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Ottendorfer Zeitung : 15.01.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-01-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191501152
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19150115
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19150115
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-01
- Tag 1915-01-15
-
Monat
1915-01
-
Jahr
1915
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 15.01.1915
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Ve utschlands Zeinde im Westen. Gedanken eines Neutralen. Der Pariser Mitarbeiter der .Neuen Zürcher Zeitung' bestätigt, daß die belgische Armee in furchtbarer Weise gelitten hat. so daß sie als vernichtet gelten kann. Die Reste der aus Antwerpen entkommenen belgischen Armee kämpfen auf dem kleinen belgischen Landstreifen am Meer, der von den Deutschen nicht besetzt werden konnte. Der kampffähige Bestand der belgischen Armee wird sorgfältig geheimgehalten, um den Anschein zu erwecken, er sei bedeutend: in Wirklichkeit soll er kaum 30 000 Mann übersteigen trotz der Anstren gungen der belgischen Regierung. Die Belgier. Lie noch nicht eingestellt sind, scheinen keine große Leidenschaft für den Militärdienst zu besitzen: denn aus dem nicht besetzten Belgien und aus England meldet sich niemand. Die Armee der Engländer in ivrankreich habe, so bemerkt der vortrefflich unterrichtete Berichterstatter. 200 000 Mann nie überstiegen, eher sei sie unter dieser Zahl geblieben. Eine gut unterrichtete Persönlichkeit versicherte, daß niemals mehr als 60 000 Engländer an der Front gewesen, diese aber fortwährend durch frische Truppen adgelöst worden seien, so daß die Armee immer im Vollbesitz ihrer Schlagfertigkeit geblieben sei. Sie kämpften gewissermaßen in drei Schichten. Die Zahl der Inder, Ghurkas und Sikhs, von denen die letzteren sehr unter dem Klima litten, schätzt er auf 30 000 Mann. Tag für Tag landeten neue englische Truppen in Frankreich. Ab teilungen der in der Bildung begriffenen Armee Lord Kitcheners. Immerhin handle es sich vorläufig um die bloße Ausfüllung der großen Lücken, auch Teile der weißen Truppen in Indien würden nach Europa gebracht. Die erste bedeutende Gruppe der Armee Lord Kitcheners, etwa 200000 Mann, erwarte man nicht vor März. Einstweilen richten sich die Engländer in Frankreich häuslich ein. Besonders in Rouen und Orleans seien große englische Lager er richtet worden. Hier befänden sich die zwei großen Niederlagen der englischen Armee in Frankreich, und in beiden Städten habe sich eine Menge englischer Osstziersfamilien nieder gelassen und die Wohnungen im allgemeinen auf drei Jahre fest gemietet, was ein An zeichen wäre, wie man in Milttärkreisen die Kriegsdauer einschätze. Der Journalist er wähnt. daß den Franzosen das Warten bis zur Ankunft neuer englischer Hilfskräfte schwer falle, und daß die langsame Art der Eng länder nicht überall Beifall finde. Man werfe ihnen gelegentlich auch vor. daß sie gar nicht alle Kräfte einzusetzen gedächten, um im Augenblick der Friedensverhandlungen nicht erschöpft zu sein. »Die Engländer sind es. die den Frieden diktieren werden," hörte der Berichterstatter mit einiger Bitterkeit