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Ottendorfer Zeitung : 01.10.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-10-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191510011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19151001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19151001
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-10
- Tag 1915-10-01
-
Monat
1915-10
-
Jahr
1915
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 01.10.1915
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Amerikas Gewissen. Der frühere langjährige amerikanische Konsul in Hannover Robert I. Thompson, der jetzt als Privatmann im Haag lebt, hat bei einer Großbank in Hannover 500 000 Mk. für die dritte deutsche Kriegsanleihe gezeichnet. Thompson, in Chikago geboren, war dort vor 20 Jahren Zeitungsreporter an der alten .Times', hat durch seine Tüchtigkeit in Be ziehung zu vielen angesehenen Persönlichkeiten und wurde in den amerikanischen Konsulats dienst übernommen. Er wurde Konsul in Hannover, in Shelfield und zuletzt in Aachen. Im Jabre 1912 veröffentlichte er in einer amerikanischen Zeitung eine Unterredung, worin er auf Grund seiner Erfahrungen in Hannover Deutschland als das lcistungs- sähigsle Land der Erde bezeichnete und hervor hob, daß es seine Industrie und seinen Handel im friedlichen Wettbewerbe zu entwickeln suche. Allein er fuhr fort: „Sobald der Tag kommt, an welchem Deutschlands Handel den Englands überholt, so wird vielleicht durch die englische Empfindlichkeit ein Krieg herbei geführt werden. In Deutschland wird dieser Krieg nicht gewünscht." In Amerika wurden diese offenen Worte nicht freundlich aus genommen und Thompson nach Shelfield ver setzt. Beim Ausbruch des Krieges versah er dann das amerikanische Konsulat in Aachen. Von dort aussandte Thompsonnach Washing ton Berichte, in denen er das, was er als die Wahrheit über Entstehung und Führung des gegenwärtigen Krieges ansah und erkannte, mit männlichem Freimut aussprach. Aus drücklich erklärte er gleich im ersten dieser Be richte, sie seien nicht geschrieben zu Nutzen oder zur Verteidigung Deutschlands, sondern im Interesse der Zivilisation. Thompson ist es gewesen, der jenen entrüsteten Protest amerikanischer Zeitungsbertchterstatter gegen die englischen Lügenmeldungen von angeb lichen deutschen Greueltaten in Belgien über die See beförderte, und Thompson reiste selbst nach Belgien, um sich von der Wahrheit der Dinge zu überzeugen. Die Antwort aus Washington erfolgte eiligst in Gestalt einer amtlichen Anweisung, die Thompson gebot, Erkundigungen zu Unterlasten und keine Be richte über „Repressalien" zu senden. Der aufrechte Amerikaner reichte darauf seinen Abschied als Konsul in Aachen ein, fuhr aber als Privatmann mit seinen Be richten fort, die er in der Chikagoer,Tribune' veröffentlichen ließ. Die Briefe erregten ge waltiges Aufsehen in den Ver. Staaten, und sie wurden dann als eigene Schrift gedruckt. Jetzt eben erscheinen fie gesammelt in einer deutschen Ausgabe. Sie zeigen, mit welch' offenen Augen sich Thompson im deutschen Lande umgesehen. Dabei ist Thompson keines wegs als Deutschfreund anzusprechen. Er ist rein englischer Abstammung, Offizier der Ehrenlegion, Bande des Blutes, Freundschaft, Gefühl und nahe persönliche Verwandtschaft binden ihn eher an England und Frankreich, und er versichert selbst, daß die für Deutsch land günstigen Schlußfolgerungen sich ihm gegen seine persönliche Neigung aufdrängten. Er sagt: „Das Recht ist in diesem Kampfe auf feiten der höheren Kultur zu suchen. Die Frage, ob