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Ottendorfer Zeitung : 17.01.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-01-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191501173
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19150117
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19150117
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-01
- Tag 1915-01-17
-
Monat
1915-01
-
Jahr
1915
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 17.01.1915
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Rücktritt -er Grasen Berchtold. Das Wiener .Fremdenblatt' veröffent- lickt folgende Mitteilung: Der Minister des k. «. k. Hauses und des Ä«s;ern Graf Berchtold, der Seine Majestät schon vor längerer Zeit gebeten hatte, ihn in Gnaden seines Amtes zu ent heben, hat diese Bitte nunmehr an Allerhöchster Stelle erneuert. Der Kaiser hat die gewichtigen versönlichcn Gründe, die den Minister des Austern zu seinem Rücktritt bewogen haben, gewürdigt und allergnädigst geruht, seiner Bitte zu will fahren. Zum Nachfolger des Grafen Berchtold wird der ungarische Minister beim Aller höchsten Hoflager Baron Stcvhan Burian zum Minister des k. «. k. Hauses und des Austern ernannt werden. Wie verlautet, hat der Kaiser dem Grafen Bercktold die Brillanten zum Großkreuz des Stephan-Ordens verliehen. Aus unter richteten Kreisen verlautet, daß durchaus keine politischen, sondern ausschließlich persön liche Gründe für den Rücktritt Berchtolds maßgebend waren und in der Richtung der Politik der Monarchie mit dem Minister wechsel absolut keine Änderung zu erwarten sei. über die Ursachen des Rücktritts des Grafen Berchtold sind mannigfache Ge rüchte im Umlauf, die sich natürlich auf ibre Richtigkeit nicht kontrollieren lassen, zum Teil aus begreiflichen Gründen nicht mitgeteilt werden können. Eine mit den in timen Vorgängen wohl vertraute Persönlich keit sagte: »Man wird es hier und im Aus land wohl nicht glauben wollen, aber es ist so: Berchtold geht, weil er gehen will. Es ist ja kein Geheimnis, daß er das Amt nur widerstrebend übernommen hat, daß es ihm keine Freude machte, diesen schwierigen, arbeitsreichen Posten zu bekleiden, und daß er wiederholt den Wunsch geäußert hat, daß ihm diese Bürde abgenommen werde. Er ist immer wieder geblieben, weil es der Wunsch des Kaisers war. f^seue Siegeskanfaren. Der siegreiche Vormarsch nach Berlin. Nach echter Franzosenart hat der französi sche Minister Pichon in den letzten Tagen wiederholt in schwungvollen Reden sich an der Hoffnung auf Frankreichs „zweites Heer" und „Kitcheners Armee" berauscht, die beide im Frühjahr fertig sein und dann „siegreich auf Berlin marschieren" sollen. Man ist nun einmal in Frankreich in diesen Gedanken ver liebt, und obwohl Herr Pichon noch vor einigen Tagen die Japaner beschwor, 260 000 Mann zu entsenden und sich damit einen Korb holte, so hat er doch, dem hoffnungssreudigen Temperament seiner Landsleute erliegend, an der Todesfackel des Glückes (die Gelben auf französischer Erde begrüßen zu können) schnell eine neue Hoffnung entzündet. Man kennt ja diesen „Vormarsch nach Berlin". Nicht erst aus dem Jahre 1014! Schon 1870 hieß jedes zweite Wort „Vor marsch nach Berlin", und auch in diesem Kriege haben wir den Marsch nach Berlin von feiten der Franzosen und Engländer und dann von selten der Russen schon so ost ankündigen hören, daß die Franzosen sich eigentlich hüten sollten, noch einmal ihren Bewohnern