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Ottendorfer Zeitung : 22.12.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-12-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191512222
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19151222
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19151222
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-12
- Tag 1915-12-22
-
Monat
1915-12
-
Jahr
1915
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 22.12.1915
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Amerikas Vermittlung. Immer häufiger und eindringlicher werden die Stimmen, die sich im neutralen Ausland für einen Frieden erheben. Besonders unter den Deutsch-Amerikanern ruht man nicht und läßt es nicht an immer neuen Vorschlägen fehlen, wie dem entsetzlichen Weltbrand ein Ende zu machen sei. Jetzt hat auch der ,New Jork American' in einem langen Artikel einen warm herzigen Aufruf an die amerikanische Bevölke rung gerichtet, die Gelegenheit zur Beendigung des Krieges zu benützen, die in den beiden amtlichen Äußerungen des englischen Minister präsidenten und des deutschen Reichskanzlers gegeben wurden, und in denen die Bereitwillig keit, die Friedensfrage zu erörtern, amtlich ver kündet worden ist. Das Blatt erklärt, daß sowohl die mili tärischen Erfolge der Mittelmächte und der Türkei als auch die Englands Stärke zur See über alle Erörterung erhaben sind. Es sei daher nicht billig zu erwarten, daß Deutschland oder England den ersten Schritt zur Einleitung von Friedensunterhandlungen machen können. Ebenso unzulässig aber sei es, daß das Schicksal von Millionen, von lächerlichen Einzelheiten der Formalität abhängig gemacht werden sollte. Hier sei dem amerikanischen Volk eine glänzende Gelegenheit gegeben, die Rolle des Friedens stifters zu übernehmen. Die Pflicht Amerikas sei es darum, über alle Äußerungen des er bitterten Kampfes hinweg eine Vereinigung der neutralen Mächte durchzusetzen, denen es ob liege, die Formel für einen Waffenstillstand zu finden mit dem Endziel, den festen Untergrund für einen dauernden Frieden zu schaffen. Der Artikel versichert, daß die ungemäßigte Sprache eines großen Teiles der amerikanischen Presse und die unverhüllte Parteilichkeit vieler öffentlicher Persönlichkeiten in Amerika, manche Kabinettsmitglieder inbegriffen, den Haß der teutonischen Nattonen, die immer mit Amerika in Freundschaft lebten, hervorgerufen und gleich zeitig durch ein seltsames Widerspiel eine Ver stimmung Englands veranlaßt haben, weil die amerikanische Regierung dort innegehalten habe, wo man tätige militärische Beihilfe erwartete. Eine solche wäre aber weder würdig und männ lich noch verständlich, da das Land nicht einmal in der Lage wäre, seine atlantische Küste gegen einen Angriff zu schützen. Darum sei es not wendig, dem Mißbrauch dieser Preßfehde über die gegnerischen Nationen ein Ende zu machen und den feierlichen Verpflichtungen gegen Gott und die Menschheit zu ihrem Rechte zu ver helfen. Freilich praktische Vorschläge Weis; das Blatt nicht zu machen und sie sind wohl gerade in diesem Augenblick, wo offenbar neue Dinge im Werden sind, schwer zu machen. Dazu aber kommt, daß das amtliche Amerika — cm der Spitze Präsident Wilson — nicht ganz von dem Gedankengang erfüllt ist, der aus dem Kew Aorl American' spricht. Hat doch Präsident Wilson erst kürzlich eine Rede gehalten, in der eS hieß: „Es scheust, daß wir in den Tagen des Wiederaufbaues Europas allerlei zu tun bekommen werden, was bisher mit europäischen Mitteln