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Ottendorfer Zeitung : 05.12.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-12-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191512052
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19151205
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19151205
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-12
- Tag 1915-12-05
-
Monat
1915-12
-
Jahr
1915
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 05.12.1915
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bs fMt an Tatkraft . . . . Gedanken eines Unbefangenen. Ein Jtalien-r, der sich noch ein unbefangenes Urteil bewahr» hat, veröffenilicht unter der Überschrift „Demütigung" einen Artikel, in dem er feiner Unzufriedenheit mit den Leistungen des Vicrvcrbandes ungeschminkten Ausdruck gibt. ! Nur wenige, schreibt er, denken, und die Ruhe ist groß. Man wird ^§geu, sagt man in Paris, Perlin, Moskau, L^rcn, London, Rom, Sofia, überall, nur vielleicht nicht in Nisch. Aber ich glaube doch, nicht allein zu sein mit dem Ge fühl des gedemütigten Europäers. In diesen Zei^n ist die Zuversicht eine Bürgerpflicht. Wenn da? nicht unsere Feder zurückhielte, so würden über den Vierverband einige traurige und sehr bittere Worte zu sagen sein. Wir wollen nicht urteilen und verurteilen. Wir möchten nur Aufschluß haben, Aufschluß über ge- wwe Verzögerungen, Langsamkeiten, Nieder lagen, Zweifel, Unsicherheiten. Schon vor acht oder neun Monaten erklärte mau, daß Deutschland ausgehungert, erschöpft, müde, eingcfchlossen, blockiert, vor dem Zu sammenbruch sei. Dann kam die Offensive in Rußland, die Offensive iu Serbien. Sie haben immer Soldaten, Generale, Munition und LebenSknittel. Sie gehen vorwärts, mit Rück schlägen, Schwierigkeiten und Opfern, aber sie gehen vorwärts. Die Deutschen haben einen Willen, einen Plan, ein Ziel. Eines nach dem anderen, zwar mit Verspätung, aber immer noch zur rechten Zeit werden die Ziele erreicht. Bei uns anderen dagegen fühlt man, daß etwas nicht in Ordnung ist. Es fehlt an Tatkraft, an Menschen, an Munition, ich weiß nicht woran. Belgien wurde geopfert. Jetzt Serbien. Die Großen sind nicht imstande, die Kleinen zu retten. Französische und russische Provinzen sind besetzt, englische Dampfer versenkt. Rumänien und Griechenland haben recht, sich einstweilen ruhig zu verhalten. Man wollte Antwerpen retten, und es mißlang. Rian wollte die Dardanellen vom Meere aus bezwingen, und man mußte sich zurückziehen. Jetzt hat man sich seit Monaten an der Spitze von Gallipoli angetlammert, aber Konstantinopel wird schneller von den Deutschen erreicht. Man ahnte den Marsch gegen Serbien, aber man wartete, um erst im letzten Augenblick herbeizueilen, der vielleicht der letzte Augenblick Serbiens selbst ist. Langsam, langsam, sachte, sachte: die Borsicht ist die Muse des Vierverbandes. - Inzwischen sind die anderen in der Nähe von Paris, von London, von St. Petersburg, von Nisch, von Konstantinopel. Sie haben drei Hauptstädte in der Hand: Brüssel, Warschau, Belgrad. Laßt uns abwarten und sehen, sagt Asquith. Unterdessen gibt es in Frankreich und England Ministerkrisen, und in Rußland schließt man die Duma, eröffnet sie wieder, schließt sie von neuem, verspricht, sie wieder zu eröffnen und droht, sie wieder zu schließen, wenn sie geöffnet wird. In Paris bildet man ein viel farbiges Ministerium mit 20 Posten. In London entläßt man das alte, vielfarbige