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EtatsrededesneuenReichskanzlers v. Bethmann-Hollweg. Auf der Tagesordnung des Reichstags am 9. d. steht die erste Lesung des Etats. Dazu nimmt das Wort Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg: Der Etat, in dessen Beratung Sie heute eintreten, ist mit besonderer Vorsicht aufgestellt worden. Das zu tun, war für die verbündeten Regierungen die erste prak tische Forderung aus den Ereignissen der letzten Session. Die Einnahmen sind so veranschlagt, daß sich nach menschlicher Voraussicht das Ist mit dem Soll decken werden. Allen Anforderungen für die Aufrechterhaltung unsrer Wehrmacht ist genügt. Allgemeine Richtschnur war es in keinem Ressort, das Maß des unbedingt notwendigen zu über schreiten. Der Anleihebedarf ist soweit wie irgend möglich eingeschränkt worden. Mit den Regierungen werden die Parteien darin übereinstimmen, daß es unsre erste Aufgabe ist, dem Reiche eine solide Finanzgebarung zu sichern. Und bei der Lösung dieser Aufgabe werden auch die Parteien wieder zusammenarbeiten müssen, die über den Steuern auseinandergcraten sind, mögen ihre poli tischen Streitigkeiten lortdauern oder nicht. Auf die Vorgänge der damaligen Zeit greife ich nicht zurück; ich kann mir davon keinen Nutzen für die vor uns liegenden Geschäfte versprechen. Nur einen Punkt muß ich kurz berühren. Man hat gefragt, und man hat diese Frage mit Vorwürfen begleitet, weshalb die Regierung in den Kampf über die Steuer vorlagen nicht Angegriffen hätte. Es ist nicht richtig, daß sich die Regierungen in diesem Kampfe untätig verhalten hätten. Was in den Streitig keiten unmittelbar greifbar war, das waren un richtige Berechnungen über die Verteuerung ein zelner Verbrauchsgegenstände durch die neuen Steuern. Diesen unrichtigen Berechnungen sind die verbündeten Negierungen in einer großen Reihe von Berichtigungen und aufklärenden Artikeln entgcgen- getreten. Sie haben eS allerdings getan, ohne sich in die Parteipolemik einzumischen. Das haben die Regierungen unterlassen, nicht aus theoretischen Gründen, nicht weil es ihnen an Mut gefehlt hätte, für die Beschlüsse der Parteien einzutreten, dis sich am letzten Ende über die Bewilligung von Steuern in genügender Höhe verstanden hätten, sondern lediglich, weil es keinen praktischen Erfolg hatte. Verhindert hätten sie die leidenschaftlichen Redekämpfe nicht. Dazu war die politische Erregung zu groß, dafür ist die Kritik an jeder neuen Steuer zu leicht. Genau wie im Juli dieses Jahres sind die Regie rungen noch heute fest davon überzeugt, daß es nur dank dieser Zustimmung möglich werden konnte und möglich geworden ist, Ihnen einen Etat vorzulegen, der eine allmähliche Geiundung unsrer Reichsfinanzen verspricht. In der Thronrede sind die. haupt- tächlichsten Gesetzesarbeiten bezeichnet worden, die den Reichstag diesen Winter beschäftigen werden. Dian hat zum Teil erwartet, daß zu dem aktuellen Programm noch ein allgemeines hiuzukommen wird. Diese Erwartung entspricht, wie mir scheint, in erster Linie Parteirücksichten. Daher denn auch das weitere Verlangen nach programmatischen Erklärungen darüber, auf welche Partcikonstellationen die verbündeten Re gierungen sich stützen können. Was für Vorstellungen sind es, welche diese Frage eingeben? So ent schieden es die Parteien von jeher abgelehnt haben und noch ablehnen, Regierungspartei zu sein, und ich