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Ottendorfer Zeitung : 24.01.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-01-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191501246
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19150124
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19150124
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-01
- Tag 1915-01-24
-
Monat
1915-01
-
Jahr
1915
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 24.01.1915
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dm äen Trillen Ozean. Die Beherrschung des Stillen Ozeans, auf die Amerika und Japan Anspruch erheben, ist zum großen Teil ein Ringen um den Einfluß in China, das neben den Ver. Staaten das größte am Stillen Ozean gelegene Staatsgebiet ist. Die .friedliche Beherrschung des Stillen Ozeans", die der frühere Präsident Roosevelt als die Aufgabe der amerikanischen Politik erklärt hat, ist durch die Festsetzung Japans in China, die nach dem Raube Kiautsckous erfolgt ist, mehr denn je in Frage gestellt, und sie wird für die Ver. Staaten wohl nur um den Preis blutiger Kämpfe zu erreichen sein, die den Amerikanern über kurz oder lang von dem gelben Nebenbuhler aufgezwungen werden dürsten. Wie stark Japan bereits Amerika in seinen chinesischen Wünschen und Be strebungen gehemmt hat, das beweist die Geschichte der letzten zehn Jahre. Man hat in den Ver. Staaten erst spät die japanische Gefahr erkannt und sie selbst heute noch nicht in ihrer ganzen Ausdehnung begriffen. Während des russisch-japanischen Krieges standen die kleinen Japaner beim amerikanischen Publikum in höchster Gunst, und der Bringer des Friedens zwischen den beiden Mächten, Roosevelt, war sich augen scheinlich der verhängnisvollen Folgen nicht bewußt, die Amerika aus der neuen Lage drohten. Die Japaner schienen zunächst vor Dankbarkeit überzufließen, obgleich sie inner lich empört waren, daß sie keine Kriegsent schädigung herausschlagen konnten; sie machten auch gifte Miene zu der Erschwerung der japanischen Einwanderung noch Amerika, aber in China wurden sie den Dankees bald sehr unangenehm. Obgleich die Chinesen in den Amerikanern nach wie vor ihre auf richtigen Freunde erblickten, wußten die aus dauernden und rührigen Javaner dennoch durch ihre „uneigennützigen Ratschläge" auf allen Gebieten in China den Amerikanern den Rang abzulausen. Der amerikanische Tabakstrust fand bereits das japanische Tabaksmonopol in China und ebenso erwuchs den amerikanischen Geldgebern der Eisenbabngesellschaiten durch Japaner ein siegreicher Wettbewerb. Zwar halte der amerikanische Eisenbahnkönig Harriman noch vor dem Portsmouther Frieden, der den russisch-japaniichen Krieg beendete, mit japa nischen Diplomaten einen Plan ausgearbeitet, der die gemeinsame Erwerbung der süd- mandschurischen Bahn sowie der damit in Zu sammenhang stehenden Kohlen-, Holz- und Bergbaugerechtsame bezweckte. Einen Monat nach dem Pourtsmopther Vertrage schloß aber Japan mit China ein Nachtragsaokommen zur Ausführung des Friedensoertrages in der südlichen Mandschurei und wußte durch List und Bestechung eine Menge von Geheimbe stimmungen durchzusetzen, die die Amerika zu- gesicherte „offene Tür" geradezu verschlossen. So führte denn Japan gemeinsam mit der chinesischen Regierung den Ausbau des süd- mandschurischen Eisenbahnnetzes aus. Das dazu nötige Geld .wurde in England auf gebracht, und Amerika kam so um die ersten Eriolge, die es auf dem Portsmouther Friedenskongreß hatte erringen wollen. Nicht