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Ottendorfer Zeitung : 01.10.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-10-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191510011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19151001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19151001
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-10
- Tag 1915-10-01
-
Monat
1915-10
-
Jahr
1915
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 01.10.1915
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Unsinnigkeiten derMiegssührung. Der Krieg ist die Durchsetzung des Willens im Kampf. Die Mittei nur Durchführung sind die Streitkräfte zu Wasser und m Lande mit ihren Kampfmitteln. Durch das Nieder» ringen der einen Partei wird der Krieg be endet, der Sieger diktiert den Frieden, er kann seinen Willen nun durchsetzen. Das ist der logische Verlauf des Krieges. Der jetzt tobende Weltkrieg hat im Zeitalter der Kultur diesem Verlauf eine Zutat gezeitigt, die aus dem Nahmen der Herkömmlichkeit heraussällt: die grausamen Unmenschlichkeiten unserer Feinde, die sogar die eigenen Volksgenoffen dabei nicht schonen und somit an Unsinnigkeit grenzen: Unmenschlichkciten, deren Zweck nicht erkennbar ist und die ohne Einfluß auf den Gang des Krieges sind. Zu diesen Unsinnigkeiten ist in erster Linie das heiße Bemühen der feindlichen Flieger zu rechnen, offene Städte und friedliche Menschen aus der Höhe mit tödlichen Mitteln anzugreisen. Als kleinliche Rache da ür, daß auch im Luftkriege untere Zeppeline und Kampfflieger sich überlegen wirkend geltend machen, wurden in Freiburg alte Frauen, in Saarbrücken Kinder und Bürger, ebenso seinerzeit in Karlsruhe und anderen Orten tödlich durch Bomben oder Pfeile aus Flieger hand getroffen. Das mußte Erbitterung im Volke Hervorrufen, Erbitterung und Ver geltungsdrang, die eine für den Verlauf der Kriegsvorgänge ganz und gar einflußlose Verschärfung der Kampsstimmung entstehen lasten mußten. Freilich auch unseren Luft fahrzeugen sind friedliche Menschen zum Opfer gefallen, aber doch nur dort, wo der Angriff feindlichen Kampfmitteln oder Einrichtungen galt, deren Vernichtung eine Schwächung der feindlichen Kraft mit sich brachte. In Frankreich und noch mehr in Rußland sind auf Anordnung der Regierung die von dem Angriff bedrohten Ortschaften von den Bewohnern geräumt worden, wobei alles mit genommen oder zerstört werden sollte, was dem Feinde nützen könnte. Nun — das Land selbst konnte weder mitgenommen noch zer- stört werden, es blieb an seiner Stelle, und wir Haden es hergerichtet und nutzbar ge macht, so daß der Zweck der Regierungs anordnung verfehlt wurde. Die armen geflohenen und weggeiührten Bewohner sind um ihre Existenz gebracht, in Bettlerschwärmen fallen sie ihren eigenen Volksgenossen, die selbst schon unter der Kriegsteuerung leiden, zur Last. Sechs Millionen dieser Flüchtlinge aus den Ostsee- prooinzen. aus Polen, Litauen, Westrupland, Wolhynien und Podolien fluten über die Beresina und den Dnkepr nach Osten in un beschreiblichem Elend. Eine schreiende Un- menschlichkeit hat dieser Regierungsakt in seiner Ausführung zuwege geb, acht, außerdem hat der Staat sich selbst um brauchbare, er werbende Voltsträste gekürzt und sich durch die Wegsübrung eine Verpflichtung aufgebürdet zu einer Zeit, wo