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Ottendorfer Zeitung : 03.02.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-02-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191502039
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19150203
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19150203
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-02
- Tag 1915-02-03
-
Monat
1915-02
-
Jahr
1915
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 03.02.1915
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Schließung -er Suezkanalr. Das holländische Ministerium des Äußern gibt bekannt: Die militärischen Behörden in Ägypten ergreiien Maßregeln zur Einstellung der Schiffahrt aus dem Suezkanai. Die Kanalgeiellschast lehnt jede Verantwortung für Schaden oder Verspätung ab. Damit hat England wieder einmal seine von den englischen Staatsmännern so ge rühmte „Achtung vor Verträgen" bewiesen. Denn der Vertrag über die Schiffahrt auf dem Suezkanal, der zu Konstantinopel am 28. Oktober 1888 geschloffen wurde, und den noch die Dreioerbandsmächte als Vertrags staaten gezeichnet haben, bestimmt in seinem ersten Artikel als Grundlage des ganzen Ver trages: „Der maritime Suezkanal wird stets, in Kriegszeiten wie in Friedenszeiten, jedem Handels- oder Kriegsschiffe ohne Unterschied der Flagge frei und offen stehen. Dem entsprechend kommen die hohen vertrag schließenden Teile überein, die freie Benutzung des Kanals in Kriegs- wie in Friedenszeiten nicht zu beeinträchtigen. Der Kanal wird niemals der Ausübung des Blockaderechts unterworfen werden." Alle weiteren Artikel dienen dem Ausbau dieser Grundsätze. Auch dielen Vertrag hat nun England in dem Augenblick, da er unbe quem wird, einfach gebrochen, wie es ja Ver träge immer gebrochen hat. wenn sie seinen Interessen nicht mehr entsprachen. Es ist eine seltsame Ironie der Weltgeschichte, daß diese Vergewaltigung der Vertragsstaaten fetzt in dem Augenblick vorgenommen wird, in dem England sich wieder,einmal krampfhaft be müht, der Welt den schwindenden Glauben beizubringen, es haben den Krieg gegen Deutschland unternommen, um Belgiens Neutralität zu schützen. Zwar versuchen Rotterdamer Blätter Englands Maß nahme zu rechtfertigen, indem sie schreiben: „Wahrscheinlich auf Grund einer nicht ver standenen Depesche lief in Holland heute das Gerücht um, daß England den Suezkanal ge sperrt hätte. Der .Nieuwe Rotterdamsche Courant' meldet, daß die holländische Regie rung aus Kairo folgende Depesche erhielt: „Die Militärbehörden treffen die nötigen Maßnahmen für eine Sperrung der Schiff fahrt durch den Suezkanal. Die Kanalgesell schaft lehnt jede Verantwortung sür Verzöge rung und Schaden ab. Nach 12 Uhr mittags darf kein Schiff in den Suezkanal einsahren." Es handelt sich somit nur um eine Sperrung während eines Teiles des Tages. Aber selbst wenn es sich nur um eine Verkehrsbeschränlung in dem Sinne der Rotterdamer Blätter handelte, so wäre auch Liese Maßnahme, die angeblich zum Schutze des Handels der Neutralen getroffen wird, völkerrechtswidrig; denn sie wirkt natürlich schädigend. Es ist aller Grund zu der An nahme vorhanden, daß Englands „militärische Maßnahmen" nicht nur nach mittags 12 Uhr getroffen werden, daß es sich vielmehr um eine völlige Sperre handelt. Uns kann die neue Verletzung des Völkerrechts nicht schaden, wir nehmen im Gegenteil mit einiger Genug tuung davon Notiz; denn hat sich England wirtlich zur Sperrung des Kanals entschlossen, io deutet, diese Anordnung auf Furcht vor den Türken hin, die den Kanal ernstlich zu bedrohen scheinen. Vsstmann. verschiedene Nriegsnachrichten. Von der mil. Zensurbehörde zugelaffene Nachrichten. England hofft aus Getreidemangel in Deutschland. Wie italienische Blätter berichten, bezeichnet eine Londoner .Timss'-Meldung die Beschlag nahme aller Getreide- und Mehllager und dis Errichtung des Staatsmonopols