einen alten französischen Diplomaten sagen, der beim Friedensschluß leicht wieder ans Ruder kommen könne. Gegenwärtig befindet sich die englische Armee an der Front zwischen Ppern und La Bassöe. Zur Zeit der Schlacht von Charleroi habe zwischen den Oberkommandos der französischen, englischen und belgischen Armee mangelndes Einverständnis geherrscht, jetzt stehe außer Zweiset, daß die Oberleitung der Operationen General Joffre obliege, der sich mit Feld marschall French und dem Könige der Belgier in allen Fällen verständige. ^on unct fern. Tod des kubanischen Gesandten in Berlin. Infolge Herzschlages starb der kuba nische Gesandte am Berliner Hose Dr. Gon zalo de Quesada. Marchese de Quesada ver trat die kubanische Regierung seit dem Jahre 1910. Wahrscheinlich wird die Leiche nach der Heimat übergesührt werden. Das Eiserne Kreuz an fünf Söhne und zwei Schwiegersöhne verliehen. Der seltene Fall, datz die Auszeichnung mit dem Eisernen Kreuz an sünf Söhne und zwei Schwiegersöhne erfolgt, hat sich in der Familie des Okonomierats Walzer in Zoppot ereignet. Die ehrenvolle Auszeichnung erhielten: der Königs. Domänenpächter. Rittmeister d. R. im Ulanenregiment Nr. 12 Alfred Walzer; Ritt meister bei den 1. Leibhusaren Julius Walzer; Regierungsassessor. Leutnant d. R. im Ulanenregiment Paul Walzer; Rittmeister im Ulanenregiment Nr. 8, kommandiert zur Leibgendarmerie Kurt Walzer (dem der Kaiser das Eiserne Kreuz persönlich überreichte); Rittergutsbesitzer Leutnunt d. R. im Ulanen regiment Nr. 12 Karl Walzer: König!. Do mänenpächter. Hauptmann der Landwehr- Feldartillerie Paul v. Schack-Kirschenau und König!. Domänenpächter. Oberleutnant der Landwehr-Feldartillerie Walter Holtz-Frödau. Kriegsbrot in Bahnhofswirtschaften «nd Speisewagen. Der preußische Eisen dahnminister hat verfügt, daß in den Bahn hofswirtschaften fortan nur noch Kriegsbrot zur Ausgabe gelangen soll. Anstatt der üb lichen belegten Weißbrötchen soll nur noch belegtes Kriegsbrot ausgelegt werden. Nur auf besonderes Verlangen kann Weißbrot verabfolgt werden. Dieselbe Verfügung findet gleitung zweier Lehrer eine Skitour in Richtung Parsenhütte oberhalb Davos. Die erste Abteilung geriet in eine Rutschlawine und wurde verschüttet. Die zweite Abteilung begann sogleich unter Mithilfe einer Rettungs mannschaft die Bergungsarbeit. Alle Ver schütteten, bis auf einen, konnten ausgegraben werden. Einer der Ausgegrabenen war tot, ein zweiter starb auf dem Transport. GeriMskalle. Dortmund. Unter der Anklage des Kriegs- oerrats stand der aus dem Oberelsaß gebürtige 30 jährige Ersatzreseroist Emil Keßler vor dem Kriegsgericht. Er hatte für vierzehn Frank seine Zivilkleider mit der Uniform eines französischen I Landwehrmannes vertauscht und war gegen fein eigenes Vaterland ins Feld gezogen. Für dieses verwerfliche Tun erhielt er elf Jahre Zuchthaus und zehn Jahre Ehrverlust zuerkannt. Aus äem Kerlmer ^eugkaule. /ATr.' oi-z» <?e>L z°Lz/)z^sv ZH 742, als ZzcÄ> zz, o'e-z- /kaock oizz^d kEv 6z-soak/5bc/A Lez-/L/)/77e/>tz»k' «vczzE, o/>z?e c/sz? Fo/üirtsz? e'ezo/e^ezr.. cksns/>z», oivzvd ov/Bzi Ln/z^e^ FvwFAzBdsr ck'ezSboSFzhA az, <7<?z- zNa/i^az,^ nr/z-atz ovz- zNaz,gs/ atzzAsz-z'/Az,, -Zze>- zz, osz> Zkaz^zvoz» Lz-L>/'zKs^/cHez, ^SQtzSzL^ c/ez- Zz-a^sz? obs t^e^s-z-ss »vezz-aZs zzzädr p'SzVeAt. Die beistehenden Abbildungen zeigen einige den Sammlungen des Berliner Zeughauses ein- gefügte Neuerwerbungen, die aus den letzten Monaten des jetzigen Krieges stammen. Zu ihnen gehören u. a. die Reste eines russischen Fahnen tuches vom Sweningorodschen Infanterie-Regi ment Nr. 142. Man sand dieses Tuch, das nach russischer Gepflogenheit mit prachtvollen Sticke reien und Malereien verziert ist, auf Grund einer Anzeige bei einem in Gefangenschaft ge ratenen russischen Offizier, der die Trophäe in seine Uniform eingenäht hatte, um sie vor der Eroberung zu retten, weil in Rußland jedes Regiment, das nicht wenigstens einen Teil der Fahne nach dem Kriege wieder in die Garnison bringt, zehn Jahre lang ohne Feldzeichen bleiben muß. Der dazugehörige Fahnenstock, der von Truppenteilen unseres ersten Armeekorps erobert worden ist, befindet sich schon seit einiger Zeit im Zeughaus. Er ist mit zwei prächtigen Erinnerungsbändern geschmückt, außer dem befindet sich an der Fahnenstange das gelb schwarze Band des St.-Georgs-Kreuzes mit zwei silberdurchwirkten Quasten. Der Fahnenring verzeichnet einige Daten aus der Regiments geschichte, aus denen z. B. heroorgeht, daß das Regiment, das früher Jalutskijches Musketier- Regiment hieß, sich im Krimkriege bei den Kämpfen von Sebastopol hervorgetan hat. auch Anwendung auf die Eisenbahn-Speise wagen. Ein Opfer seines Berufs. Nach kurzer Krankheit starb in Berlin der Chirurg Geh. Medinalrat Prof. Dr. Otto Sprengel. Oberarzt am Herzoglichen Krankenhaus in Braunschweig. Er hatte sich bei einer Ope ration eines Verwundeten eine Blutvergiftung zugezogen. Verschickung eines deutschen Arztes narb Sibirien. Der Hamburger Arzt Dr. A. Henneberg ist. nachdem er Mitte Novem ber in russische Kriegsgesangenschaft geraten war, nach Sibirien verschickt worden. Dieses Verfahren bedeutet eine Verletzung der Genfer Konvention. Das Auswärtige Amt in Berlin ist ersucht worden, sich für die Freilassung des Arztes zu verwenden. Lawinensturz in der Schweiz. Von Davos aus unternahmen 22 Schüler in Be- Zweibrücken. Der 38 Jahre alte Ackerer Friedrich Heinz und fein 21 jähriger Dienstknecht Armbrust hatten am 1g. Juni v. Js. den Ackerer Franz.Walter, Schwiegervater des Heinz, auf dem Wege von Zweibrücken nach Niederkirchen nachts Überfällen und ihn solange mit Bell und Hammer bearbeitet, bis sie ihn für tot hielten. Heinz hatte früher schon seinen Knecht unter allerlei Ver sprechungen (3000 Mark, später 8000 Mark) zum Morde an seinem Schwiegervater angestiftet. Die Angeklagten leugneten nach ihrer Verhaftung zu nächst entschieden die Tat, der Dienstknecht Arm brust legte dann aber ein offenes Geständnis ab. Heinz dagegen bestreitet die Tötungsabsicht und die Anstiftung des Armbrust. Die Strafkammer, die sich jetzt mit der Angelegenheit zu beschäftigen hatte, verurteilte Heinz zu neun Jahren Zuchthaus und Armbrust zu zwei Jahren sechs Monaten Zuchthaus. Toulouse. Vor dem Kriegsgericht in Toulouse standen vier mobilisierte französische Eisenbahner, die aus den Zügen eine große Zahl von Feld ¬ postpaketen gestohlen hatten. Die Angeklagten erklärten zu ihrer Entschuldigung, daß die meisten der von