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Ottendorfer Zeitung : 23.07.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-07-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191507232
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19150723
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19150723
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-07
- Tag 1915-07-23
-
Monat
1915-07
-
Jahr
1915
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 23.07.1915
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Vie Wahrheit -er Verzweiflung. England, der Meister aller Lügen, muß sich jetzt in der Rolle des Wahrheitsagenden ver suchen. Der Not gehorchend, nicht dem eige nen inneren Triebe. Sein Lügengewand ist so zerschlissen und durchlöchert worden, daß es die Blößen der äußersten nationalen Ge fahr nicht mehr vor dem eigenen Volke zu decken vermag. Das Land hallt wider von Selbstanklagen, die stolzen Engländer, die see- mächtigen Weltbeherrscher, beugen sich unter da» kaudtnische Joch der Deutschen. In die Lehre wollen sie bei denen gehen, die sie bei Kriegsbeginn wie Ratten aus den Löchern treiben, die sie aus der Reihe der Großmächte vusftreichen wollten. Nicht gerade durch eigene Kräst, aber mit Hilfe der Franzosen, der Russen, der Japaner, der Belgier, der Italiener, der Serben und Montenegriner, und wem» jede Frucht am englischen Hoffnungs baum gereift wäre, hätten Portugal und Ru mänien. Griechenland und Bulgarien gern die große Ehre genießen dürfen, englische Kastanien aus dem Höllenteuer des Krieges zu holen. An Spanien, ja selbst an die Türkei hatten die Engländer ihre Hilferufe erschallen lassen, und daß Amerika sich nicht mit Hals und Kragen in englischen Sold begibt, erregte in London eine mit Staunen gemischte Empö rung. England ist gewöhnt, daß sich die Völker zu seinen Gunsten zerfleischen, aus daß es beim Friedensschluk, als die einzige durch keine Blutopfer geschwächte Macht, der Welt einen neuen »englischen Frieden" diktieren könne. England hatte zu viel aus der Geschichte der Völker und besonders seines Volkes gelernt und vergessen, daß die Geschichte in ihren Blättern viel gleiche Bilder im Laufe der Jahrhunderte ausweist, daß sie aber auch Meisterin ist in der Kunst der Überraschung, mit der sie auf einmal ein ganz neues, noch nie dagewesenes, jeden Vergleich abschreckendes Bild auf ihre Tafet zieht. Wendepunkte in der Geschichte der Menschheit! England hatte sich die halbe Welt erobert, nachdem es die europäischen Seemächte mehr durch Glück, als durch eigene Waffentaten zer schmettert batte. Spanien, Holland, Frank reich! Unangefochten legte England seine Hand auf den Reichtum Indiens, gründete sich ein gewaltiges afrikanisches Kolonialreich und konnte selbst Ägypten den französischen Händen entwinden. Trotz des Verlustes seiner großen amerikanischen Kolonien behielt es durch den Besitz Kanadas und durch seine Sprache auch auf den vierten Erdteil be deutenden Einfluß und machte den fünften, Australien, zu seiner Kolonie. So wurde England die Kolonialmacht und wachte mit Eifersucht darüber, daß die anderen euro päischen Mächte nur den Abfall bekamen bet Ler Aufteilung Ler Erde, überall hatte Eng land seine Hand im politischen Spiet, und wo irgendwo ein wichtiger Durchgang-Punkt an eingeschnürten Meeren lag, da setzte es sich fest und diktierte willkürlich die Bahnen des Handelsverkehrs. Gibraltar, Suez! Wie einen Pfahl in seinem Fleisch empfindet es England, daß das goldene Horn und Panama nicht seiner Macht untersteht. Nachdem Frankreich ausgehört hatte, Eng lands Seenebenbuhler zu sein, Haitees eigent lich nur noch in den Russen einen Gegner, mit dem es auf seiner kolonialen Ausdehnung?