Ein Berliner Telegramm der .Frankfurter Zeitung' meldet: Der Besuch des Reichs kanzlers v. Bethmann Hollweg und des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes v. Jagow in Wien ist, wie man in hiesigen diplomatischen Kreisen annimmt, nicht veran laßt worden durch irgendwelche neuaufge- taüchte Fragen oder neuentstandene politische Situationen, sondern es handelt sich offenbar nur um Lie Fortsetzung von Be sprechungen, die schon seit längerer Zeit unter den verbündeten Mächten schweben. Es liegt nahe zu vermuten, Laß dazu auch die jenigen Mittel und Wege gehören werden, die notwendig und geeignet sind, den großen Anstrengungen, die die Mächte des Drei verbandes gegenüber den Regierungen der Balkanstaaten entfalten, wirksam ent gegenzuarbeiten. Schweden. * Das Blatt .Fremskridt', das wegen seiner nahen Beziehungen zu leitenden Konservativen bekannt ist, empfiehlt die Abhaltung einer Nordseekonferenz mit Teilnahme der drei nordischen Länder und Holland, um ge meinschaftliche Vorstellungen wegen des Unterseebootkrieges zu machen. Russland. * Reuter meldet, der russische Kriegs- Minister General Suchomlinow sei zurückgetreten. Über Paris erfährt .Svenska Dagbladet', daß der früher in Un gnade gefallens General Kuropattin zum Nachfolger des Kriegsministers Suchom linow bestimmt sei. Die Ursache zu diesem Ministerwechel sucht man in den russischen Niederlagen auf den galizischen Kriegsschau plätzen. Balkanstaaten. * Bei dem letzten Ministerrat in Bukarest erklärte der rumänische Ministerpräsident Bratianu, er sei entschlossen, jede Bewegung, Lie auf Lie Straße übergreife, zu verhindern. Er verwies bei Erläuterung der russischen Note darauf. Laß Lie Verhandlungen noch lange Zeit erfordern werden. Er beantragt« aus diesem Grunde, einen Teil des Heeres abzurüsten und den Soldaten längere Urlaube zu gewähren. Der Mi ni st errat st immte dem Anträge zu. Gleiches M1Z. Ss Roman von A. L. Lindnee. «Fortsetzung.) „O durchaus nicht. Es handelt sich sogar um eine langbekannte Geschichte. In der Familie Dornen sind nämlich seit drei oder vier Generationen alle ältesten Söhne sehr jung gestorben." „Vermutlich irgendeine erbliche Belastung." ,Na, das kann man gerade nicht sagen. Es handelte sich immer um akute Krankheiten oder um Unglücksfälle. Dieser Kadett kam auf der Entenjagd zu Schaden. Nein, die Sache ist viel romantischer. Irgendein Groß vater mit X „Ur" davor — soll einst den Sohn eines Eingesessenen überritten und der Vater des Kindes einen Fluch ausgestoßen haben, daß in der Familie des Reiters alle ältesten Söhne künftighin ein Ende mit Schrecken nehmen sollten. Aber das ist natürlich blanke Erfindung, so was gibt's ja gar nicht. Man muß sich wirklich schämen, heutigen Tages solch Ammenmärchen weiter zu erzählen." Ein unmutiger Zug glitt überOldenS aus drucksvolles Gesicht. „Natürlich handelt es sich um einen Zu fall, das ist ja ganz selbstredend. Niemand könnte etwas anderes annehmen. Käme der artiges in einer Arbeiterfamilie vor, so würde kein Mensch ein Wort darüber verlieren. Ich habe noch nie gehört, daß Gespenster in einem Dorfhause umgegangen wären, die finden sich nur in alten Schlössern." „Sie mögen recht haben," sagte Frau von Knorring lächelnd, „und dennoch — seltsam ist und bleibt diese Dornensche Geschichte. Ich für meine Person möchte übrigens lieber das Walten eines selbst unerbittlichen Rächers, als eines so böswilligen Zufalls annehmen." Heinz von Kruse warf dem Professor einen Blick zu. Frau von Knorrings Vorliebe für Familtengespenster, romantische Unbegreiflich keiten und ähnliches war bekannt und wurde allgemein beschont, aber Olden verstand den Blick nicht. „Gnädige Frau, Sie können unmöglich ein paar im Affekt ausgestoßenen Worten irgend welche, geschweige denn so fortwirkende Kraft zutrauen. Dem Schuldigen wird sein.eigenes Gewissen auch ohne Verwünschungen die Hölle schon heiß