geschah." — Und weiter erklärte Wilson, daß der kommende Friede Bürgschaften ent halten müsse, damit es ein dauernder Friede sei, und daß Gerechtigkeit dabei vor Macht gehen müsse. Jedermann in Deutschland stimmt wohl mit Herrn Wilson darin überein, daß in Zukunft Recht vor Macht gehen soll. Aber gerade des halb wird Deutschland den Kampf gegen die englische Gewaltpolitik so lange fortsetzen, bis ihr für absehbare Zeiten der Garaus gemacht ist. Deshalb kann auch Deutschland an einem zusammengestoppelten Frieden gar keinen Gefallen finden und wird ihn so lange ablehncn, bis sein und seiner Verbündeten militärisches Übergewicht von unseren Feinden restlos anerkannt wird. Ob freilich dann für eine Vermittlerrolle der Ver. Staaten noch Raum vorhanden sein wird, ist eine Zukunftsfrage, die die Diplomaten beantworten müssen. Das Gefühl der deutschen Menschheit hat sie längst verneint. Wer ganz abgesehen von diesen allgemeinen Erörterungen, der Kew Jork American' scheint die Friedensneigung unsrer Feinde vor allem zu überschätzen. Hat doch jüngst noch der ita lienische Ministerpräsident unter dem Beifall der großen Kammermehrheit erklärt, er sei überzeugt, daß die Kammer einig sei in dem Wunsche nach einem würdigen und ehrenvollen Frieden, der jedoch nur durch den Sieg zu erreichen sei. Der Krieg werde lang und hart, aber von unfehl barem Triumph gekrönt sein. Und klingt es nicht täglich aus Frankreich so und ähnlich. Ist man in Frankreich überhaupt zu sprechen, wenn der Verzicht auf Elsaß-Lothringen, auf deutsches Gebiet in Frage kommt? Niemand hat klarer und sachlicher, wortkarger und doch eindringlicher die augenblickliche Lage darstellen können, als der deutsche Reichs kanzler am 9. Dezember. Und mit Recht schreiben die ,Zürcher Nachrichten': Waren die Kanzlerreden staatsmännisch und diplomatisch ein Hauptsieg, so jene Helfferichs (in seiner Be gründung des neuen 10 Mtlliardenkredits) ein finanzieller Sieg in der Staats-, Kriegs- und Privatwirtschaft. Helfferich sprach nur in Zahlen. Zahlen sind unbeugsam. Diese Zahlen lauten aber niederschmetternd für den Vicrverband, niederschmetternd vor allem für England, felsen- stark, unerschütterlich und zukuuftssicher für Deutschland. Wie versinken gegen diese beiden Reden die Worte der Staatsmänner des Vier verbandes. Auch die Rede Helfferichs enthielt eine Friedensnote und gab schließlich deutlich zu verstehen, daß für die Feinde jetzt noch einmal der Augenblick gekommen sei, einen relativ milden Frieden zu erlangen. Sie klang dann aber in die eiserne Drohung aus, daß, wenn die letzte nützliche Frist verstrichen sei, die Tage der eng lischen Weltmacht zur Neige gehen würden, die auch in einem Jahrtausend nicht wieder auf- gerichtet werden könnte. Es muß immer wieder betont werden: An England ist es, aus der Lage die Folgerungen zu ziehen. Wird aber Amerika das jetzt schon erreichen können? Verschiedene Uriegsnachrichten. (Don der mit. Zcnsurbehörde zugelassene Nachrichten. Ein Zeichen der Lage. Die .Wiener Zeitung' veröffentlicht eine Verordnung des Ministeriums des Innern, wo nach das Armeeoberkommando im nördlichen Kriegsgebiet die Grenze zwischen dem weiteren und engeren Kriegsgebiet dahin abgeändert hat, daß die politischen Bezirke Lemberg und Grodek-Jagiellonski sowie das Stadtgebiet Lemberg aus dem engeren Kriegsgebiet aus geschieden und in das weitere Kriegs gebiet einbezogen werden. * Verluste der Engländer und Franzosen. Die Verluste des englisch-französischen Balkan- Expeditionsheeres werden, wie aus Saloniki ge