- sahit in Asien zusammenzusioßen fürchten mußte. Jahrzehnte lang glaubte die Welt an den Ausbruch eines englisch-russischen Krieges. Klug verstand England diesem gefährlichen Cxveriment ausmweichen, indem es Japan aus den russischen Niesenleib hetzte. Mit Japan hoffte es dann auf spätere Abrechnung. Vielleicht sah es sich aber durch den russisch- japanischen Krieg zum ersten Male in seinen letzten Berechnungen getäuscht. Die beiden Mächte batten sich nicht in der Weise gegen« »festig geschwächt, wie es der freundliche Kriegs hetzer an der Themse gehofft hatte. Deutsch land hatte ihm diesen Strich durch die Rechnung gemacht, als es bei den Friedens verhandlungen Rußland gegen Japan stützte. Den Dank von Rußland ernten wir heute. Als nun England immer mehr einsehen mußte, daß sein eigentlicher Nebenbuhler das Deutsche Reich sei, daß es überall auf der Welt auf deutsche Arbeit stieß, auf deutsche Tüchtigkeit und Unternehmungsgeist; als es sah, daß Deutschland energisch seinen Platz an der Weltsonne beanspruchte, daß es gewillt war. alles daiür einzusetzen. seinen Anteil an den Schätzen der Welt für sein sich rasch ver mehrendes, tüchtiges und emsiges Volk zu er halten, da wechselte Albion seine Angriffs front und richtete sie gegen Deutschland. Die samose Einkreisungspolitik begann nach altem, eckt englischem Recht. Söldner wurden ge sucht und fanden sich auch. Ein Kriegsoor wand wurde gesucht, aber bei der großen Friedensliebe der Deutschen, die dem Gefühl ihrer inneren Kraft entsprang, nicht ganz leicht gesunden. Erst durch ein Gemisch von Lüge und diplomatischen Kniffen gelang es Eng land, die Welt mit der Kriegsfackel in Brand zu stecken. Deutschland sollte in dem Wrlt- brande ersticken. Rasch und schmerzlos und ohne daß sich die Engländer dabei ihre eigenen Hände versengten. Es ist anders gekommen; nach elf Monaten Kriegsdauer muß England eiwehen, daß das edle deutsche Wild nicht mit Söldnerscharen zu erlegen ist. So viele es auch sein mögen! An der deutschen Pflichttreue, an deutscher Vaterlandsliebe und deutscher Organisation, kurz am deutschen Volksheer sind alle finsteren Pläne Englands und seiner Helfershelfer zer schellt. Überall steht deutsche Kraft im Feindesland, und selbst Albion beschleicht die bleiche Furcht, daß der Schritt deutscher Bataillone aus seiner Insel gehört werden könne. Die Söldner haben versagt, England ist seit hundert Jahren zum erstenmal wieder auf sich und seine eigene Kraft gestellt. Es fühlt, es geht jetzt um Sein oder Nichtsein des meer- und weltbeherrfcbenden Jnselreiches. Selbst seine zuerst unerschöpflich scheinenden Riesengeldmittet gehen der Neige entgegen. Es hat zu viel »silberne Kugeln" nach allen Seiten verpufft, und dabei nicht daran gedacht, sich selbst genügend mit den eisernen Kugeln des Krieges zu versehen. Immer neue Massen soll England auf französischen Boden werfen, und sein Volk zeigt dazu nur wenig Neigung. Die allgemeine Wehrpflicht will es nicht haben und die frei willige Rekrutierung wart trotz aller sanften Zwangsmittel nicht genügend ab. Keine Munition und keine Menschen, kein Geld und die lauten Vorwürfe der Verbündeten; die Deutschen in Frankreich und Rußland, vor den Dardanellen trotz schweren Opfern von Mensch und Schiff die jämmerlichsten Nacken schläge; Zeppeline über London und die deutschen V-Äoote auf allen Meeren und be sonders an der eigenen Küste! Da beschloß England vollkommen umzulernen. War es ausgezogen, den deutschen