ein Versprechen auf Vorschuß zu geben. Diesmal wird die Drohung mit dem Marsch nach Berlin allerdings durch neue Tatsachen schein bar beweiskräftig gestützt. England hat eine angebliche Million Soldaten ausgerüstet, die für „Kitcheners Heer" in Erscheinung treten sollen. Es ist schon vielfach — besonders auch von Neutralen — untersucht worden, wie weit diese Million im Frühjahr sein wird. An Zahl und Ausbildung wird sie jedenfalls das Pichonsche Ideal nicht erreichen. In einer neutralen Zeitung war einmal mit Recht be merkt, daß sich das neue Heer Kitcheners „aus Verhungerten und Verzweifelten" zufammen- setzt. Auch die sogenannte „zweite Armee" Frankreichs fällt ins Gewicht bet den Äuße rungen Pichons. Der Wert dieser Armee, die sich aus 18sährigen und schwachen oder kranken 46iährigen zusammensetzt, ist dem Heere Kitcheners ziemlich gleich zu setzen. 6s braust ein Kuf. 27s Erzählung von Max Arendt-Denart. sA»rtIetzuna.) General Sarrail wehrte ab: „Ich muß jetzt zur Kommandantur." Er trank dann aber doch ein Glas. „Werden wir uns hier halten können?" fragte der Chevalier. „Sicher!' entgegnete Sarrail. „In wenigen Siunden müssen die von Curä versprochenen Verstärkungen hier sein." „Gott sei Dank!" General Sarrail nahm kurzen Abschied, begleitet von den Glückwünschen Ler Zurück- bleibenden. Amelie stand noch immer unbeweglich am Fenster. Der Andrang der Menge unten war noch stärker geworden; denn mehrere Dörfer, die im Gefechtsfelde vor der Stadtmauer lagen, waren von den Kämpfenden in Brand geschossen worden. Greise und Kinder, junge Frauen mit weinenden Säuglingen auf dem Arme, zogen vorüber. Ta hatte einer eine Kuh am Strick, die er mühselig hinter sich herzerrte; dort trug einer eine Lampe, als hänge von ihrer Rettung sein Heil ab. Kinderwagen und Handwagen. Schubkarren und Tragbahren, Männer mit schwerbepackten Kiepen, und Frauen, die in Todesangst halb bekleidet ihr Heim verlassen hatten. So wälzte sich die Menge wehklagend und weinend, oder auch in stumpfer Gleichgültig keit dem Mülhauser Tor zu. Von dort aber kamen in endlosem Zuge Kanonen und Maschinengewehre, Niunitionszüge und Vro- Würden nun zwei Millionen neue Mann schaften eine starke Belastung des bisherigen Gleichgewichts bilden, das sich heute immer mehr zugunsten unseres Heeres verschiebt? Selbst wenn die Verstärkung nur auf selten der Franzosen und Engländer wäre, dürste diese große Anzahl wegen ihres inneren Un wertes nicht von so großem Belang sein, daß durch sie eine günstige Entscheidung für die Engländer und Franzosen herbeigeführt werden könnte. Es gibt Beispiele genug da für, daß selbst gewaltige Überlegenheiten der Zahl im Kriege nichts bedeuten. Aus der jüngsten Kriegsgeschichte beweisen dies die Siege Hindenburgs bei Tannenberg und den Masurischen Seen, wo die Russen die doppelte bis dreifache Übermacht batten. Dabei handelte es sich hier um die Elitetruppen des russischen Heeres. Ist gar die zahlenmäßige Überlegenheit nur durch von allen Seiten zusammen gewürfeltes Volk erreicht, dann ist sie noch weniger ausschlaggebend. Man braucht nur an das Jahr 1871 zu denken, wo ganz ähn liche Verhältnisse vorlagen. Die Franzosen hatten als letztes Aufgebot die unrühmlichst bekannte Armee Bourbakis aufgestellt, die mehrere 100000 Mann stark dem General v. Werder entgegentrat, der kaum über 40000 Mann verfügte. In der Schlacht an der Lisaine wurde dieses neue Hilssheer Frank reichs vernichtend geschlagen und 80 