meldet wird, bis jetzt auf 35000 Mann be ziffert. Die schwersten Verluste haben die Franzosen. Die Engländer hatten beim Rückzug nach der griechischen Grenze durchweg die zweite Verteidigungslinie inne. * Muf Franken fnrjeden getöteten Deutschen. Bulgarische Blätter bringen eine Depesche des Reutervertreters in Saloniki, in der berichtet wird, daß der Oberkommandant der französischen Orienttruppen an seine Soldaten einen Preis v o n f ün f Fra n ke n für jeden gefangenen Bulgaren, von drei Franken für jeden getöteten Bulgaren und von fünf Franken für^ jeden getöteten Deut schen bezahlt. — Diese Mitteilung, die die von unseren Feinden geflogenen Kriegssitten ver dammenswert erscheinen läßt, wurde von der englischen Presse unterdrückt, vermutlich, um die französische Kriegsmoral nicht bloßzustellen. Dian kennt sie aber bereits genügend und die „ritterlichste" Nation der Welt ist seit den August- und Septembertagen 1914 für immer gebrandmarkt. Englands Nürkzugöstratcgie. linier der Überschrift „Rückzugsstrategie" schreibt die,Daily Mail': Die englischen Armeen sind wieder mit Bewegungen beschäftigt, mit denen wir seit August 1914 schmerzlich vertraut geworden sind: sie gehen in Serbien und in Mesopotamien „auf eine neue Frontlinie" zurück. Der Krieg besteht im wesentlichen aus diesen strategischen Rück zügen. Wir senden unzureichende Truppen aus, die durch die überwältigende Mehrheit deS Feindes oder schwierige Bodenbeschaffenheiten zum Stehen gebracht werden. Sie kämpfen mit glänzendem Mute, gewinnen ein bis zwei Erfolge und ziehen sich" danach zurück. So ist es bei Mons, bei Antwerpen, in Serbien, auf Gallipoli und in Mesopotamien geschehen. Wir begannen den Krieg damit, daß wir zwei Armeekorps nach Belgien schickten; sie kamen zu spät und sahen sich einem über legenen Feind gegenüber. Ihr Rückzug war großartig, aber unheilvoll. Unsere bcsteKriegs- maschine erlitt gleich am Anfang eine schwere Betriebsstörung. Wir werden die Erschöpfung stärker empfinden als der Feind, wenn dieses System fortgesetzt wird. Veutlcke Z^ulturpiomere. Friedensarbeitin Rumänien. In gegenwärtiger Zeit, wo eine Welt in Waffen gegen uns steht, dürfen wir neben den Kriegshelden, die mit scharfem Schwert dem Deutschtum eine Gasse bahnen, auch dis stillen Pioniere nicht vergessen, die oft schon lange Jahrzehnte und unter zuweilen sehr schwierigen Verhältnissen im Auslande für deutsche Gesittung und Kultur wirken. Wenn wir es auch selbst verständlich ablehnen mußten, mit den Mitteln der Franzosen, Engländer, Russen und Italiener das Ausland für uns zu gewinnen, so hat die unscheinbare Tätigkeit dieser Kulturpioniere doch viel dazu beigetragen, dem deutschen Wesen in der Fremde Geltung zu verschaffen. Auch in Rumänien haben deutsche Pioniere weite Kreise der rumänischen Bevölkerung Deutsch land achten und schätzen gelernt und Vergleiche zwischen Deutschland und namentlich Frankreich hervorgerufen, die durchaus zu unseren Gunsten ausfielen. Bei den nahen wirtschaftlichen (und auch wissenschaftlichen, sowie militärischen) Wechsel beziehungen zwischen Deutschland und Rumänien sind diese deutschen Pioniere in Rumänien be sonders zahlreich. Aus ihrer großen Anzahl ist einer hervorzuheben: der katholische Pfarrer Wilhelm Kaluza in Turn Severin. Kaluza — wer in Deutschland hätte wohl schon von diesem Namen gehört? Und doch ist sein Name in allen Kreisen Rumäniens wohlbekannt und allen, die in irgend einer Beziehung zu Deutschland stehen, sehr geläufig. Seine markante Persön lichkeit ist überall, wo