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Ottendorfer Zeitung : 22.01.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-01-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191501229
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19150122
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19150122
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-01
- Tag 1915-01-22
-
Monat
1915-01
-
Jahr
1915
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 22.01.1915
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Vorsorge, nickt Sorge. f' Immer wieder hört man überängstliche Gemüter die Besorgnis aussprechen, daß Deutschland, das gegenwärtig in seiner Nah rungsmittelversorgung auf sich selbst ange wiesen ist, nicht in der Lage sein werde, sich auf die Dauer genügend mit Nahrungsmitteln zu versorgen, wenn der Krieg sich in die Länge zöge. In düsteren Farben wird eine in Aus sicht stehende Teuerung, wenn nickt gar Hungersnot an die Wand gemalt. Diese Besorgnis ist indessen unnötig: -denn im wesentlichen kann die deutsche ^Landwirtschaft den Bedarf wohl decken. Frei lich ist weise Vorsorge durch haushälterische Sparsamkeit und Einschränkung in unseren Eß gewohnheiten geboten. Unser Lauptoolksnahrungsmittel, die Kar toffel. ist in so reichem Maße vorhanden, daß ihr Verbrauch nicht einmal eingeschränkt zu werden braucht. Zudem kann durch Urbar machung der Odländereien die Anbaufläche noch -bedeutend vergrößert werden. Es sind davon etwa 8,6 Millionen Hektar vorhanden, und das ist nahezu ein Zehntel der landwirtschaftlich angebauten Fläche Deutschlands. In der wachsenden Schar von Kriegsgefangenen haben wir Arbeitskräfte in reichem Maße. Wenn man rechnet, daß jeder Gefangene einen Hektar urbar macht, so können 500 000 Hektar Ödland der Kultur erschlossen und darauf eine Million Tonnen Kartoffeln geerntet werden. Die preußische Regierung bat die Urbar machung im Havelländischen Luch und in der Lüneburger Heide bereits in Angriff ge- mommen, und in dieser Beziehung wird der Krieg, der große Zerstörer, zu einem schöpfe rischen Neugestalter werden. Weiter können jwir unsere Nahrungsmenge dadurch steigern, »Laß wir die Haltbarkeit der Kartoffeln ver größern. Dazu muß jede Hausfrau das ihrige Beiträgen: die Kartoffeln müssen kühl, trocken, -geschützt gegen Frost und Lickt aufbewahrt -und die darunter befindlichen angefaulten iKnollen von Zeit zu Zeit ausgelesen werden, j Im Fleischverbrauch siebt Deutschland mit an erster Stelle und hat auf den Kopf der (Bevölkerung einen ebenso starken Fleischver brauch wie England. Von unserem starken Fleischverbrauch deckt aber den weitaus größten Teil unsere heimische Landwirtschaft, nur etwa fünf vom Hundert werden in Frie denszeiten eingeführt. Diese mangelnde Ein fuhr können wir ersetzen durch unseren Vieh bestand, der in Zeiten der Not angegriffen werden müsste, aber vor allem dadurch, daß wir unsere Eßgewohnheiten den Verhältnissen anpassen. Wir müssen im Verbrauch ebenso rationell verfahren, wie wir es in der Pro» duktion für selbstverständlich halten. Eine Gewohnheit hierin wird ein Gewinn für die spätere Zukunft sein. Eine starke Ein schränkung wird auch der Verbrauch von Eiern erfahren müssen, da zwei Fünftel des Gesamtangebots in Eiern aus Rußland und Österreich-Ungarn eingesührt werden, diese Einfuhr aber jetzt wegfällt. Ebenso wird man auch mit dem Fettverbrauch sparsamer um gehen müssen. Damit namentlich