England oder Deutschland die höhere Kultur vertritt, kann nur der be antworten, der den gewaltigen Aufstieg Deutschlands während der letzten Jahrzehnte verfolgt hat. Wer in Ler Lage ist, die wirt schaftlichen, moralischen und politischen Zu stände in England mit denen in Deutschland zu vergleichen, für den ist die Frage nach der höheren Kultur gar nicht weiter zu erörtern. Das englische Volk ist schlaff und selbstzu frieden, das deutsche von der Tatkraft und Zuversicht der Jugend beseelt. Nicht nur herrscht in Deutschland mehr Wohlfahrt, Ordnung, Reinlichkeit und Zufriedenheit als in England, sondern auch mehr geistige und persönliche Freiheit." Als dieser Mann nun die halbe Million für die deutsche Kriegsanleihe zeichnete, sandte er der Hannoveraner Bank ein Begleitschreiben, das im höchsten Maße verdient, überall ge lesen zu werden. Der Vollblutamerikaner Thompson schreibt nämlich: „Es interessiert Sie vielleicht, zu erfahren, wie ich als Aus länder und früherer amerikanischer Regierungs- tzü'l III Sine ^errennatur. 14s Roman von Henriette v. Meerheimb. sgorlsctzttNL.) „Das ist wohl das allererste Mal, daß Sie etwas verkaufen? Alles will gelernt sein." Herr Marquard zog seine Brieftasche hervor. „Nicht nur das Malen muß man versieben, auch das Verkaufen. Aber weil mir das Ge sichtchen wirklich ausnehmend gefällt, und ich gern junge Talente unterstütze, so bin ich be reit, vierhundert Mark für das Bild zu zahlen. Offen gesagt — das ist ein Liebhaberpreis, denn man merkt die Anfängerarbeit gar zu deutlich." „Ich verkaufe das Bild für diesen Preis sicher nicht." Georg setzte sich auf den Diwan und drehte dem Käufer und dem Bilde den Rücken. „Nun, dann will ich noch hundert Mark zulegen. Fünfhundert Mark — das ist wirk lich ein anständiges Gebot l Hier — ich zähle das Geld auf den Tisch. Bitte, mir das Bild heute abend oder morgen früh auszuliefern. Ich schicke einen Dienstmann. — Sagten Sie noch etwas? — Nein? So ist unser Handel wohl abgeschloffen? Ich habe die Ehre!" Die Ateliertür schloß sich. Georg saß immer noch mit dem Gesicht in den Händen verborgen da. Er wollte ausspringen, dem unverschämten Menschen nachlausen, ihm sein Lumpengeld vor die Füße werfen. Fünf hundert Mark. Ja wirklich — fünf Scheine logen da auf dem Tisch vor ihm! Daiür sollte er sich monatelang abgequält haben? Für dieses elende Geld mußte er ein Werk dingeben, au dem er zuerst mit dem Feuer beamter, dessen besondere Pflicht es war, den gewerblichen und allgemeinen Status Ihres Landes zu studieren, dazu komme, Ihre An leihe zu zeichnen. Ich habe die deutsche Kriegsschuld etwa so berechnet: Bei Beginn der Feindseligkeiten hatte Deutsch land eine Nationalschuld von etwa acht Milliarden, und seitdem ist diese Schuld um den Betrag der ersten und zweiten Kriegsanleihe gewachsen, also um 13'/r Mil liarden. Hierzu kommt die jetzige dritte Kriegsanleihe, also etwa 10 Milliarden (sind in Wirklichkeit 12 Milliarden geworden. Die Red.). Wenn nun eine eventuelle vierte An leihe noch 10 Milliarden ergibt, und dann noch etwa sieben Milliarden hinzukommen, wird Deutschland, soweit seine auf den Kopf der Bevölkerung berechnete Nationalschuld in Frage kommt, gerade so stehen, wie Frank reich vor Kriegsbeginn stand, und eine fünfprozentige französische Rsichsobligation vor dem Kriege mar wenigstens 110 wert. Der frühere englische Generalkonsul Oppen heim in Frank,urt, der als der tüchtigste englische Konsulatsbeamte in Deutschland galt, wies in einem seiner vor kurzem geschriebenen Berichte nach, daß Deutschlands National wohlstand innerhalb 15 