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Ottendorfer Zeitung : 01.01.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-01-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191501011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19150101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19150101
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-01
- Tag 1915-01-01
-
Monat
1915-01
-
Jahr
1915
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 01.01.1915
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Vivianis Phantasien. Die Pariser .Notkammer" hat ihre Sitzung hinter sich, sie hat, wie selbstverständlich zu er» warten war, die Forderungen der Regierung bewilligt und mit nicht endenwollendem Jubel die Erklärung des Ministerpräsidenten Viviani zur Kriegslage entgegengenommen, diese Er klärung, die an Phrasenschwall sich allen fran zösischen Kammerreden überlegen zeigt und deren innere Unwahrhaftigkeit nur übertroffen wird durch die maßlose Eitelkeit, die aus jedem Worte spricht. Für uns freilich wird diese Rede interessant nicht durch das, was sie über den Krieg und seine Begleiterscheinun gen mitteilt, als vielmehr durch das, was sie den fieghungrigen Franzosen verschweigt. Selbstverständlich mußte der leitende Staatsmann der Hoffnung auf Sieg Ausdruck geben: denn wenn die Regierung auch nur den geringsten Zweifel äußert, kann sie nicht erwarten, daß das Volk seine Zuversicht be hält, nur hätte der gute Geschmack Herrn Viviani davor bewahren müssen, kriegerische Ereignisse als französische Siege darzustellen, von denen jedes Kind weiß, daß sie schwere Niederlagen der Franzosen waren, wie die Schlachten an der Marne und in Lothringen: weise Selbstkritik hätte ihn davor schützen müssen, dem französischen Volke alle kriege rischen und friedlichen Tugenden beizulegen und den Feind auf Kosten dieser, Beweih räucherung zu verkleinern. Wenn nämlich der Minister von der un überwindlichen Tapferkeit der französischen Armee sprach, die seit fünf Monaten dem Ansturm eines mächtigen Feindes ungebrochen Trotz bietet, fo hätte ihn die einfache Wahr heitsliebe zwingen müssen, die Tatsache mit- zutetien, daß diese glorreiche unbesiegliche Armee, (die an der User, in den Argonnen, an der belgischen Grenze, in den Vogesen und in Lothringen wiederholt geschlagen worden ist) wertvolle Unterstützung durch die Dum - Dum - Geschosse der Engländer fand, daß Senegalesen, Kannibalen, Hottentotten, Kanadier, Sikhs und Gurkhas, Zulus und Zuaven, daß schwarze, gelbe und braune Leute, Geisterbeschwörer, Fetischoerehrer und Feueranbeter die Widerstandskrast dieser ruhmvollen Armee wesentlich stärkten. Und wie Herr Viviani die Tatsachen und Ereignisse mit Augen steht, die durch die Kriegspsychose getrübt sind, so daß sie nicht einmal erkennen, daß Südmarokko schon jetzt für Frankreich verloren ist, so vermag er auch geschichtliche Zusammenhänge nicht mehr richtig zu werten. Wie könnte er sonst, nach dem vor der gesamten Welt längst festgestellt ist, daß Deutschland bis zum letzten Augen blick um den Frieden bemüht war, behaupten, den Franzosen sei der Kampf aufgezwungen worden. Aber alle diese Entstellungen, falschen Behauptungen und Verdrehungen von Tat sachen waren in der Kammerrede nur zu- fammengetragen, um als Krone den Hinweis auf die „geraubten Provinzen" zu tragen. Viviani kennt seine Franzosen, er weiß, mit welchen Kulissenreißereien sie zu entzücken, zur Begeisterung zu entflammen und zum Offnen der Geldbeutel zu veranlassen stno. Die Blumenthal, Wetterlö, Weill und Hansi haben