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Ottendorfer Zeitung : 10.12.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-12-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190912105
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19091210
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19091210
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-12
- Tag 1909-12-10
-
Monat
1909-12
-
Jahr
1909
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 10.12.1909
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Glossen zum UNer Prozeß. Fünf Wochen lang haben Inland und Ausland auf die Vorgänge in Kiel gesehen, die den Bruch mit dem alten Verwaltungssystem auf der Kieler Werft herbeigeführt haben. Eine A>;ahl von Kaufleuten war verhaftet, er graute Beamte schwerer und leichterer Unter schlagungen verdächtigt und mehrere Angeklagte wurden monatelang ihrer Familie entzogen. Aber von dem stolzen Riesenbau der Umlage ist nichts geblieben. Im Gegenteil, je mehr der Prozeß fortschritt, je mehr zeigte es fich, daß die Anklage ans schwachem Grund stand, daß Stadtklatsch und böser Zungen Ge- fls ster die Dinge in falsches Licht gerückt hatten. Nicht als ob sich ergeben hätte, was viele Deutsche gewünscht hätten, daß in Kiel nicht einige Geschäftsleute den Säckel des Fiskus um ganz beträchtliche Summen geleert haben, — im Hellen Licht des Schwurgerichtssaales sahen eben die Dinge ganz anders aus, als im trau lichen Dunkel der Angeklagten. Die am wenigsten Beschuldigten erhielten bald zum Teil vom Staatsanwalt eine Ehrenerklärung, wurden aus der Haft entlassen, und der Verbliebenen Schuld schrumpfte unter der Beweisaufnahme immer mehr und mehr zusammen. Ob die einzelnen Geschäfte von der höheren Warte des Großkaufmanns unanfechtbar waren, mag dahin gestellt bleiben, jedenfalls erwiesen sie fich juristisch einwandfrei. Die als große Betrüger in den Gerichtssaal gezogen waren, verließen ihn als Geschäftsleute, die im freien Spiel der Kräfte, im Ringen von Angebot und Nachfrage fich als die Stärkeren erwiesen hatten. Wenn wir uns daher mit den Freigelassenen des Pcozeßendes sreuen, so kann doch die bange »trage nicht unterdrückt werden: Wie war das möglich? Auch in unsrer Kolonialverwaltung haben ja seinerzeit mehrere „Affären" und dann das Versagen unsres jetzigen zweiten Reichstags- Vizevräfidenten dazu geführt, einen Kaufmann in die Verwaltung zu nehmen, aber die An klage in Kiel und ihr Ausgang sind ohne Bei- sviel in der deutschen Rechtsgeschichte. In der Presse ist der Staatsanwalt angegriffen worden, weil er in seinem Plaidoyer nicht nachdrücklich genug die Schuldsrage behandelt habe. Das ist aber gerade eine angenehme Erinnerung an diesen dem deutschen Ansehen im Auslande sonst gerade nicht förderlichen Prozeß, daß der Staatsanwalt sich wirklich als „objektivste Behörde der Wett" zeigte und daß er keine Schuldsragen mehr er örterte, nachdem er fich überzeugt hatte, daß von einer Schuld im Sinne des Strafgesetz buches eigentlich keine Rede mehr sein konnte. Nein, der Prozeß hat einen andern Mangel unsres Strafverfahrens gezeigt, der schon häufig von hervorragenden Rechtsgelehrten gerügt worden ist. Er hat bewiesen, daß unser Unter suchungsverfahren, das die Mitwirkung des An geklagten und seines Verteidigers so gut wie ausschließt, dringend einer Reform bedarf. Viele Dinge, die erst im Schwurgerichtssaal oder vor der Strafkammer geklärt werden, würden im Untersuchungsverfahren erledigt werden können, wenn der Verteidiger wie der Untersuchungs richter schon im Vorverfahren unterrichtet wäre, auf welche Punkte der Anklage die Behörde be- - sondern Wert legt. — Die Werftverwaltung ist aus dem Prozeß nicht als Siegerin hervor gegangen und wenn sie sich nun von Grund aus reformiert, wenn durch kaufmännische Leiter dafür Sorge getragen