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Sekte f^eutraUtat. Ein Anzeigenkrisg gegen den amerikanischen Waffenhandel. Ein neuer Weg. der zur Einstellung deS amerikanischen Waffenhandels nach Europa führen sollte wurde nach einer Mitteilung des .Literary Digest' vor einigen Wochen be schritten, indem in mehr als 200 iührenden Zeitungen des Landes gleichzeitig ein die ganze Seite bedeckender Aufruf an das amerikanische Volk gerichtet wurde, kein Pulver, Schrapnells oder Geschosse irgendwelcher Art an eine der kriegführenden Nationen in Europa oder Japan zu verkaufen oder zu ver schicken. Diese Anzeige wurde von den Ver legern und Herausgebern von 481 fremd sprachigen Zeitungen in den Ver. Staaten unterzeichnet und enthielt die Feststellung, daß die Kosten durch kleine freiwillige Beiträae der Angehörigen dieser Völker aufgebracht wären. Der Ausruf selbst lautete folgender maßen: .Nachdem wirHunderttausende von Briefen, Telegrammen und Mitteilungen verschiedensten Ursprungs empsangen haben, die bewegende Aufforderungen, Bitten und Gesuche unierer Mutterländer enthalten, haben wir, die unterzeichneten Verleger uud Heraus geber, beschlossen, diesen Aufruf im Namen unserer Leier dem awerikannchen Volke zu unterbreiten. Die Leser unserer Zeitungen sind fast ohne Ausnahme durch diesen schreck lichen Konflikt der europäischen Völker hart betroffen. Ihre Brüder, Schwestern. Eltern, Kinder oder Verwandte leben in den vom Kriege heimgesuchten Ländern. Wir bitten das amerikanische Volk, die hochherzige und mutige amerikanische Presse und die amerika nischen Wyffemabrikanten, wir bitten die Arbeiter in den Betrieben, in denen Munition für die kriegführenden Länder hergestellt wird, sofort aufzuhören, Pulver, Schrapnells und Patronen herzustellen, die dazu bestimmt sind, untere Brüder zu nerntchien, unsere Schwestern und Mütter zu Witwen und ihre Kinder zu Waisen zu machen und die unschätzbaren Be sitzungen, die unsere Variablen begründeten, jür immer zu zerstören. Wir wenden uns be sonders an die amerikanischen Fabrikanten und ihre Arbeiter, die die Waffen machen, mit der Herstellung von Pulver und Kugeln auf zuhören. Lie für den grausamen und unmensch lichen Zweck der Verstümmelung und Ver nicklung hergestellt werden. Wir bitten die Arbeiter solcher Betriebe inständigst, selbst ihre Stellungen zu opfern, und sich vereint da gegen zu wehren, für den Zweck von Waffen- sabrikaiion zu arbeiten, die die Körper zer schmettern und das Leben ihrer eigenen Bluts verwandten vernichten!" Mehr als zwanzig Nationen sind unter den Unterzeichnern des Aufrufs vertreten: 105 Ita liener, 44 Polen, 37 Hebräer, 30 Schweden, 25 Ungarn, 16 Holländer. 11 Finnen. 11 Nor weger, 11 Jiddisch, 10 Spanier, 9 Slowaken, 6 Litauer. S Böhmen. 8 Ruthenen, 7 Russen, 6 Griechen, 5 Araber, 5 Slowenen, 4 Syrier, 4 Kroaten. 3 Serben, .3 Rumänen, 2 Portu giesen. 4 Chinesen. 2 Flamen. 2 Dänen. 2 Bulgaren, 1 Spanisch-Hebräer, 1 Japaner und 1 Lette. Es konnte natürlich nicht ausbleiben, ob wohl die Namen von Deutschen auf der Liste fehlen, während verschiedene Franzosen, Russen, Serben und sogar ein Japaner unter zeichnet haben, daß in New Parker Zeitungen die Nachricht verbreitet wurde, dieser Aufruf wäre eine versteckte deutsche Propaganda und rühre von einem Deutschen in New Dark her. Diese Behauptung wird jedoch entschieden be stritten. Der Präsident der Amerikanischen Vereinigung fremdsprachiger Zeitungen, Louis N. Hämmerling, erklärte darüber in der New Vorter,Sun': .Keine fremde Regierung hat mit der Angelegenheit zu tun. Das Geld wurde von den Mitgliedern der Vereinigung aufgebracht; aber ich bürgte für die Be zahlungen und war