bester ging es mit dem Plan der Errichtung einer großen mandichurischen Bank mit amerikanischem Kapital. Japan ließ diese Gründung nicht zu und setzte sich in der Mandschurei, die es nach dem Friedens- vertrage hätte räumen müssen, immer fester. Als die amerikanische Regierung dann 1808 eine Kundgebung ihrer Flotte durch einen Besuch in China plante, tuhr Japan da zwischen, indem es noch einen Tag früher als China eine amtliche Einladung nach Washington ergehen ließ, und auch die An knüpfung eines intimeren politischen Ver hältnisses zwischen China und den Ver. Staaten machte es zunichte, indem es mit Amerika das ziemlich inhaltleere sogenannte Root-Takahira-Avkommen schloß, in dem das Mächteoerhältnts im Stillen Ozean aner kannt wurde. So hatten die schlauen Japaner den mit den Ver. Staaten drohenden Konflikt hinaus geschoben und der Betrogene war letzten Endes China, das naturgemäß durch die Zurückhaltung des amerikanischen Freundes bitter enttäuscht war. Man hatte sich in Washington durch japanische Winkelzüge ver wirren lassen. Der republikanische Umsturz in China bot dann den Ver. Staaten eine neue günstige Gelegenheit zur Befestigung und Verstärkung der sreundlichen Beziehungen mit China. War doch der Sieg der republikani schen Idee im Reiche der Mitte nicht zum wenigsten dem höchst einflußreichen Wirken amerikanischer Missionäre zu verdanken. Amerika gewann dadurch außerordentlich an Volkstümlichkeit, und eine Folge davon war, daß die Standard - Oil - Company die ausge dehnten Olselder in den Nordprovinzen von Shansi und Chili erwerben konnte. Der Neid und die Wut der Japaner wurden durch diese offensichtlichen Vorteile Amerikas in China auss höchste gesteigert, und die Festsetzung der Japaner in der Provinz Shantung be deutet die Gegenmine dieser gelben Eroberer, die zwar Amerika die ungeteilten Sympathien der chinesischen Republik nicht streitig machen können, dafür aber durch das Mittel der rohen Gewalt ihre Ziele desto besser erreichen. In ganz Japan und nicht minder in den Ver. Staaten wie in China ist man über zeugt, daß der nächste Krieg entbrennen wird um die endgültige Beherrschung des Stillen Ozeans. Für diese Auseinandersetzung spart Japan seine Kräfte auf, um ihretwillen ver zichtet es auf die Entsendung von Truppen nach den europäischen Kriegsschauplätzen. In den Ver. Staaten aber wird die Menge derer immer größer, die schnell einen Waffengang mit den Gelben fordern, ehe Japan sich noch stärker machen, ehe es ganz China unterjochen und sich damit unbesieglich machen kann. Dieser große Kampf auf der andern Hälfte des Erdballes steht sicher nahe bevor, sein Be ginn ist nur eine Frage der Zeit. v. verschiedene Uriegsnachrichten. Von der mit. Zenjurbehörde zugelassene Nachrichten. Allgemeiner Angriff gegen Deutschland. Italienische Blätter melden angeblich aus zuverlässiger Quelle, daß die Mächte des Dreiverbandes jede auf ihrem Kriegs schauplatz und zur See in kürzester Frist eiye große gleichzeitige Unternehmung gegen Deutschland auszuführen gedenken. Dieser Vorstoß sei völlig vorbereitet. Dazu gehöre auch ein energischer Vorstoß der englischen Flotte gegen die deutschen Küsten. — (Es sind bekanntlich schon mehrere derartige Pläne zu Wasser geworden.) * Das besetzte französische Gebiet. Wie die »Braunschweigische Landeszeitung^ erfährt, waren am 1. Januar 1915 ins gesamt 2050 000 Hektar französischen Ge bietes boil Deutsche» besetzt und in über 1150 000 Heitar waren deutsche Zivil- Verwaltungen eingerichtet. Tas Rätsel der