ihnen gestohlenen Pakete für deutsche Kriegsgefangene bestimmt gewesen wären. Das Gericht verurteilte zwei der Eisenbahner zu sünf und zwei zu sechs Monaten Gefängnis. Kaiser Mlkelm im feläe. „Ein solcher Kaiser ist ein halber Sieg." Zwischen dem Kaiser und dem Heere hat sich durch den Krieg ein noch innigeres Band geknüpft, wenn dies überhaupt möglich ge wesen ist. Die Anwesenheit des Kaisers auf dem Kriegsschauplatz ist jedenfalls dazu an getan, aus jedem Mann das letzie an Ent schlossenheit und kühner Tatkraft herausmbolen. Überall, wo der Monarch zu seinen Truppen kommt, herrscht bei den Mannschaften eine Begeisterung, die in erster Reihe durch die Kameradschaftlichkeit des Kaisers hervorge rufen wird. Der Kaiser ist im Felde ganz Soldat, wie jeder andere. „Einfach, zu Fuß. den vielen Autos durch den Straßenfchmutz folgend, begegneten wir, hoch zu Fuß, unserem obersten Kriegsherrn. Die meisten Inhaber des Eisernen Kreuzes sprach er an, drückte ihnen die Hand oder rief ihnen ein aufmunterndes Wort zu." So lautet die Schilderung eines Feldgrauen, der zufällig mit seiner Schwadron dem Kaiser in der Nähe des Schlachtfeldes begegnet war. An allen Freuden und Leiden der Soldaten nimmt der Kaiser teil. Es wurde schon gemeldet, daß für ihn das Kriegsbrot gebacken werden muß. Aber alle, die irgend wie zu beobachten Ge legenheit hatten, wissen, daß der Kaiser auch mit großer Vorliebe sein Essen aus der „Gulasch-Kanone" bezieht. Jüngst wurde von einem Soldaten be richtet, daß der Kaiser, der an einer Gulasch- Kanone vorüber kam. sich eine Kostprobe reichen ließ. In diesem Falle tat er es jeden falls nur. um sich selbst von der Beschaffenheit des Essens sür unsere Krieger zu überzeugen. Aber davon abgesehen, läßt er sich stets aus einer Gulasch-Kanone beköstigen, wenn eine solche gerade zu haben ist. Auf alle Mann schaften, die mit dem Kaiser jetzt natürlich öfter als im Frieden zusammen kommen, wirkt besonders der Ernst und die Festigkeit seines Gefichtsausdruckes. Auch darüber finden sich in Feidpostbriefen massenhaft schriftliche Zeugnisse. Eines von den vielen sei hier an geführt. Nachdem der Briesschreiber von den Beschwerlichkeiten des durch Regen aufge- . weichten Wiesenweges erzählt hat, auf dem ' der Kaiser nur langsam vorwärts kam, er zählt er: „Es sind alles Märchen, die von alt und grau geworden sprechen; ich wünschie mir nur einen Teii seiner Kraft. Ich glaube, ich sah nie so ein energisches, starkes und festes Ge sicht. Ein ganzer Herrscher! Wilhelm, der Sieger! Dabei schmaler, stolzer im Profil, als jedes Bild bisher mir zeigte. In Berlin hörte mein Bruder einst ein Wort nach des Kaisers erster Ansprache Ende Juli: „Ein solcher Kaiser ist ein halber Sieg." So denken wir alle!" Ein Manneswort. Ein Schlossergehilfe in einer Kasseler Fabrik, Gatte und Vater, hatte im Schützengraben einen Klagevrief seiner Mutter erhalten^ Darauf bekam die Mutter, deren zweiter Sohn gegen Rußland kämpft, folgende deutsche Antwort: „Liebe Mutter, Du schreibst, Du würdest wahnsinnig, wenn mir etwas passierte. Potz Bomben und Granaten! Dafür sind wir im Krieg. Wir fürchten uns vor dem Tode nicht. Denn unser Schicksal liegt in Gottes Hand und sein Wille geschehe, und da wird nicht gejammert und nicht gebarmt. Set stolz, datz Du zwei Söhne jürs Vaterland geben kannst. Oder ist's Dir lieber, wenn die Russen kommen und Deine Söhne sitzen Hinterm Ofen?" Ein heiratslustiges Dorf. 86 Jahre, 9 Atonale, 8 Tage alt war eine Braut, die im vergangenen Jahre in Griminen nach Aus weis der Kirchenbücher eine Ehe schloß. Wie alt der Bräutigam war, wird leider nicht an gegeben. Im Jahre vorher zählte die älteste Braut in Grimmen „nur" 84 Jahre, 6 Monate, der General, .