Militarismus zu vernichten, so will es ihm jetzt die höchsten Altäre im eigenen Lande erbauen, und hatte es mit der Lüge des Übermuts begonnen, so will es jetzt mit Ler Wahrheit der Verzweiflung enden. Die englische Regierung enthüllt ikrem Volk das wahre Bild der Zeit! Nichts will sie mehr beschönigen, keine Gefahr mehr ver kleinern! Die Angst soll die Söhne Englands ins Heer treiben und Len Reichen den Geld beutel öffnen. Die Wahrheit der Verzweiflung soll England retten und die Nachäffung des verhaßten deutschen Militarismus. Es wird den Engländern nichts nützen! Man äfft die deulsche Wahrheit nicht nach, die Ler Liebe zur Wahrheit entipringt, wie man den deutschen Militarismus nicht nachäffen kann, der aus Treue und Vaterlandsliebe Lurch die Jahr hunderte aufgebaut ist. Für die Wahrheit und für den deutschen Militarismus wird den Engländern stets die rechte Charaktergrund- age fehlen! sr. verschiedene ttriegsnachrichien. Von der nill.Zensurbehörde zugelassene Nachrichten. Das deutsch-österreichische Übergewicht macht sich fühlbar. Der Militärkritiker der .Basler Nachrichten' erklärt nach einer Besprechung der Kriegslage- Zieht man die Hauptfaktoren der gegen wärtigen Lage in Betracht, das Fört sch r e i t e n der Operationen der Heere der Zentralmächte im Onen und das Auf» hören der französisch-englischen Durchbruchsversuche im Westen, sowie den Waffenstillstand der italienischen Angriffe im Süden, so kommt man zu dem Schlüsse, daß sich ganz allmählich eine Verschiebung des Übergewichts der deutschen und öster reichisch-ungarischen Streitkräfte über die Heere des Vierverbandes sühlbar macht. * Eine deutliche Abwehr. Der Aufsatz des französischen Admirals Degouy, worin der Standpunkt vertreten war, daß die Teilnahme Dänemarks am Weltkrieg erforderlich wäre und die Westmächte die Durchfahrt durch die dänischen Gewässer erzwingen müßten, um Deutschland in der Ostsee beizukommen, sowie, daß Skandinavien durch die Handels ausfuhr nach Deutschland dieses Land unstatt haft begünstige, erregt in Kopenhagen unange nehmes Aussehen. Das Kopenhagener Blatt .Berlingske Tidende' beruhigt das Publi kum in einem Leitartikel, der ausführt, Er örterungen über die Hineinziehung der Neutralen in den Weltkrieg in der Presse der kriegführenden Länder seien unvermeid lich. Der Artikel des Admirals Degouy sei allerdings auffällig, weil er in einer an gesehenen Zeitschrift erschienen sei, doch sei Hervorzuheben, daß Degouy seit langem außer Diensten und mit den leitenden Kreisen ohne Verbindung sei. Degouy zeige eine auf fallende Unkenntnis der tatsächlichen Ver hältnisse. * Die Russen in der Klemme. Im Pariser .Eclair' veröffentlicht General Perrot einen Artikel, der der russischen Botschaft vorgelegen hat. Er behandelt die Schlacht in Polen und wendet sich gegen die viel verbreitete Auffassung, daß eine deuts che Offensive nunmehr aus der nordwestpolnischen Front vorbrechen werde. Perrot ist überzeugt, daß der Stillstand der Armeen Mackensens nur erfolgt sei, um erst den Bau strategischer Feldbahnen für den Nachschub auszusühren. Wären die bei Lublin und Cholm stehenden deutschen und österreichisch« ungariichen Armeegruppen weiter vorgestoßen, so hätten sie sich weit von ihrer Nachschubbasis ent fernt. Man müsse von einem so glänzenden Heerführer wie Mackensen, so schreibt Perrot, annehmen, daß er diese Schwierigkeiten in Berechnung gezogen habe; deshalb baue Mackensen anscheinend Eisenbahnen. Ein Erlast des russischen Oberbefehls habers. Nach dem Mußkoje Slowo' besagt ein Befehl des russischen Höchstkommandierenden, daß das