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Ottendorfer Zeitung : 17.10.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-10-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191510172
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19151017
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19151017
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-10
- Tag 1915-10-17
-
Monat
1915-10
-
Jahr
1915
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 17.10.1915
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KuManä unä Vulgarien. In Rußlands dessen Zar im Glauben seines Volkes seit langen Jahrzehnten als der an- aestgmmte Schirmherr der Balkanstaaten galt, hat das entschiedene Abrücken Bulgariens von der russischen Seite und die sonstige dem Vier verband abholde Entwicklung der Dinge auf dem Balkan einen niederschmetternden Eindruck ge macht. Es hagelt Anklagen gegen die russische Diplomatie in der Presse aller Schattierungen, und diese sind im gegenwärtigen kritischen Zeit punkt für das Reich auch der Regierung nicht als unmaßgeblich erschienen, die in früheren Jahren die Zeitungskritik mit einem verächt lichen Achselzucken beiseite zu schieben pflegte. Die russische Regierung hat sich vielmehr ver pflichtet gefühlt, im offiziellen ,Reichsanzeiger' eine sehr lange Note zu veröffentlichen, in der die Balkandiplomatie des Vierverbandes mit be sonderer Berücksichtigung der russisch-bulgarischen Beziehungen zu rechtfertigen versucht wird. Bereits im Just 1914 begann eine neue russische Balkanpolitik, die die Zusammen schweißung aller Balkanstaaten zu einem festen Block beabsichtigte. Bereits zu dieser Zeit wurden Bulgarien greifbare Vorteile versprochen, falls es die russischen Bemühungen unterstützen wolle. Gleichzeitig aber drohte man Bulgarien, daß man in Petersburg jede Stellungnahme Bulgariens gegen Serbien als höchst unfreund lichen Akt betrachten würde. (I!) Nach Beginn des Krieges deckte Rußland Bulgarien gegenüber seine Karten auf und gab sich ganz offen die denkbar größte Mühe, den Zaren Ferdinand zum Heraustritt aus der Neutralität zugunsten des Pierverbandes zu ver- snlassen. Dazu benutzte man den etwas eigen tümlichen Weg über Serbien, iirdem man die Regierung in Nisch aufforderte, an Bulgarien Gebietsabtretungen zu machen, wofür man den Serben versprach, daß sie sich nach Beendigung des Krieges an österreichisch-ungarischem Ge biet schadlos halten dürften. (!I) Da die serbische Regierung diesen Vorschlägen nur „im Prinzip" beistimmen wollte, gerieten die Verhandlungen auf den toten Punkt. Miste Oktober 1914 beging der Vierverband, dessen Wortführer abermals Rußland war, den neuen Fehler, Bulgarien in sehr konkreter Weise zur Hilfeleistung gegen die Türkei aufzufordern. Bulgariens Antwort bestand in einer kühlen Ablehnung. Das Kabinett Radoslawow er widerte, es zöge vor, neutral zu bleiben. Durch aus nicht abgeschreckt, trat Rußland Ende Dezember 1914 noch einmal an Bulgarien heran und verlangte einerseits Garantten von der bulgarischen Regierung, daß sie weder Serbien noch Griechenland anzu greifen beabsichtige, bot jedoch auf der anderen Seite der bulgarischen Regierung für einen Heraustritt aus der Neutralität Gebiets verbesserungen in Mazedonien und Thrazien nach Beendigung des Krieges an. Dieses An gebot erfuhr seitens Bulgariens dieselbe Ab lehnung wie das erste. Trotzdem machte der Vierverband bereits im Januar einen dritten Versuch, Bulgarien auf seine Seite zu ziehen, und