deutschen Reserven. Die unerschöpflich scheinenden deutschen Reserven besä ästigen die tranzösischen Fach männer unablässig seit Ausbruch des Krieges, und ein lebhafter Prestestreit ist darüber ent brannt. So veröffentlichte der .Temps' vor einiger Zeit einen ausführlichen Artikel, in dem an der Hand von statistischem Material nachgewiesen wurde, daß Deutschland Ende des Jahres 1914 noch über etwa 8 Mill, nichtetngezogener waffenfähiger Männer verfügte. Der Artikel erweckte die lebhafteste Kritik, und von anderer Seite wurden demgegenüber die deutschen Reserven auf höchstens vier Millionen geschätzt. In einer Erwiderung erklärt jetzt der .Temps', daß seine erstgenannte Ziffer sogar noch zu niedrig gegriffen sei und man die deutschen Reserven auf neun Millionen schätzen müsse. Zur Bekräftigung zitiert das Blatt einen Artikel der Turiner,Stampa', in welchem die deutschen Reserven sogar auf zehn Mil lionen angegeben werden! Vorsicht, immer Vorsicht! Diesen Mahnruf richtet eine englische Zeft tung an die verbündeten Heerführer. Es sei anzunehmen, daß die Deutschen wieder versuchen würden, die Linie der Verbündeten in Frank ¬ reich zu durchbrechen. Augenblicklich sei die Jahreszeit dafür ungünstig, aber man dürfe erwarten, daß sie die erste beste Gelegen heit dazu benutzen würden. Daher scheine es für die Verbündeten zweckmäßig, so vor sichtig wie möglich zu operieren, bis sie ihre volle Stärke erreicht hätten. General Joffre sei der rechte Mann für die gegen wärtige Lage. — Man merkt diesem hilflosen Gestammel noch immer den Schrecken über den deutschen Sieg bei Soifsons an. Verlufte der englischen Handelsflotte. Die südamerikanische ,La Plata Post" vom 15. Dezember dringt auf Grund amtlicher englischer Meldungen eine Zu sammenstellung der Verluste, die die eng lische Handelsmarine durch deutsche Kriegsschiffe erlitten. Die Angaben be ziehen sich auf die Zeit vom Beginn des Krieges bis z » m 5. Novembe r. Ins gesamt wurden in diesen drei ersten Kricgsmonatcn 153 Frachtschiffe ver nichtet. ^Darunter befinden sich 52 gröstere Dampfer mit einem Raumgchalt von zu sammen 243 992 Tonnen. Tie Weige rung der Engländer, das Privateigentum im Seekrieg zu schonen, hat also dazu geführt, daft ihrer eigenen Handels marine recht empfindliche Verluste zuge fügt wurden. * — Englische Blätter melden, daß die an die Familienhäupter gerichtete Aufforderung im ganzen die Anmeldung von rund dreihundert- taus end jungen Leuten ergeben habe, die sich bereiterklärten, bei der Armee oder bei der Flotte Dienst zu tun. — (Gemeldet haben sich ja schon mehrmals Hunderttausende, nur sind sie nicht eingetreten.) — Nach einer Meldung des Reuterschen Bureaus waren, als die Engländer am 14. Januar Swakopmund (Deutsch-Süd- westajrika) einna' men, die Gebäude der Stadt unbeschädigt, aber die elektrische Lichtanlage, der Landungsplatz, die Telegrophenkabel und die zu gehörigen Instrumente waren zerstört. — Die serbischen Behörden von Jstip beriefen alle militärflichtigen Türken dieses Be zirks zur Stellung. Diese entflohen jedoch und vereinigten sich mit einer starken türkisch-bul garischen Bande, die seit längerer Zeit die Um gebung von Jstip und Radowitza heimsucht. — Das.Osmanische Nachrichtenbureau' er fährt, daß die Bevölkerung der persischen Stadt Sine große Begeisterung für den Krieg an den Tag lege; die hierauf bezüglichen Fetwas seien am letzten Freitag in der Hauptmoschee der Stadt unter großer Begeisterung der Gläubigen verlesen worden. Auch aus anderen Teilen Nord persiens