bereit, jeden Cent der Kosten dieser Anzeigen zu bezahlen. Es ist richtig, daß ich in Österreich geboren bin, aber die Stadt, in der ich lebte, ist vollkommen zerstört. Ich habe keine Verwandten im Kriege. Ich sorge mich nur um Amerika. Es gibt keinen deutschen Einfluß in unserer Ver einigung. Sie ist m jedem Sinne neutral. Von der ,New Dork World' befragt, sagte Herr Hämmerling, daß ihn der Aufruf mehr als 100 000 Dollar gekostet habe, und er be reit fei, sein ganzes Vermögen von mehreren Millionen Dollar herzugeben, wenn man ihm nachweisen würde, daß auch nur ein Cent deutsches Geld dahinter stecke. Von I^ad Anci fern. Automobilunfall des Präsidenten des vreuMchen Abgeordnetenhauses. Der Präudent des Abgeordnetenhames Graf von Schwerin-Löwitz ist bei einem Automobil- umall leicht verletzt worden. Er durchfuhr mit seinem Automobil die Wilhelmstraße in Berlin. An der Kreuzung der Linden stieß der Wagen mit einer Aulomobildroschke heftig fünf Söhne verwundet waren, aber wieder zur Front zurückgekehrt sind. Seit kurzer Zeit ist auch der achte Sohn zur Fahne einberufen. In dieser Zeit hat sich nun auch der Neunte Sohn zur Stammrolle melden müssen. Fünf Brüder auf dem Felde der Ehre gefallen. Ein ungewöhnlich schweres Opfer für das Vaterland Haven die Bauersleute Erber in Niederalsbach (Unterfranken) bringen müssen. Nachdem bereits vier ihrer Söhne den Heldentod gefunden hatten, ist setzt der fünfte Sohn auf dem Felde der Ehre ge fallen. Der sechste und letzte Sohn sieht noch vor dem Feind. Drei Bergarbeiter erstickt. Auf der Grube Sahlgrund bet Dillenburg entstand in einem Üverhau auf unaufgeklärte Weise Feuer ^ack cler Meäeremnakme von Koryslaw m 6ali2ien. Brennende Naphtagruben. Rechts im Vordergrund zerstörte Bohrlürme. Durch die Einnahme von Drohobycz und den siegreichen Vormarsch der deutschen und österreichisch- ungarischen Heere über den Stryj hinaus haben sich die Verbündeten Truppen nun auch wieder in den Besitz des ausgedehnten galizischen Petroleum gebietes gefetzt, dessen Mittelpunkt der Ort Boryslaw bildet. Dieses wichtigste und reichste Naphthagebiet Mitteleuropas, bas vor dem Kriege nicht nur den gesamten Verbrauch Osterreich- Ungarns an Petroleum und sonstigen Rohöl erzeugnissen gedeckt, sondern auch erhebliche Mengen derariiger Produkte nach dem Auslande, u. a. nach Deutschland, Italien, der Schweiz und Frankreich geliefert hat, ist unter der rassischen Herrschaft anfangs ziemlich unbeschädigt geblieben. Erft als der Ausgang der großen Durchbruchsschlacht auch an der Karpathenfront fühlbar wurde, fetzten die Güssen die Quellen, Reservoire und Gruben, soviel sie auf ihrem eiligen Rückzüge erreichen konnten, in Brand, und zwar waren es hauptsächlich Ko- sakensotnien, denen dieses Brandlegungsgeschäst anoertraut wurde. zusammen, wobei Graf Schwerin eine blutende Verletzung an der rechten Schläfe erlitt. Das Besin den des 68 jährigen Grafen gibt zu keinen Besorgnissen Anlaß. Die Schulden des englischen Ge sandten. Die Säumigkeit der Vierverbands diplomaten in der Begleichung ihrer Schulden beweist von neuem eine Klage, die ein Liese« rant in Sacrow gegen den früheren englischen Botschafter in Berlin. Sir Edward Goschen, vor dem Potsdamer Amtsgericht anhängig gemacht hat. Der Kläger verlangt von Sir Edward Goschen, Berlin, Wilhelmstraße, zur zeit unbekannten Aufenthalts, 208,60 Märk für Arbeiten und Materialien. Die öffentliche Zustellung der Ladung ist anberaumt. Die Klage hängt zurzeit an der schwarzen Tafel Les Potsdamer Amtsgerichts. svo oov Mark-Svende für das Rote Kreuz. Dem Zentralkomitee vom Noten Kreuz ist von der deutschen Zentrale für Kriegs lieferungen von Tabakfäbrikaten (Sitz Minden in Westfalen) eine Spende von 500000 Mark überwiesen worden. Eine soldalenreiche Familie. Die meisten Soldaten in einer Familie hat in der Gegend von Polzin in Hinlerpommern wohl die Familie Hasenritter in Lutzig dem Vaterland zur Verfügung gestellt. Bisher standen sieden stramme Söhne im Felde, von denen bereits in einer Grubenstämmung. Drei Männer, welche die dort arbeitenden Leute warnen wollten, konnten nicht mehr gerettet werden, sondern erstickten in den Rauchschwaden. Die übrige Belegschaft konnte gerettet werden. Tödlicher Unfall eines Schweizer Fliegers. Ein von einem Uberlandflug über Zug nach Zürich zurücklehrender Eindecker ist in der Nähe des Flugplatzes Duebendorf ab gestürzt. Der Führer Leutnant Lugrin und der Beobachkungsosfizier Oberleutnant von Kaenel wurden schwer verletzt, ersterer ist im Spital gestorben. VoikswirtledaMicbes. Einfuhr belgischer Frühkartoffeln. So reichlich wir auch Kartoffeln haben, tritt doch be reits jetzt wieder eine Knappheit ein. Es handelt sich aber nur, wie die ,Tägl. Rundsch.' schreibt, um einen scheinbaren Mangel, der sich lediglich im freien Großhandel bemerkbar macht. Es sind so große Kartoffelmengen in der letzten Zeit an die Stärke- und Flockenfabriken abgegangen, daß hier erst wieder ein Ausgleich des Verkehrs staitfinden muß. In Belgien herrscht zurzeit ein reichlicher Überfluß an Frühkartoffeln. Da ohne Verkürzung der dortigen Be völkerung ganz erhebliche Mengen von dort ab gegeben werden können, hat in anerkennenswerter Weise die deutsche Zivilverwaltung mit den deutschen zuständigen Stellen Fühlung genommen. Der Verkehr ist bereits richtig in die Wege ge leitet worden, so daß die belgischen Zufuhren glatt nach Deuiichlanb einuehen können. kriegsereignil le. 18. Juni. In Galizien werden die Russen über die südpolnlfche Grenze gedrängt und Tarnogrod von den Verbündeten besetzt. 19. Juni. Mißerfolge der Engländer und Franzosen bei Arras. Nordöstlich von Luncville nehmen die Deutschen den be festigten Ort Embermenil. — Russische Vor stöße im Osten werden zurückgewiefen. Das Dorf Wolkowizna wird im Sturm von den Unsern genommen, die Grodek-Stellung vor Lemberg angegriffen. 20. Juni. Im Osten nehmen die Unsern mehrere feindliche Vor-Stellungen östlich der Straße Praßnvß—Myszpniee. — Die Lem- . berg deckende Grodek-Stellung wird von deutschen und öslerreichifch » ungarischen Truppen genommen. - Em deubches Unter seeboot torpediert mit Erfolg einen englischen Panzerkreuzer. » 21. Juni. Kaiser Wilhelm wohnt den Kämp fen an der Grodek-Linie bei. — Im Westen scheitern sranzösiscke Angriffe nördlich Souchez und westlich Soissons. Am West rand der Argonnen erstürmen Württem berger und norddeutlcke Landwehr mehrere feindliche Verteidigungslinien. Ein franzö sischer Angriff aus den Maashöhen wesliich Les Eparges bricht zusammen. — Starke russische Kräfte werden bet Vorstößen in der Gegend Szawle und an der oberen Dubiffa zurückgeschlagen. — In Gallien ist Rawa- ruska in der Hand der Unsern, die Armeen Mackertsen kämp-en um Lemberg und Zoi» kiew. — Bei Aava weisen die Österreicher mehrfache italienische Angriffe ad. Im Ge biete des Krn werden die Italiener aus ihrer Satteistellung geworfen. Die Hafenanlagen von Monopolt werden durch ein öster reichisches Torpedoboot, die Bahnhöfe von Bari und Brindisi von österreichischen See flugzeugen erfolgreich bombardiert. 