zwar diesmal gänzlich auf Kosten der Serben. Dieser Versuch kam jedoch in Sofia gar nicht erst zu ordnungsgemäßer Verhandlung, da er bereits in Nisch am Widerstande Pasitsch' scheiterte. In den nächsten Wochen bekümmert sich Rußland nicht mehr so intensiv um den Balkan, da die ganze Anstrengung seiner Diplomatie sich auf Italien richtet. Nach dem Eingreifen Italiens wird die Sprache des Vierverbandes auf dem Balkan zunächst sehr anmaßend, wird jedoch wieder etwas sanfter, als die großen italieni schen Erfolge ausbleiben. Bereits Anfang Juni ist der Vierverband wieder so weit, von neuemBul- gariens Hilfe erbitten zu müssen. Die bul garische Regierung erhält unter der Bedingung, daß sie sofort mit allen Kräften gegen die Zentralmächte Partei nimmt, folgende Vor schläge: Bulgarien annektiert sofort Thrazien bis zur Enos-Midia-Linie, nach Beendigung des Krieges Mazedonien mit den wichtigsten Städten und außerdem Geld, so viel es braucht. Die bulgarische Regierung hatte jedoch offenbar kein Verstauen in die militärische Kraft des Vierverbandes, diesen Versprechungen auch Gültigkeit zu verschaffen, und verlangte weitere Erklärungen. Die Verhandlungen zogen sich bis zum 4. August, wobei Rußland in stetig wachsender Bedrängnis durch die deutsche Offensive immer höhere Zusicherungen machte und schließlich Revision des ganzen Bukarester Vertrages versprach. Da Bulgarien Mißtrauen über die Haltung der Serben äußerte, arbeitete die Vierverbandsdiplomatie auch in Nisch mit Nachdruck und erzwang von der serbischen Regierung eine wenigstens vorläufige Zustim mung zu den bekannten Forderungen. Am 1. September wurde dann der bulgarischen Regierung eine zusammenfassende Note über reicht, in der unter Hinweis auf die großen Zusicherungen der Anschluß Bulgariens an den Vierverband verlangt wurde. Die Antwort Bulgariens bestand in dem Beschluß der Generalmobilisation, durch welches der licht scheuen Arbeit der Vierverbandsdiplomaten auf dem Balkan ein jähes Ende bereitet wurde. verschiedene Uriegsnachrichten. (Von der mil. Zensurbehörde zugelassene Nachrichten.) Die Kämpfe an der Champagne. Der ,Nordd. Allgem. Ztg.' wird von ihrem Kriegsberichterstatter gemeldet: Das an der Champagnefront andauernde heftige Feuer der schwersten Artillerie und sehr rege Fliegertätigkeit, die fast aus- chließlich Erkundungszwecken galt, deuten auf ne Absicht der Feinde hin, die Offensive noch ortzusetzen. Die schweren Kämpfs bringen tarke Ausbuchtungen in der Front bei Tahure mit sich, wo wir den Feind und die Franzosen uns mit Flankenfeuer bestreichen. Der Erfolg der Zentralmächte. Das holländische ,Vaderland' nennt das Einrücken der deutschen und österreichisch-unga rischen Truppen in Belgrad, nachdem die Feind seligkeiten gegen Serbien kaum erst drei Tage gedauert hatten, die Aufsehen erregendste Re klame, die in diesem Kriege für den preußischen Militarismus gemacht worden sei. Es ist zwei fellos ein militärischer, politischer und moralischer Erfolg, der beweise, daß Deutschland keineswegs an der eigenen Kraft zweifelt und daß es nicht zögert, den früheren Fronten neue hinzuzufügen. Deutsch land, das seit 14 Monaten an zwei Fronten in Kämpfe verwickelt ist, erscheine jetzt auch noch an einer dritten und mit sofortigem Erfolge. Neben dem Auftreten der deutschen Diplmaten und Armeen während der letzten Tage erscheine das Auftreten der Verbündeten schwächlich. * Schwere Verluste der Serben. Rumänische Blätter berichten über riesige VerIuste, die die Serben