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Isis — Gismarcks hundertster Geburtstag — 7-iS Hundert Jahre! Welche Jubelklänge würden diesen 1. Avril 'begrüßen, wenn wir den hundertsten Ge burtstag des größten Sohnes deutscher Erde hätten in Friedenszeiten begehen können. ! Wie hätte sein Name die Tage durchleuchtet, i wie die Erinnerung an sein Werk den Alltag überglänzt, wie das Gedenken an seinen Ruhm noch einmal die Herzen aller höher schlagen macken! Heut umbraust uns der Kampf, den ganz Europa gegen uns sührt, umtobt uns der Haß eines Erdteils, wenn nicht gar des Erdballs, bedroht uns die Meute der Rachsüchtigen. Habsüchtigen, Kultur feindlichen. Und dennoch! Schwebt nicht über diesen Kämpfen der Geist Bismarcks? Hat er nicht, gleich seinem Freunde und Mitstreiter Moltke das Wort geprägt und hundertmal unter strichen. daß wir noch einmal das Schwert »erden ergreifen müssen, um das Errungene zu verteidigen? Der getreue Ekkehard des Deutschtums hat sehr wohl gewußt, daß der Tag von Versailles nicht das Ende des Kampfes um die deutsche Einheit bedeutete. Darum ist uns der Tag, den wir als hundert sten Geburtstag Bismarcks begehen, nicht in .jubelnder Feier, aber in ernster Bewunderung des Helden und in stillem Gedenken seiner überragenden Persönlichkeit, doppelt wert und bedeutungsvoll. Nach Tausenden von Jahren wird der Nome Bismarcks noch aus dem Glanz der Reichsgründung strahlen; denn diele Gründung , ist mit seinem Namen unauslöschlich ver bunden. Und wer wollte heute noch über den Wert der Bismarckschen Schöpfung streiten, heute, wo Fürsten und Völker im Felde stehen, i um die deutsche Erde gegen die Überzahl der Feinde zu schützen, wo Handwerker und Ge lehrte, der höchste Adel mit dem letzten Arbeiter voller Begeisterung für Deutschland in den Kampf gezogen sind? Die Schöpmng ! Les großen Toten rechtfertigt sich also durch sich selbst, und man braucht nicht darüber rechten, ob sie geschichtlich geworden ist oder geworden wäre. Sie ist! Ist die Erfüllung eines fahr- hundert alten Traumes der Besten deutschen ! Stammes, ist eine europäische, ja, wie der > große Krieg jetzt zeigt, eine weltgeschichtliche Notwendigkeit. Und an dem Riesenmaß seines Werkes hat Deutschland sich gewöhnt den Schöpfer zu messen. Weil das große Deutsch land ein Teil von uns allen ist. der beste Teil in uns, weil wir uns alle als Glieder dieses Deutlchlands fühlen, darum ist uns die Persönlichkeit des Reichsgründers menschlich näher gerückt, darum ist er im besten Sinne des Wortes populär geworden wie keiner, der teil hatte an den Ergebnissen der großen Zeit. Alle die Großen der Weltgeschichte, die doch ! ihrer Zeit und manchmal noch kommenden Geschlechtern Wege und Ziele wiesen und Gesetze gaben, sind nicht so fest als Persün- lichtesten im Bewußtsein des Volkes verankert ' wie gerade Bismarck. Wer mit uns liebt und haßt, wer zürnend schilt und grollend Blitze schleudert, wem heiß das Blut zum Herzen rinnt, wer wesenseins mst uns ist in Freud und Leid, den sehen wir als Fleisch von unserm Fleisch, als Blut von unserm Blute, mag ihn der Genius auch zu den Sternen erhoben haben. Der Alte vom Sachsenwalde zog nicht gelaffen und kühl seine Straße wie die Helden der Weltge schichte, er lebte und webte im Volk, er war seiner Sehnsucht und seines Fühlens lebendiger Ausdruck, auch dann noch, als man ihn den „Einsamen" nannte. Und vielleicht dann erst recht, weil nun der Gigant als Mensch er schien, dem herbes Leid widerfahren war. Als Bismarck aus seinen Ämtern schied, sprach Kaiser«WMelm H. das Wort, das für den Kanzler eine Anerkennung, für das Volk eine Verheißung und für alle Friedensstörer eine Mahnung war: „Der Kurs bleibt der alte!" Bis auf den Tag, da man uns überfiel, ist der alte Kurs innegehalten worden. Dann aber zeigte es sich, Laß Bismarcks Voraussage Du hast das Kaiserschwert geschmiedet, Dem Deutschtum in der Welt zum Hort, Den Thron hast du, das