Jahren vor 1910 um 59 Prozent zugsnommen hatte, und Oppen heim, Dawson und Elzbacher nehmen an oder stellen vielmehr die direkte Behauptung auf in ihren Studien des modernen Deutschlands, daß es in bezug auf Nationalwohlstand und Nationalhissquellen nicht nur Frankreich, sondern sogar England überholt und über troffen habe. Jedenfalls betrug vor Kriegs- beginn die auf den Kopf der Bevölkerung be rechnete Zinslast der deutschen Staatsschuld im Verhältnis zu Frankreich eins zu sechs, im Verhältnis zu England stellte sie sich wie eins zu drei. Dies Verhältnis bleibt be stehen, und mir scheint deshalb die dritte Kriegsanleihe des Deutschen Reichs zu 99 eine der besten dauernden Anlagen der Welt zu sein." Es ist wohl überflüssig, den Worten aus dem Munde dieses Mannes noch etwas hinzuzu- sügen. Hoffentlich werden stein Amerika deutlich gehört und erwogen, ehe sich Dollarien ent schließt, auf die englisch-französischen Pump versuche einzugehen. Auch wäre es hocher freulich, die Herren in Washington nähmen sich noch einmal die Berichte ihres früheren Konsuls vor und läsen darüber nach, was er über die „Tyrannei des englischen Militaris mus zur See" schreibt und über „die wahren Pflichten amerikanischer Neutralität und Menschlichkeit." Wir Deutschen aber werden den Amerikanern manches vergessen ob dieses einen Gerechten, der sich unter ihnen sand. Wenn sie nur seinen Worten jetzt Gehör geben und nach ihnen sich richten. Das amerikanische Gewissen könnte man Mister Thompson aus Chicago nennen! verschiedene Uriegsnachrichten. Vondermil.Zenfurbehörde zugelassene Nachrichten. Der Btcrverband in Saloniki. Die französische Regierung wird, wie der .Temps' erfährt, die in Bulgarien und Griechenland sich vollziehenden Truppen aufgebote zum Anlaß wichtiger Aufklärungen in der Kammer nehmen. Der,Temps' hält es für durchaus möglich, daß die Dinge in den nächsten Tagen so weit gediehen sein werden, um die Kammer vor «vollzogene Tatsachen" zu stellen. Was damit gemeint ist, das deutet Blatt an, indem es das Erscheinen von Truppen der Verbündeten vor Saloniki in nächste Aussicht stellt und daran die Erwartung knüpft, daß durch diese Entschließung Griechenland sich veranlaßt sehen könnte, seine Mobilmachung nicht mehr als einfaches Gebot der Vorsicht, sondern als ersten Akt eines militärischen Zusammen wirkens mit dem Vieroerband zu betrachten. Auch auf Rumäniens Haltung würde eine militärische Kundgebung des Vieroerbandes von größtem Einflüsse sein. Die gleiche Zuversicht fetzt der.Gaulois" in ein energisches Eingreifen Frankreichs und Englands auf Gallipoli, um der Türkei zu zeigen, daß das türkisch-bulgarische Bündnis für den Vierverband ohne Bedeutung sei. Wie von zuverlässiger Seite gemeldet wird. hat ein rumänischer Ministerrat übereinstimmend ssstgestellt. daß die Lage, wie sie durch die Mobilmachung Bulgariens und Grichenlands ge schaffen wurde, für Rumänienkeine Not wendigkeit geschaffen habe, mit der gleichen Maßregel zu antworten. Mangel an Organisation. Unter der Überschrift „Schädliche Erschei nungen" beschwert die .Rjetsch' sich über die unglaubliche Tatsache, daß die Hauptstädte Rußlands wieder ohne Lebensmittel seien. Der Munitionsmangel sei in der Rück ständigkeit der russischen Industrie begründet, aber Rußland habe doch Deutschland in Friedenszeiten mit Getreide und Lebensmitteln versorgt: man versolge, solange der Krieg dauere, aufmerksam die Lebensmittelkrisis in Deutschland und müsse plötzlich unerwarteter weise sehen, daß D-utschland diese Krists überwunden habe, während sie in Rußland in allen großen