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Redaktioneller Teil. 296 2l. Dezember 1922. statt, 'so daß der Kauflustige darauf angewiesen ist, seine Einkäufe rin Sortiment zu decken. Bevorzugt ist neben Klassikern die sogenannte gute Literatur, beginnend mit dem hochstehenden Roman bis hinab zur mittelmäßigen Turchschnittslitcratur. Sehr stark ist auch die gute Haus- litcratur vertreten. Bücher der Lebensphilosophie und religiöse Schrif ten runden das Gesamtbild nach außen hin vortrefflich ab. Auffallend ist die stärker als sonst hervortretende Beteiligung katholischer Verleger, die in den früheren Jahren sehr zurückhaltend waren. Eine hübsch zufammengestellte Gruppe Spiele und Bcfchäftigungsbllcher, sowie Bücher, die dem Sport dienen, ergänzen wirkungsvoll die ausgestellte Jugendliteratur, die in der Hauptsache auf das mittlere und reifere Jugendaltcr zugeschnitten ist. Hierbei können wir die schon oft ge machte Beobachtung bestätigt finden, daß die Jugendliteratur häufig nichts weiter ist als ein Abbild d-er Literatur für Erwachsene. Dieser Gedanke drängt sich namentlich in der weiter unten erwähnten histori schen Ausstellung der Jugendbücher auf. Einen breiten Raum nimmt die Literatur ein, die sich auf das Leben und Treiben der ganz Kleinen ciustcllt. Die hier gebotenen Bilderbücher mit Text bis zu denen auf solider Pappe überragen bei weitem den gewohnten Durch schnitt. Daß sich hier und dort auch ein kitschiges Erzeugnis zeigt, erhöht nur den Reiz, Vergleiche anzustcllen. Unter den aufgelegten Bilderbüchern treffen wir neben vielen Neuigkeiten auch alte liebe Bekannte. Eine besondere Ecke ist der Hausmusik vorwiegend moderner Art gewidmet. In der Gruppe Kunst und Kunstliteratur tritt eine Anzahl bekannter Kunstmappen besonders stark hervor. Der beschränkte Platz verbietet, hier aus Einzelheiten einzugchen. Sehr dekorativ wirken die in dem Ausstellungsräume auifgehängteu verschiedenen Anschauungs- bilder, Künstlerftcindrucke, sowie die Architektur-Radierungen mit Kölner Motiven von Roland Anheißer und die farbigen Zeichnungen, Aquarelle und Holzschnitte des Leipziger Künstlers Karl Brosig. Die rein historischen Zwecken bienende kleinere Ausstellung ist im Alten Leipziger Rathaus in den Räumen des Stadtge schichtlichen Muse u m s untcrgebracht und erläutert geschickt durch die ausgestellten Bücher die Entwicklung des illustrierten Jugendbuches unterhaltenden und belehrenden Inhalts. In sechs Pultkttsten find etwa 150 Bücher Zur Schau gestellt. Den größten Teil der 'ausgestellten Werke lieferte das Antiquariat Wilhelm Heims in Leipzig, dessen Inhaber, Herr Rudolf Dimpfel, die Anregung zu dieser kleinen Ausstellung gab. Offenbar hatte der Gründer der Firma, der am 6. August 1920 verstorbene Wilhelm Heims, einen der artigen Plan bereits früher gehabt, denn mit großem Fleiß sind die verschiedenen Ausgaben zusammengetragen. Etwa ein Drittel der aus gestellten Bücher entstammt dom Heimsschen, bzw. Dimpfelschcn Fa milienbesitz, z. B. die kleine Bildcrbibcl (etwa 1740) und Campcs Robinson von 1779. Um die Ausstellung auch äußerlich abzurunden, sind naturgemäß Leihgaben anderer Firiyen ebenfalls vertreten, wie z. B. von Markert L Pettcrs, Wissenschaftliche Buchhandlung und Antiquariat, in Leipzig, sowie der Literarischen Anstalt Nütten L Loe- ving in Frankfurt a. M. (25. Auflage des Hofsmannschen Struwwel peters). Es würde hier zu weit führen, jedes