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Ottendorfer Zeitung : 01.01.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-01-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191001016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19100101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19100101
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-01
- Tag 1910-01-01
-
Monat
1910-01
-
Jahr
1910
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 01.01.1910
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^bront'eäe Wmg Alberts von Kelglen. Mit einer großzügigen Thronrede vor dem Parlament hat König Albert I. von Belgien seine Negierung begonnen. Die Thronrede sagte von Leopold II., er habe es als seine Aufgabe betrachtet, Belgien schöner und größer zu machen, eine Ausgabe, die er glänzend ge löst habe durch Schaffung der Kolonie in Afrika, der er den Frieden gesichert und die er für die Zivilisation geöffnet habe. Leopold II. habe den Willen gehabt, die wirtschaftliche Zulurft des Landes auf eine solide Grundlage zu stellen. Die Erfüllung dieser Aufgabe habe ihm sem starker Wille erleichtert. Der König dankte so dann dem Auslande für die Teilnahme an dem Tode König Leopolds, die es durch die Ab ordnungen bewiesen habe, und fuhr fort: Für Belgien ist der Augenblick gekommen, die Notwendigkeiten der Zukunft ins Auge zu fassen, da seine Entwickelung in den letzten 25 Jahren die weitestgehende Hoff nung seiner Gründer überstiegen hat. Belgien ist glücklich und reich, aber Reichtum schafft Pflichten der Völker gegenüber den Individuen. Der König sprach alsdann über den Kongostaat, in dem die Wege zu einer Politik der Humani tät und des Fortschritts geebnet seien; jedem Polke, das von Gerechtigkeit durchdrungen sei, bedeute die kolonisatorische Mission eine Mission hoher Zivilisation. Ein kleines Land, das sie fördere, zeige sich groß. Belgien habe stets seine Versprechungen gehalten, und wenn es die Ver pflichtung übernehme, im Kongo ein Programm durchzusübren, so habe niemand das Recht, an seinem Worte zu zweifeln. Am Schluffe der Thronrede sagte der -König: Ich habe eine klare Vorstellung von meiner Aufgabe. Die Pflicht der Fürste» wird ihnen vom Gewissen diktiert. Wenn der Thron Vorteile bietet, dann verpflichtet er auch. Der Souverän muß über den Parteien stehen, er muß wachen über die nationale Kraft, er muß hören auf die Stimme des Volkes, das Schicksal der Armen erleichtern, kurz, der Herr scher mutz ein Diener des Rechtes und Erhalter des sozialen Friedens sein. Gott möge mir Kelsen, diese Mission zu erfüllen. Ich werde stets bereit sein, die Bemühungen derer zu unter stützen, die für die Größe des Vaterlandes arbeiten und vom Geiste sozialer Einigkeit und sozmlen Fortschrittes durchdrungen sind, die Unterricht und Erstehung erweitern wollen, um einen größeren Wohlstand der Nation zu sichern. Ich Uebe mein Vaterland, und die Königin teilt diese Gefühle der Treue für Belgien. Wir erfüllen mit diesem Geist unsre Kinder und wecken in ihnen die Liebe zum heimatlichen Boden, zur Familie, zur Arbeit und zum Gmsn. Diese Tugenden machen die Nationen stark. Der König dankte alsdann für die Ausnahme und für das Vertrauen, dessen er sich würdig zeigen wolle, und erklärte, daß er mit dem Eid auf die Verfassung vor i sich und vor dem Lande die Verpflichtung über- ! nehme, seine Pflichten aufs gewissenhafteste zu erfüllen und seine Kräfte und sein Leben dem Vaterland zu