so oft das Klagelied der unterdrückten Provinzen gesungen, daß man in Frankreich ohne weiteres in das Lied einstimmt. Deutsch land hat Elsaß-Lothringen nicht etwa mit dem Recht des Schwertes erstritten, sondern hat es den harmlosen Franzosen geraubt, die nun nach 44 Jahren zum Schwert greifen, um das gestohlene Gut zurückzuholen. — Und unter dem Jubel der Kammer verkündet Viviani stolz, daß deshalb der Krieg ohne Gnade bis zur Befreiung der Provinzen und zur Be freiung Europas von Deutschlands mili tärischem Joch fortgesetzt werden soll. Um dieses Ziel zu erreichen, muß Deutsch land nicht etwa geschlagen, es muß vernichtet werden, sagt Herr Viviani; denn in Frank reich hat man aus den glorreichen Tagen Les ersten Napoleon nur die großen Worte als Erbteil einer rühmlichen Zeit beibehalten. Nun, wir können es getrost erwarten. Unser Land ist frei vom Kriege, wir halten zehn Departements Frankreichs und ganz Belgien, sowie einen namhaften Teil von Polen besetzt und können auch unsre Finanzkraft mit der Cs braust ein Auf. Erzählung von Max Arendt-Denart. lForis-tzung.) Chevalier d'EstrSe war fassungslos. Der wilde Leitenfchastsausbruch seiner Tochter schoß über ihn wie ein Strom dahin, gegen den er sich vergebens wehrte. Aber seine Er starrung währte nur wenige Augenblicke. Dann reckte er sich auf und zischte, ganz nahe am Ohr seiner Tochter: „Du wirst dich besinnen und noch heute dein Marquis dein Jawort geben. Du weißt, daß er uns verderben kann." „Und wenn er es tut?" kam es tonlos von des jungen Weibes Lippen. „Amelie!" Zum ersten Male nahm jetzt die weinende Mutter das Wort. „Wenn du schon nicht begreifen willst, daß es ehrlos ist, den Feind unseres Landes zu lieben, so bedenke wenigstens unsre» deine Zukunft. Marquis d'AIemdert hat uns die Bekannt schaft der Regierungskreise vermittelt, ihm ver danken wir es, daß uns die Landesverteidigung hterh«gestellt hat, ihm verdanken wir es, daß wir wieder ein Haus führen können, wie einst mals, ehe wir verarmten. Willst du uns jetzt bloßstellen, uns wieder der Armut über liefern, wenn nicht schlimmerem? Willst du dein Brot als Gesellschafterin oder Näh- Mädchen verdienen? Und vor allem bedenke eins: Du wirst den Deutschen niemals Wieder sehen, niemals kannst du sein Weib werden. Willst du deine Jugend einer einzigen Torheit wegen vertrauern?" Amelie sah mit brennenden Augen vor sich nieder. Die Worte Ler Mutter Selen wie Frankreichs ruhig messen, denn just als Herr Viviani an die tönende Schelle unvergäng lichen französischen Ruhmes schlug und mit dem Gelbe klapperte, ermäßigte die deutsche Reichsbank den Diskont, eine lautlose, aber außerordentliche eindrucksvolle Beweisführung für die Gesundheit des deutschen Wirtschafts lebens. Herr Viviani hat in seiner Rede mit einem recht: In Flandern, in den Argonnen, Vogesen und Karpathen, auf der Nordsee und in Polen, in Galizien und Serbien wird nicht um ein armseliges Stück Land, sondern um das Schick sal der Welt gekämpft. Niemand weiß das besser als wir, die wir nicht zu englischen Vasallen, zum Herdenvieh der russischen Knute, zu Dienern des Moskowitertums und Spiel- bällen gallischer Eitelkeit werden wollen. Und deshalb werden auch wir ohne Gnade kämpfen, wie wir keine verlangen und er warten, bis zum Ende, das mit unserm Siege allen nicht englischen Staaten und Völkern die Freiheit und Unabhängigkeit bringen wird. Wir verfchmähen es, die Welt mit Worten zu blenden, aber wir verewigen uns mit Taten in der Geschichte der Menschheit, mit Kriegs- letstungen, von denen man erst beginnen wird zu reden, wenn