persönlich kann das durchaus verstehen, — so wenig wird in Deutschland jemals eine Regierung Parteiregierung sein können. Die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, mit ihnen hat noch jeder deutsche Staat zu kämpfen gehabt. Und an diesem Verhältnis, das in der Eigenart unsres Parteiwesens und in unsern staatlichen Institutionen begründet ist, hat auch die letzte Kritik keinen Deut geändert. Ich kann keinen Vorteil sehen, den das Land davon hätte, wenn es gelänge, den Gegensatz, der sich über den neuen Steuern entwickelt hat, nun für alle Ewigkeit auf unsre gesamte politische Entwickelung fortwirken zu lassen. Eine absprechende Kritik hat die gegenwärtige Lage dadurch besonders zutreffend kennzeichnen zu müssen geglaubt, daß sie von einer Periode des Stillstandes sprach. Ja, auch das geschmackvolle Wort „Fortwursteln" ist angewandt worden. Es wurde gesagt, den Reichstag würden in diesem Winter nur geschäfts mäßige, nüchterne Vorlagen und keine Fragen von hochpolitischer Bedeutung beschäftigen. Ich sehe nichts, was ein solch absprechendes Urteil begründet. Wenn der Reichstag die ihm angekündigten Vor lagen erledigt, dann wird er mit Genugtuung darauf zurückblicken, retche Arbeit geleistet zu haben. Wenn man auf manche Stimme draußen hört, dann ge winnt man allerdings den Eindruck, als ob unsre politischen Nerven bereits so abgestumpft wären, daß bedeutsame Vorlagen der Sozialpolitik, der Rechts pflege, die Ihnen angclündigt worden und, Fragen, die jahrzehntelang auf das heftigste von den Parteien umstritten worden sind, deren Lösung als ein dringendes politisches Bedürfnis bezeichnet wurde, — ich sage, man gewinnt den Eindruck, als ob Fragen von solcher Bedeutung jedes politische Inter esse verloren hätten in dem Augenblick, wo wir praktisch an ihre Lösung hcrantrcten. Ich verschließe meine Augen nicht vor der parteipolitischen Erregung, die das Land durchzieht. Aber ich bin doch der Ansicht, daß es weite Kreise gibt, denen nicht darum zu tun ist, nur mit einer ganz scharf ge würzten Kost, womöglich mit grundstürzenden Ände rungen genährt zu werden, sondern daß es weite Kreise unsres Volkes gibt, die auf die Dauer nicht von der politischen Sensation und nicht von der Verärgerung leben wollen. Was das Volk in erster Linie verlangt, bas ist doch, oaß es in seiner werktätigen Arbeit, mag diese wirtschaftlicher oder kultureller Art sein, hier oder draußen auf dem Weltmarkt nicht durch Unruhe oder Experimente gestört wird, sondern es will durch eine Politik der Stetigkeit und Festigkeit im Innern und nach Außen gestützt und gefördert werden. Glaubt man denn nun wirklich, daß dieses Ver langen, das die Vielgestaltigkeit der Bedürfnisse unsres Volkes, die sich nach der Eigenart der ein zelnen Volksstämme, je nach der Verschiedenheit der wirtschaftlichen Vorbedingungen im Süden und Norden, im Osten und Westen unsres Vaterlandes in ganz verschiedenen politischen Nuancierungen äußert, glaubt man denn, daß dieses Verlangen erfüllt wird, wenn auch nur diese Gesetzesvorlagen unter das eine Schema gestellt werden, das nichts andres kennt als die Schlagworte: Radikalismus und Reaktion? Jede gesunde Entwickelung, jeder vernünftige Fortschritt wäre dann unmöglich. Gewiß, zu dSm Leben einer jeden Nation gehört der politische Kampf. Aber keine Nation verträgt es auf die Dauer, durch zugeipitzte parteipolitische Streitigkeiten in