weihen. — Die Thronrede hat im ganzen Lande einen ungewöhnlich starken Eindruck gemacht. Politische Kuncilckau. . Deutschland. "Kaiser, Wilhelm beabsichtigt im Frühjahr 1910 eine Reise nach Korfu zu machen, j Das Achilleion soll am 15. März instand- i gesetzt werden. Lü Der Reichskanzler v. Bethmann- Hollweg wird sofcri nach Neujahr und noch vor Wiederzu ammentrill des Reichstages mir den führenden Partamemariern m Verbindung treten, um deren Meinung über die in der kommenden Reichstags fei pon zu beratenden > Fragen zu hören. f "Zum Präsidenten des Reichs eisenbahnamts ist Geheimrat Wacker- zapp, bisher Präsident der Generaldirektion der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen, ernannt worden. * Der bedeutende Berliner Finanzier Ernst v. Mendelssohn-Bartholdy, der am zweiten Weihnachtsfeiertag in Dresden ver storben ist, war der höchste Steuerzahler in der Reichshauptstadt. Der Verstorbene war durch Kaiser Wilhelm ins Herrenhaus berufen worden. *Die argentinischeRegierunghat bei der Germaniawerft,in Kiel zwei Torpedoboots-Zerstörer, innerhalb fünfzehn Monaten lieferbar, bestellt. "Das Luftschiff „Zeppelin lii", das seiner zeit die Fahrt von Friedrichshafen nach Berlin machte, wird von der Preuß Heeresver waltung nicht übernommen werden. * Eine erfreuliche Erscheinung weist die dem Reichstage unterbreitete Nachweisung der Rechnungsergebnisse der Berufs genossenschaften diesmal insofern auf, als die Zahl der im Jahre 1908 zum ersten Male entschädigten Unfälle gegen 1907 herunter gegangen ist. Sie betrug im Jahre 1907 144 703, im Jahre 1908 dagegen nur 142 965, hat sich also um 1738 vermindert. Bisher waren regelmäßig Zunahmen in den Zahlen der zum ersten Male entschädigten Unfälle zu ver zeichnen. Die umgekehrte Erscheinung bei einem Vergleich der Jahre 1907 und 1908 ist um so freudiger zu begrüßen, als sich die Zahl der gegen Unfall versicherten Personen von 1907 auf 1908 beträchtlich gesteigert hat. An dem Rückgang in der Unfallzahl sind die gewerblichen und die landwirtschaftlichenBerussgenossenschaften fast gleichmäßig beteiligt. * Wie verlautet, ist der Entwurf der Neichsversicherungsordnung infolge des Widerspruchs der Ärzte gegen die darin vor gesehene Regelung der Arzteanträge um ge arbeitet worden. Die gewünschte Regelung soll auf neuer Grundlage e. folgen. *Das Preuß. Landwirtschafts ministerium veröffentlicht, wie alljährlich, eins Nachweisung der in den Jahren 1910 und 1911 behufs anderweiter Verpachtung zur öffent lichen Ausbietung kommenden Domänen oorwerke. Es sind deren im Jahre 1910 46, im Jahre 1911 43. "Der Plan einer staatlichen Schlacht viehversicherung ist erneut ausgetaucht, dadurch, daß das Preuß. Landwktschafts- ministerium durch das Laudesökonomiskolligmm den Landwirtschaftskammern die Ergebnisse der im vorigen Jahre amtlich vorgenommenen Fest stellungen über die Ausdehnung der Schlacht viehversicherung übermittelt hat. Das OkonoNis- kollegium hat die Landwirtschaftskammern um eine Äußerung ersucht, nachdem kürzlich in Berlin eine Konferenz der Kammern sich mit der Angelegenheit beschäftigt hat. Hierbei hat sich u. a. die Landwirtschaftskammer zu Wies baden gegen die Versicherung erklärt, die schlesische Landwirtschaftskammer hat gefordert, daß die Versicherung im ganzen- Reiche oder überhaupt nicht eingeführt werden sollte, aber auch im ersteren Falle müßten Träger der Versicherung die kleineren Kommunal» rrbände bleiben. Österreich-Ungar«. * Kurz vor Jahresschluß