in Deutsch land als Las wichtigste Ereignis der letzten Zeit. Es wäre jedoch ein Irrtum, demselben allzu große Bedeutung zuzuschreiben. Im Grunde genommen sei es nur eines der vielen Zeichen, daß Deutschland mit einem gewissen Mangel an Lebensmitteln zu kämpfen haben wird. Welche Bedeutung dieser Mangel sür den Krieg habe, werde sich erst im nächsten Sommer zeigen. Auch die Kriegs ¬ ereignisse selbst können hier von großem Einfluß sein, da die großen mit Getreide be bauten Flächen im östlichen Deutschland vor der neuen Ernte vom Feinde besetzt sein können. Wir fürchten weder den Getreidemangel, von dem das Londoner Blatt lafelt, noch die Be setzung unseres östlichen Getreidegebietes durch den Feind. Der „östliche" Nachbar, des sind wir froher Zuversicht, wird bald erledigt sein. * Tatsachen sprechen. Die Pariser ,Humanit«' veröffentlicht unter der Überschrift: „Tatsachen, die sprechen" eine» Hinweis, das? in mehreren Militärdepots» so in Pottgnh, Chartres, Nevers und Tour die Rekrutenjahres klasse 1915, die an sich schon zerbrechlich ist, wie leider die Erfahrung bestätigt, keine warme Kleidung hat. Das Krankheitsverhältnis ist sehr groß. Ma» möge auf diese Kinder achten, meint das Blatt, damit sie, wenn der Tag gekommen ist, erfüllen können, was alle von ihnen er warten. — Der .Nieuwe Rotterdamsche Courant' vergleicht die amtlichen französischen Tages berichte vom 26. und 27. Januar mit Lem amtlichen deutschen Tagesbericht und schließt daraus, daß die Franzosen auf den Hügeln südlich Craonne Gelände verloren. Die Fran zosen sagen am 27.: „Wir eroberten einen Teil des verlorenen Geländes zurück." Das bedeutet somit in gewöhnlicher Sprache: Das Ergebnis des Kampfes war, daß wir Gelände verloren." * Dämmernde Erkenntnis in Ruhland. Anläßlich des in Petersburg tagenden russischen Kur- und Bäderkongresses weist das .Nowoje Wremia' auf die Zwecklosigkeit dieses Kongresses hin, da, welchen Ausgang der Krieg auch haben werde, bald nach Friedensschluß wieder ein reger Verkehr zwischen dem deutschen und dem russischen Volk sich entwickeln werde. Für die gebildeten Russen sei es durchaus Bedürfnis, Reisen nach Westeuropa zu machen, nicht allein wegen der vorzüglichen Bäder, sondern auch wegen der Kultur. „Es gibt keine Macht, den Russen vom Reisen nach Westeuropa abzuhalten und ihn zu zwingen, russische Bäder zu besuchen. Ruß land würde sich vielleicht eines größeren Fremdenbesuches erfreuen können als jetzt, wenn es mehr gute Hotels und weniger Ungeziefer hätte." — Das ist in der Tat eines der schönsten Selbstbekenntnisse, die aus dem Munde unserer Feinde bisher gehört wurden. Die Russe» räumen Lemberg? Wiener Zeitungen geben die Meldung Lemberger Blätter wieder, wonach am 12. Januar in Lemberg durch Straßenplakate bekanntgegeben wurde, daß die Russen aller Wahrscheinlichkeit nach bald genötigt sein werden, aus st rategischen Rücksichten die Stadt Lemberg zeitweilig zu räumen. Es ergehe demnach an die Be völkerung die Aufforderung, sich gegebenen falls ruhig zu verhalten und anläßlich der nur vorübergehenden Besetzung der Stadt durch die Feinde keinerlei Kundgebungen zu veranstalten, zumal die Russen nach Lemberg zurückkehren und die Stadt dem Feinde unter keiner Bedingung für die Dauer gutwillig überlassen werden. Verzweiflung in Montenegro. Private Nachrichten aus dem Süden schildern, wie der .Deutschen Kriegszeitung' aus Wien gemeldet wird, die Lage Monte negros als verzweifelt. Gefangene erzählen, der Hunger und der harte Winter schwäche die Bevölkerung sehr, und der Hatz gegen Serbien, das Montenegro in den Krieg getrieben habe, nehme täglich zu. (?) Der Abzug de rfranzösischen Besatzung vom Berge Lowcen und die erhöhte Wach samkeit der österreichischen Flotte hinderten die Zufuhr über Antioari sehr, und die Wege über die serbische Grenze seien gegenwärtig fast ungangbar. Die Besiegung Montenegros im eigenen