22. Juni. Franzö siche Angriffe bei Dixmuiden, am Labyrinth, am Hiljenfirst werden abge- wiefen, bei Perthes die deutschen Stellun gen vorgeschoben. Der jranzöuscke Flug hafen Courcelles bei Reims wird von deut schen Flugzeugen mit Bomben belegt. —In Galizien werden die Russen beiZolkiew zum Rückzug gezwungen, die Verteidigungs stellung der Russen südlich Lemberg wird durchbrocheu, einzelne Befestigungsanlagen der West- und Nordweisiront von Lemberg gelangen in den Belitz der Verbündeten. Deutsche Truppen erstürmen die Höhen west lich Kulikow. — Lemberg wird im Sturm genommen. — Die Italiener erleiden bei Plava starke Verluste. 23. Juni. Die Festung Dünkirchen wird von den Unfern beschossen. Französische Angriffs» versuche bei Givenchy, Neuville und aus den Maas-Höhen werden erstickt. In Len Vogesen erstürmen die Unsern die seit Mo naten hart umstrittene Höhe 631. — Nach der Einnahme von Lemberg wird nachts die Szczerek-Stellung den Russen genommen. Die Russen beginnen auch im San-Weichsel winkel und links der oberen Weichsel zu weichen. Die Türken erstürmen an der Kaukasusfront den von den Russen hartnäckig verteidigten Karadagh-Berg. 24. Juni. Im Westen erfolgreiche Gefechte der Unsern an der Loretto-Höhe, bei Souchez, am Labyrinth, aus den Maashöhen, bei Ban de Sapt. — Im Osten scheitern russische Angriffe bei Kurschanq und südlich der Weichsel. Am Omulew nehmen die Unsern das Dorf Kopaczyska. — In Galizien über schreitet die Armee des Generals v. Linsingen den Dnjestr. Die Russen weichen auf dem linken Weichkeluker nach Norden. Goläene Morte. Man sieht die Blumen welken und die Bläiter fallen, aber man sieht auch Früchte reiten und neue Knospen keimen. Das Leben gehört den Lebendigen an, und wer lebt, muß auf Wechsel gefaßt sein. Goethe. In einer großen Seele ist alles groß. »Aber doch wohl eben so sehr Sache Ihrer Begabung und Arbeit/ »über meine Begabung gestatte ich mir kein Urteil. Gearbeitet habe ich freilich, das Zeugnis kann ich mir geben, aber darin liegt kein Verdienst, das war einfach der Trieb der Selbsterhaltung. Ohne Arbeit wäre ich verrückt geworden. Aber das ist für Sie wirk lich «in uninteressanter Gegenstand," sagte er abbrechend, als habe er schon zuviel gesagt. Sie halten sich im Eifer des Gesprächs immer weiter vom Konzertptatz entfernt. Die Töne der Waldhörner und Klarinetten drangen nur gedämpft zu ihnen herüber, als sie auf der sogenannten »schönen Aussicht" Halt machten. Es war ein etwas höher gelegenes Plätzchen, das durch eine in das dickte Baum werk gehauene Öffnung einen hübscken Fern blick bot. Sckarf abgegrenzt in dem grünen Rahmen lag die Landschaft wie ein Bild, dessen Vordergrund die überhängenden Aste einiger alter Eichen bildete. , »Dies ist nach meinem Geschmack der hübscheste Punkt der Gegend. Das Ganze wirkt so idyllisch wie esn Richtersches Bild," sagte er; »die Wielen, durch die sich das Flüßchen schlängelt, die roten Dächer des Vorwerks auf der anderen Seite, weiterhin die bewaldeten Hügel mit ihren verschieden artigen Farbenabstufungen vom lebhaftesten Grün bis zum unbestimmten Biaugrau. Es fehlt nur die unvermeidliche Richtersche Kindergruppe im Vordergründe. Wenn ich eine besonders schwere Operatien gehabt habe, gehe ich in meinen Mußestunden hier her, um meine Augen nach dem Anblick von Blut und Etter wieder zu erfrischen." Er blickte eifrig umher, das lebhafteste Interesse im Gesicht. »Solche Landschaft in der beginnenden Herbstfärbung ist ein wahres Studium," fuhr er fort. »Sehen Sie nur, wie sich die Eber eschen mit ihren roten Beerenbüscheln in kräftigem Kontrast von dem Hintergründe der Tannengruppe dort abheben. Wirklich herz erfreuend." Er hielt die gerundete Hand vors Auge, um das Bild nach Form und Farbe besser in sich aufnehmen zu können. »Was sollte die arme geplagte Menschheit im allgemeinen, und wir Mediziner im be sonderen wohl anfangen, wenn wir nicht in der Natur eine Ouelle der Schönheit und Er frischung