Zentren den denkbar schlimmsten Charakter angenommen habe. .Rjetsch' fährt fort: Wir frieren trotz unseres Holzreichtums und hungern nach der allerbesten Ernte. Wir haben Mangel an Zucker, während England in Friedenszeiten mit unserem Zucker die Schweine füttert. Der Krieg hat unsern größten Krebsschaden, den völligen Mangel an Organisation, enthüllt. Fürcherlich ist, daß man im zweiten Kriegs jahre diese vergeblichen Wünsche aussprechen muß. Russische Niederlage im Kaukasus. Aus Konstantinopel wird gemeldet: Auf der Kaukasusfront östlich von Wan in der Gegend von Hochab brachten unsere Vor posten dem Feinde eine Niederlage bei und zwangen ihn, in ö st licher Richtung zu fliehen. Der Feind ließ eine Menge Ge wehre und Material in unseren Händen. * Neue Einberufungen in Italien. Die ,Neue Zürcher Zeitung' erfährt aus Genf von glaubwürdiger Seite, daß Italien demnächst eine neue Klasse ein berufen werde. Das Aufgebot wird erlassen, die Mannschaften werden aber erst Ende des Winters oder Anfang des Frühlings 1916 ein zurücken haben. Die Maßnahme ist eine Folge der bulgarischen Mobili sierung. Englische Kriegskosten-Berechnung. Eine Zuschrift an den Londoner,Economist' sagt: Wenn der Krieg, wie Kitchener meint, noch zw ei I ahre dauert, werden die Kosten sich bei einem Betrage von 5 Millionen täglich aus 3650 Millionen belaufen. Wie lange könne selbst das reiche England das aushalten? Die Staatsschuld würde in zwei Jahren 4000 oder 5000 Millionen betragen, die Besteuerung auf 400 bis 500 Millionen steigen, um den Schulden dienst zu decken. Der gesamte Kapitolreichtum des Königreichs übersteige nicht 15 000 Millionen, so daß die Schuld ein Drittel davon ausmachen würde. Die Untersuchung der Zevdelinaugriffe. 178 Tote, 697 Verletzte. Wie die «Westminster Gazette' mitteilt, hat die Kommission zur Untersuchung von ZeppeIinangriffen auf die Ostküste von England einen endgültigen Bericht beim Schatzamt eingereicht. Die Untersuchung der Kommission betraf namentlich die Beschießung von Hartlepool, Scarborough und Wisby und die 14 Zeppelinangriffe, welche vor dem 15. Juni stattfanden. Die Kommission be richtet, daß 697 Anträge auf Schadenersatz leistung für Körperverletzung ein gingen, worunter 178 Fälle mit tödlichem Ausgange zu verzeichnen waren. Ferner wurden 10 297 Fälle wegen Sach schadens gemeldet. — Diese Mitteilung zeigt, daß die frühere englische Darstellung der Angriffe nicht zutreffend war. poLnilcke Runälebau. Deutschland. * Eine Kaiserliche Verordnung bestimmt dis Verdeutschung einer großen Zahl von bisher französischen Ortsnamen in den Bezirken Unter elf aß und Lothringen. Demgemäß wird beispielsweise das aus der Straßburger Goethezeit bekannte Fort LouiS am Rhein fortan Ludwigsfeste heißen, die Stadt Dieuze in Lothringen Duß, Lagarde, bekannt durch das Gefecht aus den ersten Kriegslagen. Gerden, die Jndustrieorte Groß- moyeuvre und Kleinmoyeuvre im Kreis Dieben- Hofen-West Groß- und Kleinmanövern, Lan- bonvillers im Kanton Pange (fortan Spangen), Landenweiler. — Es verdient heroorgehoben zu werden, daß man bei der Verdeutschung vielfach auf die alten deutschen Ortsnamen zurückgegriffen hat. * Auf die von der Fuldaer Bischofs- konferenz an den Papst gesandte Er gebenheitsadresse ist, nach der »Köln. Volksztg.', die Antwort jetzt eingetroffen. Der Papst er klärt dazu! In dem Maße, wie die Notlage durch die Fortdauer des Krieges sich ver schlimmert, wächst auch bet allen die Sehn sucht nach Frieden. Wir wünschen, daß diese allgemeine Sehnsucht bei allen Völkern den Weg einschlagen möge, der in