Atem ge halten zu werden. Das muß am letzten Ende den Nerv jedes staatlichen Lebens, jedes Vertrauen im Innern und das Ansehen nach außen hin töten. Und dazu sind unsre Zeiten nicht angetan Wir können uns nicht den Luxus gestatten, uns bei Ver gangenem aufzuhalten, oder untätig zu sein. Wer sich wie Deutschland seine Stellung in nüchterner Arbeit erworben hat, der kann sie auch nur in solcher Arbeit behaupten. Und wie in Deutschland niemals eine einzelne Partei es gewesen ist, die der deutschen Politik das Gepräge gegeben hat, sondern wie alle Kräfte des Volkes mitgewirkt haben, so muß es l auch in Zukunft bleiben. Darin spricht sich nicht i der in den letzten Wochen so viel bespöttelte Ruf nach positiver Mitarbeit aus, oder gar ängstliche Sorge um die Schaffung einer momentanen parla mentarischen Majorität; nein, meine Herren, nicht das, aber die Überzeugung, daß es einen Zwang zum Schaffen gibt, den die Volksgemeinschaft jedem ihrer Glieder auferlegt, und die Gewißheit, daß i dieser Zwang auch die gegenwärtigen Irrungen und ! Wirrungen überdauern wird. Neichsschatzsekretär Wermuth empfiehlt dann in längerer Rede Annahme des Nachtragsetats 1909, dessen Aussichten nicht so günstig sind, wie 1908. Unsre Finanzen sind an einem Scheidewege ange langt. Lasten Sie uns den Weg gehen, der zwar nicht ohne Dornen und Entbehrungen ist, aber doch wieder auf festen Boden führen wird. Abg. Frhr. v. Hertling (Ztr.): Der Etat macht im ganzen einen günstigen Eindruck. Bedenk lich sind die steigenden Ausgaben für die Marine. Abg. Frhr. v. Richthofen (kons.): Die Worte des Reichskanzlers finden unsre Zustimmung. Den Streit der Vergangenheit wollen wir nicht beleben, zumal sich die finanziellen Folgen der Finanzreform noch nicht übersehen lassen. Der Etat ist vorsichtig aufgestellt. Abg. Bassdrmann (nat.-lib.): Was die neuen Steuern betrifft, so war es unser Recht, aufklärend zu wirken. Was würde die Minderheit des englischen Unterhauses sagen, wenn ihr nationale Gesinnung abgesprochen würde? Wir wollten ja bei der Finanzreform nichts andres, als anfangs die Regie rung selbst. Wir geben zu, daß die Finanzreform nicht anders gemacht werden konnte, als bei einer starken Heranziehung des Konsums der breiten Massen. Wir wollten auch die neue politische Situation zum Ausdruck bringen und verzichteten daher aus eine Vertretung im Präsidium. Die positive Arbeit leidet in diesem Hause nicht Not. Wir sind zur Mitarbeit bereu. Am 10. d. wurde die Etatsdebatte im Reichs tage fortgesetzt. Dieser zweite Tag zeigte ein un gleich lebhafteres Bild als der erste. Einige Dring lichkeitsanträge gegen sozialdemokratische Abgeordnete werden zunächst debattelos genehmigt. Dann nahm Abg. Wie nler (frs. Vp.) da? Wort. Ein Programm haben wir von dem neuen Kanzler nicht erwartet. Würden wir aber die Kritik an der Ver gangenheit nur der äußersten Linken überlasten, so käme dies nur dieser zugute. Von vielen Mit gliedern des Hauses wird es als sehr befremdlich empfunden, daß der Reichskanzler bei Verlesung der Thronrede in Uniform erscheint. Bei der Zurück haltung der Krone hat ihr Ansehen gewonnen. Wir fordern weiter Ministerverontwortstchkeit, fordern wie bisher eine preußische Wahlreform. Wir verlangen ein liberales Regiment und erstreben Zusammengehen mit den Nationalliberalen. Darauf erhob sich der inzwischen erschienene Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg: Hier kann ich nicht die gewünschte Erklärung über das preußische Wahlrecht abgeben. ES ist dies ein Gegenstand, über den ich mich nur vor dem preußi schen Landtage aussprechen werde. Auch darüber hoffe ich der Zustimmung der Mehrheit dieses hohen Hauses sicher zu sein, wenn ich in eine Erörterung über die Kleidung der Minister bei Eröffnung des Reichs tages nicht eingehe. Abg. Bassermann hat geglaubt, aus meinen gestrigen Worten eine Kritik an der Haltung seiner Partei zu den Steuervorlagen hcraushören zu müssen. Er hat insbesondere ge meint, daß ich seiner Partei den Vorwurf gemacht hätte, bei jener Gelegenheit mit ihren Überlieferungen gebrochen zu haben. Ich hoffe, der Abg. Basser mann wird sich beim Lesen meiner Worte davon überzeugen, daß er sich im Irrtum befindet. Ich habe mich absichtlich von jeder Kritik der Vergangenheit ferngehalten. Wer, wie ich, die aus den Steuer debatten zurückgebliebene Verbitterung für ein Übel hält, der wird keine Vorwürfe er heben, welche dieses Übel verstärken können. — Wenn ich zu Fragen der auswärtigen Politik über gehe, so sehe ich davon ab, allgemeine Betrachtungen über die Weltlage anzustellen. Ich halte es auch nicht für erforderlich, von so festgegründeten Verhältnissen wie unsern Be ziehungen zur österreichischen Monarchie zu sprechen. Was das allgemeine Ziel unsrer Politik bildet, ist in der Thronrede ausgesprochen, dagegen geben mir einzelne Fragen, die im bisherigen Verlaufe der Debatte an mich gerichtet worden sind, Anlaß zu folgenden Bemerkungen. Zunächst das Marokko-Abkommen mit Frankreich. Wie bereits des weiteren in der Thronrede an gedeutet worden ist, hat seit seinem Abschluß ein fortgesetzter Meinungsaustausch zwischen uns und der französischen Regierung stattgefunden, und es ist dem beiderseits gezeigten guten Willen gelungen, in wichtigen Punkten Übereinstimmung zu erzielen. Auf Grund des bisher erzielten Ergebnisses darf ich der Zuversicht Ausdruck geven, daß sich auf derselben Grundlage eine der Bedeutung der beteiligten deutschen wirtschaftlichen Interessen entsprechende Lösung, auch der noch ausstehenden Fragen, voll ziehen wird. — Den Stand der amtlichen englisch-deutschen Beziehungen glaube ich durch die folgende Erklärung zutreffend kennzeichnen zu können. Englische Staatsmänner, Asquith, vor allem der zurzeit leitende Pre mierminister, haben in Reden der letzten Zeit die Herstellung guter Beziehungen zwischen England und Deutschland als eine wichtige Aufgabe ihrer weisen Staatskunst bezeichnet. Ich kann die Bekundung dieser Absicht und Gesinnung auch von dieser Stelle aus nur aufrichtig und aus voller Überzeugung er widern. Gegenüber dem Vertrauen, mit dem sich die Thronrede über den Bestand des Dreibundes geäußert hat, ist die Aufmerksamkeit darauf gelenkt worden, daß in Italien im Anschluß an den Besuch des Kaisers von Rußland in Naccontgi Stimmen laut geworden sind, die dem Dreibund wenig freund lich waren. Ich habe indessen keine Wahrnehmungen zu machen gehabt, die irgendwie dahin gedeutet werden könnten, daß die verantwortliche Leitung der italienischen Politik den Wert der Dreibundverträge für Italien anders oder niedriger einschätze als bisher. Bei der Betrachtung unsres Verhältnisses zu Rußland hat die seit Jahren, so auch jetzt wieder wenig freund liche Sprache eine Rolle gespielt, die ein Teil der russischen Presse gegen Deutschland führt. Es