dürfte die nun schon seit vielen Monaten bestehende ungarische Regierungskrisis ihre vorläufige Lösung finden. Kaiser Franz Joseph hat endlich einen geeigneten Nachfolger für den Minister präsidenten Wekerle in der Person des früheren Finunzmtnisters Lukacs gefunden, der bereits emsig an der Arbeit ist, die Liste der neuen Kabinettsmiiglieder zu Vervollständigen. Die Betrauung des einstigen Finanzministers mit der Kabinettsbildung hat den Zweck, ein Kawpf- ministermm gegen die Parteien der äußersten Linke zu bilden. Ob das Unternehmen Lulacs' Erfolg haben wird, wird stark angezweifelt. Graf Kyuen-Hederoary gilt auch nacy dem Auftrage für Lukacs als Ministerpräsident der nächsten Zukunft. Belgien. * Aus Anlaß seines Regierungsantrittes hat König Albert von Belgien eine Amnestie erlassen. Das Ministerium soll im Amte bleiben. Balkanstaaten. * Die Lage in Griechenland wird all gemein als äußerst ernst angesehen. Sollte das Ministerium gestürzt werden, so dürfte die Militärdiktatur die unmittelbare Folge sein. Es ist anzunehmen, daß in diesem Falle auch König Georg aus der unhaltbaren Lage die Schlußfolgerung zieht sind sich zur Abdankung entschließt. kL Zwischen dem Belqrader Hof und Petersburg schweben erneut Verhandlungen, die sich mit dem Übertritt des Prinzen Georg in russische Militärdien st e befassen. Der Exkronprinz soll diesem Übertritt bisher zwar sehr feindlich aegenübsrftehen, weil er der Ansicht ist, man beabsichtige nur, ihn damit außer Landes zu bringen. ^rMkrerchZ aWwättige PMik. Das Ministerium Briand hat einen großen parlamentarischen Erfolg zu verzeichnen, dessen Bedeutung weit über die Grenzen Frankreichs hinausreicht. Gelegentlich einer Debatte über die Auslandspolitik wurde der Regierung von allen Seiten des Hauses die Zustimmung aus gesprochen. Millevoye (NasiouaW) sprach bei Erörterung der Beziehungen Frankreichs zu den übrigen Mächten von den Bemühungen, eine Annäherung zwischen Deutschland und Frankreich herbeizuführen. Trotzdem führe Deutschland fort, sich die Vermehrung seiner Armee und seiner Marine angelegen sein zu lassen; Frankreich müsse das gleiche tun. Um dem europäischen Alldeuischium die Stirn zu bieten, habe Frank reich kein andres Mittel, als seinen Bünd nissen treu zu bleiben. Millevoye sprach sich so dann gegen die Zulassung deutscher Werte am französischen Markte aus und warnte vor allzu großer finanzieller Duldsamkeit Deutschland gegenüber, die eine Gefahr für den Frieden sei. Uber das französisch-italienische Abkommen könne Frankreich sich freuen. Italien könne sich aus dem Dreibunds nicht zurück ziehen, ohne den Frieden der Welt zu ge fährden, aber der Dreibund Habs sich neuerlich gelockert. Frankreich könne mit der augenblick lichen Lage zufrieden fein, ohne mehr zu ver langen. Millevoye führte weiter aus, er be glückwünsche die Diplomatie, daß sie zu dem Zustandekommen des französisch-englisch-italie nischen Abkommens und zu der englisch-russischen Annäherung beigetragen habe. Frankreich und England hätten Rußland große Dienste geleistet, indem sie ihm zur Mäßigung während der Balkan wirren geraten hätien. Frankreich habe in der Balkankcife eine versöhnliche Politik eingehalten; denn es arbeite nicht auf die Schwächung Österreich - Ungarns hin. Redner schloß mit einem Lob der französisch - russischen Allianz und mit der Billigung der auswärtigen Politik der Negierung. Denys Cochin verlangte, daß die Negierung energisch in Marokko vorgehe. Frankreich