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Ottendorfer Zeitung : 12.02.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-02-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191502129
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19150212
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19150212
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-02
- Tag 1915-02-12
-
Monat
1915-02
-
Jahr
1915
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 12.02.1915
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Im ^Lrareir. Ärztliche Gebote für unsere Kriegsverwundeten. Zur Verhütung des Krüppeltums bei den Verwundeten hat der Freiburger Chirurge Professor Dr. Ritschl eine Reihe von Leitsätzen ausgearbeitet, die als Plakate in den Laza retten aufgehängt werden sollen, damit Ver wundete und Arfte ständig an diese notwen digen Maßnahmen erinnert werden. Wir geben von diesen zwölf Geboten die neun ersten, allgemeinere Ratschläge enthaltenden, wieder: 1. Sei eingedenk, daß Ruhe den Gelenken (Steifigkeit) und Muskeln (Abmagerung und Schwäche) schädlich ist. 2. Verlaß dich nicht darauf, daß, nachdem die Gewebstrennungen geheilt find, die Be wegungsstörungen Lurch eine orthopädische oder medico - mechanische Nachbehandlung be kämpft werden können, sondern suche sie mit allen Mitteln vom Kranken jernzuhalten. Weise aber in schweren Fällen die-Kranken der Nachbehandlung sobald als möglich zu, damit Zeit, Mühe und Geld gespart werden. 3. Beschränke die Ruhigstellung der Ge lenke aut das geringste Maß und suche sie häufig, sobald es die Heilung der Wunden und Knochenbrüche zuläßt, zu unterbrechen (veränderte Winkelstellung, Bewegungen). 4. Erhalte die kostbare Kratt in den durch Ruhe gefährdeten Muskeln nach Möglichkeit durch frühzeitig einsetzende regelmäßige Massage, Elektrisierung und unter deiner Auf sicht vom Kranken auszuführende Eigen- (aktive) Bewegungen ohne und mit äußeren Widerständen. 6. Gedenke, daß die Streckmuskeln dem Schwunde weit schneller anheimtallen als die Beugemuskeln. Suche vor allem dem Arm seinen Heber (Deltamuskel) und dem Knie seinen Strecker (tzuaäriesps komoris) leistungs fähig zu erhalten, denn ihre Schwächung macht das betreffende Glied in hohem Grade minderwertig. 6. Stelle die Gelenke auf längere Zeit, falls dieses der Gewebstrennungen wegen nicht zu vermeiden ist, in solchen Stellungen fest, daß deren Versteifung gegebenenfalls dem Glieds es möglichst wenig erschwert sich zu betÄigen, und zwar: Das Schultergelenk — in der üblichen durch ein Tragtuch gesicherten Ruhelage. Das Ellenbogengelenk — recht winklig. Das Vorderanndrehgelenk — in Einwärtsdrehung. Das Handgelenk — über streckt in der beim Schreiben und der beim festen Schließen der Faust sich von selbst er gebenden Stellung. Die Fingergelenke — leicht gebeugt. Das Hüftgelenk - leicht ge- beugt und abgespreizt. Das Kniegelenk leicht gebeugt. Das Fußgelenk — etwa rechtwinklig und leicht einwärts gedreht. 7. Verhüte, daß die Hand eines in der Schlinge ruhenden Armes durch ihre Schwere in Beugestellung sinke, denn diese Lage be günstigt Versteifungen der Finger in Streck lage und beeinträchtigt den Faustschlutz. 8. Erhalte den Fingern ihre Beweglichkeit. Schließe sie nicht unnötig in Verbände mit ein und vergiß nie, den Kranken zu ermahnen, seine Finger durch fortgesetztes, ausgiebiges Bewegen vor Versteifung zu bewahren. Er halte dem Verwundeten nach Möglichkeit eine natürliche Greifzange, denn eine künstliche Hand ist gefühllos und dadurch einem lebenden Handrest gegenüber minderwertig. 