ist nichtzu bestreiten, daß es dort ebenso wie anderwärts ge wisse Kreise gibt, die es sich zur Aufgabe zu machen scheinen, Deutschland abenteuerliche, den Weltfrieden bedrohende Absichten anzudichten. Einen guten Dienst bei der Führung der politischen Geschäfte in Ruhe und Stetigkeit wird auch unsre Publizistik leisten, wenn sie diese Forderung auch für sich gelten läßt, und in der Erwiderung auf deutschfeindliche Treibereien und in der Kritik an der Politik andrer Staaten uno an deren Staatsmännern dasjenige Maß von kühler Reserve bewahrt, das dem eigenen Kraftgefühl und der Achtung vor oen Nachbarn entipricht. Durch ein solches Zusammen wirken der öffentlichen Volksstimmung mit der Politik werden die Geschäfte des Landes am besten gefördert. Staatssekretär Frhr. v. Schön: Die Marokko- srage ist seit dem letzten Winter in ein ruhigeres Fahrwasser getreten. .Die wirtschaftliche Seite des Abkommens gibt jedenfalls zu Klagen keinen Anlaß. Über die Grenzregulierung im Nordwesten von Deutsch-Ostafrika ist eine freundschaftliche Verständi- oung erreicht. Das Reformprogramm der belgischen Regierung für den Kongostaat, die Erfüllung der vertraglichen Rechte und Pflichten erstrebt, findet unsre Unterstützung. Abg. Scheidemann (soz.): Der Reichstag hätte im Sommer nicht geschlossen werden sollen. Der Kanzler will eine Ara der Ruhe. Das deutsche Volk will aber keinen faulen Frieden mit der Rechten, sondern den Kampf. Die neuen Steuern führen viele zur Unterernährung. Welche Bundesgenossen hat der neue Reichskanzler? Hat man in der preußischen Wab'rechtssrage dem König von Preußen nicht offen Woridruch zugemutet? Warum erhebt der Kanzler gegen solche Schufterei nicht Protest? Freilich, der Wortbruch ist die erhabenste Überlieferung der preußischen Geschichte. Vizepräsident Erbprinz Hohenlohe: Dasdürfen Sie nicht sagen, das ist ungehörig. Ich rufe Sie zur Ordnung. Abg. Scheidemann: Das Volk mußte der preußischen Dhnastie helfen. Aber das preußische Volk behielt das elende Dreiklassenwahlrecht. DaS Verhalten der Konservativen war beispiellos brutal. Vizepräsident Erbprinz Hohenlohe: Ich nehme an, Sie meinen damit nicht Mitglieder des Hawes. Abg. Scheidemann: Selbstverständlich. Die bürgerlichen Parteien sind krasse Klassenparteien. Wir sind im Bunde mit der Zukunft, im Bunde mit den besten Volkskräften. Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg: Auch ich lege gegen die Abschweifung des Abg. Scheide mann in die preußische Geschichte Verwahrung cm. Ich lege gegen diese Verunglimpfung des preußischen Königtumes Verwahrung ein. Das Bewußtsein, was die preußischen Könige geleistet haben, ist viel zu fest begründet, als daß Herr Scheidemann ge eignet wäre, an diesem Bewußtsein zu rütteln. Abg. Frhr. v. Gamp (Rcformp.): Nirgends wird die persönliche Freiheit so beschränkt wie in der Sozialdemokratie. Wir begrüßen die vorsichtige Aufstellung des Etats. Wir müssen uns wieder zu gemeinsamer Arbeit zusammenfinden. Nieder die Waffen l Abg. Fürst Radziwill (Pole): Unsre Haltung zur Neichsfinanzreform war diktiert vom Gesichts punkte des kleineren Übels. Von allen Seiten greis! man uns jetzt an. Auch die Regierung schützt uns nicht. Wir verlangen aber das gleiche Recht wie alle andern Staatsbürger. Wn vertrauen auf die göttliche Vorsehung. Unsre Ansprüche gehen nicht über das hinaus, was recht ist. Entschlossen ver langen wir aber