Reich umfriedet Mit urgewalt'gem Donnerwort. Du hast für Deutschland Platz geschaffen Rings auf dem weiten Erdenrund, Du hast gestählt die deutschen Waffen, Ms ahntest du die schwere Stund'. — Die Unheil deinem Werke dichten Und uns, die deinem Geist entstammt, Sie haben jetzt, uns zu vernichten, Zu blut'gem Krieg das Ml' entflammt. sich glänzend erfüllte. Gerade dieser Weltkrieg ruft uns das Lebenswerk des großen Staats lenkers ins Gedächtnis zurück, und seine große Reichstagsrede vom 6. Februar 1888 erscheint im Lichte der Ereignisse unlerer Tage wie ein Vermächtnis an das deutsche Volk. Mit Worten, die heute noch wie Granit- säulen stehen, wies der Kanzler aus der Ge schichte seit 1813 nach, wie Preußen-Deutschland, eingekeilt zwischen die Westmächte und Ruß land. immer wieder der Gefahr eines Krieges ausgesetzt sei: wenn es sich weigere, aus die Politik Ler Weltmächte «inzugehen. und durch Rußland bedroht, wenn es Liese Politik billige. Schon damals — vor 37 Jahren — erklärte Nun gilt's -er ganzen Welt zu zeigen, Daß deine Schöpfung ohne Zeit, And daß im bunten Völkerreigen Dein Volk ist eins der Ewigkeit. Wie du, ein Held vom Stamm der Eichen, Dich kühn an olles hast gewagt, So wollen wir dir heute gleichen, Der sein Jahrhundert überragt. Mag schweres Leid auch uns begegnen, Wir tragen freudig Not und Tod. Du wirst die deutschen Waffen segnen: „Wir Deutschen fürchten nichts als Gott." der Kanzler, Deutschland müsse so stark sein daß es jedweder Mächtegruppierung ge wachsen sei. „Wir liegen," so heißt es in der weltge schichtlichen Rede, „mitten in Europa. Wir haben mindestens drei Angriffssronten. Frank reich hat nur seine östliche Grenze, Rußland nur seine westliche Grenze, auf der es ange griffen werden kann. Wir sind außerdem der Ge ahr der Koalition nach der ganzen Ent wicklung der Weltgeschichte, nach unserer Geo graphischen Lage und nach dem vielleicht mindern Zusammenhang, den die deutsche i Nation bisher in sich gehabt hat im Vergleich ! mit anderen, mehr ausgesetzt als irgend ein ' anderes Volk. Gott hat uns in eine Situation gesetzt, in welcher wir durch unsere Nachbarn daran verhindert werden, irgendwie in Träg heit oder Versumpfung zu geraten. Er hat uns die kriegerischste und unruhigste Nation, die Franzosen, an die Seite gesetzt, und er hat in Rußland lriegerische Neigungen gro z werden lassen, die in früheren Jahrhunderten nicht in dem Maße vorhanden ivaren. So bekommen wir gewissermaßen von beiden Seiten die Sporen und werden zu einer Anstrengung gezwungen, die wir vielleicht sonst nicht machen würden. ' Die Hechte im europäischen Karpfenteich hindern uns, Karpfen zu werden, indem sie uns ihre Stacheln in unsern beiden Flanken fühlen lassen: sie zwingen uns zu einer Anstrengung, die wir freiwillig vielleicht nicht leisten würden, sie zwingen uns auch zu einem Zusammenhalten unter uns Deutschen, das unserer innersten Natur widerstrebt: sonst streben wir lieber auseinander." Mit kaum verhaltenem Groll wies er dann auf die Dienste hin, die er auf dem Berliner Kongreß dem Zarenreiche erwiesen hat. Mit Nachdruck verteidigte er den Abschluß des Bündnisses mit Osterreich-Ungarn, dessen Be stand eine Lebensfrage für Deutschland sei. Für das unruhige Ausland, besonders für Frankreich und Rußland, aber wurden die Worte geprägt: „Wenn wir in Deutschland einen Krieg mit der vollen Wirkung unserer Nationaltrait führen wollen, so muß es ein Krieg jein, mit dem alle, die, ihn mitmachen, i alle, dis ihm Opjer bringen, kurz und gut. ! mit dem die ganze Nation einverstanden ist: es muz ein Volkskrieg sein." Und zu dramatischer Größe erhob sich dieie Rede, die bloßen Worte wurden z« ge waltiger Tat. als Bismarck schloß: „Wir können durch Liebe und Wohlwollen leicht bestochen werden — vielleicht zu leicht —. j aber durch Drohungen ganz gewiß nicht! Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts in der Welt: und die Gottesfurcht ist es schon, die uns den Frieden lieben und pflegen läßt." Wir können durch Wohlwollen — und sei es auch nur erheuchelt — bestochen werden, durch Drohungen nickt. Die hmter uns liegenden acht Kriegsmonate rechtzeitigen diese Erklärung. Wir Deutsche fürchten Gott; aber sonst nichts in der Welt! Wann hätte sich's herrlicher offenbart als in diesen großen Tagen. Und wenn auch der Gewaltige heule nicht mehr unter uns weilt, so umschwebt uns l jein Geist und sein Werk wird vom ganzen ! deutschen Volke behütet und verteidigt. Bismarck konnte ruhig scheiden, denn er wußte sein Werk in tlugen und tatbereiten Händen. Der Enkel seines „alten Herrn". Friedenssürst und Kriegsheld zugleich, hat treue Heller zur Seite und „der Kurs ist der alle". Wir wissen heute, daß wir siegen werden, daß wir siegen müssen, in uns lebt der Geist Bismarcks, des Mannes, von dem schon 1875 die Londoner .Times' schrieben: „Wir müssen gestehn, daß dieser einfache Land edelmann eher den Reckengestalten des Nibe lungenliedes, als den kleinen Menschen des 19. Jahrhunderts gleicht." Heut schreibt das Blatt zwar anders, für uns aber bleibt das Wort bestehen, daß Bismarck nicht nur die Grundlage des Reiches schuf, sondern auch seine Lebensvedingungen. Sie gilt es heule zu verteidigen. Sollten wir zweiieln? Sind sie nicht alle wie Recken einer verklungenen Zeit: Ler Monarch, der mit seinem Heere im Felde steht, die Fürsten aus allen deutschen Gauen, die ihre Armeen führen, die Hinden burg, Kluck, Einem und wie sie alle heißen. Sind sie nicht alle Helden, die in unermüd lichem Kampfe mit ihrem Leibe des Reiches Grenze decken ? Der Geist des Mannes be seelt sie alle, der Deutschlands Einheit schuf und dem der Dichter ins Grab nachrief: Und hat die Welt zu stürmen Mut. Wir schwören zu Gott und beten: „Das Land, wo Bismarck in Frieden ruht, Das soll kein Feind betreten!" Ugx chreuckt-Dsuart. Der Enkel -es Grasen Haudegg. 20s Erzählung von Marga Carlssen. Oorllrtznnst.l Sie erlaubte dem Grafen nicht die mindeste Freiheit. Der Blick der großen, unschuldigen Augen übte eine solche Gewalt aus über den gewiegten Lebemann, daß er es nicht wagte, auch nur ihre Hand zu ergreifen und sie fest- mha'ten. Er schalt sich einen Feigling, er, der sich einbildete, alle Art Frauen zu kennen, und konnte doch nicht ankämpien gegen die Ehrfurcht, die ihm das junge Mädchen ein- flößte. Seine Begierde, dieses Mädchen sein zu nennen, wurde' durch ihre ablehnende Haltung noch mehr angestachelt. Mit verzehrender Glut umfingen seine Augen das hilflose junge Geschöpf, das vor ihm im Sessel ruhte, dem seine Worte flam mende Röte in das blasse Gesicht riefen. Sein mußte sie werden, koste es, was es wolle. Sein einziger Rivale war aus dem Felde ge schlagen, und doch dachte Graf Felsen nicht offne innere Unruhe an den schönen, stattlichen Seeoffizier. Trug dieser nicht einen Namen, der mit seinem Klang tausend Erinnerungen einer längst vergangenen Zeit wackrief? Orlano! Doch Graf Felsen wollte nicht er innert sein. Es gab so viel, an das er nicht gern dachte. Und wozu am Vergangenen hasten, da die Gegenwart so viel bot. Auf den Rat des Arztes hin sollte Felizitas sobald wie möglich nach dem Süden reisen. -Biel Zerstreuungen, Abwechslungen, neue Eindrücke aufnehmen, damit die Depression Les Gemütes verschwindet." riet der alte, er fahrene Hausarzt. So schloß denn Herr von Brenken sein Haus und reiste mit Felizitas und Fräulein von Haller — es war Mitte März — in die > Riviera. Felizitas ging schweren Herzens von Straß burg sort. Der Gedanke, Frau von Haidberg, ihre mütterliche Freundin, entbehren zu müssen, und unter Fremden zu leben, war ihr hart, zumal das Verhältnis zu dem Vater ein kühles geworden war; sie litt sehr darunter. Der alte General konnte ihr es nicht ver geben, daß seine Tochter ihre Liebe einem Bürgerlichen geschenkt, und daß sie ihm die Ausführung seiner ehrgeizigen Pläne so schwer machte. Er beschloß, die Sache