Mini sterium mit 22 Posten und bildet eilt neues einfarbiges mit zehn Posten. Wir sind in der Zeit der Regierungsexperimente. Alle Wochen landen irgendwo englische Soldaten. Sie kommen aus allen Teilen der Welt, aber König Georg ruft persönlich dazu auf, daß einige mehr aus England selbst kommen. Die allgemeine Wehrpflicht wäre unter solchen Umständen für England eine fast nützliche Sklaverei. Man sucht Männer, auch für die Ministerien. Hätte der Vierverband zehn oder zwanzig außergewöhnliche Männer, so könnte er vielleicht einige Hunderttausende von kräftigen Soldaten entbehren. Auf der anderen Seite hat man einen einzigen Namen, oder die Namen von zwei oder drei Generalen und große ausgerüstete Massen, die wie Wetter- schläge durch Europa gejagt werden. Ich bin verwirrt. Unsere bürgerlichen Führer ind entweder hervorragende Politiker mit so iefem und umfassendem Blick, daß das, was wir ür Irrtümer, Schwächen und Niederlagen hallen, n Wirklichkeit sehr geschickte Bewegungen mit unfehlbarer Wirkung sind, oder — es ist besser, nicht an die Folgen zu denken, die eine Politik parlamentarischer Schildkröten für ganz Europa und auch für uns, die Unschuldigsten, mit sich bringen würde. Wenn man zuviel denkt und nicht an alle Worte, glaubt, fühlt man sich un behaglich, und ich wundere mich nur, daß die anderen sich jo wohl fühlen. verschiedene Uriegrnachrichten. (Von der mit. Zewurbchörde zugetanem Nachrichtens Tie Kämpfe in Kamerun. Uber die Kämpfe von Kamerun wird (nach dem Londoner Reuter-Bureau) mitgetcilt, daß seit dem 23. Nov. westlich von Jaunde, dem Sitze der deutschen Verwaltung, heftig ge kämpft wird. Hier rücken französisch- englische Expeditionstruppen längs der Straße und Eisenbahn von Edea mit Erfolg vor. Eine englische Abteilung drang bis zum Puge-Fluß und weiter nach Süden vor. Eine französische Abteilung besetzte Ma- kondo. Die deutschen Truppen hätten schwere Verluste. Im nördlichen Kamerun wurden die feindlichen Streitkräfte geschlagen und ausein ander getrieben; . kleine Gruppen Flüchtiger werden energisch verfolgt. Ansehnliche französische Streitkräfte, die sich von Frauzösisch-Aquatorial- Afrika kämpfend einen Weg durch Kamerun ge bahnt hatten, nähern sich Jaunde von Osten und Südosten. — Bian muß den deutschen Bericht mit der Wahrheit abwarten. * Die Einberufung des Jahrgangs 1S18 in Rutz and. Der russische Minister des Innern benach richtigte alle Schulbehörden, daß wahrscheinlich schon 1916 die Einberufung des Jahrgangs 1918 erfolgen wird. ri- Verzweifelte Lage der Serben. Nach den Ereignissen der letzten Tage, so schreibt das norwegische Morgenbladett, ist die Lage des serbischen Heeres ver zweifelt. Die letzten Teile des Landes werden bald erobert sein, seine Heere oder was von seinen Heeren noch-übrig ist, wird ge zwungen sein, Zuflucht in Montenegro und Albanien zu suchen. Ihre Widerstands kraft, gar nicht zu reden von ihrer Offensiv kraft, lst gebrochen. Die Verbündeten und die Bulgaren können binnen wenigen Tagen den größten Teil ihrer Streitkräfte gegen neue Ziele führen. Jedenfalls ist der erste Teil des großen Krieges auf dem Balkan abgeschlossen. Dies« Feldzug ist von den Verbündeten und Bulgarien mit einer Kraft und Tüchtig keit geführt worden, die ihn in eine Reihe mit den vielen hervorragenden militärischen Talen der ersten Zeit des Krieges stellen. Ein Heer von 250 000 Mann, wohl den tapfersten uitd kriegsgeübteslen der Welt bis zur Macht losigkeit