in den letzten Kämpfen erlitten haben. Fast sämtliche Batterren seien von den Angreifern zerschossen worden, die Verluste der serbischen In fanterie seien geradezu unglaublich. Anf der Zigeunerinsel haben deutsche Soldaten nicht weniger als 600 Serben begraben. In den Straßen von Belgrad lagen Haufen von Leichen der gefallenen Serben, die nur langsam weggeschafft werden konnten. Die Lazareüe sind überfüllt mit serbischen Verwundeten aus den dreitägigen Sstaßenkämpfen. * Was will der Bierverband? Sicheren Nachrichten zufolge sind fünf Eisenbahnzüge mit französischen und englischen Truppen in Saloniki zurück gehalten worden. Es wird gemeldet, daß zwar die Landungen fortgesetzt, daß aber keine Truppen mehr ins Innere befördert werden. Man will anscheinend erst ein bedeutendes Heer in Saloniki sammeln. Aus rumänischer Quelle verlautet, der Vierverband sei zu Gewaltmitteln entschlossen. Rußland werde zunächst an kündigen, daß es durch die Dobrudscha marschieren werde, um Bulgarien anzu greifen. Rumänien möge daraus die ent sprechenden Folgerungen ziehen. — Die Heuchelei des Vierverbandes, der die Rechte und die Un ¬ abhängigkeit der kleinen Völker zu verteidigen vorgab, tritt immer brutaler zutage. * England von einem tödlichen Schlage bedroht. Der englische Landwirtschaftsminister Lord Selbourne hielt in Jork eine Rede, in der er ausführte, daß die Deutschen jetzt dem- e n-g - lischen Reich im Orient einen töd lichen Schlag zu versetzen versuchen, ganz wie Napoleon I., ass er am Ende des 18. Jahr hunderts dies beabsichtigte. England stehe dem zufolge vor einer schweren Krisis, welche die größten Anstrengungen der Natton erfordere. Man solle sich vor Selbsttäuschung, Selbstzu friedenheit und vor allem davor hüten, die Deutschen zu unterschätzen. Das Abenteuer von Gallipoli. Die ,Haagsche Post' meint, daß der Balkan feldzug für die Verbündeten eine willkommene Gelegenheit sei, auf anständige Weise die Kriegsoperatiouen an den Darda nellen einzustellen, vorläufig wenigstens, da der Herbst mit seinen Stürmen komme und da durch den Transport von Truppen und allem Erforderlichen äußerst schwierig gestalte. Anruke im Vierverbanä. Just an dem Tage, da die Leutchen vom Vierverband einander zu der neuen Offensive in Nordfrankreich beglückwünschen und in ihrer Hoffnung Sommerwagen besteigen wollten, rollten gen Belgrad die ersten deutschen und österreichischen Schüsse, die den Balkan erweckten und mit einem Schlage eine neue Phase des Krieges herauf führten. Und seltsam: Nicht nur auf dem Ballan war der ernste Wink verstanden, auch im Vier verband und bei allen seinen Anhängseln machte sich eine Bestürzung bemerkbar, die überall zu Überstürzungen und Unbesonnenheit wurde. Ganz plötzlich hat sich der französische Mi nister des Äußeren Delcassö krank gemeldet und dem Ministerpräsidenten Viviani die Er klärungen über die auswärtige Lage in der Kammer überlassen. Es heißt, Delcassö soll ein entschiedener Gegner der Landung in Saloniki gewesen sein. Der Senator Clemenceau greift ihn in seinem Blatte heftig an, well er unauf hörlich dis russischen Ansprüche auf Konstan tinopel betont und dadurch den Zusammenbruch der Vierverbandspolitik auf dem Balkan mit verschuldet habe. Zugleich aber überhäufen die englischen Blätter Mobe', Morningpost', ,Times', ,Daily Mall' oen Minister des Äußeren Grey mit Beschuldigungen und verlangen eine Reform des Auswärtigen Amts, das vollständig versagt und die Lage auf dem Ballan entsetz lich verpfuscht