sie (sich in Rumänien zeigt, Gegenstand der Achtung. Diese Würdigung hat sich Pfarrer Kaluza in mehr als dreißigjähriger Tätigkeit als Lehrer und Priester und nicht nur als Verkünder des Wortes Gottes, sondern ins besondere auch als eifriger Apostel des Deutsch tums erworben. Vor 25 Jahren erhielt Kaluza in Rustschuk die priesterlichen Weihen. Er hat dann in meh reren Städten Rumäniens seine geistliche Tätig keit ansgeübt, bis er vor einer Reihe von Jahren nach Turn Severin kam, wo er ebenfalls einen großen Einfluß auf die Bevölkerung, gleichviel welchen religiösen Bekenntnisses, gewann. Ka luza, welcher das Rumänische wie seine Mutter sprache spricht und außerdem sechs Sprachen vollkommen beherrscht, ist einer der geistigen Mittelpunkte an der unteren Donau. Sein Pfarrhaus ist gastlich jederzeit geöffnet. Hier in Turn Severin hat Kaluza auch die stattlichste ! deutsche Lehranstalt Rumäniens (außer der deutschen Schule in Bukarest), das Institut Santa Maria geschaffen. Zwar wurde dasselbe schon 1894 gegründet, fristete zunächst aber nur ein kümmerliches Leben, bis auf die Initiative j Kaluzas hin mit einem Kostenaufwand von einer halben Million Lei jenes große, aus einer Haupt front mit zwei Flügeln bestehende Gebäude innerhalb der kurzen Zeit von sechs Monaten erstand, welches das prächttgste und am zweck mäßigsten eingerichtete Schul- und Erziehungs- haus ist, das außerhalb Bukarests in Rumänien zu finden ist/ dadurch ebenfalls von deutschem Wesen Zeugnis ablegend. Das Gebäude enthält 55 Räume, von denn» 20 als Klassenzimmer eingerichtet sind. Dis Schülerinnenzahl ist von 30 im Anfänge auk über 400 gestiegen, und alle die jungen Rumä ninnen, welche das Institut mit besuchen, sind treue Anhängerinnen des Deutschtums und werden diese Gesinnung auch mit in ihr späteres Leben hinübernehmen. Alle Lehrerinnen wirken unter der Oberin Edburga, Klosterschwestern, hauptsächlich süddeutscher Herkunft. Und neben diesem selbstlosen Manne, der ein echter Pionier des Deutschtums auf der Schwelle Halbasiens» wirken noch eine große Slnzahl anderer, still und ungekonnt,' Helden' iiHeser Zeit und ihrer Würdig. , (Zensiert: O. K. i. d. M.) politische Armälckau. Deutschland. * In der Budgetkommission des Reichstag e s machte Staatssekretär v.Jagow vertrauliche Mitteilungen über die auswärtige Politik. Nach kurzer Beratung wurde der Zehn - M i Iliar d e n - K r ed i t ohne Wider spruch angenommen. *Bei der Beratung des Militäretats in der bayrischenKammer zollten Redner aller Parteien der deutschen Armee, ihren Ver bündeten und insbesondere, auch.der Tapfer keit der bayrischen Truppen Worts der Anerkennung und des Dankes. Der Ver treter des. erkrankten Kriegsministers, Staatsrat General- v.-Speidel,- gab im Namen-der'Armee den Gefühlen des Dankes Ausdruck für die An erkennung, die den bayrischen - Truppen gezollt wurde. Das ganze Volk ist durchdrungen von dem festen Willen, durchzuhalten durch rastlose Arbeit und Opferwilligkeit. Redner zollte dann besonderen Dank namentlich den Zivilbehörden für ihre Unterstützung und verständnisvolle Mit arbeit. Nur durch das Vertrauen, das der Militärverwaltung vom Volke und den Behörden entgegengebracht wnrde und wird, war es mög lich, daß unsere Truppen so glänzende Erfolge errangen/Witz'sie sie auf allen MiegsschanMtzen an ihre Fahnen geheftet haben. Darauf wurde der Militäretat einstimmig, auch von den Sozialdemokraten/ ange- genommen. * Der Haushaltungsausschuß der -Zweiten Kammer in Baden nahm, den Antrag auf Steuererhöhung von 20°/» bei