zu verringern, noch dazu in einem Lande, das so geeignet ist für eine hartnäckige und zähe Verteidigung wie Serbien, mit den denkbar elendesten Wegen und zum größten Teil in wilden Gebirgsgegenden, wo es über haupt keine Wege gibt und ununterbrochene Regengüsse und Schnee allen Kriegshandluugen und jeder Zufuhr die größten Schwierigkeiten bereiteten; alles das im Laufe von 6 oder 7 Wochen zu vollbringen ist eine so groß artige Leistung, daß selbst der tapfere Kampf der Serben für ihr Land dagegen verblaßt. * General Sarrail Verl egt seinHauPtquartier rückwärts. General Sarrail beschloß, nach türkischen Blättern, sein Hauptquartier hinter die Front des Zentrums der englisch-französischen Truppen zu verlegen. Die Flucht der Serben nach der Grenze Südmazedonieus dauert fort. In Monastir gehen die Serben grausam mit den Fremden um. Un gefähr, 200 Griechen sind in Monastir verhastet worden. * Ein russisches Geschwader an der bul garische» Küste. Nach der Bukarester Zeitung .Universal' kreuzt ein russisches Geschwader von 15 Ein heiten vor der bulgarischen Kü ste. Ein englischer Torpedobootszerstörer ge sunken. s Auf der Doggerbank ist der englische Tor- ! pedobootszerstörer „Fervent" auf eine Mine gelaufen und gesunken. Von der Be satzung sind nur fünf Mann gerettet. Deutschem Aeickstag. ! (Orig.-Bcicht.) Bertin, 30. November. Die sechste Kriegstagung des Reichstages wurde vom Präsidenten Dr. Kaempf mit einer Ansprache eröffnet, in der er der Helden taten unserer Armeen und der Waffenbrüder schaft der Zentralmächte, mit den. Bulgaren und den Türken gedachte. Der Redner führte dann weiter aus: Allen unseren Feinden ist zum Be wußtsein gekommen, daß auf den Schlachtfeldern Deutschland nicht zu besiegen ist. Um so eifriger klammern sie sich an die Hoff nung, uns. wirtschaftlich zugrunde richten und an den Gedanken, uns durch Hunger zu be zwingen. Wie sie sich in unserer finanziellen Krost getäuscht haben — die staunenswerten Erfolge unserer Kriegsanleihen haben es be wiesen —, so täuschen sie sich in der Be urteilung unserer wirtschaftlichen Stärke. Was insbesondere die LebenSniiltelsrage anlangt, so sind Brotgetreide und .Kartoffeln, die wichtigsten Volksnahrungsmittel, reichlich vorhanden. Wenn in anderen Dingen zum Teil Knappheit herrscht, so soll das nicht bestritten werden und wird allerseits zugegeben, aber die Härten, die da durch iür einen großen Teil der minder bemittelten Bevölkerung entstanden sind, werden überwunden werden durch die Organisation, die dem Lebensmittelmarkt während des Krieges gegeben wird. Wir haben daher finanziell und wirtschaftlich allen Grund, mit fester Entschlossen heit und unerschütterlichem Vertrauen in die Zu kunft zu blicken. Die Einigkeit der deutschen Stämme hat das Reich aufgebaut und die Einigkeit des gesamten Volkes ist jetzt und in Zukunft die feste Grundlage, auf der wir der Zukunft ent gegensetzen und die verhindern wird, daß Deutsch land wieder einmal durch einen frevelhaften An griff in eine Lage versetzt wird, wie die, in der wir diesen großen Krieg zu führen gezwungen sind. Nach Erledigung kleinerer Sachen folgt die dritte Beratung des von den Mitgliedern des Reichstags Schiffer-Magdeburg u. Gen. einge brachten Entwurfs eines. Gesetzes betreffend Abänderung des Gesetzes über den B e! ag eru n g s z u st a n d wom 4. Juni l851 auf Grund der in zweiter Beratung unverändert angenommenen Vorlage. Der Gesetzentwurf wird iu dritter Lesung