000 Mann in der Schweiz entwaffnet. Ist nun die Ver stärkung unserer Feinde an sich nach dem Ge setze der Kriegsgeschichte nicht von großem Belang, so wird sie erst recht nicht beunruhi gend, wenn man bedenkt, daß auch wir nicht müßig zusehen werden. Deutschland und Österreich verfügen noch über Millionen von Menschen, die teils völlig felddienstsähig früher wegen der großen Anzahl junger Mann schaften ausgemustert wurden. Hier bandelt es sich um junge, kräftige Söhne des Volkes, die kampfesfroh darauf brennen, in die Schlacht geführt zu werden. Noch sind die neuen Armeen von zwei Millionen Streitern Spukgestalten. An uns wird es sein, den Spuk zu bannen. Wir zagen auch dann nicht, wenn diese beiden Millionen tatsächlich auf den Beinen vor uns stehen sollten. Wir zagen nicht, weil unser Siegeswille nicht erschüttert ist, weil er nicht wanken kann. Uns bleibt auch heute wie bei Beginn des Krieges keine Wahl; wir sollen vernichtet werden, also müssen wir siegen. Und wir werden siegen. Dafür bürgt unsre Armee, dafür bürgen die Daheimgebliebenen, die unerschütterlich ent schlossen sind durchzuhalten bis zum sieg reichen Ende, koste es was es wolle. , * verschiedene Uriegsnachrichten. Kämpfe in Neukamorun. Der Pariser ,Temps' meldet: Das hier ein getroffene Amtsblatt vom Kongo vom 15. No vember gibt einen Bericht über die militärischen Operationen im Sanghagebiet. In diesem Be richt heißt es: Anfang Oktober eroberte die Kolonne, die zuvor Bonga und Uesso einge nommen halte, Djembe, fünfzig Kilometer nörd lich von Uesso, und marschierte dann gegen Nola vor. Die Verbindung der Kolonne mit dem Posten in Uesso wurde wenige Tage darauf vom Feinde abgeschnitten, der Ndzimu einnahm und befestigte. Nach dem Eintreffen der aus Brazza ville erbetenen Hilfe wurde am 26. Oktober Ndzimu angegriffen und nach zweitägigem er bitterten Kamps eingenommen. Andere Kolonnen hatten unterdessen Nola. Carnot und Bonia ein genommen. Deutschlands uncrschövfliche Hilfsmittel. In einem Leitartikel, der die Mitteilungen ihres Korrespondenten über Deutschland zu sammenfaßt, kommt die Londoner .Daily Mail' zu dem Schluß: Das Bild dieses grasten Landes ist, dast es einig wie niemals vorher nnd auch voll Vertrauen ist auf Sieg, fest entschlossen nnd gut organisiert zum Siege, ein Land, das mit unerschöpf lichen und unerhörten Hilfs mittel« an Kriegsmaterial versehen ist, das durch den wirtschaftlichen Truck der englischen Übermacht zur See bis auf einzelne Ausnahmen noch nicht ge brochen ist. So must man den Zustand in Deutschland auffassen. Nichts wei st darauf hi«, dast Ai angel an Lebensmitteln oder an Roh stoffen eingetreten ist. (.Frkft. Ztg.') — Nach Meldungen des .Berl. Lok.-Anz.' aus Flandern hat England die weiteren Truppentransporte auf dem bisherigen Wege von Folkestone nach Dieppe ein gestellt, weil, wie den.Hamburger Nach richten' aus Brüssel gemeldet wird, der Ärmelkanal durch die deutschen Unterseeboote unsicher gemacht ist. Die englischen Truppen werden jetzt von Portsmouth nach Le Havre und La Police geschickt und von da mittels Eisenbahn nach den Kampfplätzen befördert. * Paris im Dunkel. Pariser Blätter kündigen Maßnahmen an, die für „eine Verminderung der Straßen beleuchtung in Paris" getroffen werden sollen, um der Gefahr einer Beschicstung durch Zevveline und Flugzeuge zu ent gehen. Diese „Maßnahmen" hat man er wogen, weil in den letzten Tagen wieder ein deutscher Flieger über Paris erschienen