dir Staatsmittel sich wie durch ein «sieb in den Kriegsbedürfnisten ver flüchtigen. Das ist doch eine Unsinnigkeit, die ihren Maßstab nur in der Unbegreiflichkeit findet — und die Grausamkeit des Krieges in ganz unnötige Weise auf alle Volksschichten mit ruchloser Hand ausdehnt! Wir haben geleien, daß die farbigen Eng länder und Franzosen mit Gewalt zum An griff getrieben wurden, daß die Russen ihre eigenen Truppen durch Artilleriefeuer in den Kampf zwangen, daß bei Wologda Frauen und Kinder, an anderer Stelle jüdische Geiseln in die vorderste Linie gestellt worden sind. Waffenlose Menschen, wehrlose Geschöpfe, die in friedlichen Zeiten nützliche Kräfte dar- stellten, wurden grausam und zwecklos als Scheiben dem Feinde entgegengestellt. Sind das nicht Unsinnigkeiten? Johannes Kretz, Oberstleutnant a. D. V olkswirtlekLMickes. Über zwei Millionen öffentlicher Arbeits vermittlungen. Die Entwicklung des öffent lichen Arbeitsnachweises hat während des Kriegs jahres besonders erfreuliche Fortschritte gemacht. Während 1910 die Zahl der Vermittlungen bei den öffentlichen Arbeitsnachweisen die erste Million überschritt, wurde 1913 eine Ziffer von 1600 000 erreicht. Im Kriegsiahre 1914 konnte mit einer Vermittlungsziffer von 2 100 000 eine Höchstleistung erzielt werden. — Trat dach gerade während des Krieges, so teilt der „Verband Deutscher Arbeits nachweise" mit, die Bedeutung des öffentlichen Arbeitsnachweises mit voller Deutlichkeit zutage, als es u. a. galt die Ernte hereinzubringen, der Kriegsindustrie die erforderlichen Arbeitskräfte zu verschaffen, den grotzenBedarf der Heeresverwaltung an Schanzarbeitern schnell zu befriedigen, die Kon trolle der von den Gemeinden unterstützten Arbeits losen durchzuführen. Eine wichtige Aufgabe war die Überleitung der Arbeitskräfte aus den vielfach brachliegenden Export- und Luxusindustrien, dem Bau- und Holzgewerbe in die Industrien, die eine gesteigerte Nachfrage aufwiesen. Wie sich aus der Steigerung der Tätigkeit im Kriegsjahre ergibt, hat die Oiganisation der öffentlichen Arbeitsnach weise die Feuerprobe out bestanden. Von Mk MÄ -fern. Der Turm der Bundestreue. Auf der Reichsgrenze zwischen den Orten Oberwiesen- Eine halbe Million Mark für Kriegs- invalideufürsorge. Die Stahlwerke Rich. Lindenberg A. G. in Remscheid haben für Kriegsinoalidensürsorge V- Million Mark ge stiftet. Der Grund hierzu wird im Geschäfts bericht mit folgenden Worten dargelegt: „Getragen von der Überzeugung, daß in der heutigen großen, aber auch schweren Zeit für alle diejenigen, welche durch die Kriegswirren wirtschaftlich nicht in Mitleidenschmt gezogen sind, eine der vornehmsten Aufgaben darin besteht, hilfreich einzutreten für unsere tapferen Krieger, die hinausgerogen sind, Heimat und Vaterland vor dem Emsall unserer Feinde zu schützen." 14V OOS Mark für cingelvorfene Fensterscheiben! Nack einer Meldung aus Amsterdam hat in der Groß-Londoner Stadt ratssitzung der Vorsitzende des Finanz ausschusses eine Mehrforderung von 7053 Pfund, also von 142000 Mk., für die Lon doner Polizei erhoben. Er begründete diese unerwartete Mehrausgabe als eine Folge der Tur VeSMeKung von Lemenäria. Die beschossenen Befestigungen an der Donau. Vom Nordufer der Donau donnern deutsche und österre chisch-angari'che Batterien, und ipe iell Semendria H st a s Angriffspunkt im