angenommen. Die Ge setzvorlagen über die Herabsetzung der Alters grenze und über die Kriegsausgaben der Reichs- bank werden auf Antrag des Abg. Bafser- m ann der Vudgetkommijsion überwiesen. Es folgt die erste Beratung des Gesetzent wurfes über vorbereitende Maßnahmen zur Be steuerung der Kriegsgewinne. Staatssekretär des Ncichsschatzamtcs Dr. Helfferich: Zur Verteidigung des allgemeinen Gedankens einer Kriegsgewinnsteuer brauche ich hier nichts zu sagen. Der Gedanke von der Notwendigkeit einer solchen Steuer ist Gemeingut des ganzen Voltes. Uber die Ausgestaltung der Steuer im einzelnen gehen aber die Meinungen noch aus einander. Der erste Grundsatz ist die Erfassung der Kriegsgewinne im allcrweiteslen Sinne des Wortes. Es ist eine Anlehnung an das Besitz- steuergcsetz. Wir gehen dabei von der Auffassung aus, daß jeder, der setzt in der Lage ist, seine materiellen Verhältnisse zu verbessern, auch die Pflicht hat, einen ansehnlichen Teil feines Ver mögenszuwachses dem Vaterland zu geben. Gegen die allgemeine Erfassung des Ver mögenszuwachses sind Einwendungen laut ge worden. Ich will darauf nicht näher eingehen. Ich stelle aber voran, daß es mir widerstrebt, denen zu folgen, die die Steuer als eine Art Strafe gegenüber den Kriegslieferanten und Ver mittelungen dafür betrachtet wissen wollen. Wo direkte Übervorteilungen vorgekommen sind, finden sich andere Wege. Die Steuer ist keine Strafe. Sie soll in den Augen der Steuerpflichtigen als eine Ehrenpflicht erscheinen, auch zu ihrem Teile zum Wohle des Ganzen beizutragen. Der Staatssekretär erklärte weiter, Einzelheiten könnten noch nicht mitgeteilt werden. Das eigentliche Gesetz, das mit großer Vorsicht aus gestellt werden müsse, werde im März 1916 dem Hause vorgelegt werden. Die jetzt.vorliegenden Bestimmungen seien nur die ersten.Schritte zum praktischen Aufbau des großen Werkes, das das deutsche Volk erwarte. Das Haus hörte bei fällig zu und überwies die Vorlagen dem Haus haltsausschuß. Nach knapp einstündiger Dauer war damit der Berattmgsstoff'erschöpft und das Haus vertagte sich bis Mitte nächster Woche. Das zahlreich erschienene Tlübünenpublikum mußte sich ziemlich enttäuscht entfernen: die große Sensation, die Kanzlerrede, blieb aus. poliliscbe Aunälckau. Dcutschlanv. *Eine fetzt erschienene Bekanntmachung ver fügt die Beschlagnahme von wollenen und halbwollenen Wirk- und Strick- waxeu lumpen und von wollenen und halb wollenen Abfällen der Wirk- und Slrickwaren- herstellung und vcrbiele die Veräußerung und Verarbeitung dieser Stoffe. Nach dieser Be kanntmachung sind alle wollenen und halb wollenen Lumpen und Abfälle in jeder Mischung und Farbe beschlagnahmt, die im Besty von Personen sind, die sich mit dem Handel oder der Verwendung von wollenen und halbwolleneN Lumpen und Abfällen gewerbsmäßig befassen. Der Verkauf der beschlagnahmten Lumpen und Abfälle bleibt aber weiter zulässig zu HeereS- oder Marinezwecken. * Die Vorstände der sozialdemo kratischen Partei, der Gewerk schaft e n und Genossenschaften bean tragten bei den Armeekommandos und Mini sterien in Karlsruhe und München die Aus hebung der Bierpreiserhöhung. Österreich-Ungarn. * Wiener Blätter widmen dem Besuche Kaiser Wilhelms in Wien längere Rückblicke, in denen sie schreiben: „Wenn dff beiden Kaiser auf die bisherigen Ergebninc dieses von beiden Monarchien und den mn ihnen seither verbündeten Mächten airfge- nommenen Kampfes für den Bestand und die Sicherheit