ist, o me daß es gelungen wäre, seiner Habhaft zu werden. * Erfolglose Stürme auf Przemvsl. Wenn einst die Geschichte des großen Krieges geschrieben wird, so wird die wackere Besatzung der galizischen Festung Przemysl ein besonderes Ehrenblatt darin beanspruchen dürfen. Der Kriegsberichterstatter des .Deutschen Voltsblattes' erfährt über die Belagerung von Przemysl, dast die russische Armee dort bei den bisherigen Angriffen furcht bare Verluste erlitten hat. Die Aus fälle der Besatzung haben de» Belagerern schweren Schaden zugefügt. Gefangene russische Offiziere erzählen davon mit unver hohlener Bewunderung. Ebenso arg sind die Reihe» bet Sturmangriffen gelichtet worden. Wie bei der erste» Belagerung trieben die russischen Offiziere die stürmenden Mann schaften au; viele, die nicht vorrücken wollten, wurden einfach niedergeschosseti. Alle Angriffe der Russen waren vergeblich. Przemysl steht unter seinem heldenhaften Kommandanten und der unermüdlichen Be satzung wie ein Fels im Meer. Die Balkaustaaten und der Krieg. Die.Köln. Ztg.' meldet aus Sofick: Die Auffassung, die Ausdehnung des Krieges auf die Balkanländer stehe unmittelbar bevor, teilt die hiesige leitende Stelle nicht. Alle Ent schließungen sind nach wie vor von den Ent scheidungen auf den großenKriegs schauplätzen abhängig. Rumänien beab sichtigt, gegen Januarende den Truppenstand zu erhöhen. In Bulgarien sind noch keine Entscheidungen der Reserven getroffen. Politische Kunälchau. Deutschland. "Ein Berichterstatter der .Times' meldet aus New Bork, daß Staatssekretär Dernburg dort in einem republikanischen Klub eine Rede hielt, worin eine Theorie zur Verhütung des Krieges in Zukunst enthalten war. Ein freies Meer werde die Kriegsgefahr beseitigen und auch Weltkriege verhüten. Das Meer solle für jedermann frei sein. Das Meer gehöre nicht einer Nation allein, weder der englischen, noch der deutschen, noch der amerikanischen. Die Rechte der einzelnen Nationen an das Meer sollten außerhalb der Drei-Meilen-Grenze auf hören. Jeder Eingriff außerhalb dieser Grenze sollte als eine Verletzung der Rechte der Nationen angesehen werden. England. * Die .Times' melden, daß dis Steige rung aller Levensmittelpreise in England dem unglaublichen Durcheinander im Hasen von London zuzuschreiben sei. Zahlreiche Schiffe liegen bei Gravesend, ohne daß sie gelöscht werden können. Sie enthalten allerhand wertvolle Ladungen, wie Gefrier fleisch, Tee, Zucker und Konserven. Es dauere fast einen Monat, bevor ein Schiff gelöscht wäre. Man wisse mit der Zu fuhr nicht ein noch aus. Die Eisenbahn ver füge auch nicht über genügendes Material. Ferner habe die ungünstige Witterung die Arbeit in den Docks sehr beeinträchtigt. Der Hauptfehler liege aber bei den Spediteuren, die keine geeigneten Maßnahmen zur Weiter beförderung der Güter treffen. Die Lager häuser seien schon überfüllt. An Arbeits kräften mangele es nicht, aber an System und Organisation. Italic«. "Während der .Corriere della Sera' in Abrede stellt, daß zwischen der italieni schen Regierung und dem Vatikan Verhandlungen über die Wiederauf nahme der diplomatischen Bezie hungen stattgefunden haben, bestätigt Lie ,Perseveranza' die Nachricht und fügt hinzu, es sei festgestellt, daß im September 1914 Mi nisterpräsident Salandra und der seitdem ver storbene Staatsmann Vicomte Senosta die Frage aufgeworfen hätten. Anderseits habe auch der gegenwärtige Justizminister Orlands sich eingehend in der letzten