Bericht un- s lerer Obersten Heereslesiung Erwämung gefun- ! den. Der Ort, dem eine Donauinsel vorgelagert ist, liegt etwa 40 iti ometer südöstlich von Belgrad f und besitzt ein altes Kastell mit hoch au;ragenden s Umfassungsmauern und mehr als zwanzig flan- ! kier-nden Türmen. Eine ganz blondere Bedeu tung hat Semendria als Eingangstor zum Mo- rawatal mit einer groß n Heerstraße und der noch wichtigeren Bahnlinie über Nisch nach Sofia und Konstantinovel. Auch in der Kriegsgeschichte trüberer Jahrhunderte hat die Festung Semendria mehrfach eine Rolle geipielt. Die Stadt zählt heutzutage ungefähr 7000 Einwohner und hat einen ziemlich lebhasten Handelsverkehr. tbal in Sachsen und Gottesaab in Böhmen wurde zum ersten Wahrzeichen der in dem großen Bö'lerkriege bewährten Bundesbi üder- schaft zwichen Deutschland und Osteireich- Ungarn, zum Turm der Bundestreue» der Grundstein feierlich gelegt. Troy des „idiotischen Dummheit derjenigen Personen die in den verschiedenen Teilen der Stadt Schaufenster deutsches Geschäftsleute zer trümmerten. Die Summe stellte das Geld dar, das für das Werk dieser überpatriotischen Eiiercr be ahit wurde". — Die Stadloäter Londons scheinen sich ja endlich der sinnlosen Roheiten des Londoner Pöbels gegen schutz strömenden Regens waren viele Tarnende von Festteilnehmern aus Sachsen und Böhmen zu der Feier erschienen. Es machte einen tiefen Eindruck, als bei den Hammerschlägen das feierliche Gelöbnis erklang: „Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahr!" das von den Ver tretern der deutschen und österreichischen Be hörden gemeinschaftlich gesprochen wurde. Türkische Zeichnung auf die deutsche Nerchsanleihe. Auf der Zeichnungsliste sür die deuische Kriegsanleihe befinden sich zahl reiche Türken in be cheidener Vermögenslage, die zum Zeichen der Neigung für Deutichland sich mit den kleinsten zuiäfsigen Beträgen an der Zeichnung beteiligt haben. Im ganzen wurden in Konstantinopel annähernd zwei Millionen gezeichnet. Keine Kirchweih in diesem Jahre. Eine beachtenswerte Verfügung hat das Herzoglich Kovurgsche Staatsministerium erlassen: es soll an Stelle der auch in diesem Jahre infolge des Krieges ausfallenden Kirchweihen in sämtlichen ländlichen Psarrspielen zugunsten der Kriegsfürsorge die Nagelung eines Eisernen Kreuzes treten. Als Nageltag ist der 17. Oktober, der dem Jahrestage der Völker schlacht bei Leipzig vorangehende Sonntag, bestimmt worden. lose Deutsche zu sckämen und vermchen des- haib, diesen „überpatriotifchen Eifer" als „idiotisch" abzutun. Ein Knabe als Brandleger und Gift mischer. Nach einer Milteilung der,Voss. Ztg.' aus Graz steckte der 13Vs Jahre alte Franz Fritz aus Mitterndorf im steirischen Salz kammergut die von seinem Großvater ge pachtete, dem Stifte Admont gehörige Hube in Brand, nachdem er seinem Großvater 23 Kronen gestohlen hatte, um, wie er einge- siand, den Diebstahl zü vertuschen. Er gestand auch, Lie am 10. April d. I. nach kurzem schweren Leiden verstorbene Wirtschafterin seines Grotzoalers aus Rache mit .Hütrach" (Arsenik) vergütet zu haben. Der verdorbene Junge wurde dem Gerichte übergeben. Privatvostvcrkehr mit Warschau. Wie die Warschauer Blätter melden, wird von den deutschen Behörden schon in allernächster Zett der Privatpostoerkehr nach und von Warschau stattfinden. Die Zustellung von Postsendungen