die für die Kinderernährung so wichtige Menge von Milch erhalten bleibe, sollte nicht mehr als bisher die Hälfte aller erzeugten Milch ver buttert, sondern statt der Butter Obstsäfte und Marmeladen verwendet und die Magermilch wieder mehr Menschennahrung werden. Hierzu kann die Hausfrau beitragen, indem sie den Verbrauch von Käse erhöht, der zudem einen ganz erheblichen Nährwert besitzt. Unser ganzer Verbrauch muß vom Kriegsgedanken durchdrungen sein. Auch die fehlende Einfuhr von Futtermitteln zu ersetzen, ist eine durchaus lösbare Aufgabe. Zur Vermehrung der Futter mittel kann dadurch beigetragen werden, daß man allgemein Versuche macht, die Küchen- absälle für die Versütterung zu sammeln. In Essen ist dieser Versuch mit solchem Erfolge angestellt worden, daß 50000 Kilogramm Futtermittel wöchentlich der Landwirtschaft 'zugesührt werden können. ! Den Kaffeegenuß dagegen werden wir nicht wesentlich einzuschränken brauchen; denn es liegen mehr als eine Million Sack von brasi lianischem Kaffee in Hamburg, und 700000 Sack Kaffee sind in Antwerpen beschlagnahmt worden. Mit der Absicht Englands, Deutsch land durch Hinausziehung des Krieges aus- zuhungen, ist es also nichts, und bange Sorge braucht uns nicht zu guälen, aber der Geist der Vorsorge muß in jedem einzelnen von uns lebendig sein. Von unä fern. Zurückhaltung in Liebesgabensen dungen. Hier und da ist angeregt worden, den bevorstehenden Geburtstag des Kaisers zum Anlaß zu nehmen, um die Truppen im Felde durch besondere Liebesgaben zu er freuen. Die Heeresverwaltung legt jedoch nahe, wie die,Nordd. Allg. Ztg/ schreibt, von der Absendung solcher Spenden abzusehen, da von Weihnachten her die Mannschaften noch reichliche Vorräte an Liebesgaben besitzen, so daß weitere zurzeit schwerlich verbraucht werden können. Der gute Wille der Spender würde daher eine Schädigung des Volks vermögens zur Folge haben. He.imreise deutscher Staatsangehöriger in England. Die amerikanische Botschaft in London gibt bekannt, daß deutsche und öster reichische Frauen jeden Alters und deutsche Männer unter 17 und über 55, Österreicher und Ungarn unter 18 und über 50, die für den Waffendienst untauglich sind, seiner deutsche, österreichische und ungarische Ärzte und Geist liche die Möglichkeit Haden, nach Hause zurück- zukehren. Todesurteil gegen zwei Deutsche. Das französische Kriegsgericht in Casablanca ver urteilte die Deutschen Ficke und Grundier wegen „Spionage" zum Tode. Der Deutsche Nerkorn wurde zu lebenslänglicher Zwangs arbeit verurteilt. — Die deutsche Reichsregie rung erhebt gegen das neue Todesurteil gegen deutsche Ansiedler in Marokko die schärfste Einsprache durch eine neutrale Macht. In Marokko harren noch über dreißig angesehene Deutsche in der Gefangenschaft ihrer rechts widrigen Aburteilung durch französische Kriegsgerichte. Kühne Flucht aus russischer Gefangen schaft. Ein verwegenes Unternehmen ist dem Füsilier Muskita, einem Neuköllner, in Ruß land geglückt. Er war verwundet in russische Gefangenschaft geraten. Als M. vernahm, daß er mit anderen Gefangenen in bas Innere Rußlands gebracht werden sollte, faßte er den Entschluß, zu fliehen, obwohl er überaus streng bewacht wurde. Er verstand es, sich einen russischen Mantel zu verschaffen, machte seine Haare struppig und gelangte so ohne Kopfbedeckung nachts durch die russischen Posten hindurch. Nach harten Entbehrungen und Strapazen langte der Flüchtling schließ lich bei den