Zeit mit dieser Frage beschäftigt. * Auf Veranlassung führender römischer Persönlichkeiten werden bei den Geschäfts leuten Unterschriften zugunsten der Fest- haltung an der Neutralität ge sammelt. In einem Überblick über die euro päische Lage schreibt die.Vita': Der Sieger wird uns achten, wenn unsere Militärmacht ungeschwächt bleibt. Warum sollen wir uns den tödlichen Haß der beiden ZentralmLchte zuziehen, die keineswegs, wie man säbelt, erschöpft sind? Unsere Nie d erlag e wäxe unser Ruin, unser Sieg ein Pyrrhussieg. Amerika. "Staatssekretär Bryan sagte, er wünsche eine Äußerung zu der Antwort des Staatssekretärs Grey aus die amerikanische Note zu verschieben, bis er den vollständigen Text erhalten haben würde. Hohe Regierungsbeamte halten jedoch den Ton der Antwort für durchaus freundlich und glauben, die Erörterung werde in gleicher Weise fortgesetzt werden. Die Kontroverse werde sich nicht in eine Prinzipiensrage auf lösen. sondern eine Frage von aktueller Not wendigkeit behandeln. " Der mexikanische Präsident Gutierrez hat erklärt, daß die Verhandlungen zwischen den einander bekriegenden Parteien so weit fort geschritten seien, daß das Problem der Wiederherstellung des inneren Friedens in Mexiko tatsächlich gelöst sei. (?) bräbeben in Italien. 9000 Todesopfer. Durch ein Erdbeben von seltener Heftigkeil ist Italien heimgesucht worden und tiefe Trauer über das Land verbreitet worden. Die größten Erschütterungen traten zwischen Nom und Aquila zutage und fast aus allen dort gelegenen Orten liefen die Schreckens botschaften ein. Wenn auch Rom selbst weniger ge litten hat nnd seine Kunstdcnckmäler und Altertümer nur wenige Beschädigungen davon trugen, so lauten die Nachrichten aus den Städten in den bemachbarten Provinzen zum Teil desto folgenschwerer. Die Stadt Ävezzano scheint völlig zerstört zu sein, von zehntausend Einwohnern sind dort nur tau send übriggebliebcn. Much in anderen Orte» sind zahlreiche Menschen leben zu beklagen. Gerade sechs Jahre sind seit der Erdbeben katastrophe verflossen, die kurz vor Beginn des Jahres 1909 das blühende Sizilien in seinen Grundfesten erbeben ließ und Messina in Trümmer legte. Diesmal ist auch die römische Hauptstadt in die ilnheilssphäre mit hineingezogen worden. Immerhin hat aas Erdbeben nicht die verheerenden Folgen ge zeitigt, die man nach den ersten Nachrichten und in Erinnerung an die Katastrophe vom 1908 wohl befürchtet hat. viantkolonnen, und dann wieder Soldaten in unabsehbaren Reihen. Aber beute schwenkten sie nicht ihre Käppis. Schweigend -ogen sie ihre Straße, dem Feind entgegen. Als man sie aus ihrer friedlichen Arbeit gerissen hatte, hieß es, in den Vogesen finden Manöver statt. Schon am ersten Tage wurden Schanzarbeiten befohlen, und mit fieverbaiter Ungeduld batte man sie zur Eile getrieben. Jenseits des Hanges hatten die deutschen Grenzwachen gestanden, plaudernd, singend, rauchend. Man halte sich hinüber und herüber Scherzworte zugerusen, bis es dann eines Abends hieß: Es ist Krieg, und im Nu waren Schüsse gewechselt worden. Dann nach ein paar weiteren Tagen ging's zur Ausrüstung nach Belfort, und nun an den Feind. Kein Mensch glaubte mehr an den Siegeszug, der ihnen so leicht und ruhmreich geschildert worden war. Sie wußten es durch die vielen Verwundeten. Der Gegner war todesmutig und ausdauernd, er war von dem- selbem Geiste beseelt wie seine Väter in dem großen Kriege, der Frantreich die Provinzen getastet hatte. Das