^ch habe die herrlichen Tage von SennheiM, Mülhausen, Münsterol, Göllesberg und Metzeral mstmachen dürfen. Man jubelte uns zu." »Wie man allem neuen zusubelt. Die Schreier waren es und die Ehrgeizigen. Die ernsten Leute haben das Elsah verlassen, oder aber sie sind kühl geblieben, wenn sie nicht von unsern Truppen vertrieben worden sind. Die großen Helden aber alle, die uns die Er- Hebung versprochen, die uns durch ihr Auf treten in der Presse, in der Kammer dieses Landes und vor allem in öffentlichen Ver sammlungen in unverblümten Worten Hoff nungen erweckten, alle diese Schreier und Reklamehelden sind verschwunden, als sie inne wurden, daß sie dieses friedliche arbeitsame Volk hier verkannt hatten und daß sie vor allem den wunderbaren Geist nicht begriffen hatten, der in dem Volte diesseits der Vogesen lebendig ist. jener Geist, der den sich heftig befehdenden Parteien über Nacht be- lahl, eine eherne Phalanx zu bilden von Straßburg nach Memel und von Straßburg Schleswig. Dieses Deutschland ist un« »Endlich und Elsaß ist uns verloren, weil es deutsch geworden ist. Und wenn wir den Kamps jetzt magxn, so wird eines der beiden r verbluten, und ich fürchte sehr" — er Macy jetzt ganz leise, als fürchte er selber den Klang der eignen unerbittlichen Worte, — „daß wir untertiegen werden." Eine Werle lastete Schweigen über den sünf Menschen. Dann erhob sich General Sarrail und sagte zögernd: „Wir sind nicht ohne Bundesgenossen! Ich denke dabei weder an England noch , an Belgien. Ich hoffe auf Rußland! Die Masse -" „Wird ohnmächtig gegen den Geist bleiben," beharrte der Marquis. „General, wir lieben unser Vaterland und wünschen ihm den Sieg; aber ich fürchte, uns fehlt die feste Grundlage, von der aus wir dem Geschick trotzen können. Marokko! Das wäre etwas gewesen. Damals mußten wir losschlagen, und ganz Frankreich von Marseille bis Calais wäre entflammt. Da mals mußten wir, wie es unserm ritterlichen Geiste entsprach, sagen: Wir sind stärker als ihr. oder wir denken es zu sein. Macht uns Platz, oder kreuzt das Schwert mit uns!" »Ja." wandte der General ein» „damals war Rußland noch nicht fertig!" „Und heute müssen wir sür Rußlands Ver- slawungsgedanken streiten. Das uralte Lied von den verlorenen Provinzen klingt vielleicht noch durch die Träume einiger Bauern am Vogesenabhang, die Nation wird nicht mehr davon gerührt. Ich will nicht leugnen, daß unser Heer mutig und entschlossen ist. daß es bereit ist. die Scharte von damals auszu wetzen. aber unsere Bundesgenossen schläfern uns ein und kompromittieren uns nicht nur vor der Weltgeschichte, sondern auch, vor uns seiber." „Ich darf Sie nicht länger anhören. Mar quis ! Ich bin Soldat." „Gut, gut. General, die Diplomatie ist ohnehin mit ihrem Sprüchlein