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Ottendorfer Zeitung : 20.08.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-08-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191508205
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19150820
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- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19150820
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Ottendorfer Zeitung
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Jahr
1915
-
Monat
1915-08
- Tag 1915-08-20
-
Monat
1915-08
-
Jahr
1915
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Im 9oläe Englands. Über Italien ist schon jel-t die Strafe für seinen Verrat gekommen. Während es ver zweifelnd am Jsonzo. in Kärnten und Tirol gegen die österreichischen Stellungen an rennt, um mit dem Blute vieler Tausender das Maulheldentum seiner Diplomaten und seines gro^n Nationaldichters d'Ännuncio zu retten, suhlt es immer ehemer Englands Land, die mit kalter Infamie an die Kehle fährt: Vorwärts nach den Dardanellen! Des italienischen Dramas dritter Akt soll beginnen. Old England zahlt nicht, wenn sein Söldner heer nicht für die Interessen der Londoner Regierung kämpit. Und jetzt, wo man von Len Balkanstaaten enttäuscht ist, muß unbedingt der Bundesgenosse heran. Italien, das gegen Osterreich-Ungarn bisher nichts auszurichten vermochte, soll Truppen zu den Totenäckern in den Dardanellen schicken. Freiwillig kann es das nicht tun, kann es die Seelen nicht verschachern, die Truppen, die es, wie Salandra erklärt, für den heiligen Egoismus an den österreichischen Grenzen braucht, einem fremden Wunsche nicht dienstbar macken und einem weit stärkeren heiligen Egoismus nicht zur Ver fügung stellen. Die Zeit der Extratouren, der Verwöhnung und Nachsicht, die Italien bei den Kaisermächten gesunden hat, ist vorüber, und knirschend muß es den neuen Verbün deten, die seine Herren geworden sind, ge horchen. Der Landsknecht, der seine Haut zu Markte getragen hat, darf nicht fragen, gegen wen es gehe. Aber die Treulosigkeit, die Italien an sich selbst verübt, und der Verrat, der sich gegen das eigene Land wendet, sind schlagende Beweise, daß es schon jetzt als selbständige Großmacht kaum noch zu zählen sei. In einem Gespräche mit dem Fürsten Bismarck sagte Crispi, Italien dürfe nicht zu geben, daß Rußland nach Konstantinopel gehe und § dort Herr des Mtttelmeeres werde. Und jetzt muß Italien, will es nicht noch mehr den Zorn und die Verachtung seiner neuen Bundesgenossen fühlen, seine Söhne opfern bei dem Versuch Lem Zaren die Zufahrts straße zu öffnen, die einzige, die ihm noch verbleibt, wenn der Hasen Archangelsk sich wieder mit Eis bedeckt. Italien ist an der Hand der Salandra und Sonnino tief gesunken. Man hat in Rom ganz einfach das Selbstbesiimmungsrecht verloren und knickt unter den Drohungen Englands zusammen. Wie könnte sonst das an Öster reichs Grenze geschlagene Italien noch einen neuen Krieg beginnen, wie könnte es sich sür England und Rußland zum Henkersknecht machen, um die Türkei erwürgen zu helfen? Grieckenland war sich zu gut, den Befehlen von England zu gehorchen, und die Weisheit des Königs Konstantin und seiner Ratgeber hat verhütet, daß es das Blut feiner im Balkankriege bewährten Soldaten vergieße, um Rußland nach Konstantinopel zu bringen, daS Türkenreich zu zerstören und die Unab hängigkeit der Balkanvölker zu vernichten. Bulgarien hat allen Lockungen widerstanden und wollte mit solchen Anschlägen gegen die Zukunft von Europa nichts gemein haben. WaS die Balkankönige in Voraussicht der Ge fahren, die die englische Politik herauibe- schwört, und in tief