habe. Durch die militärischen Mißerfolge an den Dardanellen und die diplo matischen in Sofia, Athen und Bukarest und ihre Folgen sei Ägypten, ja vielleicht sogar Indien ernstlich bedroht. Noch schlimmer ist die Verwirrung in Italien. Nur durch die schärfsten Maßregeln der Zensur können scharfe Ausbrüche der Enttäuschung und des Tadels unterdrückt werden. ,Corriere della Sera', eines der größten Hetzblätter, erkennt auf einmal an: Deutschland hat Belgien erobert, hat Frankreich einen schweren schlag versetzt und dann Rußland einen noch viel furchtbareren Schlag. Nun schwebt die Drohung über Serbien und über England und Frankreich an den Dar danellen. Ein gemeinsames Exekutivkomitee der Lierverbandsmächte wird gefordert, um ein ein heitlicheres Vorgehen einzuleiten. Salandra und Sonnino, die Urheber des Verrats am Drei bunde, sehen dem Zusammentritt des Parlaments mit Unruhe entgegen. In Rußland ist der politische Kampf zwischen der Duma und dem Ministerium Goremykin hinter dem Flüchtlingselend und der Hungers gefahr in den Großstädten zurückgetreten. Aus Odessa werden Straßenkämpfe zwischen einbe rufenen Landsturmleuten und der Gendarmerie, aus Petersburg und Moskau Arbeiterunruhen gemeldet. — In Serbien wagt ein Sozialisten blatt unter dem Titel „Totentanz" folgende blutige Verhöhnung auf den Panslawismus, er Serbien ins Verderben gestürzt hat: „Wir erleben ein seltenes Glück. Dieser Tage werden wir das erhabene Bild flavischer Brüderschaft vollendet sehen; denn wir be kommen als Gäste unsere treuen und gleich- bluttgen Brüder aus Algier, Kongo, Transvaal und Indien, unsere lieben Vettern aus Marokko, Senegal und dem Kaffernland, Papuas und Indier.^ Sie haben es auf sich genommen, di» serbischen Reihen auszufüllen, und dann werben wir alle zusammen unter dem Banner unserer gemeinsamen slavischen Mutter Rußland in den heiligen Krieg gegen die verhaßten Germanen ziehen, die Bulgarien und die Türkei be völkern." Aus alledem gewinnt man den Eindruck, daß das Ende beginnt. Nach den militärischen Mederlagen erhebt sich überall in den feindlichen Staaten die Unzufriedenheit der Völker mit der politischen Führung, die ein Bild der Zer fahrenheit und Hilflosigkeit liefert. Die Wahrheit ist auf dem Marsch, falsche Größen wie Grey und Delcassä, sind schon in ihrer Heuchelei und Hohlheit erkannt. Auch bei uns sind noch in Krieg hinein manche Klagen über die Diplomatie laut geworden. Wer niemand kanr heute in Wrede stellen, daß unsere diplomatische Führung, gewiß unter den: Beistand der ruhmreichen Leistungen der verbündeten Heere, gerade in der Behandlung der Balkanangelegertheiten, die mit entscheidend für den glückliches Ausgang des Krieges sein werden, ihr Bestes getan hat. Für das deutsche Volk aber, daZ in diesen Tagen eine Erhebung sondergleichen erlebt, wird es aber auch ferner heißen: Durchhalten! Durch halten! Wir müssen siegln! Politische Aunälchau. Deutschland. *Der Entwurf des Reich setats für das Jahr 1916 wird dem Reichstage in seiner bevorstehenden Tagung gegen Ende No vember noch nicht vorgelegt werden. Infolge dessen finden auch die Verhandlungen zwischen dem NeichsschatzaMt und den Reichsämtern, die sonst schon im August beginnen, erst im De zember statt. * Aus der drittenKrie gs a nleih e werden 200 Millionen Mark zur Verfügung gestellt zu Beihilfen an die Gemeinden für die Zwecke der Kriegswohlfahrtspflege. Die Ver teilung der Summe an die Bundesstaaten wird wie bei den ersten 200 Millionen, die für dis gleichen