9. Rege den Blutumlausibesonders bet bett lägerigen Kranken Lurch Bewegungsübungen der Glieder, auch Ttefatmungen an, denn eine gesteigerte Blutbewegung verleiht den inneren Organen wohltuende Anregungen und steigert die Ernährung und Negenera- tionskrast der Gewebe. Volkswirtschaftliches. Keine Freigabe von Hafer für Privat- pferde. Die Beschlagnahme des Hafers für Heereszwecke hat für Lie Ernährung Ler im Prioatbesitz befindlichen Pferde Schwierigkeiten zur Folge gehabt, da der Handel sreien Hafer nicht oder nur in geringen Mengen heranschaffen kann. Ein von den Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin gestellter Antrag auf Freigabe von beschlagnahmtem Hafer für Prwatpferde ist abge lehnt worden, da nicht alle Bestände von der Be schlagnahme betroffen sein dürften. Vom Kriegs- minifiertum wurde darauf hingewissen, daß dis Pserdebesttzer die ihren Pferden zu gewährenden tätlichen Hcüerrationen wesentlich einschränken und gleichzeitig Ersatzfuttermittel wie Kartoffelflocken, Kartoffelschnitzel, Pferdebohnen, Zucker usw. ver abreichen sollten. Von unÄ fern. Begnadigung und Ausweisung. Wegen Deutschfeindlichkeit wurde die Gattin Les praktischen Arztes Professors Dr. Blind in Straßburg i. Elf. vom dortigen außerordent lichen Kriegsgericht zu einem Monat Gefäng nis verurteilt. Wie hierzu fetzt aus zuver lässiger Quelle weiter gemeldet wird, ist Frau Blind die Strafe im Gnadenwege erlassen worden, Loch erfolgte gleichzeitig ihre Aus weisung. Belohnte Tapferkeit. Der Landsturm mann Peter Welbers aus Tanten, der sich in Feindesland auf Bahnwache befand, bemerkte stützunasinstitut belegtes Sparkaffenguthaben über 20103,96 Mark, außerdem verschiedene wertvolle Schmuckfachen und einen größeren Barbetrag. Cholera in Petersburg. Wie den.Ham burger Nachrichten' über Stockholm aus Petersburg berichtet wird, ist dort eine Choleraepidemie ausgebrochen, die täglich reißende Fortschritte mackt; schon sind sehr viele Todesfälle zu verzeichnen. ^eues I-anä. Unsere Ödlandkultur während des Krieges. In der Aufgabe, die mehr als 600000 Kriegs gefangenen. die Deutschland schon jetzt ernähren muß, im Interesse unserer durch den Krieg ge- fährderen Volkswirtschaft zu beschäftigen, hat man in Bayern einen vorbildlichen Anfang gemacht, indem man die Kriegsgefangenen zur Trockenlegung eines Hochmoores verwendete. Inäilcbe Gruppen in einem SekülLengraben am SueLkanal. Die unter Leitung der Engländer in der Gegend des Suezkcmals kämpfenden indischen Truppen haben größtenteils eine militärische Vor bildung genossen. Man sieht auf unserem Bilde, daß sie es verstehen, sich unter Benutzung des Wüstensandes Schutzwälle gegen die feind lichen Kugeln zu schaffen. Ob sie iedoch den durch die bisherigen Erfolge der Türken ge steigerten Mut und Unternehmungsgeist derselben auf die Dauer standhalten, wird uns der Aus gang des Krieges lehren. bei Einlaufen eines Militärzuges auf dem Gleise ein schweres Stück Eifen. Mit größter Lebensgefahr beseitigte er das Hindernis und verhütete dadurch ein schweres Unglück. Hierfür erhielt er das Eiserne Kreuz. Die Sprache wiedergefunden. In das Lazarett zu Osthofen in Rheinhessen wurde vor einiger Zeit ein Verwundeter eingeliefert, der infolge einer starken Nervenerschütterung die Sprache verloren hatte. Als nun Orts pfarrer Schütz im Lazarett eine Andachtsstunde abhielt, fand der Verwundete beim Gesang des Liedes „Großer Gott, wir loben dich" plötzlich seine Sprache wieder. Das Taufkleid im Gefangenenlager. Im Gefangenenlager Stargard in Pommern wurde dieser Tage vom Dolmetscher zwischen Stroh und Wäschestücken versteckt ein kost bares Taufkleidchen aus weißer Seide und gediegener Handstickerei gefunden. Als augen- bliÄichen Besitzer ermittelte man einen Russen, der bei den Kämpfen an Len ostpreußischen Seen gefangen genommen war. Das Taus- kleid, das offenbar aus einer vermögenden Familie stammt, trägt die Monogramme: D. L, D. L. und darunter: v. 1906. Reichtum unter Lumpen versteckt. Die in Altona wohnende Witwe Johanna Behrens geb. Dost war schon seit einigen Tagen nicht mehr gesehen worden. Man machte die Polizei hierauf aufmerksam, die die Wohnung gewaltsam öffnen ließ und die Frau in ihrem Bett in völlig hilflosem Zustande vorsand. Da sie noch Lebenszeichen von sich gab, wurde