eingewurzeltem Mißtrauen gegen Rußland und im Rechtsgefühl von sich wegwiesen, mutz der König von Italien tun. Er bat keine Selbständiges und erlebt die Demütigung, daß seine Truppen als Ersatz für die griechischen und bulgarischen, die für das sündhaste Unternehmen nicht gewonnen werden konnten, gegen die Türkei marschieren sollen. Diese Selbstverkleinerung einer Groß macht und dieses Herabkommen nach so kurzer Zeit der Trennung von den Kaisermächten ist eine böse Strafe für Italien, das voll bitterer Reue der Vergangenheit denken mag. Die Schuld der italienischen Machthaber hat ungeheure Sühne gefordert. Italien, das eine starke Mittelmeermacht werden und in Wettbewerb mit allen Anwohnern dieses Meeres treten wollte, das die Konkurrenz Österreichs ausschalten wollte, mutz jetzt mit bei dem Ver suche Helsen, eine neue große Seemacht im Mittelmeer zu begründen, und wenn das Schickial nicht den Anschlag zuschanden werden läßt — wir hoffen es von ganzem Herzen —, so wird Italien mit leeren Händen heimkehren. Italien muß ernten helfen, ohne irgendwelche Besitztitel zu erwerben. Es soll durch seine militärischen Kräfte die Abhängig keiten, von denen cs zur See schon jetzt be droht wird, noch vermehren. Dieser Wider sinn zeigt, wie übel ihm das neue Bündnis bekommen ist. England und Frankreich können Rußland nichts bieten und sind fast müßige Zuschauer bei dem Verbluten der Armeen Les Zaren auf den Schlachtfeldern von Polen und Litauen. Sie fürchten, daß in Rußland die Frage aufgeworfen werden könnte, wozu die Nutzlosigkeit des Vierverbandes noch weiter fortgeschleppt werden solle. In der Angst vor dem Zerfalle der Schöpfung des Königs Eduard und vor dem Zersplittern der feind lichen Krätte gegen Osterreich-Ungarn und das Deutsche Reich wird den Russen neuerdings die Aussicht auf die Erwerbung von Kon stantinopel vorgegaukelt. Die Balkanvölker wollen jedoch nicht die Henker sein und noch weniger die Ruffen in Konstantinopel wissen. Italien soll jetzt dieses Geschäft verrichten, und niemals ist ein herberer Spott ersonnen worden, als der, mit dem dieses Land sich selbst verhöhnt. Das Erbe von Venedig und sogar vom alten Rom wollte es auf dem Balkan Haden und der österreichisch-ungarischen Monarchie die Überlieferungen von Jahr hunderten stehlen, und dieser Plan endet mit der Unterjochung, durch die es gezwungen wird, Konstantinopel sür den Nebenbuhler zu erobern. Zitternd bei der Vorstellung, daß Rußland auf den Abweg geraten könnte, einen selbständigen Frieden schließen zu wollen,- fordert der Vierverband von Italien, daß es die Türkei für Rechnung von Moskau nieder- werte. Die militärische Tüchtigkeit der Türken wird die Italiener davor bewahren, Eroberer sür fremde Rechnung und unter fremden Willen zu sein. Es wird ihnen, das ist unser heißer Wunsch, vor den Dardanellen nicht bester gehen als bei Görz. Dann aber, am Ende der Expedition, wenn das militärische Ansehen verloren, die Begeisterung des Volkes verflogen, Tripolis aufgegeben und die Niederlage des Vieroerbandes besiegelt ist? Italien, welches wird dann deine Zukunst sein? Gebrandmarkt von deinen einstigen Bundes genossen, verachtet von deinen neuen Freunden, geschlagen von den Türken, besiegt von den Österreichern, verlaffen von aller Welt. Das Strafgericht über den Verräter — und Viktor Emanuel wird umsonst die Haare rauten und einen Winkel suchen, wo er die Schande verberge, in Englands Solde das Erbe der Väter vertan zu haben. verschiedene Uriegsnachrichten. Von der mil.Zenturbebörde zugelaffene Nachrichten. Die Lage im Osten. Ein neutrales Urteil. Das norwegische Reederorgan .Norges Seefarts Tidende' schreibt: Die Entwicklung des