Zwecke bereitgestellt wurden, nach der Kopfzahl der Bevölkerung erfolgen. Für die Verwendung bleiben die bisher geltenden Grund sätze bestehen. Frankreich. * Die ,Humanits' wirft die Frage auf, ob es unter den gegenwärtigen Umständen nicht besser wäre, wenn während der Kriegszeit Kammer und Senat sich zu einer „Nationalver sammlung" vereinigten und eine Art „Rat der nationalen Verteidigung" bildeten, der gegen über der Regierung die Rolle einer parlamen tarischen Konunission einnehmen würde. Das Hell Frankreichs gebiete es, derartige Lösungen ins Auge zu fassen. England. * Außer scharfen Angriffen auf Grey, dem rundweg Unfähigkeit vorgeworfen wird, enthält die englische Presse brutale Drohungen gegen Griechenland. Am deutlichsten drückt sich die Morning Post' aus, welche sich nicht scheut, den Griechen zu sagen, daß sie, wenn sie ihren Bündnisvertrag mit Serbien nicht einhalten, Gefahr laufen, Englands See macht kennen zu lernen, wodurch die griechische Schiffahrt zugrunde gerichtet werden könnte; Griechenland dürfe auf keinen Fall länger die Rolle des Neutralen spielen, es habe sofort zu wählen zwischen Deutschlands Landmacht und Englands Seemacht. Ruhland. *Jn Rußland fehlt nicht nur das große Geld, das der Finanzminister Bark weder in London noch Paris ergattern konnte. Auch die Kleingeldnöte wachsen bedenklich. Das russische Finanzkomitee hat soeben die Ausgabe von kleinen Noten zu fünf, zehn, fünfzehn und zwanzig Kopeken beschlossen. Cme k)errennatur. 21j Roman von Henriette p. Meerhei mb. sJorNttzunyo .Von Werner," fuhr Georg fort, .habe ich bereits eine Skizze gezeichnet. Die beiden anderen Toten werden wohl noch lange aus gestellt bleiben, die kann ich mit mehr Muße adzeichnen." „Warum wollen Sie dies Gräßliche noch im Bilde iesthalten?" „Warum? Damit viele, die jetzt mit hoch« ^eh-rbenen Kleidern und abgewandtem Gesicht in der Leichenhalle vorbeigehen, wenigstens lm Bilde den erschütternden Eindruck be- lommen. Zweitens, weil es der Zweck der Heltordnung ist, aus allem Entsetzlichen, «cheivbar Ungereimten etwas Höheres zu schaffen. Mein Kunstwerk — denn das soll und wird dieses Bild werden, wenn ich auch wahrscheinlich noch Jahre des Studiums bis !»r seiner Vollendung gebrauche — ist dann Vie gute Frucht einer traurigen Saat." „Das verstehe ich nicht. Diese Philosophie geht mir zu lehr ins Weite." „Nun, dann nehmen Sie es doch praktisch. Wenn ich durch das geplante Bild ein be kannter Maler mit gutem Verdienst werde, ttnigen anderen armen Teufeln Helsen kann, damit sie nicht so enden, wie diese drei Un« glücklichen. die wir heute sahen — sind die sann zwecklos gestorben?" Sie schüttelte trostlos den Kopf. .Ich bin vielleicht zu egoistisch. Aber daß mein Elend ruderen später nützen könnte, tröstet mich «lebt." «Ach Nadine!" sagte er unwillkürlich mit leidig. „Bedauern Sie mich nicht — sonst fange ich an zu weinen wie ein Kind, daß sich weh getan hat, und höre so bald nicht wieder auf!" „Sie haben in letzter Zeit viele Tränen geweint — und wohl auch zurückgedrängt. Aber der, um den Sie weinten, war es nicht wert. Er hat Sie erst an sich gerissen und dann aufgegeben — ohne jeden Kamps." „Wir wollen nicht darüber sprechen," bat sie bewegt. „JÄ habe ihn sehr lieb gehabt, und jedes bittere Wort über ilpi tut mir weh. Sie wissen auch nicht, wie eingeengt er war. wie man ihn zu seiner Heirat gezwungen hat." „Für einen rechten Mann gibt es keinen Zwang." „Es gibt Verhältnisse, den man sich beugen muß." „Dann durfte er Ihnen