wird von Personen besorgt werden, die zu diesem Zweck von dem städtischen Bürger- komttee dem deutschen Feldpostamt beigeUellt worden. Diesen Postvoten ist vomEmpfänger als Entlohnung eine geringe Gebühr zu entrichten. Waldbrände in Sibirien. Riesige Wald« brände wüten nach Petersburger Meldungen seit einiger Zeit in Sibirien. Infolge des Mangels an Menschen war es bisher unmög lich, dem Fortschreiten des Feuers Einhalt zu tun. Der Schaden beläuft sich nach den bis herigen Schätzungen allein an Holz und Torf aus über 60 Millionen Mark: auch die Ver luste an wertvollen Pelztieren sind außer ordentlich groß. Der Eisenbahnverkehr mußte an verschiedenen Stellen eingestellt werden. Hitzwelle i« New Bork. Laut.Basler Nachrichten' wird New Dort von einer zu dieser Jahreszeit noch niemals beobachteten Hitzwelle hetmgesucht. Die durchschnittliche Tagestemperaiur beträgt neunzig Grad Fahrenheit (also etwas über 31 Grad Celsius) bei hoher Luftfeuchtigkeit. Die Bevölkerung schläft in den Parkanlagen auf flachen Dächern. An einem der letzten Tage erfolgten zwanzig Hitzschläae. wovon vier tödlich waren. GeriMsbalie. Erfurt. Vor der hiesigen Strafkammer hatte sich die 17 Jahre alte Frieda B. zu verant worten, weil sie einem französischen Gefangenen eine Postkarte mit ihrer Photographie zugesteckt hatte. Der Staatsanwalt beantragte v-erzehn Tage Gefängnis, aber das Gericht schickte Siebzeün-äbrige ans einen Monat ins GBängni«. ^ermiicktes. Postverkehr der Kriegsgefangenen. Im Kriegsgeiangenenverkehr sind seit September 1914 bis Ende August 1915 vom Postbmeau in Bern zum Transit übernommen und weiter geleitet worden: nach Deutschland 23194 333 Briefe und Karten sowie 1413 344 kleine Pa'ete, nach Franlreich 22 229 470 Briefe und Karten und 663 058 kleine Pakete, nach Österreich und Ungarn 298 975 Briefe und Karten und 19 kleine Pakete, nach Italien 82190 Briese und Karten und 56 kleine Pakete. Im ganzen sind durch die Vermittelung der Obervostkontrolle seit Sep tember 1914 an sran'ösische Kriegsgesangene in Deutschland 1539 673 Postanweisungen im Betrage von 19 2V5 083 Frank, an deutsche Kriegsgesangene in Fianireick 288 075 Post anweisungen im Betrage von 4 983543 Frank, an östeireichiiche und ungarische Kriegsge fangene in Rußland 100705 Postanweisungen im Betrage von 2 666 170 Frank an russische Kriegsgefangene m Österreich - Ungarn zu sammen 85 332 Postanweisungen im Betrage von 1632192 Frank befördert worden. Deutsche Sanitätshunde. Die Ver wendung von sogenannten Sanitätshunden im Kriege zum Aufsuchen der Verwundeten hat sich, wie die Meldungen aus dem Felde übereinnimmenü berichten, auf das glänzendste bewährt. Tausenden von Soldaten ist durch die Hilfe der Sunde, die sich besonders in hügeligem, bewaloeiem und sumpfigem Ge lände hervortun, daß Leben gerettet worden. Etwa 2000 solcher Sanitütshunde mögen in Ler deutschen Front stehen: nicht wenige sind den seindlichen Kugeln zum Opfer gefallen oder verletzt worden. Für diese hat man so gar eine Spezialklinik in Jena errichtet, in der sie wieder hergestellt werden sollen. Die Samtätstnnrde rekrutieren sich zum aller größten Teil, wie die Deutsche Landwirt schaftliche Presse schreibt, aus deuüchen Schäferhunden. Ein kleinerer Teil entstammt den Dobermannpintschern, in denen übrigens ebenfalls Schäferhunddlut enthalten