am Ende." „Aber eines darf ich noch versichern, Mar quis! Was die Stimmung im Elf atz anlangt, fo sind Sie im Irrtum. Ich seiber habe ge sehen, wie Frauen und sogar Kinder auf die deutjchen Truppen schossen!" „General, Begeisterung und Fanatismus ist zweierlei! Die fanatisierte Menge macht mit, wenn sie das Bluthandwerk sieht, begeisterte Menschen aber handeln anders. Mein Gewährsmann, Ler fünfzehn Jahre lang in Diensten der französischen Regierung das Land auf und ab bereist hat, berichtete mir, als er heute heimkam, Wunderdinge. Unglaubliches, Undenkbares ist Ereignis ge worden. Leute, die aus Schikane, nur zum Arger Ler Regierung französische Ladenschilder hatten und geflissentlich nur französisch sprachen, haben ihre Schilder durch deutsche ersetzt, sprechen nur noch deutsch und singen die „Wacht am Rhein" und „Deutschland, Deutsch land über alles!" Noch beim Vorstoß der Franzosen war in Kolmar alles in den deutschen Landesfarben geflaggt, gar nicht von Straßburg zu reden. Ja, General, in Deutschland bis zur Vogesenhöhe ist plötzlich alles wie geadelt von einem überpersönlichen, ist alles Persönliche durchglutet von einer tiefen und ehriichen Begeisterung. Der Krieg hat Wunder gewirkt. Der Fürst zieht neben dem Landmann, der Fabrikarbeiter neben dem Unioersitätsprofessor ins Feld. Der Tod hat keine Schrecken mehr, das Leben ist Sache des Vaterlandes — es ward im Lande der Germanen wieder eine Zeit aus Blut und Eisen!" „Sie reden in ehrlicher Begeisterung, Mar quis," sagte der Chevatier. „Ja, ich bewundere dieses Volk, das an der wachsenden Zahi seiner Feinde seine Widernandskraft gestählt hat. Ich bete, daß wir siegen möchten, aber ich sehe keine Vor bedingung für diese ungeheure Aufgabe. Wir werden für Rußland verbluten, wie wir vor hundert Jahren in Rußland verbluteten." „Niemals," rief der General, „das wird niemals geschehen, Marquis! Sie sind Menschen wie wir und nicht unüberwindlich. Englands Hilfsvölker und unsre afrikanischen Krieger, unser gewaltiges Heer und Rußlands Kosakenregimenier sollten nicht den Sieg davontragen über ein Volk, das wir einst bet Jena und Auerstädt aufs Haupt schlugen, das wir zerschmettert haben?" „Wir?" fragte der Marquis. „Nein, Gene ral! Unsere Armee vielleicht! Und der Führer von damals: aber unser Volk ist ein anderes wie das vor hundert Jahren. Wir sind Weltbürger geworden und haben darüber zuviel von der Scholle verloren, unsere Kultur ist überfeinert, während unser Gewissen robuster geworden ist. Was aber nutzt eine Armee, hinter der nicht das ganze Volk steht? In Paris jagen sie nach Ämtern und Würden, stürzen sie Kriegsminister und rufen verdiente Generale ab. wie es die Kliquenwirtschaft mit sich bringt. Uns fehlt die eiserne Disziplin, die nicht nur das Heer, sondern das Volk tüchtig macht." General Sarrail schwieg. Er trat zum Marquis und reichte ihm wortlos die Hand. Es war ein Verstehen und eine Bestätigung in diesem Händedruck. „Also bleibt die Armee unsere ganze Hoff nung : daran wollen wir um so sester halten." „Das wollen wir!" bekräftigte der Marquis. Chevalier d'Eströe hatte dem Diener ge winkt, der eine Flasche Wein brachte. »» r« (Fortsetzung sohM,
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