Deutschen wieder an, die ihn anfangs für einen Russen hielten und ihn bei- nahe erschossen hätten. M. ist nun bald wiederhergestellt, und er will dann von neuem den Russen zu Leibe gehen. Der Kriegsschatz im Strohsack. Beim Ausbruch des Krieges hatte ein Jnstmann von einem Gute bet Fischhausen im Samlands seine Ersparnisse in Höhe von rund 1500 Mk. von der Sparkasse abgehoben und das Papier geld seither in einem Strohsack verborgen, auf dem er schlief. Dieser Tage wollte er sich nun seinen Schatz ansehen, doch zu seinem nicht geringen Schrecken fand er statt der Scheine nur feine Papierschnitzel. Mäuse hatten dis Wertscheine derartig zernagt, daß auch nicht eine einzige Nummer mehr daran zu erkennen war. Das Geld ist also für den „vorsichtigen" Mann verloren! Hinrichtung. Der Bergmann Andreas Nowicki aus Langenzelt (Kreis Jarotschin), der wegen Raubmordes, begangen an dem Wirt Franz Stenzel in Langenzelt, zum Tode verurteilt worden war, ist auf dem Hofe des Gerichtsgesängnisses zu Ostrowo hingerichtet worden. Volkswirtschaftliches. Kein Mehrverbrauch von Kartoffeln zu Brennercizwecken in Aussicht. Anscheinend wird in den Kreisen der landwirtschaftlichen Brennereibefitzer vielfach angenommen, daß die starke Zunahme des Verbrauchs von vergälltem Branntwein zu einer nachträglichen Erhöhung des im laufenden Jahre auf 60 Prozent herab gesetzten Durchschnittsbrandes führen und daß eS daher möglich sein werde, doch mehr Kartoffeln zu brennen, als zunächst zu erwarten war. Diese Annahme ist, wie die ,Nordd. Allgem. Ztgft er klärt, unzutreffend. Wenn es auch für die Er haltung des Viehbestandes sehr erwünscht wäre, etwas mehr Kartoffelicklempe erzeugen zu können, so ist man an maßgebender Stelle doch fest ent schlossen. eine möglichst große Menge von Kar toffeln für die menschliche Ernährung zu sichern. Sollte es also wirklich zu einer Erhöhung des Durchschnittsbrandes kommen, so wird dabei die Verwendung von Kartoffeln und Mais über das bisher zugelassene Maß hinaus sicherlich aus geschlossen werden. Zum bevorstehenden wechsel im Reichrschatzamt. In der Besetzung des Reich-schatzamtes steht binnen kurzem eine Änderung bevor. Der Staats sekretär Kühn leidet schon seit längerer Zeit an Reichsschatzsekretär Kühn. einer fortschreitenden gichtischen Erkrankung, die ihm mehr und mehr auch in der Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit hinderlich wird und den Ge danken an einen Rücktritt nahelegt. Als Nach folger ist der Direktor der Deutschen Bank, Wirkt. Leg.-Rat Prof. Dr. Helfferich, in Aussicht ge nommen. Dauerware von Schweinefleisch. Angesichts des augenblicklichen Über angebots von Schweinefleisch erläßt der preußische Minister für Landwirtschaft, Do mänen und Forsten, Freiherr v. Schorlemer, einen dringenden Mahnruf, den Überfluß für die Zukunft nutzbar zu machen durch die möglichst umfangreiche Herstellung von Hauer waren aller Art (Schinken, Speck, geräucherte Würste, Pökelfleisch, Konserven). Die jetzige Jahreszeit ist die beste für die Herstellung von Dauerwaren und für Aufbewahrung. Ein solches Vorgehen ermöglicht es der ein zelnen Haushaltung, zu annehmbaren Preisen im voraus einen großen Teil ihres Bedarfes an Fleisch zu decken. Der Gesamtheit bringt es den Vorteil, daß dem unausbleiblich ge ringeren Angebot an Schweinefleisch in den späteren Monaten auch nur eine geringere Nachfrage gegenübersteht. Ein übermäßiges Steigen der Preise wird so verhütet und