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Ottendorfer Zeitung : 14.11.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-11-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190911143
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19091114
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19091114
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-11
- Tag 1909-11-14
-
Monat
1909-11
-
Jahr
1909
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 14.11.1909
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LaumwoU-Xultur m Äeutscken Xolmnen. Staatslekreiär Dernburg, der seine Reise nach den Ver. Staaten und England jetzt be endet hat, hielt vor seiner Heimkehr nach Deutsch land in Manchester eine bemerkenswerte Rede, in der er sich eingehend über den Anbau von Baumwolle in unsern Kolonien und feine Be deutung für die deutsch-englischen Beziehungen oMprach. Dernburg führte aus: Die Regie rungen seien an der Baumwolle-Kuliur interessiert, weil es, wenn die Kolonien sich selbst erhalten sollen, nötig sei, daß die Eingeborenen eine sichere Ernte haben, um Geld zu verdienen. Wenn sie kein Geld verdienen, könnten sie nicht besteuert werden, und wenn sie nicht besteuert würden, müsse man Zuschüsse gewähren. Aus diesen Gründen Habs auch die deutsche Regierung die deutsche Baumwollkultur-Gesellschaft mit einem staatlichen Zuschüsse bedacht. Er sei sehr er staunt gewesen über das Verständnis, das die Arbeiter von Lancashire dieser Tatsache entgegen bringen, indem sie anerkennen, daß ihre Existenz von der Baumwolle abhänge. Auf sie Passe der Vorwurf nicht, den man den deutschen Sozialisten mache, die die Bewegung für den Baumwollbau in den deutschen Kolonien ins Lächerliche ziehen. Bei einem Weltverbrauch von 16 Millionen Ballen würde ein Preisunterschied von einem Renny >ür da? Pfund 32 Mill. Pfund (640 Mill. Mk.) jährlich ausmachen. Was er ver lange, seien nur einige hunderttausend Pfund, die die interessierten europäischen Staaten aus zugeben haben würden. Es sei daher dringend erforderlich, den Baumwollbau nicht zu vernach lässigen. Die deutschen Spinner und Kaufleute würden mit den englischen bei der Erfüllung dieser Aufgabe Seite an Seite gehen. Die Übereinstimmung der englischen und der deutschen Regierung in dem Kolonisationswerk bestehe auch auf vielen Handels gebieten, besonders aber beim Baumwollbau. Er hoffe, die Zeit zu er leben, in der beide zu einem großartigen Erfolg gelangen würden. Dernburg erklärte, er wolle in Deutschland die Bewegung für den Anbau von Baumwolle fördern, trotz des Widerstandes, den er gefunden habe. Es gebe manche Tinge, die vas englische Kolonialamt vom deutschen lernen könne, so die Tatsache, daß es Pflicht des Staates sei, Unternehmungen wie die englische Banmwollkultur-Gesellschaft zu unterstützen. Der Staatssekretär meinte ferner, es sei kein Grund vorhanden, warum die Deut schen und Engländer nicht harmonisch zusammen- wirken könnten. Bon Krieg zwischen den beiden Nationen zu sprechen sei geradezu ein Verbrechen. potttilcke Kunälckau. Deutschland. "Kaiser Wilhelm wird am 22. d. auf der Rückreise von den Jagden in Donaueschingen dem Fürsten Wilhelm von Hohenzollern auf dessen Schloß Sigmaringen einen kurzen Besuch abstatten. "Wie verlautet, hat sich Kaiser Wil helm durch den Staatssekretär des Reichs- marmeamtes v. Tirpitz einen eingehenden Vortrag über die bisherigen Ergebnisse des Prozesses betr. die Unterschleife auf der Kieler Reichswerft halten lassen. * Nachdem sich