duldsamer, menschenfreundlicher Liede zum Frieden führt. Von diesem Wege irren die ab, die glauben, es sei ihnen erlaubt, die Handlungen der Katholiken eines anderen Volkes durch Wort und Schrift herabzusetzen. Osterreich-Ungarn. "Die österreichisch-ungarischeRe« gierung führt in ihrer jetzt in Washington eingetroffenen Note über den Waffenhandel aus, daß ein Vergleich mit dem Waffen handel in früheren Kriegen nicht angängig sei, da früher immer nur einzelne Mächte Krieg führten. Die Note betont noch einmal den Standpunkt Österreich-Ungarns, daß der amerikanische Waffenhandel, der völlig die Industrie Amerikas beschäftige, nicht mit den Pflichten der Neutralität vereinbar sei. Italien. * In Neapel hielt Barzilai, der Minister für die unerlösten Gebiete, in Gegenwart des Ministerpräsidenten Salandra, sowie zahl reicher Abgeordneter. Senatoren. Vertreter von Behörden und tausender Personen, seine mit Spannung erwartete politische Rede. Lebhafte Kundgebungen fanden vor dem Theater statt. Die Rede weckte im Publikum Begeisterung und veranlaßte Huldigungen für den König, Salandra, Sonnino, die Armee und die Marine. Norwegen. "Das norwegische Regierungsorgan .Dag bladet' veröffentlicht einen aufsehenerregenden Artikel über die Stimmung in Schweden. .Dagbladet' nennt die russenfeindliche Stimmung in Schweden ständig an wachsend und bereits so bedeutungsvoll, daß ernstlich mit einem Vorgehen Schwedens gerechnet werden müsse. Dis den Krieg Fordernden hätten bereits die Mehrheit, und es sprächen viele Anzeichen dafür, daß sie das schwedische Volk milreißen würden. Nor wegen dagegen sei fest entschlossen, für alle Zukunft Neutralität zu wahren und sich von keiner Seite in den Krieg treiben zu lassen. Balkanstaaten. * Der ehemalige griechische Ministerpräsident Gunaris ist zum Könige berufen worden, um seine Ansicht über die Lage darzulegen. Gunaris vertritt den Standpunkt, daß Griechenlands Interessen die Aufreckt- erhaltungderNeutralität verlangten. Die Berufung Gunaris beweist, daß das Spiel Venizelos noch nickt gewonnen ist, der alles getan hat, um Griechenland in das Fahrwasser des Vierverbandes zu treiben. Amerika. * Die meisten größeren Zeitungen warnen vor der Gefahr, Lie in der vorgeschlagenen englisch-fr anzösischen Anleihe ohne gehörige Sicherheiten lauere, und sprechen sich gegen jede Anleihe aus, die der Verlängerung des Krieges dienen könne. Sie erörtern auch die Frage, ob Amerika Recht tue. wenn es Geld für Munitionsankäufe hergebe. Bundes senator Hitchoock spricht sich gegen die Anleihe aus wegen der Höhe ihres Betrages und ihrer Grundlage in dem zw eise lh asten Kredit der kriegführenden Staaten. Weiter wild gemeldet, daß Banken im Welten, be sonders in Chicago, angesichts der Beschlag nahme amerikanischer Fleischsendungen durch England wenig Neigung zeigen, sich an der Anleihe zu beteiligen. künstlerischer Begeisterung, dann mit zäher Ausdauer unermüdlich gearbeitet hatte? Tränen der Wut, der Enttäuschung stürzten aus seinen Augen. Er kam sich gedemktigt, erniedrigt, zerschlagen vor. Die Dämmerung kroch ins Atelier. Alle Farben verblaßten in dem weichen, auflösen den Grau. Nur das role Gewand der Salome, das noch über der Lehne des Diwans hing, hob sich leuchtend von der ver schossenen Decke ab. Georg vergrub das Gesicht in der leise rasckelnden Seide. Nadine! Warum konnte er sie nicht jetzt in seinen Armen halten wie diese leere Hülle, ihren roten Mund küssen, und ihr und sein jetzt so elendes Leben ver gessen! — Ein hartes Klopfen an der Tür ließ ihn auffahren und das Kleid von sich werfen. Sollte das noch einmal