Lande durch die österreichischen Truppen wäre dem König Nikita lieber ge ¬ wesen. da dann ein rascher Friedens schluß möglich gewesen wäre, als die jetzige Taktik der österreichischen Truppen, das Land einzuschließen. Der neue GeneralquarLiermeister. Zum Generalquartiermeister ist an Stelle des zum Krieqsminister ernannten Generals Wild v. Hohenborn der Generalleutnant Freiherr von Freytag-Loringhoven ernannt worden. Der zum Generalquartiermeister beförderte Generalleutnant Freiherr Hugo v. Freytag-Loringhooen hat den größten Teil seiner militärischen Laufbahn im Generalstabsdienst zurückgelegt. Er wurde als Sproß einer kurländischen Linie des westfälischen Adelsgeschlechts am 26. Mai 18S8 in Kopen hagen geboren, kam aus dem Kadettenkorps in bas zweite Garde-Negiment zu Fuß und wurde dort am 13. Oktober 1877 Sekondeleut« nani. 1890 wurde er dem Nebenetat des Großen Generalstabes zugeteilt und am 22. März des selben Jahres zum Hauptmann befördert. Am Kaisersgeburtstag 1910 wurde er dann mit der Wahrnehmung der Geschäfte eines Ober- quortiermeisters im Generalstab der Armee beauf tragt und am 20. März 1911 unter Beförderung zum Generalmajor zum Oberquartiermeister er nannt. Am 14 September erfolgte seine Er nennung zum Generalleutnant und Anfang De zember desselben Jahres zum Kommandeur der 22. Division in Kassel. Als Militärschriftiieller erfreut er sich bei den Fachleuten großer Autori tät, besonders seine epochemachenden Arbeiten über die Feldzüge von 1813/14 werden allgemein ge schätzt. polMcke ArmÄlcbau. Deutschland. * Zu Len am 9. Februar d. I. wieder be ginnenden Sitzungen des preußischen Landtages, die etwa drei Wochen vor aussichtlich in Anspruch nehmen werden, hat die Heeresverwaltung bestimmt, daß Be urlaubungen von Ange hörigen der mobilen und immobilen Formationen des H e er es stattfinden können, soweit sie nach Lage und Dienst abkömmlich erscheinen. Es ist demnach nicht, wie angenommen wurde, damit zu rechnen, daß grundsätzlich jeder An gehörige des Landtages zu den Sitzungen be urlaubt wird. Der Beginn der Sitzungen des. Herrenhauses ist zurzeit noch nicht festgestellt' "Der Oberbefehlshaber Ler Armeeabteilung Gaede erläßt eine Bekanntmachung, wonach Veranlassung zu der Annahme vorliegt, daß sich noch französische Militärper- sonen versteckt im Oberelsaß aufhalten. Ihnen und ihren Helfershelfern wird Gene- ralpardon gewährt, wenn sie sich bis zum 31. Januar bei der Militärbehörde stellen. Wer nach diesem Zeitpunkt aufgegriffen wird, wird als Spion behandelt und verfällt Len Kriegsgesetzen. Russland. "Der frühere Präsident des finnischen Landtages Soinhujvud ist nach dem nörd lichsten bewohnten Punkt des Kreises Narym auf der äußersten Grenze des Gouverne ments Tobolsk verschickt. Svinhufvud ist der erste und einzige, der in diese unwirtlichen Gegenden verschickt worden ist. Sm englisches Geständnis. Deutschfeindliche Abmachungen. Durch W. T. B. wird amtlich bekannt ge geben: Das Londoner Pressebureau veröffentlicht eine lange Erklärung, die sich gegen eine vom Reichskanzler dem Berliner Vertreter der (amerikanischen) .Associated Preß' gewährte Unterredung wendet. Das amtliche Londoner Bureau bestreitet, daß England im Jahre 1911 entschlossen gewesen sei, ohne Zustimmung Belgiens Truppen nach Belgien zu werfen. Diese Auffassung beruhe wahrscheinlich auf nichtamtlichen Besprechungen zwi schen englischen und belgischen Osfizieren aus den Jahren 1906-1911, die Vorkehrungen gegen eine etwaige Verletzung der NeutralltSt durch Deutschland treffen wollten. Ehe diese Besprechungen staitfanden, wurde von englischer Seite aus drücklich fesigelegt, daß die Erörterung mili tärischer Möglichkeiten darauf zu beschränken wäre, wie ein englischer Beistand Belgien zur Verteidigung seiner Neutralität am wirk samsten gewährt werden könnte. Von bel gischer Sette wurde erklärt, daß ein englischer Einmarsch in Belgien