kürzlich der seit längerer Zeit verwitwete Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach mit der Prinzessin Feodora von Sachsen-Meiningen verlobt hat, wird jetzt die Verlobung des seit mehr als einem Jahre verwitweten Herzogs Johann Al brecht zu Mecklenburg-Schwerin, Regenten von Braunschweig, mit der Prinzessin Elisabeth von Stolberg-Roß la be kannt gegeben. Die Vermählung wird bereits am 15. Dezember in Braunschweig vollzogen werden. Herzog Johann Albrecht ist 52 Jahre alt. Von 1897 bis 1901 war er Regent von Mecklenburg-Schwerin für seinen minderjährigen U Entwirrte fääen. 14s Roman von Johannes Emmer. (Sortsetzung.) „Es ist nicht viel zu erzählen," erwiderte das Mädchen; „unser Leben war sehr einfach. Mein Vater lebte als Arzt in B , wo mein Bruder und ich geboren wurden. Dort unter den schlichten Dörflern verbrachten wir unsre Jugend, bis meine gute Mutter starb und Vater um Hellmuts wegen, der studieren sollte, nach hier zog. Vor drei Jahren ist auch der Vater gestorben; mein Bruder, der natur wissenschaftlichen Studien sich gewidmet hat, ging vor anderthalb Jahren auf Kosten einer Gesellschaft nach Nstika, um dort Forschungen zu machen; ich selbst gebe Haus-Unterricht, da ich die Lehramtsprüfung zwar bestanden habe, lewer aber noch keine feste Anstellung fand. Ich kann mich übrigens nicht beklagen, ich habe genügend Beschäftigung, um ganz anständig leben zu können. Das ist alles, was ich von uns berichten kann." „Hatten Sie nie den Wunsch, reich zu sein?" „Ach, solche Gedanken darf man sich nicht in den Kopf setzen," erw'derte sie lebhaft, „sonst erfteut man sich nicht einmal an dem, was man hat. Bruder Hellmut meinte zwar manch mal, es wäre schön, wenn wir ein Vermögen besäßen, damit er reisen und sich ganz frei den Studien widmen könnte, aber schließlich sagte er, daß es auch so ginge und er schon vorwärts kommen wolle." „Sie sind glücklich," murmelte der Freiherr Neffen. Am 28. Mai 1907 wurde er als Nach folger des Prinzen Albrecht von Preußen Regent von Braunschweig. Seine Braut, die Prinzessin Elisabeth von Stolberg-Roßla, ist am 23. Juni 1885 geboren. "Nach einer halbamtlichen Mitteilung wird di- beabsichtigte Erhöhung der holländischen Einfuhrzölle um 30 Prozent, die in der jüngsten Zeit zu so lebhaften Erörterungen in den Handelskreisen, vor allem Deutschlands, Anlaß gab, voraussichtlich unterbleiben. Es verlautet, daß die Regierung wegen des günsti gen Erträgnisses der Personal- und Be triebssteuer von der Einbringung einer Vorlage zur Erhöhung des Tarifs werde absehen können. "Wie verlautet, ist nunmehr eine Vorlage über dieimTabaksteuergesetz vorgesehene Unterstützung beschäftigungsloser Arbeiter dem Bundesrate zugegangen. In dieser Vorlage wird den Wünschen, die in der Zwischenzeit namentlich in Arbeiterkreisen ausgesprochen worden sind, im wesentlichen Umfang Rechnung getragen werden. Bemerkenswert ist, daß zur Prüfung der Unterstützungsberechtigung Gewerbe aufsichtsbeamte und Vertrauensmänner aus der Arbeiterschaft zugezogen werden sollen, und daß auch die Frage ihre Regelung finden wird, wie diejenigen Personen behandelt werden sollen, dis nicht als selbständige Arbeiter, sondern als Ge hilfen von Hausgewerbetreibenden beschäftigt gewesen sind. Osterreich-Ungar«. "Die österreichisch - ungarische Heeresverwaltung hat für das Jahr 1910 eins nicht unerhebliche Verstärkung der Truppen an der russischen, italienischen und serbischen Grenze angeordnet. — Diese Maßregel zeigt, daß man in Men mit der Möglichkeit