sie in das städtische Krankenhaus ge bracht. Ihr Bett war mit Lumpen bedeckt, die Wohnung befand sich in einem unbe schreiblich verwahrlosten Zustand. Man ent deckte schließlich ein bei dem Altonaer Unter- Darauf weist Kurd v. Strantz in einem Auf satz hin, in dem er die Bedeutung unserer Öd länder für die innere Kolonisation erörtert. Die Hochmoore Oberbayerns entsprechen ja den Mooren der niederdeutschen Tiefebene, und auch diese sollen durch die Kriegsgefangenen in Ackerland umgewandelt werden. Die Flucht gefahr ist in Ostsriesland und in der Lüne burger Heide sehr gering und die Bewachung in jenen unwirtlichen Gegenden leicht durch zuführen. Deutschland besitzt ein weites Gebiet, das einer großzügigen Kolonisierung harrt, und dazu wären auch Teile des deutschen Wald- gebietes zu rechnen, das sich von 26 Prozent des gesamten Landumsanges vor einigen Jahrzehnten bereits auf 27,6 Prozent erhöht hat. Wir muffen daher von einer Üver- waldung Deutschlands reden, die nicht nur landwirtschaftlich, sondern auch volkswirtschaft lich schädlich ist. Vor allem handelt es sich dabei um den Gemeinde- und Bauernwald: der Wald ernährt viel weniger Menschen als der Acker. Sehr viel Bäuern-Neuland ließe sich auch durch Eindeichungen gewinnen, wie sie in Holland vorgenommen worden sind. An der Ostsee gibt es eine große Anzahl Haffe, Wieke und Bodden, die so seicht sind, daß kaum Fischerkähne darauf fahren können: ein großer Teil dieser Wasserstrecken könnte und sollte eingedeicht werden. Auf der Insel Rügen beträgt die Binnenländische Wasser fläche nicht weniger als die Halste Les übrmen Landes, und eine hier durchgejührte Ein deichung würde eine riesige Landfläche mit zum Teil vorzüglichem Boden iür Len Acker bau gewinnen. Durch Heranziehung des für den Pflug besser geeigneten Forstlandes sowie der großen Einpolderungen unseres Küsten landes ergibt sich ein derartig großes Bauern» Neuland, daß auf Jahrzehnte für die innere Kolonisation gesorgt ist. «Höchste Eile ist aber" so schließt der Ver fasser, „mit der sofortigen Inangriffnahme der Moorkulturen im größten Ausmaße geboten, da wir nie mehr solche billigen Arbeitskräfte wieder erhalten, die wir durchfüttern müssen. Erfreulicherweise hat man bereits mit der Kultivierung von Odländereien in den Pro vinzen Hannover, Schleswig-Holstein und Brandenburg durch Kriegsgeiangene begonnen, auch werden sie zur Regulierung unserer Flüsse, beim Ausbau der Wasserstraßen, beim Eis««»? bahn- und Wegbau verwendet. Vor ave« aber kommt es darauf an, neue Anbauflächen zu schaffen." Gericktskalle. Berlin. Ein angeblicher „Flüchtling auS Ostpreußen", der sich als alter gerissener Gauner entpuppte, stand in der Person des Händlers Ferdinand Mielke unter der Anklage des wieder holten Betruges vor der 4. Strafkammer des Landgerichts l. Der schon bejahrte Angeklagte ist in Berlin als „armer Alter aus Ostpreußen" auf getreten und hat es verstanden, mehrfach unter der Vorspiegelung, ein geflüchteter Gutsbesitzer aus Ostpreußen zu sein, in oerichlagener Weise die öffentliche und private Wohltätigkeit betrügerisch auszunuden. Der Gerichtshof hielt es, wie der Vorsitzende ausiührte, für ruchlos und verächtlich, die Opferfreudigkeit in dieser Weise zu miß brauchen. Wenn dies in einer Zeit ge chehe, wo die Bellen des Volkes ihre Gesundheit und ihr Leben sür das Vaterland hingeben, so sei eS not wendig, solche Schädlinge, wie den Angeklagten, erbarmungslos aus der Volksgemeinschaft auszu schalten. Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu drei Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehr verlust. Halle (Saale). Zum Tode verurteilte daS hiesige Kriegsgericht wegen Landesverrats den Oberelsässer Kroepsle aus Sulz, der bei Kriegs ausbruch in Belfort, arbeitend in BefangSn. nach seiner Angabe unfreiwillig, unter dem Namen Delacrotte in das 38. ranMsche Infanterie-Regi ment eintrat und ipäter in deutsche Gefangen schaft geriet, wo durch einen Zufall feine Natio nalität entdeckt wurde. Schiffoau. hält. Vermischtes. Ein Steinzeitdorf in Heidelberg auf« gegraben. In Heidelberg ist man auf dem neuen Zentralfriedhose auf groi-e Funde aus der Steinzeit gestoßen. In diesen Funden hat man das erste große steinzeitliche Dorf am rechten Neckarufer entdeckt. Nach der .Umschau' sind bis jetzt 42 Gruben mit zahl reichen Funden aus der jüngeren Steinzeit durchforscht worden. Nach den Vorgefundenen Resten darf man auf das dritte Jahrtausend v. Chr. zurückrrchnen. Von besonderem Werte dürfte die Aufdeckung zweier Gräber auS der La Töne-Periode sein. In einem Graben iand man eine vollständige Waffenaurrüstung. Es tollen auf Grund der Karienanlagen Gips modelle angefertigt werden, die zusammen mit Plänen und Querschnitten in den Heidelberger Sammlungen zur Ausstellung kommen sollen. Der Schiffbau der Welt. Lloyds Re^ gister gibt eine Jahresüberstcht über den Schiffbau der Welt im Jahre 1914. Nach dieser Statistik baute England dem Tonnen« gehalt nach mehr als alle Länder zusammen. In England wurden 656 Schiffe mit 1683 653 Tonnen Raum-Inhalt gebaut, während in allen übrigen Ländern 663 Schiffe mit 1 169 200 Tonnen Raum-Inhalt gebaut wurden. Der Löwenanteil entfiel auf den Bau von Dampfern, von denen in England S2H in den übrigen Ländern 473 gebaut wurden. 71 der in Enn l mV gebauten Dampfer waren grü er als Mfl Tonnen, und von diesen waren wieder 13 größer als 10 000 Tonnen. An zweiter Lielle im Schiffbau steht Deutschland, bas Schife mit 387194 Tonnen Raum-Inhalt baute. Dann folgten, .die Ver. Eiaalen, Holland und Frankreich. Von den in Deutsch land gebauten Damp ein waren 28 zwischen 6000 und 10 000 Tonnen, sechs üoer 10 000 Tonnen. Der größte in Deutschland gebaute Dampfer war der Hamburg-Amerika-Turbinen- Dampfer „Bismarck" mit einem Tonnengehalt von 66 000 Tonnen, der bisher den Rekord im „Geliebter, was bist Du doch töricht und kleinmütig. Hast Du nicht Dein Leden, Deine Gesundheit in freiem Heldentum dem Vaterland gegeben? Bist Du nicht vor tausenden gezeichnet, als einer von Lenen, die nicht wankten und wichen, als des Felndes Kugeln sich auf sie richteten. Nun erst recht will ich Dir mein Leben weihen, meine Kraft, meine Ge- sundheit mit jubelndem Glück. Und noch lieber sollst Du mir sein, weil mich iede Stunde daran erinnern soll, daß Du auch für unser, für mein Glück blutetest und littest. Sobald ich hier abkom men kann, ohne meiner Pflicht untreu zu sein, eile ich zu Dir und will Dir alle bösen Gedanken von der Stirn küssen. Leonore." * O Auf dem Gutshofe von Hohenlindow herrschte geschäftiges Leben. Herr von Carsten hatte nach einer langen Unterredung mit Anton Ferchhammer jedes Stückchen verfüg bares Land noch einmal besäen lasten, damit seins neuen Jnstleute nicht nur vorläufig Be- Nötigung hatten, sondern damit auch in dieser ernsten Zeit vorgesorgt würde für den kommenden Winter. . Karl und Edwin von Carsten waren so ziemlich wieder, hergeslellt. Freilich, Evwins sonst so frisches fast knabenhaftes Gesicht trug eine breite Narbe, und der linke Arm wollte noch immer nicht seinen Dienst richtig versehen, aber der Arzt hatte doch schon Hoffnung gemacht, daß er in absehbarer Zeit zur Front abrücken könne. Karl trug den Arm uoch in der Binde, lebte aber gleichfalls Ler jrohen Zuversicht^ in einiger Zeit wieder zum Regiment zurückkehren können. Aber die alte Frohnatur lebte nicht mehr in ihm. Je weitet seine Genesung fortschritt, um so häufiger schweifte sein Gedanke zurück in das Lazarett der kleinen Grenzstadt. Da war er in den letzten Tagen seines Aufenthaltes trotz aller Schmerzen doch glücklich gewesen, glücklich in dem Bewußtsein, daß eins wundersame linde Hand für ihn sorgte, daß eine milde Stimme ihn tröstete und ein seltsam sanftes, oft von Tränen umschattetes Augenpaar ihn brachte. Und wenn seine Gedanken in jener Erinne rung schwelgten, kam ein