der im Vierbund vereinigten Staaw ' zurückbticktcn, so mögen sie dies mit berechtigtem Stolz getan haben, daß ihre gute Sache am jedem Schauplatz des furchtbaren Krieges nur Erfolge aufzuweiscn Hal." Das amtliche .Fremdenblattt erklärt: „Der Freund kam zürn Freund und mit jener schlichten. Herzlichkeit, die so schroff abstichl von den theatralischen Ver anstaltungen und Kundgebungen unserer Gegner, vollzog sich die Zusammenkunft der beiden Monarchen." * Kaiser Franz-Josef hat dem öster reichischen Minister des-Innern Heinold, dem Handclsminister Schuster und dem Finanzminister Baron v. Engel die erbetene Entlassung gewährt. Zum Minister des Innern wurde der Präsident des Obersten Rechnung^ Hofes Prinz zu HohenloheSch i l'l ings fürst ernannt. . *Vei der Eröffnung de? Ungari schen Reichstages hielt der Präsident eine Rede, in der er die Bedeutung des Bündnisses mit Deutschland hervorhob. Das Haus be gleitete diese Ausführungen mit Eljenrufen. Italien. * Wie die ,Neue Zürcher Zeitung' aus Brüssel erfährt, steht fest, daß der Papst dem Kardinal Mercier den -bestimmten Auftrag erteilte, freundschaftliche Beziehungen zwischen dem belgischen Episkopat und der deutschen Oberhoheit zu pflegcm 6oläene Schranken. Sj Roman von M* D iers. (Fortsetzung.) Hohn — Hohn! Jeder Gedanke, mit dem sie sich hincinzuleben bemüht hatte, jeder freund liche E-danke für ihn grinste sie an, fratzenhaft, abschsukäh. Und er glaubte, kstLerkommen zu dürfen! Sein ruchloses Spiel wr-llte er fortsetzen mit ihr — der Lügner, der Bösewicht I Entwertet kam sie sich vor, hinabgczerrt in Erniedrigung und Schmach. Am Wend desselben Tages stand sie draußen neben dem Vorgarten und sah mit leeren, abwesenden Augen den Krudem zu, die in dem Springbrunnen kleine, kunstvolle Dampfer, ein Geschenk von Hugo, fahren ließen. Sie hatte den Menschen, dem all ihre Empörung galt, heute bei Tisch wieder gesehen. Sein Bestreben, ihren Blicken zu begegnen, hatte sie mit Abscheu erfüllt. Kaum konnte sie einen Bissen hinunterwürgen, und die Hände, mit denen sie den Kindern vorlegte, bebten. Ihre haltlose Erregung quälte sie. Sie empfand es als neue Demütigung, sich von diesem Manne so ohne Grenzen verstören zu Men. Die kühle Verachtung, zu der sie sich zwingen wollte, konnte sie nicht erreichen, und wenn trotz aller Abwehr und Vorsicht ihre Elias sich doch einmal trafen, und sie das iiegessichere ' Lächeln in seinen Augen sah, Nörnmte glühende Nöte über ihr Gesicht. Nein, dies <m erlraaen. war unmöglich. " » Wenn sie nicht darüber fortkam, mußte sie dies Haus verlassen. Und sie war es auch sich selber schuldig, es zu tun. Mitten in ihrer tiefen, trostlosen Ver sunkenheit am Gitter des Vorgartens redete eine Stimme sie an, deren Klang sie wohl tuend berührte. Es war die alte Dame aus dem Seitengebäude, die neulich vom Hunde ange fallen war. Erst verstand Magdalene kaum, was sie von ihr wollte. Mühsam nur sand sie sich aus ihren Gedanken heraus. Endlich begriff sie. Fräulein von Kleist fragte sie, ob sie sie nicht hin und wieder besuchen walle. Es würde ihr solche Freude sein. Sehr lieb sei es ihr, sie zu fällig getroffen zu haben, denn sie habe nicht recht gewußt, ob es angebracht sei, ihr diese Aufforderung in die Sehlingsche Familie zu schicken. Magda dankte und sagte gern zu. .Gewiß, eS war ihr lieb, besonders jetzt, ab und zu auf ein Stündchen fortgehen zu können und viele leicht fand sie bei dieser gütigen alten Däm mst dem