Herrn Vivianis Phantastereien längst Lem Gedächtnis entschwunden sind. verschiedene ttriegsnachrichten. Noch ein Opfer der „Leipzig"- Blätter melden aus Buenos Aires, daß die Bemannung des englischen Schiffes „Drum muir", das von dem (bei den Falklands- Inseln ruhmvoll untergegangenen) deutschen Kreuzer „Leipzig" versenkt worden ist, von dem deutschen Dampfer „Seydlitz" in Port San Antonio-Oeste gelandet worden ist. Ein Zeppelin bombardiert Nanep. Die ,Frkf. Ztg? meldet aus Genf; Ei» Zevvelin überflog dieser Tage Nanep. Er warf 14 Bomben ab. Zwei Einwohner wurden getötet und mehrere Privatpersonen verletzt. Vier englische Handelsschiffe versenkt. Nach einer Meldung des ,NiZnwe Rotterdamsche Courant' aus Schanghai hat die Versicherungsgesellschaft Unngtse- kiang erfahren, dafl der deutsche Hilfs kreuzer „Prinz Wilhelm" an der Südost küste Südamerikas vier englische Handelsschiffe in den Grnnd gebohrthabe. * Der Luftkrieg an der Küste. Nach holländischen Blättern warf der deutsche Flieger, der dieser Tage Calais über flog, zwei Bomben ab. Man sah ihn eine merkwürdige Kurve über Len Kanal be schreiben. Mit großer Schnelligkeit flog er über das Fort Risban weg. Dem ersten Bombenwurf folgte ein starker Knall wie von einem Kanonenschuß. Aus Lem Meer ganz nahe bei dem Fort stieg eine große Wassersäule empor. Der Flieger hatte geschickt gezielt, das Fort blieb aber unver sehrt. Die zweite Bombe fiel im Hafen in der Nähe des Hotel Maritime nieder. Eine gewaltige Wassersäule stieg empor und über spritzte Len Kai und die Vorderseite des Hotels. Von einer Plattform aus schossen einige Schützen emsig auf Len Flieger, der aber bald außer Schußweite war. Nach einer .Times'-Meldung aus Dünkirchen hat ein deutscher Flieger, der Etterbeek überflog, dort 12 Bomben abgeworfen. * Französische Schauermärchen. Mit welchen schamlosen Lügen die franzö sische Regierung im Volke Stimmung zu machen versucht, zeigt folgende Schauer meldung, die die .Petit Gironde', das Haupt organ der Regierung in Bordeaux, ver öffentlicht: „Wir haben bei der Gelegenheit den Deut schen wieder eine Batterie Feldgeschütze abge nommen und sanden dabei, wie gewöhn lich, die Leute an ihre Geschütze an gekettet, wodurch die Leute vor der Flucht zurückgehalten werden sollen. Die armen Ge fangenen waren natürlich sehr froh, erlöst zu Keulenschläge auf sie nieder. Es blieb ihr ja keine Wahl. „Du hast recht, Mama!" sagte sie nach einer Weile. „Es ist ja gleich, wie ich mein Leben hinbringe, und ich will es euch schenken, wenn ich damit eurem Frieden diene. Sagt also dem Marquis L'Alembert, daß ich seine Werbung annehme; was ich sonst zu sagen habe, werde ich seinem Sohne selber sagen." Während ihrer Worte war auf der Straße immer stärker anschwellender Lärm hörbar ge worden. Zuerst ein Stimmengewirr, als ob Tausende durcheinander schrieen, dann aber konnte man deutlich einzelne Stimmen unter scheiden: angsterfüllt und zugleich voller Zorn und Wut. Der Chevalier war an das Fenster ge treten, von wo man den weiten Platz über sehenkonnte. Das Bild, das sich ihm bot, machte ihn schaudern. Auf Karren, Wagen, Tragbahren brachten Lie auf dem Rückzüge befindlichen Sol daten Verwundete. Die Infanteriekolonnen waren hinter Waldmühl in das Schrapnell feuer der Verfolger geraten, und erst wenige Kilo meter vor der Stadt war, als die Fran zosen Verstärkungen erhielten, der fürchter liche Angriff der Deutschen zum Stehen ge kommen. Der Chevalier wandte sich um.