einer Beeinträchtigung der Volksernährung vorgebeugt werden. Das ist auch ein Stück Kriegsarbeit, der sich die nicht im Felde Stehenden mit vaterländischem Pflichtgefühl unterziehen müssen, denn zum Durchhalten gegen die Welt von Feinden, die uns einen Hungerfrieden aufzwingen möchten, muß nächst der Brotoersorgung auch die Fleischversorgung gesichert werden. Dauerware in Schinken, Speck und Wurst bedarf, falls sie für längere Zeit halten soll, folgender sorgfältigenVorbehandlung: Schinken und Speck sind auch in den tiefen Lagen gut zu durchsalzen. Hierzu ist namentlich bei Schinken darauf zu achten, daß sie je nach der Größe während 6 bis 10 Wochen in einer genügend starken Pökellake gehalten werden. Bei Beginn der Pökelung sind sie ringsum, besonders an den nicht von Schwarte bedeckten Fleischteilen, kräftig mit Salz einzureiben. Während der Pökelung sind die Waren — möglichst in Kellern — bei 6 bis 12 Grad Celsius aufzubewahren. Bei höherer Wärme verderben Lake und Ware leicht, bei niedrigerer wird das Eindringen des Salzes in die Tiefe verzögert oder ganz verhindert. Nack der Pökelung werden Schinken und Speck einen halben bis einen ganzen Tag ge wässert und darauf gut abgewaschen. Vor dem Räuchern werden sie in einem luftigen Raume, möglichst mit Zuglust, je nach dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft, mehrere Tage oder Wochen getrocknet. Würste sind sofort nach ihrer Anfertigung zu trocknen. Während der Trocknung dürfen die Waren Frost, feuchter Luft oder hoher Wärme nicht ausgesetzt werden. Das Räuchern der Ware ist langsam zu bewirken, und zwar in mäßig starkem, kaltem und mit trockenen Sägespänen aus Hartholz, dem sogenannten Schmok, erzeugtem Rauch. Für längere Aufbewahrung beträgt die Räuchweit bei Schinken etwa drei Wochen, bei Speck bis ,u zwei Wochen und bei Wurst bis zu einer Woche. Gerichtskalle. Breslau. Der Einbruch in die Kantine eines Gefangenenlagers bildete den Gegenstand einer Verhandlung vor dem Kriegsgericht der Komman dantur Breslau. Die Anklage richtete sich gegen den 22jährigen russischen Kriegsgefangenen Pavel Batanowicz von der neunten Kompagnie des Russenlagers auf dem Truppenübungsplatz Neu hammer. B. wurde beschuldigt, in der Nacht zum 16. November v. IS. nach Zertrümmern der Fenster scheiben einen Einbruchsdiebstahl in die Kantine des Lagers verübt zu haben, bei dem er Würste, Speck, Zigaretten, Seife, Brot und die Wechselkasse er beutete. In der Kaffe befand sich auch ein falsches Markstück, das der Wirt vereinnahmt und auf fallend gekennzeichnet hatte, damit er es nicht wieder verausgaben könne. Trotzdem nun der Angeklagte dieses Markstück einem Kriegskameraden mit der Weisung übergeben hatte, Zigaretten da für zu beschaffen, leugnete er den Einbruch. Das Urteil lautete auf ein Johr Zuchthaus. Lüttich. Das Feldgericht verhängte über zwei belgische Offiziere schwere Strafen. Der eine, der fast 80 jährige pensionierte General Fisoe, leitete ein Bureau, das sich mit der Beförderung von wehrfähigen Belgiern über die Grenze beschäftigte, so daß diesen der Eintritt in die Armee des Königs Albert ermöglicht wurde. Der andere, der Leutnant Gille, war von der Regierung in Havre beauftragt worden, die von den Deutschen neu errichteten Lütticher Festungsbauten auszukundschaften. Beide wurden ertappt und zum Tobe verurteilt, aber zu lebens länglicher Haft begnadigt. General Fisoe ist eine bekannte militärische Persönlichkeit in