ist. Auch einige wenige Airedale Terriers sungieren im Sanitätsdienst. Sie wurden früher ebenso wie die schottischen Schäferhunde (Collies) mit Vorliebe verwendet, doch werden sie von den deutschen Schäferhunden bei weitem übertroffen. Im übrigen sind heute die Collies durch Zucht gänzlich entartet und uaben die Intelligenz ihrer Vorfahren, der Begleiter der schottischen Hirten, völlig verloren, sodaß sie sich zum Suchen von Verletzten gar nicht mehr eignen. Wahrscheinlich werden sie binnen kurzem überhaupt aussterben. Amerikanischer Kriegshumor. Die ein zige strategische Bewegung, die die Russen andauernd während des Krieges beherrschen, ist der Rückzug. ^Philadelphia North Ame« erschrocken auf, als Georg plötzlich blaß, mit zitternden Lippen, fast unfähig vor Zorn, deutlich zu sprechen, vor seinem Stuhl stand. „Ich verbiete Ihnen, sich in meine Angelegen heiten zu mischen," herrschte Georg ihn wütend an, „was geht's Sie an. was ich tue?" „Gar nichts," entgegnete Norbert. „Das interessiert mich auch wirklich nur insofern, als Sie Fräulein Holzinger, die Ihnen ver mutlich Modell steht, durch die langen Sitzungen vom Arbeiten abhalten, so daß sie tn der Kunst rückwärts statt vorwärts kommt." „Auch Fräulein Holzingers Tun und Lasten untersteht nicht Ihrer Kritik. Sie sind sehr anmaßend mit Ihren Einmischungen!" „Mich um Ihr Leden und Treiben, um Ihr Malen oder Nichtmaien zu bekümmern, fällt mir auch gar nicht ein." Norbert fing nun auch an, sich zu ärgern. „Ob ich mich um Fräulein Holzinger bekümmere oder nicht, ist aber meine Sache. Ich kenne sie viel länger als Sie." „Aber Nadine will nichts von Ihnen wissen. Sie find einfach etsersüchtig, daher die großen Worte!" rief Georg gereizt. Er war nicht mehr nüchtern genug, um seine Worte zu überlegen. „Wenn Sie nicht halb betrunken wären, würde ich Ihnen antworten, wie Sie's ver dienen," entgegnete Norbert kalt. „Jetzt rate ich Ihnen, zu Bett zu gehen und aus- zuschlafen. Das ist das beste, was Sie tun können." .Fällt mir nicht ein." „Dann gehe ich." Norbert nahm seinen grauen Filzhut vom Nagel. „Ich habe keine Lust, mich mit einem UnzureLmmasiäbtaen berumzustreiten und überhaupt..." Er biß die Lippen fest zusammen, um die beleidigenden Worte, die darauf schwebten, zurückzuhalten. Georg sah der großen, iräftigen Gestalt, die mit kurzem Gruß das Lokal verließ, mit starrem Blick nach. Eine Weile schwirrten die Stimmen der zurückgebliebenen Gäste noch durcheinander, dann trat eine.unbehagliche Stille ein. Der Stammtisch der Maler leerte sich heute ausfallend schnell. Es dauerte nicht lange, und Georg sah sich fast allein in dem räucherigen Lokal. Unzufrieden, mit sich selbst zerfallen, ging er endlich auch hinaus. Die herbe Nachilust kühlte seine heiße Stirn. Die Geister des Weins verflogen, nur Mut losigkeit. ein tiefer Überdruß an allem, was ihn jetzt umgab, blieb zurück. Ihm graute vor seiner engen, schlecht gelüsteten Schlatstube, vor Lem Anblick der schmutzigen Aufwärterin, vor dem Atelier, in dem Olhardt ihn jetzt immer kurz und kalt behandelte, vor den Mit schülern, bei denen er sich heute abend lächerlich gemacht hatte mit seinem sinnlosen Wutausbruch. Zu Hause angekommen, warf er sich an gezogen. den Hut noch auf dem Kopf, auss Bett und siel in einen dumpfen Schlaf, aus dem er erst am anderen Morgen unlustig und wenig