nur nach Verletzung der Neutralität durch Deutschland stattfinden solle. Die veröffentlichten belgischen Dokumente widerlegen diese Versicherungen des englischen Pressebureaus auf das bündigste. Es steht fest, daß England 1911 im Falle des Kriegsaus bruchs zwischen Deutschland und Frankreich entschlossen war, unmittelbar, mit oder ohne Zustimmung Belgiens, auch ohne daß die belgische Regierung Hilfe verlangt hätte, in Belgien zu landen. Dafür liegen die Erklärungen Les Oberstleutnants Bridges gegenüber dem belgischen General stabschef vor. Dafür spricht auch die von Lord Roberts abgegebene Erklärung (British Review. Heft vom August 1913), daß im August 1911 die Hetmatsfiotte und ein Expe ditionskorps für einen Einfall in Flan dern in Bereitschaft waren, um das Gleich gewicht der Mächte aufrecht zu erhalten. Bemerkenswert ist aber ferner, daß die englische Regierung jetzt die Angabe fallen läßt, als ob es sich 1906 und 1911 nur um eine „akademische" militärische Diskussion gehandelt habe für den Fall, daß die belgische Neutrali tät „von einem seiner Nachbarn" verletzt werden sollte. Die akademischen Besprechungen sind jetzt zu „nichtamtlichen" Besprechungen geworben, sür die aber vorher ausdrücklich Grundsätze — also doch wohl amtliche? — festgelegt worden find. Zugegeben wird jetzt auch, daß sich die Besprechungen allein gegen Deutschland, also nur den einen der belgischen Nachbarn, gerichtet haben. Darin gerade liegt die Preisgabe der belgischen Neutralität. Die englische Regierung vermag durch keine Sophistik die Tatsache aus der Welt zu schaffen, daß sie das durch seinen Neutralitäts vertrag gegenüber allen Mächten gleichmäßig gebundene Belgien zu Verhandlungen und Abmachungen gegenüber einem dieser Garanten, nämlich Deutschland, verlockt, auf die Seite des Dreiverbandes gezogen und schließlich in den Krieg hinetngestoßen hat. Die weiteren Ausführungen der Erklärung laufen darauf hinaus, die Schuld am Scheitern der Friedensverhandlungen der deutschen Re gierung zuzuschieben und England von Ler Mitschuld am Ausbruch des Krieges zu ent lasten. Demgegenüber bleibt der doku- mentarischeTatbestand bestehen, dessen Ergebnis (der neue Staatssekretär des Reichs schatzamtes) Helfferich mit Len Worten be zeichnet hat: „Rußland ist als der Brandstifter, Frankreich und Eng land sind als die Mitschuldigen erwiesen." 6s braust ein Kuf. 34' Erzählung von Max Arendt-Denart. KorNetzina.) Als die Landsturmleute den jungen Husarenosfi iere erblickten, glaubten sie offen bar, es sei Verstärkung gekommen und griffen noch einmal mit erneuter Krast an. Diesmal wich der Feind, zumal aus seiner Linken Gs- Nebrfeuer krachte. Dort war der Rückzug in vollem Gange. Die Fahne war gerettet. Ter Hohenlindower atmete hoch au. Jetzt erst bemerlte er, daß er aus zwei Kopf wunden und einer Armwunde blutete. Er wollte sich niederbeugen, um die Fahne hochzunehmen. Da drang ein Stöhnen an sein OhL Schnell kniete er nieder und rief ein paar von den Landsturmleuten, die sich anschickten, wieder dem Gefecht zu folgen. Sie betteten die Toten, die auf der Fahne lagen, zur Seite, unten aber, mit erstarrender Hand den Schaft umklammernd, lag ein graubärtiger Alter. Edwin richtete ihn ein wenig auf. Sein Gesicht war mit Blut bedeckt und Blut rann über die fest zusammengebiffenen Lippen; aber Lie Fahne ließ seine Hand erst los, als sie ihn auf einen Tornister gebettet hatten. Jetzt sah der Hohenlindower dem Manne, der das Kleinod so wacker verteidigt und, trotz seiner Verwundung, so fest gehalten hatte, ins Gesicht. Aber er traute feinen Augen kaum: „Martin Mehrlin!" rief er. Da schlug Ler Büchwaldbauer Lie Augen auj» .Wasser," rief er. „Bleibt ruhig sitzen, Buchwaldbauer! Ich muß jetzt den andern nach. Sofort fchick' ich euch Hilfe!" Und weiter stürmte Leutnant Carsten z» seinen Leuten, die noch immer mit den Zu- rückweichenLen im Kampfe lagen. Auf