Belgien und war zu Lebzeiten des Königs Leopold II. ein einflußreicher Günstling dieses Monarchen, in dessen Auftrag er mehrmals nach Afrika und China reiste. Vermisstes. „Deutsches Brot aus Sägesvänen." Wie systematisch die englischen „Reuter"-Mel- düngen ihr Lügengewebe über deutsche Zu stande auf der ganzen Welt verbreiten, geht aus einer bezeichnenden Meldung hervor, die sich in einem angesehenen Blatt der amerika nischen Holzindustrie findet. Zwischen einer Reihe anderer, ganz ernsthafter Mitteilungen dieses Holzsachblattes steht auch folgende Notiz: „In Österreich werden Sägespäne mit Teer gemischt und zu Heizbriketts verarbeitet. In Deutschland wird aus Sägespänen, die mit Roggenmehl vermisckt werden, eine Art Brot gebacken, das von Menschen sowohl als auch von Pferden verzehrt. wird. Eine Dampf» bäckerei stellt allein 20 000 solcher Brote am Tage her." Wie ganz anders steht dagegen Eng land da, denn dort werden, so wird hervor gehoben. dieselben Sägespäne, die die deut schen „Barbaren" angeblich essen, „zum Aus- füllen der Spucknäpfe benutzt". Gewiß wird nächstens diese Meldung noch darin ergänzt werden, daß sämtliche Schneidemühlen Deutsch lands nichts anderes mehr tun, als Holz zu Sägespänen zu zersägen, damit Deutschland zu unsicher, „hier zu verhandeln ist — geben Sie mir immerhin Ihre Hand. Ich will sie in Dankbarkeit drücken." Das junge Weib reichte ihm zitternd die Hand, die der alte Mann, ehe sie es verhindern konnte, an die Lippen führte. Dann ging er hinaus. Einen Augenblick herrschte Schweigen, dann wandte sich Amelie ihrem ehemaligen Verlobten zu. „Herr von Carsten, verzeihen Sie mir, wenn ich so unvermutet Ihren Weg kreuze. Ich habe nicht ahnen können, daß Sie hierher kommen würden. Sie werden ja nun wohl Ihre Pflicht tun müssen, denn ich bin nach Ihrer Anschauung eine Landesverräterin, eine, die ihre Heimat an den Feind verraten und eine, die die Blutopser mit verschuldet hat, die dieser grausame Krieg fordert." Er stand vor ihr in tiefem Sinnen. Vor seinem geistigen Auge wurde jene Stunde lebendig, die die furchtbarste in seinem iungen Leben war, in der er alles verloren Katte, was ihm das Leben wert machte, das , ^ertrauen zu Menschen und die Achtung vor - dem Weibe, das er geliebt hatte mit all der Leidenschaft, deren ein Carsten fähig war, ge- »bändigt durch eine subtile Kultur, aber Loch fjjef wie ein Bergsee. Wieder brach sie das Schweigen. ß „Sie können mich vernichten, warum tun "Sie es nicht?" l Da erwachte er aus seinem Grübeln. Da ward er inne, baß nun der Kampf begann .zwischen seiner Pflicht und seiner namenlosen Liebe. ^Amelie»"^sagte er weich. „Auch ich will vergessen, was Sie mir angetan haben, um meines Bruders willen, aber ich will von Ihnen ein Geständnis haben. Was veran laßte Sie, mit mir zu spielen, was berechtigte Sie zu glauben, daß ich Ihr willenloses Werkzeug sein könnte. Wie konnten Sie glauben, daß ich tun könnte, was mich zu einem Schurken gemacht hätte?" „Ich hatte von dem allen, was da vor ging. keine Ahnung. Ich war mir der Ge fahr. in der das Land schwebte, nicht bewußt. Unklare Begriffe, die mir seit meiner frühesten Kindheit, wie vielen hier im Lande, bei gebracht worden sind, die eingebildeten Leiden, Lie die deutsche Herrschaft über dieses Land gekrackt hat, und endlich der Gedanke, daß ich mit Ihnen zusammen, — ja, Edwin mit Ihnen zusammen, drüben jenseits der Vogesen ein glückliches Leben führen könnte, das alles