^ Auf dem Gange wurden eilige Schritte hörbar. In großer Aufregung trat Marquis L'Alembert ein, hinter ihm sein Sohn Franyois. „Unsere Truppen sind bei Neuendorf und Willweiler von ungeheurer Übermacht ange griffen und nach vierstündigem Kampfe zurück- geschlagen worden. Die Deutschen haben die Dörfer am Abhange südlich Les Donon alle werden, und befinden sich bei uns nach der ausgestandenen Qual wie im Paradies." Das Muster zu dieser Lüge nehmen die Franzosen offenbar von ihren englischen Freunden, die ja bei ihren Feldzügen tatsäch lich Lie Inder vor die Kanonen binden ließen. — Nach italienischen Blättermeldungen ist ein französisches Unterseeboot vom Geschwader des Admirals Lapeyröre auf der Höhe von Pola gesunken, als es versuchte, eines der österreichisch-ungarischen Schlachtschiffe zu torpedieren. Die Besatzung ist gerettet und gefangen ge nommen worden. — Wie Londoner Blätter berichten, teilt die, französische Heereskommission mit. daß in der Zeit vom 15. September bis 30. November 189 733 Verwundete in den Hospitälern verpflegt wurden, von denen 972 nach der Front zurückkehren konnten. Von den Ver wundeten starben 2'/s Prozent. Im Augen blick stehen 3968 Hospitäler zur Verfügung Les Heeres. Schwere Verluste der Franzosen in Marokko. Die Turiner »Stampa' berichtet über eine schwere Niederlage Frankreichs in Marokko. Schon zu Beginn des Krieges sei die Kolonie unruhig gewesen. Als dann das französische Kommando einen Teil der Truppen habe weg nehmen müssen, sei der Ausstand sofort mit großer Heftigkeit ausgebrochen. In mehreren lebhaften Treffen verzeichneten die Franzosen nur an Loten 33 Offiziere und 1200 Man n. * Die Russe» gebs» Krakau E Londoner Blätter bestätigen die Meldung der -Morning Post', der Zar sei gezwungen, das strategische Hauptziel vorläufig aufzugeden und seine Armeen auf die innersten Verteidi gungslinien zurückzuziehen. Zur Verteidigung der Front von Warschau muß Krakau vorläufig aufgegeben werden. — Das stolze Zarenreich muß sich vor Japan immer mehr demütigen. Nachdem es wieder holt Japans militärische Hilfe verlangt und erhalten hat, bittet es jetzt um Kanonen. Japan machte den Vorschlag, daß Rußland ihm die zweite Hälfte der Insel Sachalin abtreten möge, deren erste Hälfte Japan bereits im Frieden von Ports mouth (nach dem mandschurischen Kriege) zu gefallen ist. Darauf ist Rußland eingegangen, worauf Japan eine Anzahl von Geschützen nach Rußland entsandte, die bereits in Ver wendung sind und unter der Leitung von japanisch en Offizieren bedient werden. Türkische Siege. Während der Weihnachtsfeiertage haben die Türken nicht nur im Kaukasus einen glänzenden Sieg über die Russen er fochten und gegen England auf der Halbinsel Sinai Fortschritte gemacht, sondern vor allem einen Erfolg zur See errungen, indem ein türkisches Kriegsschiff den Kampf mit 17 russischen Schiffen ausnahm und ein Linienschiff havarierte und zwei Minenleger versenkte. * Die Japaner bleiben in Asien. Das,Reutersche Bureau', die Nachrichten centrale unserer Feinde, erklärt in bezug auf die Berichte in französischen Blättern über die Entsendung japanischer Truppen nach dem europäischen Kriegsschauplatz, daß diese Frage niemals erwogen worden sei, da ihr technische und finanzielle Schwierigkeiten im Wege stehen. Japan befinde sich jedoch noch immer im Kriege und setze sein Zusammen gehen mit den Verbündeten fort: es zweifle nicht an dem siegreichen Ausgang des Krieges. — Von verschiedener Seite ist berichtet worden, daß Lie chinesische Armee auf Drängen Japans mobilisiert worden sei, um gegebenenfalls in Indien, Indochina und zur Hilfe für Rußland verwendet zu werden. Die Nachricht der englischen