wird, daß kein Kaufmann „draußen" das Geschäft besser versteht, so werden wir das Geld zu verschmerzen wissen, was vorher und während des Prozesses verloren ging. Einen andern Trost können wir aus den fünf Wochen der Kieler Verhandlung nicht schöpfen. ^Lektor. Politische Kunälckau. Deutschland. "Kaiser Wilhelm, der einige Tage in der Göhrde zur Jagd geweilt hat, ist nach Potsdam zurückgekehrt. * Die elsaß-lothringischen Abgeordneten haben im Reichstage mit Unterstützung andrer Ab geordneten Anträge eingebracht, die die Er hebung der Reichslande zum selbst ständigen Bundesstaat fordern und einen Entwurf über die Abänderung der Wahlen zum Landesausschuß Vorschlägen. * Durch die Einführung des Poft-Über- weisungs - und Scheckverkehrs ist im neuesten Etat der Postverwaltung der allgemeine Einnahmeansatz aus dem Porto ungünstig be einflußt worden. Es ist ja auch klar, daß in folgedessen ein Ausfall an Porto für Post anweisungen, Wertbriefe und Wertpakete ein treten muß. Dagegen hat für den Post-Uber- weisungs- und Scheckverkehr auf 1910 selbst schon eine ganz schöne Einnahme und zwar in Höhe von nahezu 6 Mill. Mk. eingestellt werden können. "Einen beachtenswerten Beschluß hat der Berliner Magistrat vor einigen Tagen gefaßt. Danach will Berlin mit den Nachbar gemeinden Berlins in Verbindung treten, um gemeinsam über die Frage einer Arbeits- losen-Versicherung mit Unterstützung aus Gemeindemitteln zu beraten. Zugleich sprach sich der Magistrat dafür aus, dem Be schluß der gemischten Deputation beizutreten, wonach der Vorstand des Deutschen Städte- taaes aufgefordert werden soll, auf die Tages ordnung des demnächst einzuberufenden Deutschen Städtetages die Frage der Arbeitslosen - Versicherung zu setzen. "Der zum Vizepräsidenten des Land tages von Saqsen-Meiningen ge wählte Sozialdemoktrat Wehder ist von allen höfischen Verpflichtungen, die sein Amt mit sich bringt, entbunden worden. Ec soll lediglich zu Hofe gehen, wenn es fich um die Besprechung von Landesangelegenheiten handelt. "Zum Ersten Bürgermeister von Hamburg wurde für das Jahr 1910 der Senator Dr. Predohe, zum Zweiten Bürgermeister Senator Dr. Schröder ge wählt. England. * Nach der Ablehnung des Budgets, innerhalb dessen Zölle und Steuern bewilligt werden, fehlt eine gesetzliche Handhabe zu ihrer Einziehung. Als Ausweg aus dieser peinlichen Lage ist die Bekanntmachung der Zoll- und Steuerbehörden zu betrachten, daß die Zahlung der im Budget vorgesehenen Abgaben gegenwärtig ins freie Belieben gestellt ist, daß aber diejenigen, die jetzt nichts zahlen, dazu verpflichtet sein werden, wenn die Steuern rückwirkende Gesetzeskraft erlangen sollten. Falls dies nicht geschieht, werden alle geleisteten Zahlungen zurückerstattet. — Wie amtlich be kanntgegeben wird, ist die Auflösung des Parlaments auf den 8. Januar festgesetzt; die Wahlen sollen am 13. Januar beginnen. Italien. "König Viktor Emanuel hat den früheren (konservativen) Ministerpräsidenten Sonnino, der von dem jetzt zurückgetretenen Giolitti vor 2V- Jahren abgelöst wurde, mit der Kabinettsbildung betraut. Für die Interessen des Dreibundes, ist seine Ernennung zum Leiter der italienischen Politik insofern von Bedeutung, als Sonnino als Bewunderer der Staatskunst König Eduards und als Gegner des Drei bundes gilt. Spanien. "König Alfons, der an einer schweren Mittelohrentzündung erkrankt ist, muß sich einer Operation unterziehen. Diese soll von einem deutschen Arzte vorgenommen werden. Mnstland. "Langsam aber zielbewußt sucht das Zarenreich seinen Einfluß in Ost asten zu stärken. Während es unausgesetzt Noten in die West sendet, die von den guten Beziehungen zu Japan sprechen, trifft es Vorbereitungen, sich in Städten der Mandschurei festzusetzen, die seiner Einflußnahme durch den Vertrag von Portsmouth (der den russisch-japanischen Krieg beendete) entrückt