das, was uns zusteht. Darauf vertagt sich das Haus. poliMcke Aunälckau. Deutschland- "Nach einer halbamtlichen Erklärung ent spricht das Gerücht, Kaiser Wilhelm habe kürzlich bei dem Empfange des Staatssekretärs Krätke mit diesem über seinen Rücktritt ge sprochen, nicht den Tatsachen. *Bei der Wiedereinbringung des Gesetzent wurfs betr. Beihilfen für Kriegsvete ranen soll nun auch die bisher unerledigte Deckungsfrage gelöst werden. Wie verlautet, wird dabei die Wehrsteuer wieder in den Vordergrund treten. * Den Antrag auf eine reichsgesetzliche R e gelung des Wohnungswesens wird die Regierung aller Wahrscheinlichkeit nach nicht stattgeben, da die Verhältnisse im Wohnungs wesen in den einzelnen Bundesstaaten grund verschieden sind. . Osterreich-Ungar«. * Kaiser Franz Joseph hat angeordnet, daß im Falle des unter dem Verdacht des Giftmordes angeklagten Leutnants Hofrichter mit aller Strenge, aber auch mit aller Vor- urteilsfreiheit die Untersuchung geführt werde. Den Antrag der Verwandten des Verhafteten, ihn in der Haft besondere Vergünstigungen zu gewähren, lehnte der Monarch ab. England. * Die Bank von England hat den D i s - kont von 5 Prozent auf 4V- Prozent herab gesetzt. O bntnirrte faden. 27s Roman von Johannes Emmer. (Fortsetzung.) „Glaube ich nicht!" rief Herr von Ballun herüber, der im Hintergrund des Zimmers auf und abaing. „Selbst ein Schelm, der von andern so denkt!* stieß jetzt in loderndem Zorn Cromer hervor, den der Maler vergeblich zu beschwich tigen versuchte. Cromer drängte Man mit der Hand beiseite und vertrat Herrn von Ballun den Weg. „Meine Ebre lasse ich nicht ver unglimpfen, Herr! Wer mir zu nahe tritt, den schlage ich wie einen tollen Hund nieder.* Herr v. Ballun führte sachte eine Wendung hinter einen Stuhl aus, um diesen zwischen sich und seinen Gegner zu bringen; stützte sich dann auf die Lehne, und mit verkniffener, spöttischer Miene erwiderte er: „Wir sind hier nicht in Afrika, wo mm ungestraft rauben und morden kann. Hierzulande sieht sich die Polizei solche Leute etwas genau an.* Es war doch eine gute Vorsichtsmaßregel gewesen, hinter dem Stuhle Deckung zu suchen, sonst hätte Cromer den frechen Beleidiger wahr haftig niedergeschlagen. Nun traten aber die andern dazwischen, Baron Versail zog Herrn v. Ballun weg und redete leise in ihn hinein, während Man seinen Freund beim Arme faßte. Jetzt ließ sich auch der Gras ver nehmen: „Ich bedaure lebhaft, Herr Cromer, diesen unangenehmen Zwischenfall, und noch mehr, daß Sie Anlaß dazu gaben — * „Ich hätte Anlaß gegeben ?" fuhr Cromer auf. „Verzeihen Sie, es ist so, wenn ich auch vor läufig nur ein Mißverständnis oder ein Versehen annehmen will — * „Sehr gütig! Vorläufig also nur?* Cromer lachte bitter auf; worauf der Graf kurz sagte: „Ich hoffe, daß die Angelegenheit korrekt aus getragen werde.* Cromer erwiderte nichts, machte dem Grafen nur eine leichte Verbeugung und wandte sich zur Türe. Der Maler folgte ihm rasch, nachdem auch er sich von dem Hausherrn verabschiedet hatte. Im Vorsaal nahmen sie ihre Überröcke in Empfang und verließen das Haus. Auf der Straße gingen sie eine Weile schweigend neben einander her, bis Fian, der in der kalten Nacht luft wieder einen klaren Kopf bekommen Halle, plötzlich stehen blieb. „Das war eine abgekartete Geschichte!* „Was heißt das?