keinem Wege begegnete ihm schon die Samariterkolonne. Also würde auch dem Buchwalübauern Hilfe werden. In den feindlichen Reiben herrschte schreck liche Verwirrung. Vergeblich machte General Vautier den Versuch. im Südosien noch einmal die Infanterie ins Gefecht zu bringen. Es gab keine Schlachtordnung mehr. Schweren Herzens ordnete er den Rückzug auf Sept an. Dabei hatte natürlich die Nachhut — alle in Mül hausen selbst einquartierten Truppen — die Aufgabe, die nachdrängenden Deutschen durch zähe Verteidigung jedes einzelnen Hauses an einer durchgreifenden Verfolgung zu hindern. Infolge dieses Befehls tobte in Mülhausen mit Sonnenaufgang ein verzweifelter Straßen kampf. Während hier mit dem Bajonett um das Schicksal dieses Hauptpunktes gerungen wurde, war draußen au! dem weiten Schlacht felds werktägige Men chenliebe bemüht, sür die Opfer des grausamen Ringens zu sorgen. Edwin von Carsten kniete sernab von der Vorstadt, dort, wo er ihn zuletzt hatte im Rudel der feindlichen Dragoner verschwinden sehen, neben seinem toten Freunde. Er war noch immer auf seinem zu^ammenqebrochenen Pferde jestgebunden, und erst der Hohen lindower befreite ihn mit Hilse des treuen Kantak von den Stricken, bettete ihn auf weichem Moos und schmückte ihn mit Hecken rosen, die in verschwenderischer Fülle aus dem Dornengestrüpp blüdten. Noch einmal drückte er dis kalte Rechte des heldenmütigen Reiters, dann wandte er sich zur Vorstadt, wo sich die Husaren sammelten. * Die herrliche Augusisonne überstrahlte alles mit ihrem prallen Licht. Wie anders sah doch die Landschaft heute aus als vor acht Tagen. Hier und da verdunkelte das lachende Blau des Himmels aufsteigender Rauch. Die Ruhe- und Arbeitsstätten friedliebender Menschen waren dem grausamen Kriege zum Opfer gefallen. Da. wo sonst gemächlich Tierherden ihre Straße zogen, war jetzt ein wüstes Chaos von Waffen und Wagen, von zerschossenen Kanonen und Uniformstücken, die die fliehenden Franzosen von sich geworfen hatten. Immer heißer und glühender wurden die Vormittagsstunden, und während sich hier über das weite Feld nach dem furchtbaren Erlebnis wieder die tiefe Ruhe senkte, tobte in Mülhausen der Straßenkampf. Vater Lommert hatte, als die ersten Ge rüchte in der Stadt auflauchten, daß die Franzosen zurückgeworfen seien, sein Haus fest verschlossen. Nur die Vordertür, die in das große Gastzimmer führte, wo sie das Lazarett eingerichtet hatten, stand weit offen, denn immerzu kamen Transporte voll Verwun deten. Mit Zittern und Zagen stand der Atte am kleinen Küchenfenster, das nach dem Hof hinausging, wo sie die ganze Nacht hin und her gegangen waren, um von ihm Schnaps zu holen. Er ahnte wohl, Laß jetzt die wild gewordene Soldateska, nicht mehr gezügelt durch die Führer, ihrem Zerstörungsdrange freien Lauf lassen würde. Mehrmals hatte er schon den Versuch gemacht, das Haus zu ver lassen, aber immer wieder hatte er sich über zeugen müssen, daß Soldaten an dem Hause vorübergingen oder vor der Tür standen. Und jeLesmal forderten ste in drohenden Worten Wein und Tabak von ihm. Vom Hoftor erklangen wütende Franzosen stimmen. „Hier werden wir uns verbarrikadieren, hier müssen sie an der Ecke vorbei." Ein Kommando ertönte, dann rumpelte etwas in Len Hof. Der alte Schankwirt beugte sich vorsichtig aus dem Fensler und sah zu seinem Entsetzen, daß mehrere Soldaten auf seinem Hofe ein Maschinengewehr po stierten. Bebende Angst schloß ihm erst den Mund, dann aber siel ihm ein. Laß ja das Schank zimmer voller Verwundeten sei, und heißes Mitleid stieg in ihm auf, Las ihm Kraft verlieh. Er beugte sich ganz aus dem Fenster und rief: „Das Haus tragt eine Rote Kreuzflagge, der General selber hat hierher ein Lazarett bestimmt." „Mach daß du vom Fenster wegkommst, alter Graubart," erwiderten die Franzosen. „Die Deutschen komme» und wir solle« sie
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