sind. Daß die Lage ernst ist, zeigt ein R mds^rewsn der chinesiichen Reme- A Crttwirrte faäen. L5) Roman von Johannes Emmer. iFortschmig.) „O, Papa —" „Ich weiß schon, was du sagen willst, aber glaube mir, das Herz urteilt rasch, aber nicht immer richtig." — Zwei Tage später haste Cromer eine Unter redung mit dem Justizrat, der ihn mit der ge winnenden Liebenswürdigkeit empfing, die alle Gäste des Sauses an Doktor Band zu rühmen wußten. Cromer war von Gabriele schon auf den Bescheid vorbereitet worden, den er erhielt, und als verständiger Mann mußte er die Gründe des Justizrats würdigen. Dem Vater konnte man es nicht verdenken, daß er einem ihm vollständig fremden Mann nicht ohne weiteres sein Kind anverstauen wollte. In kluger Weist wußte Dr. Band auch Cromer darüber auszuholen, ob dieser auf eine große Mitgist hoffe. Da Cromer an diesen Punkt nie gedacht hatte, so antwortete er ganz arglos und unbefangen auf die Fragen, deren Endziel er nicht kannte, und Dr. Band entnahm daraus, daß dieser Werber ein solcher „Idealist" sei, der imstande wäre, ein vollständig mittel loses Mädchen zu heiraten. Dieser Umstand bäste ihn vielleicht noch mehr beunruhigt, wenn Cromer nicht ebenio offen gesprochen hätte, daß er die Mittel für seine Existenz jetzt durch Arbeit erwerben müsse. Es war merkwürdig, daß der Justizrar, der doch selbst Stellung und Ver mögen nur der Arbeit verdankte, in dem mühe losen Besitze eines Kapitals eine bessere Bürg schaft für die Zukunft eines Haushaltes erblicken wollte. Übrigens gelangte Dr. Band auch noch in einem andern Punkte zu einem befriedigenden Ergebnisse; Cromer sagte nämlich zu, er werde selbstverständlich darauf Bedacht nehmen, daß Gabriele noch nicht seine erklärte Braut ser, und der Gesellschaft gegenüber nicht allzu offenkundig verraten, welche Beziehungen sich bereits ergeben hätten. Wenn auch der Justizrat sich gestehen mußte, daß Cromer auf ihn einen guten Eindruck gewacht habe, so konnte er doch ein gewisses Gefühl des Grolles, das beinahe an Hatz streifte, nicht unterdrücken, da dieser Mann ihn ja so zur Unzeit alle seine Berechnungen gestört hatte. Davon ahnte Cromer freilich nichts und er schied mit der Überzeugung, daß die Liebenswürdigkeit des Justizrats nicht bloß eine äußerliche sei, sondern dieser auch wirklich freundliche Gesinnungen gegen ihn hege. Wenn Gabriele vielleicht im ersten Augen blicke die ihr durch den Willen des Vaters auf erlegte Zurückhaltung als einen Zwang emp funden haben mochte, gegen den sich ibr freies und wahres Wesen sträubte, so war ihr doch auch jener echt weibliche Zug nicht fremd, ein Geheimnis reizvoll zu finden, gleichsam ein Doppelleben zu führen: das aller Welt sicht bare, und jenes, von dem nm sie und der Er wählte wußten. Ganz ihre Gefühle zu ver bergen, konnte und wollte sie auch nicht, die scharfen Augen der beobachtenden Menschen fanden bald heraus, daß dieser Fremde aus der Wildnis in besonderer Gunst bei ihr stehe, und rung an die fremden Gesandtschaften, in der Einspruch gegen Rußlands Vorgehen erhoben wird. Die Stimmung ähnelt also der, die dem Ausbruch des Krieges zwischen Javan und Rußland voranging. Während die Welt mit Fliedensnoten getäuscht wurde, trafen die Gegner in der Stille Vorbereitungen zum Kriege. Hus äem Keickslage. Der Reichstag vereinbarte am 4. d. mit den ver bündeten Negierungen die Behandlung der in den letzten Tagen eingebrachten Interpellationen. Die Interpellationen über den Werstbetrieb in Kiel sollen am Montag znr Besprechung kommen, während die übrigen Interpellationen einige Zeit später zur Er ledigung kommen sollen. Darauf führte das Haus die erste Lesung der Vorlage auf vorläufige Hinaus schiebung der Arbeiterhmterbliebencnversicherung zu Ende. Die Abgg. Sachse uno Stadthagen (soz.) und Giesberts (Ztr.) setzen sich nochmals über die Stellung