Krieges an der Ostfront ist sozusagen proarammäßig vor sich gegangen. Die Mittel mächte haben nicht nur einen überaus großen Landgewinn gemacht, sondern auch den feind lichen Heeren Niederlagen zugetügt, die jeden falls auch am Bestand an Mannschaften, Oisi- zieren und Material stark gekehrt und aller Wahrscheinlichkeit nach die Moral der Truppen mehr oder weniger angegriffen haben. Mit großem Interesse wird man der Weiter entwicklung Ler Operationen an LerOstfront ent gegensetzen. Unter den vorliegenden Möglich keiten ist auch ein Vorstoß durch die Ostseeprovinzen auf Petersburg denkbar. Jedenfalls müssen die Opera tionen vor Eintritt des Winters in RuZIanü zu Ende gebracht sein. Dann dürfte für die Mittelmächte die Zeit gekommen sein, sich milderen Gegenden zuzuwenden, von denen die Lombardei besonders verlockend er scheint. Es sieht aus. als ob die Österreicher imstande sind, mit verhältnismäßig geringer Truppenmacht die Italiener in Schach zu halten, während diese dem Anschein nach keinen Ehrgeiz besitzen, Konstantinopel zu er obern, um dadurch den Russen Luft zu machen, sondern es vorziehen, zu bleiben, wo' sie sind, bis die Mittelmächte Zeit bekommen, sich für ihre Rache zu interessieren. * Furcht vor einer deutschen Landung in Finnland. Wie über Dänemark aus Finnland ge meldet wird, befürchten die Russen eine deutsche Landung in Finnland, die den Zweck haben könnte, Petersburg zu erreichen. Die russische Regierung sandte den Gouverneuren ein Rundschreiben mit dem Befehl, sobald eine deutsche Landung drohe, der Bevölkerung zu befehlen, sich ostwärts hinter die Linie Kajana — Willmannstrand zurückzuziehen. Alles Eigentum, was nicht mitgenommen werden kann, einschließlich Häuser und Vorräte, soll verbrannt werden. * Jtalieus Teilnahme an den Dardaneklen- overationen. Das Salonikier Blatt .Jndependant' er fährt, die italienische Regierung habe die endgültige Teilnahme Italiens an den Operationen gegen die Dardanellen beschlossen und werde bald bedeutende Streitkräfte nach Gallipoli senden. Das italienische Eingreifen bezwecke die Be einflussung der Haltung der Balkanstaaten. Englische Rüftungsskandale. — Wie Kitchener sein Heer. zusammenbringt. — Mit Pauken und Trompeten, Massenver sammlungen. glänzenden Umzügen, vor allem aber mit lockenden Versprechungen jucht England seine Rekruten anzuwerben. Als das, selbst sür die in Wahrheit recht bescheidenen Ansprüche der englischen Regierung immer noch nicht genügend zog, wurde im freiesten aller freien Länder ein samter Druck auf die widerstrebenden Boxer, Fußballer und Kricket spieler ausgeübt. Nicht eigentlich aus diese Sportleute selbst, denn sie gehören der besitzenden Klaffe an, aber auf die Zu schauer bei den Veranstaltungen der Boxer, Fu> baller und Kcicketspieler. Und diese Sportzuschauer sind eigentlich das ganze eng lische Volk, Lord, Kauimann, Künstler, Ge lehrte und eimache Arbeiter. Auf diese letzteren hatte man es hauptsächlich abgesehen. Die Unternehmer mußten bei Kriegsbeginn den Arbeiter entlassen, damit ihm das Werbe bureau als einziger Hester in der Not erschien. Im Ubereiser wurden aber allzu viele Arbeiter an die Front geschickt und zu viele Kauf- eute, Künstler und Gelehrte zu Hause ge lassen und so kam die Klemme des Arbeiter mangels, dem nicht einmal der Helden mut der Kaufleute, Künstler und Ge lehrten abzuhesten vermochte, die bereit waren, für die Arbeiter in den Schützengräben die Heimarbeit zu übernehmen. In der Not holte England seine Arbeiter wieder zurück. Die Patrioten, die so willig bereit waren, fürs Vaterland Parronen zu füllen, zeigten wenig Lust fürs Vaterland Patronen zu ver schießen. England wu»te