nicht von Liebe sprechen, wenn er nicht frei, nicht sein eigener Herr war." „Darin liegt viel Wahres. Und Loch ver danke ich ihm die schönsten Stunden meines Lebens. Das kann ich nie vergessen." Norbert biß die Zähne übereinander. Eine finstere Falte lag aus seiner Stirn. .Wär' ich doch nicht selbst solch ein Hungerleider!" sagte er endlich. .Sie wissen, Nadine, müssen es wissen, wie lieb ich Sie habe, immer gehabt habe — daran ändert sich nichts. Für Sie würde mir keine Arbeit zu schwer, kein Opser zu groß sein. — Ob wir zwei uns nicht doch vielleicht durchschlagen könnten? Ich miete eine kleine, ktille Wodnuna in einem Vorort. denn Ihre überreizten Nerven brauchen Rube, und fahre täglich zur Arbeit herein nach München. — Wär's nicht möglich?" „Nein," gab Nadine zur Antwort, indem sie Norbert herzlich in die Augen sah. „Aber ich danke Ihnen, daß Sie mir gerade heute das gesagt haben. Das richtet mich wieder auf. Ich will nicht mehr so verzweifelt sein." „Nadine, wenn ich Ihnen einmal ein besseres Los bieten kann, darf ich dann wieder fragen?" Zum ersten Male an diesem schrecklichen Tage huschte ein flüchtiges Lächeln über ihr Gesicht. „Wenn Ihr Bild auf der Ausstellung die goldene Medaille bekommt und vom Staat angekauft wird — dann fragen Sie noch einmal," scherzte Nadine. „Nichts ist unmöglich!" entgegnete er ruhig. „Jedenfalls gebe ich die Hoffnung nicht aus. Vor allen Dingen müßte aber etwas für Ihre Gesundheit geschehen. Können Sie nicht für einige Zeit die Stadt verlassen und irgendwo aufs Land gehen, im Grünen liegen und Milch trinken? Haben Sie Geld dazu?" „Ja — aber ich mag es nicht angreifen. Es liegt seit Stschows Abreise in meiner Kom mode — fünfhundert Mark, Ler Preis für fern Bild, die „Salome". Nehmen Sie Las Geld, Norbert, damit Sie Werner begraben, ihm einen Stein setzen lassen können." „Gut — ich schlage Ihr großmütiges Aner bieten nicht ab." Der Gedanke, daß Nadine Stechows Geld gebrauchen könnte, erregte seinen Widerwillen, so sehr er auÄ eine Er« boluna für sie erlebnte. -Abvr wie wollen Sie weiterleben, weiter malen, wennOlhardts Unterricht wegfällt?" „Ich tusche und illustriere wie bisher. Das Malen vom rein künstlerischen Standpunkt aus muß ich aufgeben." „Nein — das sollen Sie nicht! Ich werd« meine freie Zeit dem Kopieren widmen. Wir halten uns dann zusammen Modelle. Die auseinandergesprengte Klasse muß das auf» bringen. Ich korrigiere Ihnen dann Ihr« Bilder und —" „Wie gut Sie gegen mich find!" „Ich liebe Sie, Nadine. — Könnten Sl« mir nicht doch etwas Hoffnung geben?' „Ich bin keine Natur, Lie schnell vergißt; Norbert." Er beugte sich über ihre lose im Schoß liegenden Hände und küßte sie ehrerbietig, „Noch viel mehr liebe ich Sie, weil Sie sich weigern, mich zu heiraten." sagte er bewegt. „Aber Nadine, wenn Sie sich dereinst doch da zu entschließen könnten. Sie sollen es nie be reuen." „DaS weiß ich." In ihren dunklen Augen lag ein kindlich vertrauender Blick. Ein Schauer der Sehnsucht durchrieselte ihn, ihren weichen Mund zu berühren, dis Arme um die zarte Gestalt zu legen. Aber er bezwang sich. „Kommen Sie — sonst fährt uns die elektrische Bahn vor der Nase fort. Und dort im Westen braut sich ein Gewitter zusammen. Das wird uns Abkühlung bringen. Wenn München einmal wieder gründlich ab gewaschen ist. wird's wieder erträglicher sein." Er half ihr in den ersten berettstehenden Wagen und blieb mit abgezogenem Hute auf Ler Straße stehen.
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