müsse sich auch bemühen, ein dauerndes Gleichgewicht im Orient herzu stellen. Lucien Hubert sprach seine Freude aus über das französisch-deutsche Einvernehmen und über die Abkommen Englands mit Frankreich, Italien und Rußland. Die überwiegende Mehr zahl der Redner gab ihre Genugtuung darüber Ausdruck, daß das Wort „Revanche" immer seltener werde zum Besten emeS immer festeren wirtschaftlichen Zusammenschlusses zwischen Frank reich und Dtuychtand. m Aökmen. Ein furchtbares Eisenbahnunglück hat sich am ersten Weihnachtsfeiertag auf der böhmischen Station Uhersko zwischen Pardubitz und Brünn ereignet. Der Schnellzug 54 Berlin—Wien stieß auf der genannten Station mit einem Güterzuge zusammen, mehrere Wagen des Schnellzuges wurden zertrümmert, und mehr als ein Dutzend der Insassen fanden den Tod, während zahl- reiche andre zum Teil schwer verletzt wurden. Unter den Toten befinden sich auch Richard und Anton Hofrichter, Kaufleute aus Wiesenthal, Verwandte des bekannten, unter dem Verdacht des Giftmordes verhafteten Ober leutnants Hofrichter. Die Schuld an dem Un glück wird dem Führer des Schnellzuges zu geschrieben, der die Station nicht wie geschehen, mit der vollen Geschwindigkeit von 80 Kilo meter passieren durfte, um so mehr, als er genaue Zelt nicht einaehalten hatte. Der Güterzug wechselte eben das Gleis. Auch soll die Distanzscheibe falsch gestanden haben. Auf telegraphische Benachrichtigung kamen Hilfs züge mit Ärzten und Material aus Chotzen, Pardubitz und Prag, noch ehe die Verwundeten unter den Trümmern heroorgezogen wurden, was stundenlang dauerte. Von den Schwer verletzten befinden sich 15 im Kceiskraüken- bause zu Pardubitz. Die Lokomotive und vier Wagen des Schnellzuges sind vollüändig zer trümmert. Der Schnellzug-Lokomotivführer er klärt, das Signal habe auf freie Fahrt gestanden, infolgedessen sei er mit voller Geschwindigkeit durch die Station gefahren. Die beiden Loko motiven sichren mit furchtbarem Krach ineinander, die uaä ft gcnden Personenwagen des . etwa 150 Passagiere zählenden Schnellzuges türmten sich aufeinander, und eine entsetzliche Verwirrung entstand. Die Lokomotive und vier Wagen des S «.Mllzuges und die Lokomotive und fünf Wagen des Güterzuges bildeten einen hochavf- aeiürmten Trümmerhaufen. Der Oberbau des Bahnkörpers ist auf der Unglücksstelle zerstört, das Erdreich tief aufgerissen, die Schienen sind wie Strohhalme geknickt, die Schwellen zer splittert. Ein Wagen geriet durch Explosion des Gasbehälters in Brand. Als der erste Schreck, der das Personal der kleinen Station ergriffen hatte, vorüber war, stürmte alles an d'e etwa 400 Met r außerhalb der Station be findliche Unglücksstelle. Aus den Trümmern ertönten Jammergeschrei und Wehrufe. Rasch machte man sich an die Bergungsarbeiten. Die verletzten Passagiere, die in den Abteilen ein geklemmt wa-en, zertrümmerten die Scheiben und Kellerten durch die Fenster hinaus. Dann begannen die Aufräumungsarbeiten, und man hotte Tote und Schwerverletzte aus den Trümmern. Viele Leichtverletzte enteilten, so rasch wie mög lich der Unglücksstäiie. In kurzer Frist trafen drei Hilfszüge ein. Ein Zug fuhr sofort mit den Verletzten nach Pardubitz, und im dortigen Krankenhaus wurden sogleich Operationen vor genommen. Der Stalionsbeamte Zeis wurde sofort vom Dienst suspendiert, er behauptet zwar, das Signal auf „Hat:" gestellt zu haben, doch sagte auch ein Weichensteller, der seine Bude vor der Station hat, aus, daß das Signal dem