versonnener weh mütiger Zug in sein Gesicht, daß es sein ge- hermes Leid widerstrahlte. Edwin hatte oft mit geheimer Sorge den Bruder betrachtet. Heute wollte er endlich mit ihm sprechen. Aber er war kein Diplo mat und griff handfest in den Schmerz des andern. „Ich weiß," sagte er rund heraus, „an wen du denkst und was dich drückt. Die dich gejund pflegte, hat dir's angetan." Betroffen sah der Bruder auf. Aber Edwin fuhr fort: „Denk' nicht mehr an sie. Um ihretwillen wäre ich beinahe — es ist Amelie d'Esträe!" Es tat weh, das sah er dem Bruder an» aber er wüßte, daß jener es verwinden würde. War er doch ein Carsten. * * * Ein scheidender Septembertag — in den Dörfern waren am Nachmittage die Auszeich nungen für die Kämpfer aus Schtffmoor, Att- tornei und HohenlinLow bekannt geworden. Da versammelte sich die ganze Gemeinde unten im großen Saale in Grabow. Vorn in den ersten Reihen saßen dis Hohsnlindower: der alte Herr mit seinen beiden Söhnen Edwin und Karl. Es ging mit beiden noch recht schlecht, aber sie hatten doch schon Hoff nung, in absehbarer Zeit wieder zu ihren Truppenteilen einrücken zu können. Dahinter saß Anton Ferchhammer mit seinen beidenJungen, her eine an seiner Seite Antonie Wehrlin und der andere Leonore von Carsten. Daneben aber saß glücklich und stolz Martin Wehrlin mit dem alten Pigall, dessen beide Söhne im Felde geblieben waren. Der alte Priester segnete die Gemeinde und vor allem die tapferen Krieger und dann stieg zu aller Freude der Lehrer Lützelmann, dessen Junge im Feuer vor Thiaucourt stand, auf das Neonerpult. „Liebe Freunde," sagte er, „wir haben bei allem Leid und bei aller Trauer seit Jahren nicht so einig und so im Herzen fröhlich bei- einanvergejeffen als am heutigen Abend. Nicht in jener lauten Fröhlichkeit, die bet Musik und Tanz, bei Bier und Wein sich austoben will, sondern in jener inneren Er hebung, die vom göttlichen Teil tn uns kommt. Was hat dieser große Krieg nicht unserm Volke, was nicht einem jeden von uns gebracht. Wir empfinden heule zum erstenmal, daß wir Brüder eines Stammes find, Brüder einer einzigen großen Familie, in Ler das Leid des einen das Leid des andern ist. In unserm engen Kreise hier ist Großes geschaffen worden. Da find die beidek Brüder Pigall auf dem Felde der Ehre geblieben und im Tode noch von ihrem Kommandeur ob ihres Heldenmutes gerühmt, da find die Brüder FerchhamMer, die heimgekommen find mit Wunden bedeckt, aber fröhlich, daß auch sie auf dem Altar des Vaterlandes opfern durften. Da sind unsere Herren von.Hohenlindow, wie die andern im Schmuck des schlichten und doch so bedeutsamen Kreuzes von Eifen. Eine Nation von Helden spiegelt sich hier wider. Und wie wir um unser Einzelschicksal nicht bangen, well Gott es in seiner starken Hand hält — unser Buchwalddauer hat es genugsam erfahren—, so bangen wir in unseres Herzens Tiefe auch nicht um das Schicksal unseres heißgeliebten Vaterlandes. Heute noch wird um Reims und um Verdun, um Belfort und um manche andere Festung ge rungen, die uns den Weg tn das Herz des feindlichen Landes versperrt, aber die Zeit ist nicht fern, wo wir alle Hindernisse und alle Feinde bezwungen haben werden. Denn Deutschland ist unüberwindlich, weil es einig ist, wie wir hier im kleinen Kreise vou keinem Sturm entwurzelt, von keinem Unwetter ver nichtet werden können, wenn wir einig sind. Heute noch ist's ungewiß, was in der Zu kunft lebt, aber daß aus den Nöten dieser Tage ein größeres Deutschland sieghaft er stehen wird, des sind wir alle gewiß. Das walte Gott." Und ganz spontan, niemand wußte, wer den Anfang gemacht hatte, klang es hinaus, das Sturm- und Trutzlied: „Es braust ein Ruf wie Donnerhall I" Und die Alten wie die Jungen, die Gesunden wie die Kranken sangen es mit, die Freunde drückten einander die Hand und die Liebenden sahen sich tu froher Zukunftshoffnung in die Augen» »««« E » b o*
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