nicht, wie es die Lücken seines Heeres ausiüllen sollte. Von der allgemeinen Wehrpflicht wollten die Eng länder nichts wissen, verlockende Aussichten bot die Soldatenlaufbahn nicht, da alle Augenblicke in der englischen Presse zu lesen war, daß die Verwundeten genötigt seien, aus den Straßen Londons Almofen zu sammeln. Im Unterhaus wurde sogar darüber räsoniert, daß der Staat sür die Witwen und Waisen der Gefallenen aufzukommen habe. So wurde gemarktet mit dem Blutopser der Söhne des Landes. Daß derartige Vorkommnisse den «riegseifer der jungen Engländer abkühlen, ist begreiflich, ja entschuldbar. Doppelt bei den Engländern, die alles nach dem Geldpreise zu weiten pflegen. Da nun die allgemeine Wehrpflicht nicht nur bei den Arbeitern, sondern am stärksten bet den sogenannten Gebildeten unter den Inselbewohnern auf Widerstand stieß, hatte es die Regierung mit dem Registrierungsgesetz versucht, um wenigstens feststellen zu können, aus wieviel Mannschanen sie im Falle der Not zu rechnen habe. Da diese Not für England längst mehr als bedrohlich nahe gerückt ist, so fürchten die Engländer, daS Gesetz könne von der Regierung einfach als Grundlage einer allgemeinen Wehrpflicht benutzt werden: oder wie die.Times' sagen, als Grundlage zu dem unehrlichen System eines verhüllten ZwangK- dienstes und zur Aufrechterhaltung anderer Kri»« Sleickes Ml). 241 Roman von A. L. Lindner. Der alte Kuhfütterer glaubte zwar im Morgengrauen eine Frau über den Hof gehen gesehen zu haben, hatte sie aber bei dem Nebel lür eines der Dienstmädchen gehalten und sich nicht weiter darum gekümmert. Alles in allem waren seine Angaben überdies so unsicher und widerspruchsvoll, daß sie wenig Wert besagen und vielleicht seiner Phantasie entsprungen zu sein schienen. Als jede Hoffnung ge chwunhen war. Klara aus dem Haie oder in der Nähe zu finden, suhr Herr A<r Heyden in die Stadt, um die Polizei zu alarmieren und auf dem Bahnhof Nackssorichungen anzustellen. Der Personenverkehr war an diesem Morg-n sehr rege gewesen, die Beamten erinnerten sich zwar, mehrere Damen in Trauerkleidung ge sehen zu haben, aber welche war die richtige? Sie halten wenig oder gar nicht auf sie ge achtet, und jedenfalls war ihnen an keiner etwas Besonderes ausgefallen. 7. Am Abend desselben Tages saß Frau von Knorring in ihrem kleinen Zimmer, die dunklen Plüschgardinen waren herabgelafsen, und ein leichtes Feuer prasselte im Kamin. Draußen brauste der Wind in den Linden am Hause und trieb den Regen gegen die Fenster. Die Unbill des Weiters machte dis Behaglichkeit des geschützten Heims nur noch fühlbarer. einem niedrigen Tischchen neben ihr lag ein Stoß zum Teil noch unaufgeschnittener Bücher. Der Buchhändler, zu dessen besten Kunden Frau von Knorring gehörte, hatte ihr heute die neuesten Produkte der heimischen und fremden Literatur geschickt, «der sie war noch nicht dazu gekommen, ihnen mehr als einen flüchtigen Blick zu gönnen. Der Nachmittag halte eine ununterbrochene Reihe von Betuchen gebracht und nach dem Abendessen hatte Heinz von Kruse noch auf ein Stündchen sich bei ihr eingestellt. Er war ihr Lieblingsneffe, und sie machte aus ihrer Vorliebe für den hübschen Jungen auch gar kein Hehl. Seine halb ritterliche, halb burschi kose Art amüsierte sie. Sie hatte Menscken- kenntnis genug, um den Kern tüchtiger, ehren hafter Gesinnung hinter all dem Unsinn und der jugendlichen Ausgelassenheit des Vandalen zu erkennen. Sie nahm daher auch em paar stark studentische Redewendungen von ihm geduldiger als von anderen mit in Kauf und begegnete gelsaeniltchen Seufzern über üre Länge des Quartals und die Kürze des Wechsels nickt nur mit gutem Rat, sondern mit