einzelne der ausge stellten Bücher zu erwähnen. Wir wollen uns nur auf Einzelheiten beschränken. Wohl als ältestes uns bekanntes Bilderbuch können wir den Orbis piettis des Johann Amos Comenius anfprecheu. Es ist hier eine Nachbildung der Erstairsgabe von 1658 (mit deutschem und lateini schem Text) geboten. Ter Orbis pietvs wurde mehrfach aufgelegt und oft mit mehr oder weniger Geschick nachgeahmt. Nicht unerwähnt soll, die Kupferstichsammlung zu dem Elementarwerk (1794) des philan thropischen Reformators des Erziehungs- und Uuterrichtswesens Joh. Beruh. Basedow bleiben. Ter größte Teil der Kupfer wurde von dem Maler und Kupferstecher Daniel Nikolaus Chodowiecki entworfen. Es ist hier ein Neudruck (1909) des Verlages Ernst Wiegandt in Leipzig ausgestellt. Neben dem »Sittenbüchleiu für Kinder aus gesitteten Ständen« von Joachim Heinrich Campe, dem Robinson-Campe, finden wir Werke über Anstandskehrc, Beredsamkeit, Briefsteller und andere Bücher als Nachahmung von Literaturgruppen, die sonst nur für Er wachsene bestimmt find. Nicht nur Kinderalmanache, sondern auch eine stattliche Reihe von Kinderzeitschriftcn sind in mehreren Jahrgängen ansgelegt, z. B. das damals populäre Wochenblatt Der Kindersreuud (1776—1782), im Verlage von Siegfried Leberccht Crusius in Leipzig erschienen. Der Herausgeber war der Dichter und pädagogische Schrift steller Christian Felix Weiße, dessen heute noch bekanntestes Kinderlieb der Aufschub »Morgen, morgen, nur nicht heute« ist. Die Fortführung dieser Kinderzcitschrift erfolgte durch Engelhardt und Merkel als Neuer Kindcrfreund bei Johann Ambrosius Barth in Leipzig (1798). Von den verschiedenen farbigen ABC-Büchern soll das bei Friedrich August Leo 1796 erschienene Buch »Gallerte der Menschen nach alphabetischer Ord nung« mit seinen handkolorierten Stichen Erwähnung finden. Die von dem beliebten Leipziger Illustrator E. G. H. Geißler (1770—1844) mit 1774 Bildschmuck versehenen Jugendbücher leiten uns zu den buntfarbigen Kinderbüchern des 19. und 20. Jahrhunderts Uber. Wir finden ent zückende lithographierte und handkolorierte Bilder der Gcißlerschen Kunst u. a. in dem bei Robert Friese in Leipzig damals erschienenen Bilderbuch »Der wißbegierige Wanderer durch die Straßen der Stadt< . Verschiedene reizende Arbeiten dokumentieren den Berliner Zeichner Theodor Hosemann als trefflichen Illustrator von Kinderbüchern. Eine sehr hübsche »Bildergallcrie der biblischen Geschichte« zeigt uns frühe Steindrucke von unbekannter Hand. Die beiden bei Georg Joachim Göschen in Leipzig erschienenen Jugendschriften, die den Namen des Schicksalsdramatikers und Jugendschriftstellers Christoph Ernst Frei herrn von Ho'mrald bekannt machten (Buch für Kinder gebildeter Stände 1819—-1824, sowie Bilder für die Jugend 1829—1832) sind ebenfalls vertreten. Neben den Schriften der erfolgreichen Thekla von Gumpert siuden w-ir die des beliebten Volks- und Jugendschriftstellers Karl Gustav Nieritz, sowie A. Steins 52 Sonntage oder Tagebuch dreier Kinder mit Bildern (von Hosemann f?j). Als sehr verdienten Jugend schriftsteller treffen wir den Berliner Volkspädagogen Ferdinand Schmidt an. Eine hübsch-e Ausgabe aus Eoopers Lederstrumpf, und zwar »Ter letzte der Mohikaner« (von E. Klingebeil), ist beachtens wert. Den Karikaturenzeichner C. Reinhardt finden wir als Illu strator des 1855 erschienenen Buches »Der Bär und der Mond«. Julius Kell mit seinem Skeckclbein (nach Zeichnungen von Rudolph Töpfser), Wilhelm Busch mit dem Eispeter und Hans Huckebein und der Haupt zeichner der Fliegenden Blätter Adolf Oberländer mit dem Oberländer album leiten zu den mehrfach vertretenen Münchener Bilderbüchern aus dom Verlag der »Fliegenden Blätter«, Braun L Schneider in München, über. Mit den Kinderträumcn (1886), die uns nach Zeich nungen von Eugen Klinisch Holzschnitte von Hermann Günther zeigen, schließt diese kleine beachtenswerte Ausstellung, von deren zur Schau gestellten Objekten wir nach Gutdünken einige besonders aufzähltcn, ohne daß wir die Absicht hatten, durch Nichterwähnen der übrigen ausgestellten Bücher ein Urteil nach dieser oder jener Richtung hin auszu-sp rechen. Ernst Weil: Der Ulmer Holzschnitt im 15. Jahrhundert. Berlm: Maurttius.Verlag 1923. 173 S. mit 100 AboUdungen. Gr. Zo. Hlwd' Ladenpreis «r 400i» . Die Zahl der Doktor-Dissertationen auf dem Gebiete der Buchkunde nimmt erfreulicherweise immer mehr zu. Biel, sehr viel muß auf diesem Gebiete an Einzclarbeiten noch geschaffen werden, bis man es wagen kann, eine einwandfreie Gesamtarbeit zu schreiben. Ganze Strecken weit fehlt cs an Vorarbeiten, oder wenn solche vorhanden sind, sind sie einseitig ausgefaßt. In der vorliegenden Dissertation haben wir eine Arbeit, die neben ihrem kuustgeschichtlichen Aufbau auch der eigentlichen Buchkunde gerecht wird und infolgedessen auch rein buchgcschichtlich von Wert ist. Ein Teil der Arbeit nur nmr der philo sophischen Fakultät der Universität München als Dissertation vorge legt worden. Was jetzt in Buchform vorliegt, ist eine weit umfassendere, mit zahlreichen Belegen und vielen Illustrationen versehene Schrift, in der man sofort das Streben nach Vollständigkeit erkennt. Erfreu licherweise haben die Kommission für den Gesamtkatalog der Wiegen drucke in Berlin und die Münchener Staatsbibliothek, welch letztere wie keine andere durch ihren reichen Jnkunabelstand in der Lage war, zu helfen, dem Verfasser ihren Beistand geleistet. Infolgedessen sind die Kataloge, die der Schrift beigegeben find, so gut wie vollständig und, wenn mau von einigen unbedeutenden Druckfehlern abfieht, jedem Forscher auf diesem Gebiete ein zuverlässiger Führer. Aber auch das Abbildungsmaterial ist so ausgc-wählt, daß das Buch auch in dieser Be ziehung weithin über den Ulmer Holzschnitt Aufschluß gibt und nichts Wesentliches vermissen läßt. Auf die Auswertung des Bilderschmucks der Ulmer Frühdrucke einzugchen, verbietet der zur Verfügung stehende Raum. Ich werde an anderer Stolle auf sie des näheren zurück kommen. Soviel kann aber auch in dem Nahmen dieser kurzen An zeige gesagt werden: Ernst Weil ist den. vielfachen Problemen, die sich hier Schritt auf Schritt zeigen, glücklich nachgegangen und hat gar manches herausgearbcitet. Denken wir nur an Johann von Arms heim, an den »Meister der Glaubensartikel«, an den »Caoursin-Meister« usw. Liegt der »Bilderschmuck der Frühdrucke« in seinen sämtlichen Bänden einmal rm Verlag von Karl W. Hicrsemann vor, fo wird sich hier gar manches noch ergänzen und revidieren lassen. Die Auslas sungen über die- »Auslegung des Lebens Jesu Christi« scheinen mir zu schxosf zu fein. Jedenfalls zeigt aber die Weitsche Arbeit überall weitestgehendes Verständnis für den Ulmer Buchholzschnitt, so daß sic von jedem Bücherfreund nicht nur mit Genuß, sondern auch mit viel Nutzen ausgewertet werden kann. Albert Schram m.