erfrischt durch heftiges Klopsen an seiner Zim mertür erwachte. „Ich komme gleich!" rief er ungeduldig. Gewiß kam der Dtenstmann. um das Bild zu holen. Unwillkürlich warf er einen Blick auf Lie Staffelei. Sie war leer. Also war es schon gestern während seiner Abwesenheit ge holt worden. Der Geldbriefträger, der draußen unge duldig stand, war das Warten augenscheinlich nicht gewöhnt. Aber jein verdrießliches Ge brumme verstummte durch ein Fünsmarkstück, das Georg ihm in die Hand schob, sehr schnell. Trinkgelder wie ein großer Herr zu geben, konnte er sich nun einmal trotz feiner be drängten Lage nicht abgewöhnen. Er riß den versiegelten Geldbrief schnell auf. Mehrere Scheine — er konnte so schnell nicht zählen, wie viele es waren — sielen ihm entgegen, nebst einem Brief seiner Mutter. Ein erleichterter Atemzug hob Georgs Brust. Er entfaltete den Brief und las: „Mein geliebter Georg, mein einziges, teures Kind! Papa weiß weder, daß ich dir schreibe, noch daß ich dir Geld schicke. Aber ich halte es nicht länger ohne Nachricht von dir aus. Ich denke, du bist vielleicht krank und weißt nicht, an wen du dich in der fremden großen Stadt wenden sollst. Woher ich das viele Geld auf getrieben habe, kannst du später erfahren, jetzt nimm es nur ruhig, bezahle alles, was du vielleicht schuldig bist, und komm nach Hause. Georg, lieber guter Georg, du mußt kommen, denn mir wachsen die Sorgen über den Kopf. Wenn wir Anne-Marie nicht hätten, wir wären schon ganz verzweifelt. Seit sechs Wochen hast du uns keine Silbe geschrieben. Wir misten nicht mehr, was wir davon denken sollen. Meine Briefe hast du nie ordentlich beantwortet. Anne-Marie und ich glauben, daß dir ein Bild mißraten ist, und das willst du nicht eingestehen. Aber, Liebling, sei doch nicht so starrköpfig! Du brauchst doch nicht iür Geld zu malen! Lter wartet deine schön«. liebe Braut, das große Schloß Lehmin, deine Mutter voller Sehnsucht auf dich. Mit unseren Geldverhältntssen in Retters hof steht es sehr schlecht. Ich habe keinen genauen Einblick, aber Anne-Marie ist seit Papas Krankheit — vor vier Wochen erkältete er sich heftig und kann sich nicht wieder er holen — bei uns und führt alle Geschäfte. Sie meint, Rettershof wäre nur mit großen Opfern noch zu halten. Mißernten, Brand schaden, Unterschlagungen gaben uns den Rest. Georg, was soll aus uns werden, wenn Anne- Marie, erbittert über dein Benehmen, die Ver lobung auslöst? Verdenken könnte ihr das wirklich niemand. > , Papa ist in so schlechter StimmMg» bah ich gar nicht wage, von dir zu sprechen. Wer trotzdem wetß ich, sowie du zurüökkonuM ist alles gut — alles vergessen. Im Walde fangen die Ofterblmnsn, die weißen Anemonen, die du so liebst, schon zu blühen an, aber ich erfreue mich nicht daran ohne dich. Nachts schlafe ich kaum noch vor Kummer. Papa geht es nicht anders, wenn gleich er sein Herzeleid nur durch Brummen und Schelten äußert. Anne-Marie wohnt ganz bei uns. St« führt die Wirtschaft, rechnet, pflegt Papa wie die treueste Tochter. Wir können eS alle drei nicht glauben, daß du deine alten Litern, deine liebe Braut aufgeben willst, Georg. Meine Hände zittern so, daß ich schlecht schreiben und gar nicht mehr klöppeln kann. Die Augen tun auch zu weh vom viele« Weinen." H« 14 —.Gortsetzmrg folgt-,
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