eines ernsten Konfliktes mit dem Zarenreichs als Folge der bosnischen Krise rechnet. Die Haltung Rußlands gegen die Wiener Regierung in der letzten Zeit läßt aller dings die überraschenden militärischen Maß nahmen gerechtfertigt erscheinen. Schwede«. * Nach langem Zögem haben die von der Regierung verordneten Mittelsmänner einen Einigungsvorschlag zur Beendi gung deS Streiks vorgelegt. Man hofft diesmal auf ein Entgegenkommen beider Par teien, damit der Streik, der nun seit Monaten sich lähmend im gesamten Wirtschaftsleben be merkbar macht, sein Ende findet. Spanien. * Nach einer Erklärung der spanischen Regie rung ist der Feldzug in Nordmarokko als beendet anzusehen. Der Friedensschluß werde indes erst erfolgen, wenn alle Häupt linge Ker um Melilla wohnenden Stämme ihre mündliche und schriftliche Zusage gegeben haben. In ganz Spanien herrscht über den endlichen Frieden am Rif allgemeine Genugtuung und man ist der Zuversicht, daß nun die Beilegung des Zwiespalts im Innern bedeutend einfacher sein wird, als bisher. -- Hoffentlich täuscht daS Vertrauen nicht. Balkanstaaten. "Bezeichnend für die innere Lage Griechenlands ist die stark abweichende Beurteilung, die der Anstifter der Marine- Meuterei Typaldos in Athen findet. Während der Bericht des Regierungsausschusses zur Untersuchung des Vorfalles sich sehr vor sichtig ausdrückte und Typaldos' Tat mehr als ein politisches Vergehen hinstellie, sieht man in andern politischen Kreisen sie doch auch als todeswürdiges Verbrechen an. Trotzdem ist schon jetzt als sicher anzusehen, daß der junge Hitzkopf seinen Streich nicht wird mit dem Leben bezahlen müssen. Aste«. "Das Verhältnis zwischen Japanern und Koreanern wird immer gespannter. Bei den javanischen Manövern im Süden des Reiches griffen Landleute den als Gast bei den Truppen weilenden koreanischen Militärbevoll mächtigten an, um den Tod des Fürsten Ito zu rächen. Infolgedessen kam es in Söul (Koreas Hauptstadt) zu lebhaften Straßen- uncuhen, die nur mit Mühe unterdrückt werden konnten. Oie Onrerscdlelfe der vieler Merkt. Nach zweitägiger Ruhepause wurden am Dienstag die Verhandlungen in dem Riesen prozeß wegen der großen Unterschleife auf der Kieler Werft wieder ausgenommen. Das Inter esse der Bevölkerung hat, trotz der bereits ein wöchigen Dauer des Prozesses, sehr zugenommen. Der Zeuge Oberwerftdirector v. Usedom führt folgendes aus: „Es ist am zweiten Verhand lungstage von dem Angeklagten Frankenthal ein Fall hervorgehoben worden, wo ein eiserner Mastbaum vom Schiff „Hertha" für 74 Mk. von der Kaiserlichen Werft an einen Händler ver kauft wurde. Von diesem Händler hat Franken thal den Mastbaum für 900 Mk. gekauft und ihn später für 1094 Mk. weiter verkauft. Er folgerte daraus, daß ein Stück, das 1094 Mk. wert ist, für 74 Mk. von der Werft verschleudert wird. Nachdem ich durch Anfrage festgestellt hatte, daß dieser Fall tatsächlich den Mastbaum auf dem Schiff „Hertha" betraf, bin ich nun in der Lage, auf Grund persönlicher Wahrnehmungen und der von mir persönlich geführten Notizen über das Verfahren der Werft hier folgende Aussage zu machen: Der Mastbaum wurde aus der „Hertha" herausgenommen, weil er durch einen leichteren, weniger Raum einnehmenden Mast ersetzt werden sollte. Bei diesem Umbau habe ich beim Schiffsbauamt angefragt, ob es nicht möglich wäre, diesen alten Mastbaum um zubauen. Ich erhielt die Meldung, daß das nicht möglich wäre, weil der Umbau mehr kosten würde, als ein neuer Mast. Der Mast lag neben dem Schiffe auf dem Kai