feinen, vornehmen Gesicht den Nat, dessen sie so sehr bedurfte. Noch an demselben Abend ging sie hinüber- Fräulein von Kleist bewohnte drei Zimmer mit einer schönen, gediegenen, altertümlichen Ein richtung. Ein bejahrtes Mädchen versah den Dienst bei ihr. Als Magda ein trat, war ein trauliches Tee tischchen in der Ecke gedeckt. Ein Hauch von Gemütlichkeit lag über allem. Lazu die sym pathische Gestalt der Wirtin in einem herab- iallenden Hauskleid aus schwarzem Samt, dessen weiche Falten sich um die schmale, feine Er scheinung legten. Eine heilsame Ruhe kam über Magdas er regtes und gehetztes Herz. Ihr war, als sei sie hier zu Hauke. Als habe sie dies liebe, alte Geschöpf schon lange, lange gekannt, und als wüßten diese klugen, dunklen Augen alles, was sie erlebt und durchgemacht und was man ihr angetan hatte. Fräulein von Kleist aber sah mit wachsendem Interesse auf dies junge Wesen, das so schutz los solchen Stürmen preisgegeben war. Wenn sie, durch ihre Verhältnisse gedeckt, auch nie in solche Lage gekommen war, so lebte doch auch in ihr noch manche längst verjährte, bitterste Erinnerung an Grausamkeit und Gewissenlosig keit, gegen die es keinen Schutz, keine Macht und für die es keine Vergeltung gibt und — sie sah ein Stückchen eigener schwerer Jugend wieder in ihr lebendig werden. Sie stand ganz allein. Ihre Verwandten waren gestorben oder weitverstreut und ent fremdet. Aber ihre hohen, geistigen Interessen, ihre Spannkraft und ihre Freude an einem kleinen auserwählten Freundeskreis bewahrte sie vor einem leeren Leben. Wie Magdalene vorauSgesehen hatte, stand sie ihr mit ihrem Nat zu Seite. Falls Hugo im Hause blieb, war sie der festen Ansicht, daß Magda es verlaffen müsse, aber da seine Abreise in einiger Zeit wieder bevorstand, riet sie selbst, um der Kinder willen, an denen sich jetzt doch empfänglichere Seiten gezeigt hallen, auszu halten. Als das junge MädLem von neuer Freu- digkeit erfüllt, sie verlaffen hatte, saß- sie noch lange und sann dem Gehörten nach. Und.e liebevoller Plan, diesem jungen Wesen wellig- stens zeitweise das Leben und die Lebenssreude zu erschließen, sproßte in ihr aus und reifte-mir- großer Schnelligkeit. - - ' 4. Magdalene wußte nicht, wie-ihr geschah, als sie eines Tages, noch nicht eine Woche nach ihrem erstem Besuch bei Fräulein von Kleist, einen Brief von einer unbekannten Dame, dir sich Grete Bertram nannte, erhielt, die sie in den allerherzlichsten Worten aufforderte, die Hunds-' tagsferien bei ihnen auf ihrem Gute Seefeld in Vorpommern zu verbringen. Fräulein von Kleist, die treueste und geliebkeste Freundin-- ihrer Mutter, habe ihr so viel Liebes von ihr geschrieben, daß sie und ihr Mann es als die größte Freude ansehen würden, wenn Fräulein Heider ihr diese Bitte erfüllen wollte. Magdalene war so erschüttert von dieser fürsorglichen Güte, daß ihr die Tränen in die Augen traten. Dann aber kam ein stürmischer Jubel über sie. Diese großen Ferien mit ihrer grenzenlosen Ode hatten sie schon längst mit wahrem Entsetzen erfüllt. Sehlings mit dem Kindern reisten ins Bad, sie hatte mit den - Dienstboten hier zu bleiben, und Fräulein von Kleist fuhr ins Gebirge. An diese Zeit hatte sie kaum denken mögen, und nun mit einem Schlage diese entzückend^ Aussicht! Ganz außer sich stürmte sie förmlich zu Fräulein von Kleist hinüber und erschreckte, das ruhige, alte Fräulein, das mcht wußte, wie ür gejchah.
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