ihrer Fraktionen zu 8 15 des Zolltarifgesetzes auseinander; sür die Wirtschaft liche Vereinigung beschränkte sich Abg. Behrens auf die Erklärung, seine Freunde stimmen der Vorlage zu, weil die Fertigstellung des in Aussicht gestellten Hinterbliebenengcsetzes bis zum Beginn des neuen Jahres eine technische Un möglichkeit sei. Das Haus lehnte eine Kommissions beratung ab und nahm die Vorlage sofort auch in zweiter Lesung an. Es folgt die erste Lesung des Handelsvertrages mit Portugal. Nachdem ihn Staatssekretär Delbrück kurz empfohlen hatte, be antragte Abg. Pieper (Ztr.) Verweisung an One Kommission, da der Vertrag bei der Zentrumsframon auf mannigfache Bedenken stoße. Wohlwollender äußerte sich Abg. Graf Kanitz (kons.) Mit großer Schärfe wandte sich gegen den Vertrag Abg. Merkel (natl.). Er rügte, daß der Vertrag von Portugal keinerlei Zugeständnisse verlange. Auch Redner andrer Parteien mißbilligten den Vertrag. Die Weiterberatung wurde vertagt. Am 6. d. stehen auf der Tagesordnung die Interpellationen des Freisinns und der Sozialdemokratie über die im Kieler Prozeß be rührten Vorkommnisse im Kieler Werft betriebe. Staatssekretär v. Tirpitz erklärt sich zu sofortiger Beantwortung bereit. Abg. Leonhart (frs. Vp.) begründet die frei sinnige Interpellation. Im Kieler Prozeß sind die Angeklagten freigesprochen, nicht aber auch die Marineverwaltung. Die Mißstände, bei denen beim Verkauf von Altmaterial erhebliche Unterschlagungen vorge'ommen sind, wurden dadurch möglich, daß technische Betriebe durch Aufsichtsbeamte geleitet wurden, denen Fachkenntnisse abgehen. Die Beamten missen vielsach dwch Kaufleute ersetzt werden. Wo besteht auf der kaiserlichen Werft eine klare kauf männische Buchführung? Die notwendigen Reformen sind ja bereits in die Wege geleitet. Aber in der neuerdings eingesetzten Kommission sind die Ver waltungsbeamten wieder in der Mehrheit. Der Techniker muß durchaus mehr Selbständigkeit und Einfluß bekommen. Daneben muß kaufmännischer Geist in die Werftverwaltung einziehen. Beim Submissionswesen darf die Verwaltung nicht länger hilflos dastehen. Leider scheint es, als bestehen bei der Flotte die gleichen Verschwendungen. Kauf männischer Geist und Sparsamkeit müssen wieder zu Ehren kommen. Abg. Legien (soz.) begründet die entsprechende Anfrage seiner Partei und kündigt für die Eiats- beratung den Antrag auf Einsetzung einer parla- mentariichen Untersuchungskommiffion an. Die militärische Organisation des Werftbetriebes läßt eine Kontrolle überhaupt nicht zu. Es ist vor gekommen, daß der Marincfiskus ein Grundstück in Kiel für 95 OVO Mk. verkaufte und nach zwei Jahren für 250 000 Mk. zurückkaufte. Der Staatssekretär hat Beschwerden von feiten Fernstehender brüsk abgewiesen. Er ist an den Mißständen in erster Linie schuld. Staatssekretär v. Tirpitz: Die erste Frage betrifft durchgreifende Maßnahmen gegen Unregelmäßigkeiten im Werftbetriebe. Unterschüsse scheiden aus, denn das Schwurgericht hat die An geklagten freigesprochen. Auch in Kiel sind Unregel mäßigkeiten nur auf dem Gebiete des Verkaufs von Altmaterial vorgekommen und dort nur deshalb, weil einem Beamten zu großes Vertrauen in eine Tätigkeit und Korrektheit entgegengebracht ist. Ich habe sofort mit eiserner Faust eingegriffen, so daß derartige Unregelmäßigkeiten so bald nicht wieder Vorkommen können. Ich habe eine verstärkte Kon- s trolle bei der Feststellung des Gewichts des Alt materials angeoronet. Die zweite Kontrolle soll nur durch ältere Beamte erfolgen. Die Verladung des Altmaterials soll nur während der Bureauzeit erfolgen und nur durch Werftpersonal. Auch soll der Werftdirektor vom Bw^auvewieb möglichst ent ¬ lastet werben. Die Zeitungsberichte haben manchen Ausipruch verstümmelt. Die Unterstellung, daß sich Beamte beim Bau von Schiffen bereichern, muß ich bestimmt