einem Einkommen über 2400 Mark, von 25 °/o bei einem Einkommen über 10 000 Mark an.. England. * Im Unterhause erklärte der englische Hqn- delsminister Mr/Runciman, daß der Preis für n o rd a m erfi k a n i sch en Weizen in Lon don heute um 26 Schilling per Quarter - Wo um etwa 110 Mark die Tonne) und der Mehl- preis in London um 20 Schilling per Sack (d. h. etwa 16 Mark pro Doppelzentner) höher fei a!S vor zwei Jahren. Die Angelegenheit unterliege der dauernden Aufmerksamkeit der Negierung. Die Festsetzu n g v o n H ö ch st - preisen sei' jedoch - nicht wünschens wert, da eine solche Maßnahme die Zufuhr ungünstig beeinflussen müsse. Schweiz. *Der Bundesrat hat das Gesuch der französischen Botschaft 100 — 150 Milchkühe, damjl an französische Verwundete frische Milch abgegeben werden könne, bewilligt, wie er aus Menschlichkeitsgründen auch die Ausfuhr schweizerischer Milch nach Mühlhausen st E. gestattete. Der Bundesrat'beabsichtigt an die Ausfuhr von Schokolade, die wegen der Verteuerung des . Kakavs teuerer Wird, die Bedingung- zu knüpfen, dvß die schweizerischen Schokoladefabrikanten ihre Scho kolade für den inländischen' Verbrauch zu mäßigtzm Preise abzugeben haben. Ruhland. * Von der Regierung sind fünf neue Mitglieder in den Reichsr äst gewählt worden. Sie gehören alle der äußersten Rechten an und sollen ein Gegengewicht gegen Lie von den bürgerlichen Körperschaften gewählten liberalen Mitglieder bilden. Auf diese Art weiß die Re gierung die versprochenen Reformen zu ver hindern. . - . Coläene Schranken. tP Roman von M' Diers. (Fortsetzung.) In Magdas Wangen drängte sich ein warmes Rost Hier war endlich einer, mit dem sie über Dinge sprechen konnte, die ihr Interesse beschäftigten. Ihre Schüchternheit wich, sie ver focht ihre Meinung, wenn sie der seinen entgegen- lief, mit großer Tapferkeit, die ihn fesselte und erfreute. Aus dem zurückhaltenden, scheuen jungen Wesen sah ihn eine starke, eigene Per sönlichkeit an. Nach dem Kaffee lösten sich die Gruppen auf. Auch Fräulein Ulrich erhob sich und ver anlaßte dadurch die beiden andern, das Gleiche zu tun. „Ich möchte noch einmal Ihren Weihnachts baum sehen," bat er. So folgten sie den andern, die auch denselben Wunsch hatten. „War es schön am heiligen Abend?" fragte er in ruhiger Einfachheit. „Ja." Und bewegt setzte sie hinzu: „Hier ist es für mich ein Weihnachtsfest zu Hause. Ich kannte das schon längst nicht mehr." „Sie stehen allein?" fragte er rasch. Ein dringendes Interesse sprach aus seinen Augen. Die Gesellschaft trennte sie. Er wurde von den Herren in Beschlag genommen und Magda mußte einigen alleren Damen, die Fräulein von Kleist kannten, über deren Ergehen berichten. Als die Dämmerung kam, wurde musiziert. Es gab viele in diesem Kreise, die recht hübsche Sachen in Gesang oder Spiel vortrugen. Magda hielt sich in der Ferne. Es war kaum die alte einfach ssingen?" einfachen Lieder — Ein kalter Schauer kroch durch ihr warmes Sie können es," sagte er heftig, „ich weiß das ganz genau. Aber mir geht es immer so: Temperaments. Er sprach so unliebenswürdig, so brüsk, so leiten ein.' Magda antwortete nicht gleich. Ein plötz licher Schreck hatte sie erfaßt. Sie dachte an jenen Sommertag zurück, an dem Erna Klaussig hier in demselben Raume gesungen hatte — ein einfaches Lied. Jetzt erkannte sie plötzlich die Hand, die dieses Lied ihr aufgezwungen hatte. Ja, ein Zwang war es gewesen, unter dem sie es wählte und daher — hatte sie es nicht zu singen ver mocht. ihr stets Not gemacht hatte. Jetzt dachte sie nicht einmal