treffen Nachrichten ein, in denen von der Teilnahme der Kurden und anderer Eingeborenenstämme am Heiligen Kriege Mitteilung gemacht wird. Viele spenden Geld für den Krieg; die Frauen opferten ihre Ohr gehänge für diesen JweS. Vie k,age in Tüäafrika. Ein Amsterdamer Blatt teilt aus südafrika nischen und bothafreundüch gesinnten Blättern einen ausführlichen Bericht über den Prozeß und die Hinrichtung des aufständischen Kom mandanten Fourie mit. Der Kommandant, der mit großem Heldenmuts in den Tod ging, sagte in seiner hinreißenden Verteidigungs rede : „Ich bin ein geborener Transvaaler und bin unter republikanischer Flagge geboren. Ich kämpfte in dem letzten Kriege gegen die englische Regierung und wurde schwer verwundet in ein Lazarett gebracht. Ich wurde als verwundeter Gefangener von einem englischen Osfizier mit dem Revolver blau geschlagen. Ich bezwang mein eigenes Gesühl, in der Hoffnung, daß die Engländer mit uns zusammenwirken würden, um ein glückliches Südafrika zu schaffen. Dieser Zu stand hat einige Jahre gedauert, und meine Über zeugung ist, daß, wenn die Engländer die Ge legenheit hatten, das Empfinden der Afrikaner zu kranken, sie es mit Vergnügen taten. Gott weiß, daß sie mich oft in meinem Herzen kränkten. Als die Rede war von dem Kriege gegen Deutsch-Südwestafrika, war ich dagegen, weil ich nicht einfehen konnte, weshalb unsere Regierung den Krieg gegen Deutschland erklären sollte, das uns nichts Böses getan hatte. Ich konnte nicht einsehen, weshalb unsere jungen Männer kämpfen sollten, um die Ehre Englands hochzuhalten. Wenn wir uns des Mordes von Slachtersnek er innern, des Mordes am Blutfluß in Natal, des Mordes in Pietretief, den Kastern unter An führung englischer Offiziere vollbrachten, wenn ich an die 30 000 Frauen und Kinder denke, die hin» gemordet wurden, sehe ich nicht ein, weshalb ich für Englands Ehre eintreten sollte. Ich weiß, daß die Regierung mich als Re bellen betrachtet und über mich enttäuscht ist. Auch ich bin über die Regierung enttäuscht, die ich aufrichten half, für die ich mein Blut geopfert habe. Man spricht von gleichen Rechten. Letzten 10. Oktober ging ich nach dem Opernhaus zur Gedächtnisfeier für Präsident Krüger und hörte statt einer Rede über sein Leben faule Schelt worte, und während ein Geistlicher das Eröff nungsgebet sprach, wurde „Heil England" ge sungen und die Damen auf der Bühne mit faulen Eiern beworfen. Wenn das englische Gleichheft ist, so will ich darunter nicht leben. Es ist mir eine größere Ehre, hier als Gefangener zu stehen, denn als Offizier in der englischen Armee." In Kreisen, die Südafrika kennen, ist man sich darüber einig, daß der Aufstand so bald nicht erlöschen wird. Die größte Milde gegen Dewet und Genossen würde den Fehler, den Botha und Smuts mit der Hinrichtung Fouries begingen, nicht gutmachen können. Der Heldenmut, mit dem Fourie in den Tod ging, werde seinem Lande und dem Burenelement mehr nützen, als der hartnäckigste Widerstand gegen Bothas Politik es vermochte. Süd afrika ist unheilbar in zwei Gruppen gelpalten, die nicht aushören werden einander zu be kämpfen. ehe nicht Englands Oberhoheit ab geschafft ist. PolMcke Kuncklwau. Deutschland. * Der Herzog und die Herzogin von Cumberland haben im Gmundener Schloß ein Heim für Verwundete geschaffen. In einem Gespräch mit einem Wiener Journa listen erklärte der Herzog: „In dem gegen wärtigen Kriege fühle ich mich selbst verständlich als Deutscher, der ich ja von Geburt bin, und ich kann nur hoffen, daß der Krieg der verbündeten