zurückaieisen. Die Angeklagten wollte» das öffentliche Interesse nur auf den Schlendrian der Werft lenken, aber die Werft konnte sich nicht ver teidigen. Bei uns herrscht keine Burcaukratie. Ich habe die technischen Betriebe von der Bureau- kratie gerade freigemacht. Kaufmännischer Geist wird so vist wie möglich herangezogen, aber die mili- lärilchen Rücksichten müssen überwiegen. Von einem übe,flüssigen Beomtenperwnal ist keine Rede. Der LonNnoerb durch den Marmefiskus ist nie unkauf- mannisch erfolgt. Auf die Beschwerden der Arbeitsr- aueschüffe wird stets Rücksicht genommen, die Be schwerden der sozialdemokratischen Organisationen lehne ich grundsätzlich ab. Ich werde die technischen Betriebe auch Weiler möglichst selbstständig machen, ich habe ihnen eine neue Buchführung ge schaffen und qualifizierte Personen wstematifch ausg-bildct. Ich habe auch aus dem Alt material so viel wie möglich herauszuschlagen versucht. Gehen Sie einmal hin nach Kiel, wenn hundert Schiffe mit all ihren Bedürfnissen kommen, und sehen Sie, ob der Werftbetrieb dann funktioniert. Uns ist cs gelungen, den Nutzeffekt zu steigern und die Unkosten immer mehr herabzudrücken trotz der steigenden Tendenz von Löhnen und Materialien. Dabei ist die Leistungsfähigkeit unsrer Wersten ge waltig gestiegen; das muß bei der durch den Prozeß entstandenen Beunruhigung offen ausgesprochen wer den. Was bleibt angesichts dieser Tatsachen von den Leonhartfchen Bagatellen noch übrig? Der Buchführung widmen wir besonderes Interesse. Die Wersten haben jedenfalls im großen und ganzen ervebliche und stetige Fortschritts gemacht. Die Marine wirtschaftet auch nicht aus dem Vollen. Hinsichtlich der Sparsamkeit habe ich die Zügel immer fester angezogen. Ich erkenne also an, daß im Altmaterialienverkauf Unregelmäßigkeiten vorge kommen sind. Aber das ist gründlich geändert. Bor einer Verallgemeinerung kann nicht ernstlich genug gewarnt werden. Das Haus beschließt die Besprechung der Inter pellationen. Abg. Kreth (kons.): Eino gewisse Presse hatte ein Interesse daran, die Aufmerksamkeit von den Angeklagten auf die Marineverwaltung zu lenke». Wenn so wohlklingende Namen wie Frankenthal und Jakobsohn in'Betracht kommen, ist ja manches er klärlich. Der Staatssekretär hätte den im Prozeß vorgetragenen Unrichtigkeiten schon früher die richtigen Angaben entgegenstellcn sollen. Die Verlogenheit einer gewissen Presse haben wir ja im letzten Jahre genügend kennen ge lernt. Nun ist gewiß in der Marineverwaltung nicht überall mit altpreußischer Sparsamkeit gewirt schaftet worden. Wir behalten uns vor, die Einzel heiten in der Budgeckommijüon noch näher zu ve- sprechen. Wir wollen, daß die Sleücrmittel deS Volkes mit aller Sparsamkeit verwaltet werden. Abg. Erzberger (Ztr.): Auch der Staats sekretär wird die heutige Debatte nicht als Verlänge rung seines Amtes betrachten. Wir wollen die Mißstände nicht dem Staatssekretär persönlich zur Last legen. Aber wir wollen über sie auch nicht leichtherzig hinwcggehen. In der Großindustrie wird sparsamer gcwirsschaftet als in den fiskalischen Betrieben. Die kaufmännischen und technischen Kräfte vor die Front! Die Materialbeschaffung läßt zu wünschen übrig. Den guten Willen deS Staatssekretärs in Ehren. Wir wünschen aber mehr Reformen, wünschen Organisationsänderungcn und Verstärkung des technischen Elements. Abg. Semler (nat.