noch besserer Tat, die dann wiederum dem Feuer dankbar.icher Verehrung im Herzen des Neffen neue Nahrung zuführte. Gegen neun Uhr hatte sich Heinzens eine gewisse Unruhe und Zerstreutheit bemächtigt, und schließlich hatte es geheißen: »Beste Tante, es ttl zwar so urgemütlich bei dir, aber ich sürchle, ich muß nun doch aufbrechen. Es ist da noch etwas Notwendiges —" Frau von Knorring lachte. »Lieber Junge, setze dich nur ja nicht in Unkosten mit Erfindung von Ausflüchten. Ich weiß ganz genau, was du Notwendiges vm- hast und wohin dich dein Herz zieht. Was ist es denn heute abend? Der »Schwarze Adler" oder die „Preußische Krone"?" „Du bist wirklich die goldenste Tante von der Welt," beteuerte Heinz enthusiastisch und legte Lie Hand auf die Herzgegend. »Ich sehe, nichts Menschliches ist dir fremd, und wenn ich mit so cher Erlaubnis die reine und unverfälschte Wahrheit bekennen darf, so ist es allerdings der .Schwarze Adler". Du weißt, es gibt im Menschenleben Augenblicke, wo man dem Bierdurst näher ist als sonst." „Nun, nun. Ziehe nur nicht die Zitaten schleuse auf, bitte, sondern mach, daß du sort- kommst. Ich sehe, mein schöner, neuer Smyrnaiepvich brennt dir schon wie Kohlen unter den Füßen." Heinz ließ sich denn auch nicht mehr lange nötigen und ging. Dle Regiemngsrätin sah ihm lächelnd nach. „Wenn man selbst keine Kinder hat, muß man sich mit denen anderer Leute behelsen, so gut es gehen will. Wer nicht allzu früh altern will, muß versuchen, in Berührung mit der Jugend zu bleiben." dachte sie, »und es scheint ja auch, gottlob, daß sich die junge Welt noch immer zu mir hingezogen fühlt, trotz meiner 6ü Jahre." Sie lehnte sich in ihren Sessel zurück und sah nachdenklich den zitternden Lichtftreisen zu, die die Lampe an die Decke warf. Der dunkelblaue Plüsch bildete den denkbar günstigsten Hintergrund sür ihr feines Gesicht, das Vas weiße schim mernde Haar noch voll und wellig umrahmte. Aber daS Lächeln venchwand allmählich aus ihren Zügen, und ein lorgenooller Zug trat an seine Stelle. Wie immer, wenn ii« allein bräucke der Rekrutierung. Und diese Mißbräuche scheinen in der Tat nicht geringe zu sein. Die .Times' behaupten geradem, daß die eng lische Rekrutierung ausarte und daß dabei ab wechselnd mit Einschüchterung und Schmeichelei vorgegangen werde, was zu Skandalen führe. Die Anspornung durch Londoner junge Mädchen und die Überreichung weißer Federn, die in England das Symbol der Feigheit sind, durch aufgeregte Weiber, seien nur ober flächliche Züge des Prozesses nationaler Er niedrigung. Noch schlimmer seien die Auf forderungen an die Arbeitgeber, auf Ange stellte einen Druck auszuüben, damit fie sich anwerben lieben. Wenn so was schon die .Times' öffentlich auszusprechen wagen, muß es allerdings nickt gut stehen um die Erfolge der englischen Rekrutierung! Was England da an Mitteln anwendet, um Soldaten zu sangen, erinnert an die niedrigen Praktiken, mit denen Landessöhne dereinst sür fremde Nationen zu Soldaten ge preßt wurden. Durch den Hunger! Und hier wie da trifft es nur das untere Volk. Und das im freien England des 20. Jahrhunderts! Wie sich England nicht scheute, selbst ägyptische Truppen unter den Peitschenhieben der Kanadier in Transportschiffe zu verladen, wie es ähnlich mit den Indern verfuhr, so treibt es die Miltel- loien unter seinen Landeskindern durch die Hungerpeitsche ins Heer. Und da wagt England noch zu behaupten, es kämpfe für die Frei heit gegen die Barbarei des deutschen Militarismus! Gegen den deutschen Mili tarismus, unter dem sich, immer wieder und laufendmal wieder gesagt, Alldeutschlands Söhne, ob sie aus Fürstenhäusern stammen oder aus der Hütte des. Arbeiters