Blätter ist durchaus unzutreffend. Abgesehen davon, daß China nicht in der Lage ist, sich in kriegerische Abenteuer zu stürzen, hat Japan kein Interesse daran, China an seinem Er oberungszuge in Asien teilnehmen zu lassen. Japan will dis Vormacht bleiben. Um Lie wieder besetzt. Wir müssen damit rechnen, daß sie erneut angreifen." „Die unbefestigte Stadt?" fragte der Chevalier. „Sie ist nicht unbefestigt! Das Kommando ist entschlossen. Liesen Platz unbedingt zu halten, bis über Altkirch, das in unseren Händen ist, neue Verstärkungen Vorstößen können, um den Feind zum Rückzüge zu zwingen." „Werden wir uns halten, Marquis?' „Sicher! Was hier vorgeht, ist eine Er scheinung, die bei Grenzkämpfen nichts Unge wöhnliches ist. Sie wissen, daß unsere Vorhut aus drei Staffeln besteht, deren erste natur gemäß die schwächste war. Die zweite Staffel, in deren Konzentrationspunkt wir uns befin den, werden Lie Deutschen nicht überwinden. Schon heute Nacht werden unsere Truppen zu einer umfassenden Gegenbewegung ausholen. Mein Sohn wird seinen Zug Chasseurs führen. Amelie," wandte er sich plötzlich un vermittelt an das junge Mädchen, Las sinnend vor sich niedersah, „Sie werden mich und meinen Sohn unendlich glücklich machen, wenn Sie ihm das Jawort geben, auf das Ihr Vater uns hoffen ließ." Franoois L'Alembert trat auf sie zu. „Ich wäre glücklich," stammelte er. Amelie stand regungslos. Vor ihrer Seele stand Lie Nacht des ersten August. War es nicht hier gewesen, wo es über sie gekommen war mit elementarer Gewalt? War es nicht in diesem Zimmer, wo jener andere ihr zeigte, was deutschsein heißt? Und hier, wo nach langem Ringen mit dem auf lodernden Haß ihre Liebe zu jenem anderen ent- Vormachtstellung in Asten ist es in Len Krreg eingetreten. Oie l^age äes Weltkrieges. Ein Blick auf den augenblicklichen Stand der Dinge auf allen Schauplätzen des Welt krieges zeigt, wie erfreulich auf allen Seiten unsere Angelegenheiten stehen. Im Osten sind wir nach dem großen Siege vollkommen Herren der Lage. Zwar leisten die Russen noch hart näckigen Widerstand, zu dem sie die große Menschenmasse fähig macht, über die sie ver fügen. Ader der Widerstand ist schon einmal von uns gebrochen worden und ist heute nur noch ein letztes Aufbäumen gegen den unab- wendlichen Untergang. Wir haben bereits an mehreren Stellen den Bzura—Rawk-Abschnitt überschritten und nähern uns in kräftigem An marsch der Festung Warschau. Die Österreicher haben die Russen bereits bis zu dem unteren Dunajec zurückgedrängt und sind auch im Vorteil. Die von dem rus sischen Generalstabe als großartige Leistung gemeldete Verkleinerung der Front ist durch den Druck unserer Heere auf die beiden Flügel erzwungen worden und zeigt gerade, daß die Russen bereits im Unterliegen sind. Die Folge der weiteren deutsch-österreichischen Vor stöße wird noch ein weiteres Zusammenpressen der russischen Front sein, durch das die Auflösung des russischen Heeres etngeleitet wird. Wenn auch bei der ungeheuren Größe der russischen Armee der 'Krieg im Osten noch viel harte Arbeit erfordern wird, so ist doch, was die Hauptsache ist, hier die Gewißheit unseres Sieges vorhanden. Im Westen steht heut die Sachlage so günstig wie nur möglich. Der große Angriff des Generals Joffre ist schon zum Teil ge scheitert uno wird mit jedem Tage immer mehr zusummenbrechen. Zwischen Engländern und Franzosen besteht weder in der Führung noch unter den Mannschaften Einigkeit, sondern es wird eine immer heftigere Gegnerschaft offenbar. Eifersucht und Vorwürfe machen die Kriegführung für die Verbündeten