-lib.): Wir entziehen unS den vom Staatssekretär vorgetragenen Momenten nicht. Aber junge Beamte konnten den Schlichen und Pfiffen der Frankenthal und Genossen nicht be gegnen. Die hier tätigen Juristen müssen selbst ein stück Kaufmann werden. Für die Reform der Prozeßordnung bietet der Kieler Prozep schätzens wertes Material. Der Prozeß war durchaus unge nügend vorbereitet. Die Marine brauchte der Staatssekretär nicht zu verteidigen, sie war nicht an gegriffen. Abg. Frhr. v. Gamp (frcikons.): Der Prozeß ist keineswegs eine moralische Schädigung unsrer Justiz. Die öffentliche Meinung, die dies bisher an- ! nahm, war einseitig informiert. Deswegen kann ! man aus dem Prozeß doch lernen. Die Sub- ' msssionsbeoingungen fordern jetzt eine disparitätische ' Behandlung der Submittenten geradezu heraus, so ! daß anständige Firmen auf Bewerbung von Anfang j an verzichten Die Kontrolle durch die Oberrcch- nungskammer muß erleichtert werden. Mit kaus- i männischen Grundsätzen allein ist nichiS getan. ! Schmiergelder sind ja hier und da schon zu kauft mLmüschen Grundsätzen geworden. Nachdem stacussekreuir v. Tirpitz einzelnen Angaben des Abg. Erzberger eutgegengetrcten ist, wird die Weuerberatung vertagt. wenn man Cromer auch darum beneidete, so freute man sich anderseits darüber, daß der Graf Fervall einen Nebenbuhler gefunden hatte und man war nicht wenig gespannt darauf, wem schließlich der Sieg zufallen würde. Der Graf selbst stellte fich, als ob er gar nichts bemerke, er behielt sein früheres Be nehmen bei; weltmännisch höflich, aber im ganzen kühl, selbstbewußt und sich auf den überlegenen Geist hinausspielend, immer ruhig und gelassen. Mit Cromer verkehrte er im ver bindlichsten Tone, ja es schien, als ob er ge flissentlich eine Annäherung suche, um den andern zu zeigen, daß er den „Nebenbuhler" nicht fürchte. Daß der Graf fich um Gabriele ernstlich bewerbe, hatte diese Cromer selbst mitgeteilt, und letzterer wunderte sich daher etwas, daß Graf Fervall eine Art freundschaft licher Gesinnung zu ihm zur Schau trug, dachte aber nicht weiter darüber nach. Gabriele hätte es vielleicht gerne gesehen, einmal mit dem Grafen offen sprechen zu können, dieser aber vermied jede Gelegenheit dazu, und lenkte das Gespräch, wenn es sich auf diesen Punkt wen den wollte, stets geschickt in andre Bahnen. Die Erbschafts-Angelegenheit war zwar noch nicht völlig geregelt, aber niemand zweifelte, daß sie zugunsten des Grafen ausfallen werde; man hatte kein Testament gefunden und niemand war bisher ausgetreten, um Ansprüche zu erheben. Daß der Justizrat, wie für den verstorbenen Oheim, nun auch für den Neffen daS Sachwalter-Amt führte, erschien allen selbst verständlich. Von den andern Ereignissen der Weihnachts tage sprach man nach Neujahr kaum mehr, in der raschlebigen Zeit vergißt man am nächsten Tage schon, was der vorhergehende gebracht hat, andre Vorkommnisse und Neuigkeiten drängen das Vergangene bald in den Hintergrund. Wer kümmerte fich noch um ein verschwundenes Mädchen, das Berta Mathon geheißen hat? Selbst der Einbruch bei Gurtipohl u. Komp- interessierte niemand mehr, da es dem Bankhause gelungen war, sich zu halten und alle Ver pflichtungen zu erfüllen. Jetzt gingen diese Sachen nur mehr jene an, die von Amts wegen sich damit befassen mußten. In den Kreisen der Richter und Rechtsge- lehrten beschäftigte man sich freilich etwas mehr mit diesen Fällen, aber nur, wenn man unter sich war. Da verlauteten allerlei Gerüchte, daß die Staatsanwaltschaft einen gewissen Zu' sammenhang zwischen dem Falle Mathon und dem Falle Gurtipohl u. Komp, vermute und zwar halte sie an dem Verdacht fest, daß Maderer, dieser gefährliche Mensch, auch an dem Einbruch beteiligt sei. Wer auf diesen Gedanken g" kommen war, wußte man nicht, aber Tatsache war es, daß die Annahme bestand: Maderer sei im Einverständnis mit dem entflohenen Dr. Fellhorn und dessen Genossen gewesen, deshalb wollte er auch keine Auskunft geben, wo er jene Nacht verbracht habe. Aber nicht nur Maderer, auch Berta Mathon sei eine Mit schuldige und nicht das Opfer eines Ver brechens, sondern als Teilnehmerin eines solchen entflohen. Es waren daher Steck briefe nicht nur gegen Dr. Fellhorn, sondern auch gegen Berta Mathon erlassen worden.
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