zu einem Körper zusammenschließen, der nur eine Seele hat und nur einen Willen — das Vater-, land zu retten. Wie herrlich ist unser Mili tarismus. wie widerwärtig ist die Soldaten- presserei der Engländer! poLMcde Kunüledau. Italic». *Der «Neuen Zürcher Zeitung' wird aus London gemeldet, die neuesten Verhandlungen über die Begebung von 1000 Millionen Lire 4'/r prozentiger italienischerSchatz- wechiel auf dem englischen Geldmarkt sei keine Operation der Banken. Es handelt sich vielmehr um einen direkten Vorschuß der englischen Regierung und Deckung dieses Vorschusses durch Schatzwechsel. Spanien. *Der ,Temps' meldet aus Madrid: Mini st er Präsident Dato hat leine Er klärungen über seine Politik wiederholt und gesagt, er sei und bleibe ein Anhänger strengster Neutralität, und das Land teile seine Ansicht. Die Neutralität Seaniens werde von allen Kriegtührenden geacktet. und keiner habe es um Intervention gebeten. Trotzdem setze Spanien seine Rüstungen iort, um seine Integrität nötigenfalls verteidigen zu können. Balkanstaaten. *,Berlingske Tidende'*meldet: Die Lon doner Presse bekennt jetzt, daß Bulgarien > öen Schlüssel zur Lage auf dem Balkan in der Hand hat. Die Mitteilung des bulgarischen Ministerpräsidenten über Lie Bedingungen sür Bulgariens tätige Teilnahme an der Seite des Vierveibandes sowie über Lie deutsch-österreichischen Gegenmatzregeln werden in London allgemein als ein Zeichen dafür aufaefaßt, daß die Entscheidung auf Lem Balkan unmittelbar bevor« steht. "Der Turiner .Stampa' wird gemeldet, der Vierverband strebe eine Lösung am der Basis an, daß die für Bulgarien bestimmten serbiscken und griechischen Gebiete dis zum Friedensschluß von dem Vier verb and, gewissermaßen als Treuhänder, verwaltet werden. Das nächktwicbtige Thema, das der bevorstehende italieni'che Ministerrat zu behandeln hat. sei das Ver hältnis zur Pforte. Die schwebenden Ver handlungen feien nicht vorwärtsgekommen, doch lasse die Tatfache, daß der türkische Bot schafter Nady Bei aus Vallombrosa nach Rom zurückkedrle, darauf schließen, daß neue Er- eicmiUe devorstehen. war, wandten sich ihre Gedanken der schmerz lich vermissten Pflegetochter zu. «Wäre Klara glücklich verheiratet gewesen." dachte sie, „so hätte ich das Alleinsein ja auch ertragen müssen, aber es wäre dennoch eine ganz an»ere Sache gewesen. Ihr Glück hätte meine Selbstsucht eben gar nicht aufkommen lassen. Nun Olden fort ist, werde ich aber jedenfalls auf ihrer Rückkehr bestehen, längere Trennung hätte gar keinen Zweck mehr. Es ist mir ein unerträglicher Gedanke, daß fie stch so fern von mir härmt, und daß ich zur Be urteilung ihres Seelenzustandes nur auf Briefe angewiesen bin. Briese find so irreführend. Ich sehe wohl, sie will mir verbergen, wie sehr sie leidet, aber gerade das macht mich so unruhig. Wer weiß, ob sie sich bei den guten, aller immerhin etwas einfachen Zur Heydens nicht immer tiefer in ihren Gram einge sponnen hat. Bei ihrem Naturell kann es eigentlich gar nickst anders sein. Sie seufzte schwer. „Ach, wenn ich doch irgend etwas tun könnte, um die beiden lieben Menschen ein ander wieder nahe zu bringen, aber ich sürchte, das würde noch mehr als ein Wunder er- fordern, und ich habe leider gar nichts vom Wundertäter an mir. Auf jeden Fall will ich Klara aber wieder unter vier Augen haben. Ich weiß nicht, wie eS zugeht, aber ich kann die Angst nicht los werden, daß mit dem Kinde etwas nicht in Ordnung ist. und bet Menschen, die ich liebe, sind meine Vorahnun gen selten ganz grundlos geweien." Das Rollen eines Wagens weckte sie aus ihren Gedanken. In der trejen Stille, die um
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