an alle die Gesichter, die'sich ihr zugewandt hatten. Während des Singens vergaß Hans Reuth- ner ihr Verbot und kam wieder hervor. Er stellte sich an den Flügel und in seinem aus drucksvollen Gesicht stritten sich Schelmerei und Bewegung. Magda merkte: da war nichts zu machen. Und wenn sie es ihm zehnmal verbot, er würde „Gehen Sie fort!" forderte -'sie bestimmt. „Sie müssen doch wissen, daß das stört." Er lachte, sein altes, hübsches, leichtherziges Lachen, und ging hinter ihren Stuhl. Es lag Hl' er. Aber Magda fühlte plötzlich "den grauen Schatten, der sie so sehr' gequält hatte, langsam vor sich abgleiten.' Ein ganz neues Empfinden, sonnig in seiner Schüchternheit, erfüllte ihr' das Herz. Denn sie-wußte, er sprach währ. 'Und ein leises, kaum verstandenes- Gefühl' .'eigener, beglückender Macht er.wachte in ihr. f Ein Lächeln huschte durch ihre Augen, als.sie emporblickre. Dann stand sie ohpe ein weiteres Wort auf und ging zum Klavier. Er folgte ihr. „Sie wollen es tun?" fragte er ungläubig. „Ja," sagte sie ruhig. Ein paar junge Leute kamen heran, um sie zu begleiten. Aber sie wehrte ab, sie - täte- es stets allein. Hans Reuthner stellte sich an den Flügel und sah ihr gerade ins Gesicht. Aber schon nach den ersten Eingangstakten hielt sie inne. Schüchternheit, mehr ein träumerisches Hinbrüten, s das ihr unsächlich wohl tat. Hans Reuthner trat neben sie. „Ich möchte! Sie singen Hören," sagte er ruhig und mit einer - kleinen Bestimmtheit im Ton. - Sie blickte lächelnd auf. „Woher meinen Sie denn, daß ich überhaupt singe?" ! Eine lefie Verwirrung ging durch seine Augen. „Ich weiß nicht. Ja, woher denn eigsntlich ? Ich habe das so im Gefühl." Und fast trotzig setzte er hinzu: - „Sie müssen'können! Und Sie können auch. Wollen Sie?" „Ja, ich will," sagte sie einfach. „Ich kann nichts davon," fuhr er beinahe Verdrießlich fort, „nicht einmal begleiten. Und Können Sie einfache Lieder singett?" fragte l „Ich hasse Paradestücke." Ja." Und dann — vor allem — können Sie die - ....cu ruu dachte er, keinen Augenblick cm das, was viel- Er war schon wieder ernst geworden, die leicht die Seele des Mädchens beschäftigte und Sache lag ihm wirklich am Herzem ihr Tun leitete. Dann lachten sie plötzlich beide. Der Humor wer kann, der will nicht, und wer will, der kann dieser schwierigen Lage kam ihnen voll zum nicht. Und das Resultat ist dann immer das- Bewußtsein. j selbe: ich komme um -«ein Bestes. Tas ist eine „Unglücklich möchte ich ja keinen Menschen alte Geschichte." machen," sagte Magda. „Also dann weihen E. f^ch Sie mich ein bischen in Ihre Sonderlich- selbstsüchtig wie nur möglich. Ganz allein an sie doch bin ich so anspruchsvoll. Es ist schauder- blühendes Empfinden. Diese empfindliche Scheu Haft. Ich tyramnpere andere und mich selbst. jh^ die vor dem bloßen Gedanken zurück- Jch wollte, ich könnte glelchgllttger sein, aber als sollte sie mit jemand rivalisieren, war ich kcmns nicht. Es muß alles nach meinem nieder in ihr erwacht. Ihre Augen senkten sich Sinn gehen, sonst bin ich ganz unglücklich und unter den heißen Lidern. dabei möchte ich am liebsten fortlaufen." Ms sie antwortete, beugte er sich etwas ..... „ . „Das ist schlimm!" sagte Magda ernsthaft, ' zu ihr. In seiner Stimme lag ein grimmiger ihr noch m.den^Ohrcn, als.sie ansing, ganz durchdrungen von den Schwierigkeiten Klang. solches eigensinnig veranlagten musikalischen f Sie wußte, daß sie sich auf ihre Stimme verlassen konnte, obwohl sonst die Ängstlichkeit
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