hätten; das Leben wäre unerträg lich. Und diese Freundin ist so wahr; nichts Halbes und Gemachtes an ihr um und um." „Ihr lebhafter Schönheitssinn fiel mir gleich am ersten Tage unserer Bekanntschaft auf," sagte sie. »Erinnern Sie sich noch, wie Sie Tantchen und mich von der Kopps aus auf Fardenfeinheiten in der Landschaft auf» merkfam machten, über die wir ohne Sie ver ständnislos hinweggesehen hätten? Darin haben Sie vor den meisten Menschen viel vor aus. Es bedeutet immerhin eine nennenswerte Bereicherung Ihres Lebens." Er zuckte leicht die Achselm »Auch das hat seine zwei Seiten." „Ich habe ost gedacht," fuhr sie fort, »wenn Sie mir die Bemerkung gestatten, wesmkv Sie nicht Künstler geworden sind. Maler oder meinetwegen auch Kunsthiooriker. Ich hac>e immer das Gefühl, als müßte Las Ihr eigenstes Gebiet lein." Sie sah zu ihm auf, aber ihr Lächeln fand keine Antwort auf seinem Gesicht. Er zog flüchtig die Stirn kraus und preßte die Lippen wie unangenehm berührt Zusammen. „Ich weiß, daß meine Begabung auf diesem Gebiete liegt," sagte er dann, »aber wer kann immer seiner Neigung folgen? Das Leben entschied anders über mich. Wenn Sie sich in der Welt genauer umsehen, werden Sie finden, daß fünfzig Prozent aller Menschen in Berufen stehen, für die sie nur mäßig passen. Man muß sich mit dem Erreichbaren zufrieden geben." Fast hastig wandte er dem schönen Land- schasisbilde den Rücken und schlug wieder den Weg zum Konzertplatz ein. Beide schwiegen. Er suchte den auf ihn eindringenden Gedanken zum Trotz nach einem neuen Thema, und sie mit der FeinAHIigkeit einer keimenden Nei gung wollte ihm Zeit lassen, seiner Stimmung Herr zu werden. Die beanstandete Rhapsodie hatte inzwischen ihr Ende erreicht und einer Scklacktmufik mit gewaltigem Au'wand an Trommei- und Pauken ch ägen Platz gemacht. Frau von Knorring hatte schon nach dem Professor und seiner Begleiterin ausgesehen, und kaum hatte Klara ihren Platz wieder eingenommen, als die Negterungsrätin leb haft ausrief: „Denke nur, Liebe, was für eine entsetz liche Geschichte Heinz uns hier eben erzählt. Er hat sie schon seit mehreren Tagen gewußt und sie unrechtmäßigerweise vorenkhalten, ob gleich er doch wissen muxte, wie lebhaften An teil ich daran nehmen würde." „Was lsi's denn. Tantchen," sagte Klara in ihrer gelassenen Art. »Bodo von Dornen hat jetzt seinen ältesten Sohn auch verloren!" »Den Kadetten? Nicht möglich!" „Ja, es ist furchtbar. Die armen Eltern! Sie waren auf diesen Sohn immer so stolz, der zweite ist ein schwächliches, unliebens» würdiges Geschöpf und mit dem Verstorbenen in keiner Weise zu vergleichen. Sie Haiten immer die Angst, ihn zu verlieren, aber da er jetzt im sechzehnten Jahr stand, und die an deren immer früh gestorben waren, so fingen sie an zu hoffen, daß er versckont bleiben würde. Die Sache hat etwas Unheimlickes, auch wenn man nicht an die alte Geschichte glaubt. Ich mutz gestehen, daß es mich wahr haft überrieselte, als Heinz mir von diesem neuen Todesfall erzählte." Der junge Vandale lächelte. „Nun ia, etwas gruselig kling's freilich, eS ist der richtige Stoff zu einer Schauer- und Trauerballade. Hätte ich das dichteriscks Talent, was ich leider nicht besitze, so sollte mir solch Sujet nicht unverwertet entschlüpfen, aber allen Ernstes an so etwas glauben? Nein, beste Tante, das wäre mir geradezu unmöglich. Das neunzehnte Jahrhundert ist keine Zeit mehr für solche Geschichten. Ich gebe ja zu, daß es ein sonderbares Zummmen- treffen ist, aber was hat der Zufall nicht schon alles für Launen gehavt?" »Ist eS indiskret, zu fragen, um was es sich handelt?" wandte sich Ler Professor an de» jungen Kruie. E» (Fortsetzung folgt.)