genug gemacht haben, und was seine Nachkommen anlangt —" Klara Ullinger hatte bisher geschwiegen und mit nervöser Hand am Griff ihres Sonnenschirmes gespielt. Jetzt richtete sie den Kopf auf. „Wenn man eine über der Erde waltende Gerechtigkeit annimmt, so sehe ich nicht ein, weshalb der Schmerzensschrei eines mutwillig Zertretenen nicht dis Macht haben sollte, sie wach zu rufen. Nur wer das eine leugnet, kann auch das andere bestreiten." Ihr Atem ging schnell und ihre Augen blitzten. Es lag etwas in ihrem Gesicht, das es für den Augenblick völlig verändert er scheinen ließ. Frau von Knorring mochte finden, daß ein so wenig erquickendes Thema lange genug auf dem Tapet gewesen sei, sie wandte sich an den jungen Weber und lenkte mit ein paar geschickt gestellten Fragen die Unterhaltung in ein anderes Fahrwasser. „Was in aller Welt ist denn Don Diego in die Krone gefahren?" dachte Heinz von Kruse. „Ist das eine Art und Weise, eine Dame anzustarren?" Der Professor hatte sich etwas vorgebeugt und seine Augen hefteten sich auf Klara Ullingers Gesicht mit einem sonderbaren, halb erschreckten, halb forschenden Ausdruck. Die junge Dame war indessen zu sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, um es zu bemerken. Dann schüttelte er flüchtig den Kopf, gab seiner schlanken, sehnigen Gestalt einen sichtlichen Ruck und stand auf. „Ich fürchte, ich muß mich jetzt empfehlen," sagte er mit einem Blick auf die Uhr. Von Rechts wegen müßte ich jetzt schon in der Klinik sein." „Ich denke, wir gehen auch bald," meinte Frau von Knorring. „Auf die Länge scheint es mir hier etwas kühl zum Sitzen, aber warten Sie ja nicht auf uns, lieber Professor. Ich könnte das Ihren Patienten gegenüber nicht verantworten. Wie ist es übrigens, können wir am Donnerstag wieder auf Sie rechnen?" Olden küßte ihr die Hand. „Ich werde sicher nicht verfehlen, wenn Sie gnädigst gestatten," sagte er mit tiefer Ver beugung. Klara Ullingers Züge trugen schon wieder den gewohnten, ruhig zurückhaltenden Ausdruck. „Mein gnädiges Fräulein, ich habe die Ehre," sagte der Professor. Es klang etwas zerstreut, und er schien kaum zu wissen, wie lange er ihre Hand eigentlich festgehalten hatte. Seine Augen forschten schon wieder in ihrem Gesicht, als wolle er eine Ähnlich keit feststellen oder eine Erinnerung aufirischen. „Ganz Don Diego," flüsterte Heinz seiner Schwester zu, während er Olden nachblickte, der die Allee hinabschritt mit Lem halb düsteren, halb abwesenden Blick, der ihm zu seinem Spitznamen verhalfen hatte. Was aber auch immer seine Gedanken sein mochten, er hatte fürs erste keine Zeit, ihnen nachzuhängen. In seiner Klinik erwartete ihn ein volles Maß von Arbeit. Ein gestern erst vom Star Operierter hatte sich sw erregt und ungebärdig benommen, daß der Er folg der ganzen Operation in Frage ge stellt schien;'neue Patienten, die untersucht werden mußten, waren angelangt und die alten warteten auf seinen Besuch. Außer dem stand noch eine Anzahl teils leichterer, teils schwererer Operationen auf dem Pro gramm. Es waren anstrengende Stunden, und der Abend dämmerte bereits, als er sich endlich in seine Privatwohnung begab. Aber auch jetzt gab es noch keine Ruhe für ihn. In seinem Arbeitszimmer hatte der Diener die Vorhänge herabgelassen und die Lampe auf dem Schreibtisch angezündet. Dort stand sie und beschien wie schadenfroh einen ganzen Berg von großen und kleinen Briefen, von Postkarten und Zusendungen aller Art. Der Professor ließ sie Lurch die Finger gleiten, um ihre ungeheure Anzahl zu taxieren, „Mehr als je," sagte er mit halbem Seufzer, „und das will womöglich alles umgehende Antwort haben. Na, wir müssen sehen — über sein Können hinaus kann man niemand zwingen." Er vertauschte seinen Rock mit einer be quemen Hausjoppe und ließ sich dann «n dem Drehstuhl am Tische nieder. Der Diener kam
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