zu beschleu nigen. Im Süden sollte die Verlobung ge feiert werden. So hatte er dem ungeduldigen Grafen, der einige Tage später abrelsen sollte, versprochen, Felizitas ahnte nicht, daß das Entsetzliche so nahe war. Sie sah zum erstenmal das Meer und genoß mit stummen Entzücken den Anblick der blauen, sonnenbestrahlten Flut. Sehnsüchtig ruhten ihre Augen auf der nedlichten Ferne, und ihre Gedanken flogen zurück, — aber nein, nicht denken, nicht an ihn denken; und doch mußte sie es. Das Meer, seine Heimat, wie er ihr einst gesagt, tat es ihr an. Stunden lang lag sie am Strande, vergaß die Gegen wart, und das Rauschen des Meeres lullte sie in die süßen Träume der Vergangenheit ein. Die warme kräftige Seeluft hatte die Wangen des jungen Mädchens gerötet, da machte Graf Felsen ihr die Eiöffnung, daß am Abend, man schrieb den 17. April, ihre Verlobung offiziell bekannt gemacht werden sollte. Eine fahle Blässe überzog das junge Ge sicht. Noch wär die Erinnerung an den Ge liebten so frisch in ihrem Herzen und nun sollte sie sich mit einem andern verbinden? Wortlos lehnte sie sich zurück, und als Graf Felsen jetzt den Arm um sie legte, war sie un fähig, sich zu rühren, um ihm zu wehren. Er sah ihre Schwäche, beugte sich rasch über sie und küßte ihren Mund. Voll Entsetzen ver suchte sie sich frenumackcn; er aber drückte sie mit sanfter Gewalt in den Sessel zurück. „Warum io herb, meine kleine Braut; darf ich Dich nicht küssen, nun Du mein bist?" Wie sah sie seine dunklen Augen in be denklicher Nähe. Sie nahm all ihre Kräfte zusammen: „Ich muß mich dem Willen meines Vaters fügen. Wagen Sie es aber nie mehr, mir Vertraulichkeiten aufzudrängen; bei Gott, ich weiß nicht, was ick tun würde." Tränen der Schwäcke zitterten durch ihre Stimme. Ihr war so elend zu Mute. Kaum vermochte sie das Sehnen ihres jungen Herzens nach dem Schutz und der Liebe des Geliebten zu unterdrücken. Sie schloß die Augen, öffnete sie jedoch schnell wieder, weil sie den Grafen an ihrer Seile fürchtete. In diesem Augenblick näherte sich Fräulein von Haller; Feliziias streckte wie hilfesuchend die Hand nach ihr aus und zog die alte Dame an ihre Seite. Diese hatte die Situation erfaßt, strich ihrem Pflegling lieb kosend über die dunklen Locken, rückte das Kiffen zurecht und ließ sich dann an Felizitas' Seite nieder. Graf Felsen warf einen bösen Blick auf die Dame und erhob sich: „In einer halben Stunde bin ich wieder hier, ich habe nur einen notwendigen Brief zu schreiben." Mit diesen Worten küßte er die seinen, schlanken Hände, die regungslos auf der Decke lagen, verbeugte sich kühl gegen Fräulein von Haller und ging. In Gedanken versunken, ging er dahin, mit der Fußspitze den seinen Sand auswerfend. Plötzlich hörte er, daß jemand hinter ihm kam. Gleichzeitig rief eine Stimme: „Sehe ich dick hier wieder, alter Korpsbruder?" Graf Felsen wandle sich um. Vor ihm stand ein Herr in Hellem Anzug, gelben Sckuhen, das Monokle im Auge und einen riesigen Säbelhieb quer über der Stirn. „Du traust deinen Augen wohl nicht?" lachte der Fremde, dem man den Lebemann sofort, ansah. „Du bist cs, Ellern, wo kommst du her? Wie geht es dir? Was tust du hier?" „Dasselbe will ich dich fragen, oder viel mehr, die Frage ist überflüssig," lachte Baron Ellern — er war der Fremde — Lu hast dir das alte Talent bewahrt und schreitest von Sieg zu Sieg. Wer ist denn die kleine Schönheit, der du eben zu Füßen liegst? Wie weit bist du mit ihr? Geliebte, Braut oder Frau? Ich habe euch beobachtet. Sie scheint sich noch zu sträuben? Was?" Erwartungsvoll blickte er den Freund an. Graf Felsen strich sich den schwarzen wohl- gepflegten Schnurrbart: dann antwortete er: „Ja. weißt du. das ist eine merkwürdige Ge schichte. Wäre das Mädel nicht so oerleuselt schön, dann hätte ich sie längst aufgegeben: aber sie reizt mich durch ihre Herbheit. Sie ist schwer zu entflammen, und ich will sie zwingen. Heute Abend feiern wir Verlobung,