Privateigentum in den vom Heere geräumten Gebieten nur dann ver nichtet werden soll, wenn es entweder dem Feinde nützen oder die Operationen des russischen Heeres stören würde. * Sceverteidigung von Liverpool. Die Besatzung der von Liverpool nach Christiani« zurückgekommenen Bark »Superior" machte Mitteilungen über die Anlagen zur Seeoerteidigung von Liverpool, die der Er wähnung wert sind. Bei Ler Einsahrt in den Swen von Liverpool stieß die »Superior" auf ein Riesenst ahlnetz, Las unter Wasser ausgespannt war. Sosort wurden eine Reihe von Leuchtbojen ange zündet, die mit dem Stahlnetz in Verbindung standen. Wachtschiffe eilten von allen Seiten herbei. Es bedurfte großer Anstrengungen, die Bark aus dem Netz zu befreien. * Vergebliche Angriffe auf die Daudauellen, Der Militärkritiker des Berner ,Bund', Stegemann, schreibt zur Kriegslage u. a.: Ob (der italienische) General Porro sich in Calais und Paris hat bereit finden lassen, die in Brindisi ver sammelten Reserven für die Dardanellen zur Verfügung zu stellen, muß abgewartet werden. Greisen die Italiener dort ein, so werden sie schwerlich trachten, ihre Truppen an die Schlachtbank Gallipoli zu führen, wo die englisch-französische Expe dition unter den mißlichsten Ver hältnissen einen nahezu aussichts losen Stellungskrieg führt, und trotz tapfersten Vorgehens nur meterweise Boden gewinnt. Nur eine Flankenoperation größten Stiles könnte die Verteidiger in Gefahr bringen. Ein russisches Heer ist dazu jedenfalls feit Ende Mai nicht mehr verfügbar, um durch eine Landung an der thrazischen Küste den Türken in den Rücken zu fallen. Wie die erste, io ist auch die zweite Odessaer Armee nach Galizien geführt und dort im Kampfe v er zehrt worden. Politische Kimälckau. Deutschland. *Jn der Londoner »Daily Mail' schreibt Edward Price: Der französische National ökonom Edmond Thöry, der mit wichtigen Arbeiten im Kriegsministerium betraut ist, teilt mit, daß Frankreich Len Vorschlag ge macht hat, eine dauernde internationale Kommission ins Leben zu rufen, in die alle Alliierten Delegierte zu entsenden haben. Der Zweck der Kommission ist die Ver hinderung der Zufuhr aller Er zeugnisse, die Deutschland für die Fortsetzung des Krieges nötig hat. Thöry glaubt, daß dadurch der Krieg verkürzt werden kann. (Der gute Herr rrrt sich ge waltig; was Deutschland für den Krieg ge braucht, erzeugt es selbst, und darum kann es so lange aushalten, bis allen seinen Gegnern die Lust knapp wird.) Osterreich-Ungarn. * Das ,Fremdenblatt' schreibt: Die Be wegung der Spargelder im ersten Halbjahre 1916 ist von besonderem Interesse, weil in diesem Halbjahre das Sparkapital für die Zeichnung der beiden Kriegsanleihen in stärkerem Umsange herangezogen worden ist. Der Zuwachs bei den Wiener Instituten be trägt im ersten Halbjahre 13S Millionen. Dies bedeutet für die Gesamtheit der Einlagegelder in der Monarchie, die bei Jahresschlutz etwa 20 Milliarden betrugen, einen Etnlagezu« wachs von 1600 Millionen trotz der Emission der Kriegsanleihen. Diese Ziffern beleuchten stärker als jedes andere Beweis mittel Lie ungebrochene wirtschaftliche Macht der Monarchie. Russland. "In einem Artikel der Petersburger .Rietsch', der, da er die Zensur passiert hat, die Anschauungen der Regierung wtedergeben dürste, wird erklärt» daß Rußland nie mals den Verbündeten die Zustimmung zur Neutralisierung Ler Darda- nellerz geben wird» da sonst für Rußland eine staatsrechtlich unsichere Lage geschaffen würde. Konstantinopel und die Dardanellen müßten ausschließlich unter russische Herrschaft gelangen, ebenso daS europäische Hinterland