Armeen, der wahrlich keine leichte Aufgabe stellt, bald mit dem Siege für diese enden wird." "Der in Stockholm beglaubigte deutsche Gesandte v. Reichenau ist für einige Wochen nach Wiesbaden gereist, um sich einer dringenden Kur zu unterziehen. Die Stockholmer Presse wünscht seine baldige Wiederherstellung mit dem Hinweis, es könnte in den folgenden Monaten die politische Lage vielleicht derart sein, daß sie die stete Gegen wart des Gesandten erfordere. * Über den Arbeitsplan des preußischen Landtags, der im Februar zusammentritt, haben im Ministerium des Innern Besprechun gen mit den Führern aller Fraktionen statt- geiunden. Sie haben sich aus das erstreckt, was man „Burgfrieden" nennt, das heißt Verzicht auf parteipolitische Auseinandersetzun gen in diesen Kriegstagungen. Es wird jeher Partei in der zu bildenden erweiterten Budget- kommijsion Gelegenheit gegeben werden, ihre Ansichten und Wünsche Larzulegen. An parteipolitische Kämpfe oder scharfe Ausein andersetzungen im Plenum glaubt man nicht, sondern man nimmt an, daß diese allgemein vermieden werden. Italien. "Die Leitung der sozialistischen Partei, die in Florenz zusammengetreten ist, hat eine Tagesordnung zugunsten der Neutralität Italiens angenommen und beschlossen, in diesem Sinne eine lebhafte Propaganda zu entfalten und in ganz Italien Versammlungen auf den 21. Februar anzuberaumen. Balkanstaaten. * In dem Bukarester Blatte ,Seara' warnt ein Mitglied der Regierung Rumänien, sich in den Dienst der russiscken Inter - essen zu stellen. Es wäre Wahnsinn, die günstige Lage Rumäniens leichtsinnig auss Spiel zu setzen. Der halbamtliche.Vittorul' schreibt in demselben Sinne. Er erklärt, je mehr der europäiiche Krieg vorschreite, desto klarer zeige sich, wo Rumäniens Interessen liegen. Die Rumänen dürfen nur ihren eigenen Interessen dienen. ge- Karl von Carsten war zur Besinnung .. kommen und fragte sehnsuchtsvoll nach seinen Angehörigen, nach dem Ort, wo er sich be fände und nach tausend anderen Dingen, die einen mühen Geist beschäftigen, der nach langer Irrfahrt wieder in das bewußte Sein zurücklehrt. Er hatte jetzt die gesunde Hand unter seinen Kopf gestützt und sah seiner Pflegerin in die rätselvollen Augen. Sie legte lind und sanft die Hand auf seine heiße Stirn und bat ihn, sich wieder nieder zu legen. Gehorsam wie ein Kind ließ er sich von ihr in die Kiffen betten und schloß Lie Augen, die noch immer die Grauen der Schlacht sahen. Ganz behutsam strich der Hohenlindower Gutsherr über die Stirn des Ruhenden. Dann drückte er noch einmal die Hand der Pflegerin und wandte sich zur Tür. Edwin aber trat an das Lager und flüsterte ihr zu: „Sie werden noch heute die Stadt ver lassen. Wenn ich heute Nacht noch einmal meinen Bruder besuche, will ich Sie nicht mehr Wiedersehen." Sie neigte wie unter Rutenhieben das Haupt, als sie entgegnete: »Ich gehe, aber wir werden uns Wieder sehen." „Niemals!" .Bestimmt," beharrte sie. 6s braust ein R.uf. SOf Erzählung von Max Arendt-Denart. cserpetzung.) Als die beiden über den Marktplatz schritten, wies der alte Herr auf ein paar Soldaten, die eiligst vorüberliefen. „Sie sind von den Einundvierzigern," sagte er. Edwin schrak zusammen. Im heißen Er leben der letzten Stunden hatte er gar nicht daran gedacht, daß ja auch sein Bruder Ernst bei den Stürmenden gewesen sein mußte. Er halte sich soeben noch einmal mit der Begegnung beschäftigt, die er sich noch immer nicht erklären konnte. Seit er mit seinem Vater die Kommandantur verlassen hatte, fragte er sich