bewog mich zu meiner —" „Wie denn, Amelie," unterbrach er sie, „ein glückliches Leben Lurch Schande er kauft?" Und alle Bitterkeit jener Stunde stieg wieder in ihm auf. „Nein, lassen Sie uns abbrechen. Es ist umsonst, Sie werden mich niemals glauben machen» daß Sie ein willenloses Werkzeug waren. Wer mit solcher Leidenschaft für eine Sache spricht wie Sie an jenem Abend, der handelt nicht ohne Willen, der kennt sein Ziel sehr genau, der ist entschlossen zu siegen, oder aber —" „Ich habe das Spiel verloren. Mehr als das, ich habe mein Leben, nzein Glück dabei verloren und war doch nur ein Werkzeug meiner Eltern." „Sie hatten alles genau berechnet." „Das ist nickt wahr." „Doch, Sie haben nicht das geringste für mich empfunden. Ich war Ihnen ein Spiel zeug, bis Sie mehr aus mir zu macken ge dachten. Die Spionin suchte einen Helfer." „Edwin l" „Nennen Sie meinen Namen nicht." „Ich liebe Sie." „Ah, Sie brauchen wohl die Kenntnis unserer Ausmarschpläne. Nein, meine Gnä digste, ein einfacher Leutnant kennt sie bei uns zulande nicht, da müssen Sie Ihre Netze schon nach Höhergestellten werfen ..." „Edwin!" „Sie sind durchschaut und Sie bemerken wohl, daß mich auch die neue MaSke nicht täuscht. Wohl erkenne ich an, daß Sie mit seltener Aufopferung sich um meinen armen Bruder mühten: aber Sie wollen nicht ver gessen, daß ich auch dieses Spiel durchschaue: was Edwin von Carsten Ihnen nicht frei willig gab. was er Ihnen nicht zu willen tat. das soll jetzt sein Bruder tun, er soll Ihr Opfer werden. Aber ich werde dafür Sorge tragen, daß auch diesmal Ihr Spiel recht zeitig bekannt wird, daß es zuschanden wird, so wahr ich Edwin von Carsten heiße." Glühende Röte übergoß das Gesicht des jungen Weibes bei diesen Worten. Er hatte sich immer mehr in Zorn geredet und sie war immer mehr in sich zusammen gesunken. Ms er geendet hatte, wandte sie sich zur Tür: „Darf ich mich noch als frei betrachten, Herr von Carsten ?" fragte sie mit erlöschender Stimme. „Ich diu nicht das Schicksal, ich bin auch kein Angeber, ich bin kein Spion. Ich müßte mich schämen, auch nur den Namen d'Eströe einem dritten zu nennen." Da wandte sie sich noch einmal zmück. Nieder sank das schöne Weib vor ihm in die Knie und flehte: „Vergib mir und glaub mir, Ich war schlecht, ich dachte nicht nach. Erst als ich er kannte. um was eS sich Handtzite, erst als ich dich in deinem Stolze vor mir sah. liebte ich dich in heißer namenloser Glut. Verzeih mir, und ich will —" „Das alles hörte ich an jenem Abend auch — und es war gelogen. Nein, Mademoiselle, Ihr Spiel ist hier endgültig auS. Jenseits der Grenze wird man Ihre Dienste zu be lohnen wissen. Bitte stehen Sie auf. damit niemand Zeuge dieser seltsamen Komödie wird." Da stand sie plötzlich vor ihm, hochaufge richtet und mit blitzenden Augen. „Ich will dennoch dein Schicksal sein, und wenn einst eine Stunde kommt, da du ganz verzagst, da niemand bei dir ist, da du verlassen und verzweifelt bist, dann will ich bei dir sein und sterbend dir beweisen, daß ich dich liebte, wenn ich dich auch verriet." Sie war längst hinausgegangen, als der Hohenlindower noch immer am Fenster stand und gedankenlos hinaus auf den freien Platz sah, wo jetzt die Infanteristen vor den Feld küchen standen, um ihr Abendbrot entgegen zu nehmen. Erst ein leises Rufen von der Tür her brachte ihn wieder zu sich. Da stand sein alter Vater und winkte ihm.
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