und konnte nicht transportiert werden, weil wir keine Transportmittel für diese Größe hatten. Ich forderte damals Angaben ein, was das Verlegen dieses Mastes bei uns kosten und was wir bekommen würden, Wenn wir ihn als Schrott verkauften. Ich er hielt die Antwort, daß das Verlegen des Mastes 900 Mk. kosten würde. Ich habe mich über diese hohe Summe gewundert; der Mast war aber nicht genietet, sondern geschweißt. Damals hatten wir noch nicht die Mittel, die wir jetzt haben, um geschweißtes Eisen zu zerlegen. Ich versucht;, ihn bei einer andern Stelle der Marine- vsrwaltung unierzubringen, ich habe mich mit dem KielerHafenkapitän in Verbindung gesetzt, ob er ihn nicht als Signalstation verwenden könnte. Wenn aber der Angeklagte Frankenthal für den Mast schließlich 900 Mark gegeben hat, so beweist das, wie zuverlässig wir gerechnet haben, denn diese Summe ist gegeben worden für das Ver legen des Mastbaums. Ich glaube hiermit den Beweis erbracht zu haben, wie unbegründet die Behauptungen und Schlußfolgerunaen find, die aus diesem Verkauf des Mastes für die Werftverwaltung gezogen wurden. — Angell. Frankenthal: Der Mast'hat 24 000 Kilogramm gewogen. Ich erlaube mir, darauf hinzuweisen, daß bereits zur Zeit des Verkaufs dieses Mastes das neue Schneideverfahren auf der Werft bestand. — Zeuge v. Usedom: Es war erst im Entstehen und das Verfahren wurde erst in einer Werkstatt versucht. — Angekl. Frankenthal: Es ist zu gleicher Zeit auf der Werft ein ebenso großes Stück, das nicht trans portiert werden konnte, zerschnitten worden. — Zeugs v. Usedom: Davon ist mir nichts bekannt. — Eine unerwartete neue Beschuldigung der Angeklagten brachte im weiteren Verlaufe der Sitzung ein neues Moment. Der Vorsitzende führte aus, daß aus den Akten nicht nur Teile gestohlen, sondern daß auch neue Briefs in sie hineingeschoben worden feien. Diese Schriftstücke seien von den Angeklagten gefälscht. — Gerichts chemiker Prof. Dr. Jeserich (Berlin) wurde darauf als Sachverständiger über das Alter und über die Tinte, mit der die in Frage kommen den Briefe und Abrechnungen geschrieben sind, vernommen. Es wurden ihm am 20. Oktober zwei Gruppen Briefe und eine Flasche Tinte zur Untersuchung übersandt. Er hat das Alter der betreffenden Briefe nicht feststellen können. Dagegen hat er bei einer ganzen Anzahl Briefe festgestellt, daß sie mit einer Tinte geschrieben find, die völlig gleichartig mit der Tinte ist, welche in der ihm über'andien Flasche enthalten war, und diese Flasche enthält die am Land gericht Kiel zur Verwendung gelangende Be- richi Stints. Durch den vom Vorsitzenden und dem Staatsanwalt -gegen die Angeklagten Juliue Frankenthal und Hermann Jacobsohn zum ersten Male geäußerten Verdacht, eine große Menze Briese aus den Jahren 1900, 1902 und IM gefälscht zu haben, hat der Prozeß eine neue aufsehenerregende Wendung genommen und die Schuldfrage dieser beiden Angeklagten mehr in den Vordergrund geschoben. Der Vorsitzende äußert dazu: Die Anklage hat herausgefunden, daß in der Korrespondenz der Angeklagten Frankenthal und Jacobsohn sich häufig Bezeichnungen fanden, wie „Rabbi I und liß „Balboist" und „Msfchores". Daraus, daß überall auf den Abrechnungen sich Notizen vor- fanden über angeblich gezahlte Summen an „Rabbi" und „Balboist" folgert die Anklage, daß mit Rabbi und Balboist nur eine Persön lichkeit gemeint sein konnte, die auf der Wertz mit Submissionen und Verkäufen zu tun hatte. Die Anklage betrachtet' als diese Persönlichkeit den Angeklagten Heinrich. Es