von Konstantinopel» sowie die Insel Lemnos und ein Stück von Kleinasien. — Für Rumänien und Bulgarien ist dieser Protest Les russischen Blattes recht lehrreich. Amerika. "Die .Frankfurter Zeitung' meldet auS New Dork: Präsident Wilson arbeitet die neue Note aus, in der er endgültig den amerikanischen Standpunkt präzisiert. Er legt dar, daß Amerika über den Schutz der Amerikaner auf See nicht verhandeln könne und deutet an, daß die bisherigen Vorfälle ohne Folgen bleiben würden, sofern Deutschlands submarine Praxis nicht weitere amerikanische Opfer fordert.. Damit schließt Amerika die Korrespondenz. * Die Londoner ,Morning Post' meldet aus Washington: Es wird ein entschlossener Ver such gemacht, eine Sondertagung deS K o n g r e s s e s durchzusetzen, um die Aus fuhr von Munition und Kriegs vorräten an die Alliierten gesetzlich zu verbieten. Ein täglich wachsender Druck wird auf daS Staatsdepartement aus geübt, damit dieses sür die amerikanischen Rechte etnstehe. * .Republicain' meldet aus Washington: Nach einer Konferenz mit den führenden Ge sellschaften für Fleischlieserungen hat sich die Regierung bereit erklärt, England formelle Vorstellungen zu machen, um es zur Frei lassung von Verschiffungen von FI eisch nach neutralen Ländern zu ersuchen; es ist noch unbekannt, in welcher Form diese Vorstellungen gemacht werden sollen. Sleickes MD. 121 Roman von A. L. Lindner. sF-NsitzvNss.) Sie lehnte sich, schnell atmend, wieder zu rück und blickte zur Seite; man sah deutlich, welche Anssrengung es ihr verursachte, weitere scharfe Worte zu unterdrücken. Olden biß sich auf die Lippen und spielte mit dem Fenster riemen des Landauers. Er war im st'llen bitter zornig auf sich selbst. »Weshaw kann ich denn nicht schweigen?" dachte er. »Werde ich so lange davon ansangen, bis ick einmal das Unkeil kerbeigeredet habe? Weshalb kann ich es nicht lassen?" Er grübelte noch über diese Frage, als der Wagen schon wieder durch das Tor rollte. »Wissen Sie, Lieber," meinte die Regie- rungsrätin, »wie wär's, wenn wir jetzt bei Ihnen vorsühren? Die Wirtschaftsräume in Ihrem zukünftigen Heim sähe ich mir gerne einmal an, und heute habe ich gerade Zeit. In allen anderen Dingen traue ich Ihrem Geschmack vollkommen, aber in die Küche möchte ich doch einen Blick werfen, um mich zu überzeugen, ob die perfekte Herrenköchin, die Sie engagiert haben, auch alles in per fekter Ordnung findet. Sie wissen nicht, wie leicht solche Damen auS Lem Gleichgewicht ge bracht sind." Olden war selbstverständlich ganz Bereit willigkeit. »Ich wäre glücklich, wenn Sie mir noch irgend welche Verbesserungen anempsehlen könnten, auch möchte ich Ihnen sehr gern die Zimmereinrichtung in ihrer Vollendung zeigen. Nur du darfst sie nicht vor der Hochzeit sehen Klärchen. Unsere Wohnräume sollst du zuerst als meine Frau betreten." Frau von Knorring fand indessen nichts mehr zu erinnern, nirgends fehlte auch nur das Geringste, und der Rundgang war bald beendet. Oldens Haushälterin wostte es sich nicht nehmen lassen» der künftigen Herrin und ihrer Pflegemutter ein paar Erfrischungen vor zusetzen, und lo satz man noch ein Weilchen in des Professors Arbeitszimmer plaudernd beisammen, gab es doch immer noch genug zu besprechen. Die Sonne neigte sich inzwischen dem Untergang zu. Frau von Knorring sah auf dis Uhr und meinte, eS sei wohl Zett» an den Heimweg zu denken und den Wagen zu bestellen. Sie hatte ihre Schmerzen noch in sehr frischer Erinnerung und fürchtete sich vor der Adendlust. In diesem Augenblick ging die Haustür auf, und gleich darauf hörte man im Flur eitriges