sehr schwierig. Dis englischen Hilfstruppen haben sich, das wissen wir heute genau, nur sehr wenig bewährt. Wir dagegen stehen mit be geisterten und todesmutigen Söhnen des Vaterlandes im Felde und haben mehrfach moralisch wertvollere Mannschaften und eine Einigkeit, die Führung und Heer zu einem unwiderstehlichen Ganzen vereinigt. Aus dem Lande drängen können uns die Franzosen nicht mehr, sondern sie müssen warten, bis wir mit übermächtigem An drang ihre Front durchbrechen und den end gültigen Sieg uns zu einer Zeit bereiten wollen, die wir dafür am günstigsten ansehen. Also auch hier haben wir vollkommen die Verfügung und die Macht, unserem Feinde die Gesetze des Krieges zu diktieren. Auf dem türkischen Kriegsschauplatz ist die Lage heut für Russen und Engländer sehr ungünstig. Die Russen sind im Kaukasus geschlagen und Vatum ist eingeschlossen. An der persischen Grenze sind die Türken gleichfalls siegreich. Der Heilige Krieg dringt ihnen ungenannte Kräfte zu, die ihren Angriff noch unwider stehlicher machen. Der große Vormarsch der Türken gegen Ägypten hat auch bereits be gonnen, und wenn auch hier noch nicht ent scheidende Schläge gefallen sind, so kann man doch schon jetzt die Sachlage übersehen. Eng land hat unter der ägyptischen Bevölkerung keine Freunde. Der Heilige Krieg macht sich auch in Ägypten stark bemerkbar und bringt den Engländern Schwierigkeiten, die wir wegen der Zensur mehr ahnen können als genau wissen. Auch Lie Inder, die die Engländer zur Verteidigung Ägyptens herangezogen haben, sind durch Lie Erklärung des Heiligen Krieges unzuverlässig geworden. England weiß auch ganz gut, wie die Sachen hier stehen. Schon heute scheint Ägypten für England ein ver lorenes Land. Endlich sei noch die Lage auf Lem serbischen Kriegsschauplatz erwähnt. Zwar mußten sich die Österreicher hier zurückziehen. Aber selbst wenn nicht ein neuer Angriff gegen Serbien im Gange wäre, so würde auch der Krieg in Serbien bedeutungslos sein. Nach der Besiegung des russischen Heeres ist dis Niederwerfung der Serben nur eine Frage von Wochen. flammte, sollte sie das Wort sprechen, das über ihr Leben entschied? Würde es denn über haupt noch ein Leben sein für sie? Hatte sie sich nicht selber ausgestoben? Wie aus weiter Ferne hörte sie die Stimme Francois d'Älerm- bert in ihre Gedanken klingen: „Amelie, lassen Sie mich hoffen!" Da sielen ihr die Worte der Mutter ein, daß sie jenen anderen, Len sie mit heißer Sehnsucht liebte, niemals Wiedersehen würde, und aus Qual und Reue, aus Furcht vor Verarmung und in Verzweiflung hauchte sie: „Ich will die Ihre werden!" Er führte ihre Hand an Lie Lippen und er schrak, daß sie kalt war und bebte, als werde der Körper des jungen Weibes vom Fieber geschüttelt. Schweigen herrschte in dem weiten Raume. Die Abenddämmerung war herniedergesunken und hüllte den Markt in Dunkel. Die Menge hatte sich verlaufen, nachdem der Kommandant beruhigende Versicherungen abgegeben hatte. Man war jetzt weit draußen an dem kleinen Bahnhof und sah dem Abtransport Ler Ver wundeten zu. Nur kleine Gruppen standen noch auf dem Platz unter den Ulmen unweit der Haupt wache. Bange Sorge huschte über die Gesichter. Was wird werden? Was wird Las Ende sein? Ein Stadtsekretär kommt eilenden Schrittes aus der Hauptwache — man läuft ihm ent gegen. Vielleicht weiß er etwas Neues. Mit geheimnisvoller Miene erklärt er, daß die Bürgermeisterei angewiesen sei, eine Be kanntmachung zu veröffentlichen, in der die Bevölkerung erneut zur Ruhe ermahnt wird.
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