wurde gleich zeitig eine Anzahl Abrechnungen eingereicht, die offenbar von der Anklage übersehe« fein müßten. Diese Briefs wurden in einer roten Mappe überreicht. Das ist die Map-e, die der Angeklagte Frankenthal im Laufe seiner Durchsicht zusammengestellt hat. Nun trat die Frage an uns heran: Wie ist es möglich, daß diese Briefe, die so klar und deutlich oussprechsn wer „Rabbi" und „Balboist" sein sollen, von dem Untersuchungsrichter, der ein gewissenhafter Beamter ist, übersehen sein können. Daraus folgerte die Anklage, daß die neuen Briefe ge fälscht sein müssen. Sind die Briete echt, dann wäre der Anklage in der Tat in vielen Punkten der Boden entzogen. Sind sie aber gefälscht, daun kann mau daraus Schlüsse ans das Schuldbewußtsein der Angeklagten ziehen. - Staatsanwalt Marschner: Wenn diese Briest' von vornherein bei den Akten waren, unk wenn sie von so eminenter Wichtigkeit sind, wann» hat der Angeklagte Frankenthal sie nicht selbst oder durch seinen Verteidiger dem Gericht über reichen lassen? Angekl. Frankenthal: 32 habe es nicht getan, weil ich die Überzeugung hatte, daß mit einer kolossalen Voreingenommen heit gegen mich gearbeitet wird. — Vorst: 32 bitte doch, sich zu mäßigen und solche un passenden, angreisenden Äußerungen nicht -n gebrauchen. — Angekl. Frankenthal (erregt): Dann bitte ich aber auch um Schutz. Der Staatsanwalt erklärt hier einfach, diese Briest find gefälscht. Ich erkläre diese Behauptung eine glatte Unwahrheit. Ich gehe sogar vom weiter. Ich erkläre weiter, daß die Staats' anwaltschaft bewußt Beweise unterdrückt hat. - Bors.: So weit dürfen Sie nicht gehen, Angekl. Frankenthal (in höchster Erregung)' Auch die vom Untersuchungsrichter anstands halber herausgesuchten Briefe, die für wm sprechen, sind vom Staatsanwalt unterdrückt worden. — Dr. Jeserich (Berlin) äußerle mH gutachtlich über daS zur Verwendung äs' langte Papier; das Wasserzeichen und die Stempelung des Paviers Wesse den Unitts schied auf, daß die sogenannten echten Briese sämtlich auf Sönneckenschem Papier geschrieben und kopiert sind, während die Briefe, von Vene" die Anklage annimmt, daß sie gefälscht auf anderm Papier geschrieben find. , Zum Schluffe der Sitzung gab Verteidigt Rechtsanwalt Spiegel folgende Erklärung In seiner erregten Erklärung vom MittaM vormittag hat der Angeklagte Frankenthal d^ Behauptung aufgestellt, daß die StaatsanwM schäft bewußt Beweiserhebungen, die für P sprächen, unterdrückt habe. Wir Verteidiger de- Angeklagten Frankenthal, Justizrat Wallach uw ich, legen Wert darauf, zu erklären, daß uns diese Behauptung selbstverständlich nicht Z- eigen machen. ich hätte nicht gedacht, daß das Bekenntnis ° Schriftstück verloren gehen, verbrennen; — o, und feuchtete seine Lippen mit dem Tuche. „Was denken Sie von mir? Sie müssen mir fluchen!" sagte er dann und sah sie dabei mit einem seltsam angstvollen Blicke an. „Dazu habe ich lein Recht; und dann — ich glaube, Sie haben Ihre Schuld gegen meine Großmutter schon gebüßt." Ein seufzendes Stöhnen antwortete ihr: „Ja, gebüßt! Und wie? O, nichts ist schlimmer, als sich selbst verdammen und ver achten zu müssen. — Das ist die wahre Hölle. — Seit Jahresfrist bin ich siech, das Fieber verbrennt mich, hier im Hirn ist Feuer, an allen Nerven zerrt und reißt es, — aber das ist alles nichts. — Immer, immer die gespenstischen Bilder vor Augen haben, ob man wache oder träume, — o, das ist unerträglich. Fast fünfzig Jahre find vergangen, tot sind sie alle, — aber hier lebt es, hier !" Er schrie