der unangenehme Kerl sein? Desto besser, dann konnte er ihm die fünf Lappen in sein lächelndes Faun gesicht mit dem schwarz gewichsten Bart schleudern! Es war aber nicht Herr Marquard, sondern die Hauswirtin, die etwas verlegen eintrat und ihm einen langen, mit Zahlen bedeckten Zettel hinhielt. „Was gibt's? Ich habe nicht geklingelt, soviel ich weiß!" fuhr Georg die Frau unge duldig an, „Sie wissen, daß ich in meinem Atelier keine Störungen liebe." „Ich bringe die Wochenrechnung, mein Herr. Diesmal sind viele Extraausgaben dabei sür Wäsche, Petroleum. FÄHstück —" „Genug — genug! Legen Sie Len Zettel nur bin." Die Frau zögerte. „Wenn's nickt unbe scheiden wäre, mein Herr, ich habe selber viele Ausgaben!" Georg sah ihr eine Sekunde erstaunt in ihr blasses Gesicht. Die Frau sah elend, ihr Anzug dürftig aus. Georg lachte bitter auf. War es schon so weit mit ihm gekommen, daß seine Wirtsleute, ihn an die Zahlung mahnten? Ohne die Rechnung auch nur durchzusehen, schob er der Frau den einen der Scheine zu. „Da nehmen Sie — und lassen Sie mich in Frieden!" „Sie bekommen aber noch Geld heraus." Die Frau suchte in ihrer Tasche herum. „Oder soll ich die Summe gleich für den nächsten Monat zurückbehalten?" „Meinetwegen — gehen Sie jetzt nur." Als die Frau hinausgegangen war, warf er sich wieder auf den Diwan und verschränkte die Arme unter dem Kopf. Jetzt war der Würfel gefallen. Er hatte das Geld, das ihm der alte Lebemann für Nadines schönes Ge sicht zahlte, angenommen, um seine Miete be gleichen zu können! Die Worte Marquards waren förmlich in sein Gedächtnis einge brannt: „Der Kunstwert des Bildes ist gleich Null — aber das Gesicht gefällt mir!" — Bravo! — Ausgezeichnet! Die Schönheit der armen Nadine allein zog den Kerl an. Ihm, dem Maier, gehörte mithin eigentlich der Kauf preis gar nicht, sondern Nadine. Georgs Stimmung wurde immer ver zweifelter. Er hielt die Einsamkeit in dem öden kalten Atelier nicht mehr aus. Auf ein mal begriff er Werners traurige Lebenstheorie. Wenn man fror, innerlich elend, zermürbt von Seelenqualen war, was gab es da Besseres, als sich durch ein paar Gläser Wein Vergessenheit zu schaffen? Das wärmte, er heiterte, das Leben sah sich dann vielleicht wieder freundlicher an. Er stülpte den Hut auf, hing seinen Mantel um und ging in das Stammlokal der Künstler. Ohne mit seinen Bekannten zu reden, bestellte er sich Glühwein und stürzte schnell mehrere Gläser des starkgewürzten Getränks hinunter. Der Wein erheiterte ihn aber nicht — im Gegenteil, er geriet in eine immer menschen feindlichere Stimmung! Das Essen, das der Kellner vor ihn hin stellte, erregte ihm Ekel. Er bemerkte, daß ihm sogar der Geruch der Speisen unerträglich war, und schob alles von sich. Die lauten Stimmen der übrigen Gäste und Ler schwüle Zigarettengeruch folterten seine reizbaren Nerven. Als der Kellner hustete und dann ungeniert in eins Ecke spuckte, wäre er am liebsten aufgesprungen und hätte den Menschen niedergeschlagen. Er drehte den Kopf zur Wand, um nichts mehr zu sehen. Der Schriftsteller Werner, der gutmütig heränkam und ihm erzählte, daß er augenblick lich für eine Zeitschrift kleinere Aussätze schreibe, erhielt kckne Antwort von ihm. ebenso wenig Moritz Roland, der ihm die Frage zurief, warum er denn jetzt so selten Olhardts Atelier besuche? „Stechow malt heimlich gewiß etwas, wo mit er uns überraschen will," meinte Norbert. Er dachte sich gar nichts bei diesen Worten, die Mutmaßung fuhr ihm unwillkürlich heraus. Ebenso wie die übrigen Anwesenden sah er
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