Schnellzug „freie Fahrt" gezeigt hätte. Eine Kommission der EisenvahnbehSrde, die bald ein traf, stellte fest, daß die Apparate vollkommen in Ordnung waren, und daß das Signal aus „Frei" zeigte. Ler des Dienstes vorläufig enthobene Stationsbeamte Zeis versah den Dienst in Uhersko seit vier Monaten, nachdem er bereits seit 1903 selbständig im Stations dienst beschäftigt war. Andern Nachrichten zu folge soll der Beamte beim Eintritt der furcht baren Katastrophe wie ein Irrer davonge- stürmt sein. Von j^ak unci fern. Ei» siamesischer Lempel in Homburg. Als vor zwei Jahren der König von Siam in Homburg seinen Geburtstag feierte und bei dieser Gelegenheit einer neuerbohrten Quelle seinen Namen gab, versprach er Homburg als Geschenk zur Zierde der Anlagen die Nachbil- düng pines siamesischen Tempels. Nach einem ;etzi in Homburg eingetroffenen Schreiben des Königs von Siam ist der Tempel nunmehr fertiggeftellt und soll so rechtzeitig in Homburg enucessen, daß er bis zur kommenden Saison ausgestellt sein wird. K Entwirrte fääen. L3s Roman von Johannes Emmer. Fortsehung.t „Was tust du, Vapa! Um des Himmels Nullen du bist io seltsam!" Gabriele hob ihn auf, in den Stuhl zurück. Iw kurzen Stößen aing sein keuchender Atem. „Ich werde den Arzt rufen." „Nein I Den Arzt nicht! Der kann nicht helfen — O Gabriele, wer kann mir helfen? — Wer?" Mit beiden Händen umspannte er ihren Arm. „So sage mir doch, Papa, was dich be drückt!" „Was mich bedrückt?" Einen scheuen Blick wart er auf sie. dann duckte er den Kopsi „Die Schuld! Gabriele! Die — komme her, Gabriele, noch näher, dein Ohr neige her, daß niemand sonst es hört — es ist Blut schuld !" Jäh fuhr sie zurück, banges Entsetzen raubte ihr die Sprache. „Ja, Gabriele, dein Vater ist ein — ein — Mörder!" Das Ungeheuerliche war heraus, und sie stand noch aufrecht, war nicht zu Boden ge schmettert! Eine dumpfe Betäubung war über sie gekommen, es war ihr, als wäre sie in eine undurchdringliche Finsternis versunken, in der es nur eintönig wie Wafferrauschen murmele: Mörder! Mörder! Sie wußte nicht, wie es kam, daß sie auf einmal neben dem Vater saß, dessen Hand schwer wie ein Grabstein auf ihrem Arme ruhte und nun heisere, gestammelte Worte an ihr Ohr klangen, die Bilder vor ihre Augen hinzavberten, gräßliche Bilder, die sie so deutlich sah, als geschehe vor ihr. in diesem Zimmer, all das, was der unselige Mann da in verzweifeln der Seelenanast bekannte. „Du weißt von dem Testamente, ich habe es dir gesagt, und daß ich mit dem Grafen verabredet hatte, es wsgzuschaffen, weil ich Geld brauchte zu meiner Rettung. Da kam eines Tages ein junges Mädchen, so jung wie du, Gabriele, aber nicht so schön und lieb, nein nicht so lieb — sie wünsche einen Rat von mir, sagte sie. lind nun kam es heraus. Das Mädchen war Berta Mathon, sie sollte erben, und der Freiherr hatte ihr alles gesagt, alles — und das Schlimmste kommt noch — sie hatte eine Abschrift des Testamentes Mir war, wie einem Ertrinkenden; jetzt war ich verloren, was half es, wenn ich das Testament nicht vor zeigte, sie hatte ein andres, das auch gelten mußte. Daß ich noch vernünftig reden konnte, mir nichts merken ließ, es wundert mich noch heute. Damals hatte sie die Schrift nicht bei sich, ich sagte ihr, sie solle das Testament mir bringen, wiederkommen, aber abends, wenn ich Zeit hätte. Ich dachte noch nicht daran — gewiß nicht, nein, nein! Ich dachte nicht daran, was ich tun würde. Ich wollte nur sehen, ob es wahr