Parlamentieren. »Der Herr Professor nit zu sprechen?" sagte eine tiefe Stimme mit ausgesprochen süddeutschem Tonfall. »Ach, gehn'S» ich dücht' doch! Melden's nur, an alter Freund wünschen zu tehen." Die Haushälterin schien Einwendungen zu machen, erschien dann aber doch in der TÜr. Bevor sie aber noch ihre Bestellung auSrichten konnte, tauchte der Fremde schon hinter ihr auf und rief in jovialem Ton: »Bttt' sehr um Entschuldigung, wenn ich stör', aber ich könnt' doch hier nicht abreisen, ohne wenigstens Guten Tag getagt zu haben." Das Kleeblatt im Zimmer sah den Sprecher verständnislos an. Olden hatte sich erhoben und Hand vor seinem Gast, offenbar -ohne Ahnung, wen er vor sich habe. Es war eine mittelgroße Figur; der lange, schwarze Nock verriet sofort den Geistlichen. Die sreundlichen blauen Augen blickten mit dem Ausdruck vollendeter Harmlosigkeit in die Welt, und aus dem lächelnden Gesicht sprach Helle Freude über eine gelungene Über raschung. »Aber, lieber Oldenburg, ich glaub' gar, du kennst mich nit mehr. Bin ich denn schon so arg alt geworden? Da hab' ich ein besseres Gedächtnis. Ich sah dich heut' morgen mit deiner Frau Gemahlin gehn und mußt' sofort: Das ist ja der Maxl." Der Professor zuckte zusammen. Ein scheuer Blick streifte seine Braut, aber sie hatte offen bar nicht recht acht gegeben. Er richtete sich kerzengerade auf. »Ich bitte um Verzeihung, mein Herr, wenn mein Gedächtnis mich im Stich läßt," sagle er kalt. »Sind Sie ganz sicher, daß Sie nch in meiner Person nicht irren? Mir schien nämlich, daß Sie mich vorhin falsch be nannten. Ich glaubte Oldenburg zu ver stehen. Mein Name ist nur Olden," betonte er scharf. Der Pfarrer schlug sich vor die Stirn. »Aber, Verzeihung, wie kann man so vergeßlich sein! Sagt'ich Oldenburg? Natürlich — Olden sollt's beißen» ich weiß ja Bescheid, aber aus alter Gewohnheit lies mir der Name doch wieder über die Zunge. Aber, was mich betrifft, besinnst du dich denn gar nit aus Wernegger — Aloys Wernegger auS München? Denk' doch kalt nur an die Arcissttaste, wo wir volle sechs Monate Wand an Wand wohnten und gute Kameradschaft hielten." Drr Professor wurde abwechselnd rot und blaß, während er vergeblich den Redestrom einzudämmen versuchte. »Jetzt erinnere ich mich," sagte er gezwungen, verzeih' meine Unbesinnlichkeit. Aber, was in aller Welt führt dich mit einem Male hierher» Wernegger?" Dem Ton nach hätte die Frage ebenso lauten können: »Wann in aller Weit wirst du wieder gehen»' aber der gute Pfarrer merkt» das nicht. »Ich hätte dich wahrhaftig nicht wieder erkannt,' fuhr Olden fort. »Die Tracht führte mich irre. Ich habe dich nur als Akademiker gekannt, und glaubte dich längst auf dem Wege zum Oberbamat oder ähnlichem. Du hast also umgesattelt. Sein Blick streifte Klara abermals mit sonderbar unruhigem Ausdruck. Ein leichtes Erstaunen malte sich wohl aus ihrem Gesicht, sonst nichts und ihre Augen gvtten prüfend über das Gesicht des geistlichen Gastes. Der Professor tat einen Schritt auf sein Sprech zimmer zu. »Wollen wir nicht lieber hier hineingehen? Dort können wir alte Erinnerungen auf« frischen. Ein alter Studienfreund — du ver zeihst, liebe Klara,' sagte er in verlegener Hast. Damit legte er Wernegger die Hand auf die Schulter und versuchte ihn in das Nebenzimmer zu drängen. Aber der Pfarrer sträubte sich. »I, warum auch, Maxl. Geheimnisse hat ein alter Landpsarrer nit. Das können wir alles hier erörtern. Außerdem wär' mir's 'ne Herzensfreud', deine liebe Frau kennen zu lernen. Gestatten's, gnädige Frau, La der»
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