immer wieder, wie das Weib, das er fern jenseits der Grenze glaubte, ihm gerade hier begegnen konnte, hier, wo er seine Nerven und seine ganze Kraft gebrauchte. Wie eine leise Reue befiel es ihn, daß er so Harle Worte zu ihr gesprochen hatte und wenn er sich auch sagte, daß sie ihn verraten, daß sie mit ihm gespiekt hatte, so konnte er sich doch die Tatsache nicht erklären, daß sie, das Kind aus verwöhntem Hause, Samariterin geworden war, daß sie die niedrigsten Dienste verrichtete, und daß sie sich ganz der Pflege seines Bruders gewidmet hatte. Konnte das nur geschehen sein, um ihm zu schaden, konnte das geschehen sein, um der Sache des Vaterlandes zu schaden. Und je ruhiger er sich diese Frage vorlegte, je mehr er sich bemühte» sie sich mit Ja zu beantworten, je eindringlicher rief ihm eine innere Stimme ein Nein zu. Aus solchem Zwiespalt riß ihn jetzt der Vater. Er winkte den Soldaten und fragte sie nach Lem Oberleutnant Carsten. Keiner der beiden Leute wollte mit einer Antwort heraus. „Na, Kinder, wißt ihr nicht, wo euer Ober leutnant ist?" „Zu Befehl!" „Na also, dann raus mit der Sprache." „Oberleutnant von Carsten vom ersten Zuge ist nach dem Sturm auf die Vorstadt vermißt gemeldet." Edwin von Carsten winkte ab. Er reichte seinem Vater schweigend die Hand. Das sollte ein Trostwort erfetzen und war doch nur das Zeugnis eines ungeheuren Schmerzes. Sie sprachen kein Wort, als sie jetzt die Treppen zu Ler alten Wohnung Edwins Hin aufstiegen. Es war noch alles unverändert. Da stand noch auf der niedrigen wackligen Kommode das Bild Amelies, auf dem Schreibtisch lag noch der angefangene Brief, den Edwin an seinen Vater hatte schreiben wollen, als nachts der Befehl zum Ausrücken gekommen war. Hier warf sich der alte Herr auf bas Sofa und ein schweres Stöhnen gab Kunde von seinen inneren Schmerzen. Der junge Offizier versuchte nicht, den Vater zu trösten. Er wußte sehr wohl, daß der sich schnell wieder fand, wenn er seinem Schmerze einen Augen blick freien Lauf gelassen Haden würde. „Edwin, ich werde hier bleiben, bis ich der Mutter Nachricht von ihren Jungen bringen kann," sagte er endlich. „Die beiden Zimmer stehen dir selbstver ständlich zur Verfügung, Vater, nur, meine ich. Laß du vielleicht lieber Lie Erlaubnis er ¬ wirken solltest, Karl nach Hause zu nehmen. Es ist doch immerhin möglich, daß er hier nicht die nötige Ruhe hat." Der Hohenlindower sah seinen Jüngsten überrascht an. Es klang da etwas aus seinen Worten, über besten Bedeutung er sich nicht gleich ganz klar wurde. „Ich meine," ergänzte Edwin, „daß hier an der Grenze doch immerhin Lie Möglichkeit be steht, Laß —" „Gut, mein Sohn, ich danke dir. Jetzt verstehe ich schon. Glaubst du. daß wir mit ihm in der Heimat auf Hohenlindow sicher sein werden?" „Das glaube ich bestimmt annehmen zu dürfen. Ich habe allerdings auch keine dienst lichen Andeutungen darüber, ob sie hierher noch einmal wiederkommen können. Aber die unmittelbare Nähe Belforts macht es doch beinahe zur Gewißheit, daß sie immer wieder versuchen werden, mit starken Streitkräften hier durchzubrechen." „Ich werde also sofort die nötigen Schritte tun." Von der Straße her erschollen in diesem Augenblick langgezogene Trommelsignale und in der Ferne verklang Trompetenklang. „Alarm, Vater, ich muß weiter. Auf Wiederfehen." Der Hohenlindower Gutsherr umarmte seinen Sohn in einer ihm sonst fremden Rüh rung. „Verzeih mir," stieß er hervor. Edwin umarmte den Alten und eilte hinaus.
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