sei, Gewißheit haben! Sie kam zwei Tage danach, abends. Die Leute waren fort, ich allein in der Kanzlei. Du warst auch nicht daheim, so still war's und öde im Hause. Ich wußte, daß wir allein seien. Sie kam herein und grüßte. Es war so dämmerig, so düster, die Lampe brannte trübe. Mir war es, als grinse sie mich höhnisch an, es war kein Mädchen mehr, nicht Berta Mathon, nein, ein Gespenst, ein fletschender Teufel, der über mich lachte, weil er mich betrogen hatte, mich ins Ver derben stürzte. Ich sah nur eine rote Wolke und darin den Unhold — da packten mich die Wut, die Verzweiflung, ich sprang auf, die Finger krallten, ich keuchte. Das Gespenst unter meinen Händen. Als ich wieder zu mir kam, da lag Berta Mathon vor mir, auf dem Boden. — Tot! Erwürgt! — Meine Haare sträubten sich, von der Siirne tropfte es kalt auf meine glühenden Backen. Ich lauschte, nichts regte sich, kein Laut! Es mußte so still hergegangen sein, daß nicht ein Ton hörbar geworden. — Ich schaute auf das Mädchen. Angst und Ent setzen faßten mich. Wenn man jetzt käme, wenn man sie finden würde! In meinem Gehirn hämmerte es, wie Blitze flogen mir tolle Ge danken durch den Kopf. — Du kennst unser Haus wohl nicht so genau, aber ich wußte, daß unten ein kurzer dunkler Gang sei, durch eine Türe verschlossen, die nach einem Lichthof führt. Beim Ankauf des Hauses war ich darauf gekommen, seitdem war es längst wieder ver gessen, jetzt fiel es mir ein. Ich suchte den Schlüssel und fand ihn. Dann schlich ich hinab, probierte das Schloß, es kostete Mühe, aber ich brachte es auf. Nochmals lauschte ich, versperrte alle Türen, löscht« die Lampe auf dem Gange, dann packte ich die Leiche und trug sie — kaum fühlte ich. daß ich etwas in den Armen habe — hinab und hinaus. In dem Hof war ein Kellerfenster offen, das Gitter rus- gebrochen, durch das Loch stürzte ich du Er- würgte. Dann glitt ich zurück, ungesehen, un gehört. Ich dankte Gott, daß er mich beschützt habe! Gott danken, daß er einen Mord nicht hindern ließ I Ein Frevel war es, aber ich fühlte es nicht, ich wußte nur, daß eine Gefahr vorüber sei. Den Schlüssel warf ich in den Kanal, suchte dann angstvoll, ob nicht Spuren vorhanden seien, von dem Ringen — es war ja kein Ringen gewesen, das Mädchen war ja ganz wehrlos unter diesen Händen, die wie ein Blitz auf sie zugefahrsn waren. Erst dann fiel mir ein, daß ich ja das Testament, das Berta Mathon bei sich haben mußte, nicht gesucht und an mich genommen habe. Ich zerschlug mir mit den Fäusten den Kopf wegen dieser Torheit, was half es. Da kam die Nachricht von dem Einbruch in die Bank, du erinnerst dich wohl dessen; die Räuber waren durch die Keller ge kommen, auch durch jenen, in dem Berta Mothon sein mußte. Man hat sie nicht mehr dort gefunden. Ich erfuhr, daß man Spuren entdeckte, daß ein Körper, ein Mädchen in dem Keller geleaen habe, aber sie war verschwunden. Ganz verschwunden! Ich mußte ja froh sein, daß man sie nicht gleich gefunden hatte, sie und das Testament bei ihr; aber wohin war die Leiche gekommen? Das war unheimlich, grauen haft! Ich stand unter dem Banne einer ungreif baren, dunklen Gefahr, die kommen konnte, man wußte nicht, wann und woher. Ich habe in den letzten Wochen ein Leben geführt, das ärger war als eine Ewigkeit voll Verdammnis. — überall und immer sah ich das Gespenst auf tauchen, nach mir greifen, um Rache zu nehmen! Ich muß es noch einmal erwürgen! Noch einmal'"
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