* „Mir kam gleich die honigsüße Freundlichkeit dieses vermaledeiten Heuchlers nicht geheuer vor," fuhr der Maler, mehr mit sich, als dem Freunde sprechend, fort. „Man wollte Streit mit dir suchen, um jeden Preis.* „War denn dies alles vorauszusehen?" warf Cromer ein, dem jedoch allmählich selbst ein ähnlicher Verdacht ausstieg. „Pah, wäre nicht dies gewesen, so hätte diese Bande wahrscheinlich einen andern Anlaß herbeizuführen verstanden. Ich sage dir, man wollte um jeden Preis Händel suchen. Wärest du fortgegangen — Beleidigung des Grafen; hättest du dich geweigert, eine Karte anzurühren — Beleidigung der ganzen Gesell schaft; würdest du stumm geblieben sein wie ein Kalthäuser — desgleichen; was immer du gesprochen hättest, an irgend einem harmlosen Worte konnte sich so ein kleiner Zank anhängen lassen. Kurz, wir find in die Falle gegangen, und du wurdest einqezwickt.* „Wozu aber —" „Na, stelle dich nicht dumm, mein Lieber. — Das liegt doch klar am Tage, daß der Graf dich aus dem Wege haben will.* „Meinetwegen: was weiter?* „Was weiter? Höre mal, Cromer, du scheinst wirklich naiv geworden zu sein. — Man hat dich beschimpft!" „Diese glatzköpfige Spielratte!* „Welche von Ballun heißt, in der Gesell schaft herumschleicht und eine Zunge hat! Warte nur ab, wie man diese Geschichte gegen dich ausbeuten wird!" „Soll es einer wagen —* Fian legte die Hand auf des Freundes Schulter. „Sie werden es wagen, verlasse dich darauf. — Was gedenkst du zu tun?" Cromer zuckte mit den Schultern. „Das wird sich zeigen, was weiß ich jetzt?" „Ich glaube, es ist darauf angelegt, dich zu einem Zweikampf zu zwingen," fuhr der Maler fort. „Wenn du, als der Beschimpfte, nicht forderst, so wird es dieser Ballun tun, da du ihm drohtest, ihn wie einen tollen Hund nieder zuschlagen.* „Verschone mich mit diesem lächerlichen Un sinn! Ein Duell! Ich habe mein Leben oft genug zu Markte getragen; wer mit einem Dutzend feiger Träger einer Horde von wilden Massais tagelang standhalten mußte, der hat das Recht, den Zweikampf für eine Komödie zu erklären." „Hm! Ja, ich babe schon manchen auch st sprechen hören, schließlich blieb ihm doch nichts übrig als den „Unsinn" mitzumachen.* Und als Cromer mit einer abwehrenden Hand bewegung etwas erwidern wollte, setzte er haltig hinzu: „Verrede nichts! Du könntest, wenn du auch bei allen Heiligen schwörst, doch den Schwur brechen müssen. Nehmür wir aber den Fall an, daß du selbst nicht forderst und eine Forderung ablehnst. Was wird geschehen? In acht Tagen bist du gemieden wie ein Aus sätziger. Dafür werden die Leute schon sorgen. Alle die, die das Duell verdammen, werden zuerst über dich den Stab brechen. So sind die Menschen!" „Was liegt mir daran! Eine wird mich nicht verdammen." „Ei, bist du der Sache so sicher? Die Frauen find die widerspruchsvollsten Geschöpfe. Ich gebe zu, daß Fräulein Gabriele von dir nicht verlangen wird, daß du dich schlägst, st daß sie in Verzweiflung geriete, wenn du ihr die Absicht, es zu tun, mitteiltest; aber ein Schatten fällt auf dein Bild, und es M Naturen, die es nicht ertragen können, wenn sie an ihrem Ideal auch nm das kleinste Fleckchen entdecken." „Es scheint, du gefällst dich darin, mir die Zukunft recht düster zu malen." „Nein, ich erwäge nur, was möglicherweise eintreten kann. — Setzen wir jetzt den andern Fall: Es kommt zu einem Zweikampf. Dann steht die Sache gerade so schlimm. Ich will nur Vo, Tie T Preise. 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