die letzten Worte förmlich heraus. Berta überwand das Grauen, daS sie vor dem llllanne empfand und legte ihre Hand auf seine magern, zitternden Finger, die die Stuhl lehne umklammerten. „Gott verzeiht allen, die ihre Sünden be reuen; er wird auch Ihnen barmherzig sein. Und — wenn es Sie beruhigen kann — ich vergebe Ihnen gerne alles, was Sie an meiner Familie getan!" „Ich kann nicht mehr an die Verzeihung Gottes glauben. — Doch das ist nichts für Sie; — vergessen Sie, was ich da sagte. Sie meinen es gut, und ich danke Ihnen dafür. Es ist mir leichter jetzt, seit ich Ihnen alles gesagt habe; einer Schuld die schwere Last so mindert." Er hielt inne, um keuchend Atem zu holen. Dann fuhr er fort: „Ich bin noch nicht zu Ende. — Ungeschehen kann ich nicht mehr machen, was ich getan; aber einigermaßen gut machen läßt es sich, und deshalb rief ich Sie. — Ich will zurückgeben, was ich geraubt habe — ich setze Sie und Ihren Bruder zu Erben ein." „Wir bedürfen nichts —" fing sie an. „O, weisen Sie es nicht zurück!" schrie er wieder, und neuerdings prägte sich die Angst in seinen Zügen aus. „Sie dürfen es nicht! — Wollen Sie, daß ich — daß ich nicht sterben kann? — Seien Sie barmherzig, es ist die Bitte eines Unseligen!" Das Mädchen schwieg, verwirrt durch diese neue Überraschung. Durch die Fülle auf sie einstürmender Gedanken bedrängt, wußte sie nicht, was sie tun sollte. Da fühlte sie, wie die kalten knochigen Finger des Mannes ihr Handgelenk umspannten, und entsetzt sah sie in das aschgraue, zuckende Gesicht, in dem die Augen wie flackernde Kohlen glühten. „Ich will Ihren Wunsch erfüllen," sagte sie hastig. Er ließ ihre Hand los. „Ein gutes Wort. — Ich danke Ihnen dafür." Sie wollte sich jetzt erheben, aber mit einer müden Gebärde bat er, noch zu bleiben. „Nur ein paar Worte noch, dann will ich Sie von meinem Anblick befreien. — Ich habe meinen letzten Willen aufgesetzt und meinem Anwalt, dem Justizrat Doktor Band übergeben. Mich quält aber der Gedanke, es könnte das ich sehe immer und überall Feuer um mich O ich habe noch die Urschrift, wie ich sie zuew aufsetzte, und die ich nur abschrieb für de» Justizrat. Es ist ganz genau übereinstimmen»: Hier," — er langte mühsam nach dem Tische, dem ein dünnes, schwarzes Ledertäschchen in dH Form eines großen Briefumschlages lag, — die Schrift. Nehmen Sie es zu sich und vH sprechen Sie mir, es wohl zu bewahren. recht sicher zu bewahren! — Ich sehne »M nach dem Ende, und doch fürchte ich mich der letzten Stunde. Aber entsetzlich grämU wäre mir der Gedanke, daß ich es nicht med hätte gutmachen können — o!" Vollständ'S erschöpft fiel er zurück und schloß die Augen- Von einer furchtbaren Angst ergriffen, drM Berta auf die Glocke, die auf dem Tische st»»ö Im nächsten Augenblick erschien der Diener hinter ihm die Wärterin. Der Freiherr M', wieder die Augen und machte eine kaum liche Bewegung mit dem Kopfe, die andeu> sollte, daß er keiner Hilfe bedürfe. Seine Bu richteten sich auf Berta, die das LedertäsE, in der Hand hielt, und eine gewisse friedigung darüber schien sich in seinem Am auszudrücken. „Gut bewahren!" flüsterte er nochw» „Leben Sie wohl und — glücklich." Einer inneren Regung folgend, trat »er auf ihn zu und reichte ihm die Hand, und einem dankbaren Blick legte er die zitter^ Finger in ihre Rechte. Dann nickte er ihrs' einmal zu. Während die Wärterin sich ansthmO dem Kranken Arznei zu reichen, geleitete Diener das Mädchen wieder in den Borsam-
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