schön? Mädchen sah die Jugend Franlreichs in den Kampf zieyen. Ob sie da unten wohl wissen mochten, weshalb eigent lich dieser grausame Krieg geführt wurde? „Und wenn sie die Wahrheit wüßten, so würden sie euch allen fluchen," fuhr es ihr durch den Sinn. Von ferne her, wo die Sonne verblutet war, kamen diese gingen Menschen und dort, wo jetzt hinter riesigen Feuergarben der Mond stand, leuchtend wie eine feurige Kugei, erwartete sie der Tod. Sonst schwieg in der stillen Garnison um diese späte Abendstunde das flutende Leben, heute drängten immer neue Massen durch die engen Straßen. Anklagend schienen sie her aufzublicken. Zu ihr heraus, ganz anders wie von schmuckem ungebändigten Rosse sonst ein andrer geblickt batte. Und sie hatte Teil an diesem entsetzlichen Unheil! Wie in Fieber schauern wand sich das junge Weib. Und unter denen, die da draußen kämpften und bluteten, war auch er. Auch er! schrie es schmerzvoll in ihr auf. Auch er, den sie verraten hatte. Sie fuhr erschrocken aus ihrem Sinnen auf. Auf der andern Seite der Straße hatte es einen dumpfen .Krach gegeben. Gebälk und Steine fielen, Menschen schrieen und liefen — eine Granate hatte das Eckhaus getroffen und aus seinem Innern schoß nun wie die glühende Lava aus einem Vulkan ein Stein hagel und Aschenregen. Bestürzt war der Chevalier zu seiner Tochter geeilt. „Was ist das?" schrie Frau Madelaine und wankte, als sie hinaussah. „Es ist das Ende!" jagte der Marquis. „Kommen Sie, Chevalier, helfen Sie mir Ihre Gattin ins Nebenzimmer betten. Wir müssen sie zu sich bringen und dann fort. Haben Sie alle Wertsachen und Dokumente?" Der Chevalier winkte: „Sie befinden sich seit acht Tagen in Belsort in Sicherheit." Beide Männer trugen die Ohnmächtige in das Nebenzimmer. Amelie hörte und sah dis Vorgänge um sich herum wie in einem Nebelschleier. Nur eines war ihr in diejen letzten Stunden tlar zum Bewußtsein gekommen: sie würde nie die Gattin des Marquis d'Alembert werden; sie würde sich dem Manne anoertrauen, der heute so leidenschaftslos und mit solcher Bewun derung von dem Feinde gesprochen hatte. Ihm würde sie alles sagen, daß sie den deuk? schen Offizier liebe — er würde sie verstehen. Ohne sich zu verabschieden oder noch ein mal nach der Mutter zu sehen, ging sie hin über in Las Lazarett. Es war eine schlimme Nacht. Vergeblich beschwor ein Ausschuß der Bürgerschaft den Kommandanten, er möge den Widerstand auf geben, die Stadt räumen und sie so vor gänz licher Zerstörung bewahren. Er blieb Zöllen Bitten gegenüber taub. Er stand an se nem Fernsprecher und ersuchte immer wieder um neue Verstärkungen. Und gegen 2 Uhr nachts kamen dann abermals Kolonnen, die sofort ins Feuer geführt wurden. Sobald sie an die Front gekommen waren, ließ der Kommandant die Vorstadt zur Ver teidigung Herrichten. Hinter jeder Mauer wurden Schützen postiert, auf den Dächern der Häuser hinter den breiten Schornsteinen Ma schinengewehre, und sogar auf den Friedhof ließ er ungeheure Mengen von Granaten und Schrapnells hinter zwei Batterien auffahren. Die Panik in der Stadt wurde dadurch vermehrt; denn irgend ein Weiser hatte das Gerücht verbreitet, baß der Kommandant be reits eine Ausnahmestellung vorberriteir lasse, da die Lage der Truppen in der Feldstellung unhaltbar geworden sei. Um vier Uhr^ als sich die ersten Licht strahlen der Sonne zeigten, erklärte der Kom mandant dem Marquis, Laß die Stabt unter
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