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«el! Iw »IIL. L<2^L^L^V^V<LL^2^L<»L^>L^2^L^>0^L<>r>L»»2<>>L Der jüngste Kallenberg. Novelle von W. Bella. (Fortsetzung.) II jemand kennt dieses Geheimnis, st "ÄA niemand!" fuhr Bragenza fort. Selbst meiner Frau habe ich es verschwiegen. Und nun werden Sie auch begreifen, weshalb ich in solcher Angst zu Ihnen ge eilt kam, weshalb ich so flehentlich den Wappenring zurück erbat! Zwei blühende Menschenleben hat er bereits vernichtet. Ich konnte es nicht verhindern! Aber Sie wollte ich retten um jeden Preis! Denn kaum war ich erwacht, und kaum hatte mir meine Frau erzählt, daß der Ring Ihr Eigentum geworden, da habe ich mich trotz meiner Schwäche selbst aufgemacht, um weiteres Unheil zu verhüten! UH ^wenn ich zuerst noch Ausflüchte vorbrachte und Sie zu belügen versuchte, so tat ich es nur aus Furcht, daß Sie mich den Behörden, der Polizei verraten könnten. Die Straf gesetze sind so dehnbar, Herr Graf, und vielleicht hätte man mich trotz meines völlig reinen Gewissens unter Anklage wegen fahrlässiger Tötung gestellt! Es handelte sich ja um eine vornehme Engländerin und einen reichen Amerikaner, und da ist man schneller bereit, eine lange Untersuchung «umstellen, die selbst wenn ich nachher frei- gesprochen wäre, mein Geschäft vernichtet und meine Familie in die bitterste Not ge fetzt hätte. Das ist alles, was ich Ihnen zu sagen habe, Herr Graf. Zu meiner Verteidigung will ich nur noch erwähnen, daß ich damals nach dem zweiten Todesfall in meinem Laden zuerst die Absicht hatte, den Ring in den Tiber zu werfen oder irgendwo zu vergraben. Wenn ich das nicht tat, so hin derte mich — ich gestehe es unumwunden ein — nur die Gewinnsucht, besser die Hoff nung auf einen Verdienst daran. Ich wollte den Ring einige Jahre liegen lassen und ihn dann, wenn niemand mehr an die bei den Unfälle in meinem Geschäft dachte, einem Goldschmied anvertrauen, der die vergifteten Spitzen herausnehmen sollte. So hätte ich ihn ja mit ruhigem Gewissen veräußern können. Daß meine Frau ihn jetzt, wo es uns so schlecht geht, trotz meines strengen Verbots vorsuchte, Herr Graf, wer den Sie mir nicht zum Vorwurf machen! Glauben Sie mir, die Angst, die ich soeben auf dem Wege zu Ihnen und hier in diesem Zimmer ausgestanden habe, ist Strafe ge nug für die Unvorsichtigkeit, den Teufels ring nicht vernichtet zu haben. — Und jetzt Herr Graf, worden Sie wohl selbst in den Rückkauf willigen, nicht wahr?" Axel Kaisenberg hatte schon längst die Herrschaft über seine Nerven wiedererlangt und auch in sein Gesicht war die Farbe zu rückgekehrt. Aber eine plötzlich in ihm auf getauchte Idee schien seine Gedanken so völlig in Anspruch zu nehmen, daß er dar über eine Antwort völlig vergaß. Nach denklich, mit halb zusammengekniffenen Augen starrte er mehrere Minuten lang vor sich hin auf das bunte Muster des Tep pichs, während in seinem Antlitz nur die dünnen Lippen bisweilen zuckten. Und der kleine Antiquitätenhändler ahnte nicht, welche Pläne das Geheimnis des Wappen ringes in der Brust des Grafen wieder batte erstehen lassen, — Pläne, die die Hab sucht, die Aussicht auf ein reiches Majorat den verkommenden Abenteurer und Spieler immer fester formen ließ. Plötzlich schaute Axel wieder auf, fuhr sich zerstreut mit der Hand über die Stirn und sagte mit einem verzerrten Lächeln, für das Ernesto Bragenza keine rechte Er klärung fand: „Nehmen Sie Ihr Geld nur wieder mit. Ich werde den gefährlichen Mechanismus aus dem Ringe entfernen lassen, sobald ich in meine Heimat zurückgekehrt bin. Er soll niemanden mehr schaden, glauben Sie mir! Und auf diese Weise sind Sie den Wappen ring auch für immer los." Der Händler wollte noch Einwendungen machen, aber Axel schob ihn einfach zur Tür hinaus, nachdem er ihm das Geldbeutel- chen wieder in die Hand gedrückt hatte. — Schloß Waldburg, das dem Baron v. Alten, dem Schwiegervater des Grafen Ar thur Kaisenberg gehörte und von Kaisen berg kaum zwei Meilen entfernt war, hatte der Urahne des jetzigen Besitzers aus einer trotzigen Raubburg zu einem bequemen Wohnsitz umbauen lassen, dessen hohe Fen ster die weiten Räume jetzt mit einer Flut von Licht versahen und dem Bauwerk das Unfreundliche, Düstere benahmen. Dabei war aber der Charakter der früheren Rit terfeste nach Möglichkeit gewahrt worden. So hatte man an der Ostseite den Burggra ben nicht abgelassen, ihn vielmehr zu einem Weiher verbreitert, der mit seinem von Seerosen und Schilf halbverdeckten Wasser spiegel die dicken Grundmauern bespülte. Es war wenige Tage vor der Hochzeit. Auf Schloß Waldburg hatten sich bereits die ersten Gäste eingefunden, darunter auch Professor Heinz Hagen, der an der Lan desuniversität den Lehrstuhl für Archäolo gie innchatte und seit Jahren mit Gras Ar tur eng befreundet war. Den beiden ungefähr gleichaltrigen Männern, die zunächst nur dieselbe Vor- liebe für das Studium der bildenden Künste und der Kunstgewerbe früherer Epo- chen zusammengeführt hatte, war bald bei den häufigen Begegnungen in der Gesell schaft für Archäologie, der sie als Mitglie der angehörten, und dem steten Gedanken austausch über fachwissenschaftliche Fragen auch die volle Schätzung für die gegenseiti gen Herzenseigenschaften aufgegangen und hatte zu einer wirklich selten innigen Freundschaft geführt. Professor Hagen ge reichte aber auch mit seiner eleganten Fi gur, dem sicheren, weltmännischen Auftreten und dem durchgeistigten, Von einem blon den Spitzbart umrahmten Gesicht jedem Salon zur Zierde. Er war eine jener glücklichen Naturen, die sich spielend leicht in die verschiedensten Lebensverhältnisse hineinzufinden verstehen und sich überall nützlich zu machen wissen, ohne dabei auf dringlich zu erscheinen. So hatte er denn auch einen großen Teil der mannigfachen Vorbereitungen für die Hochzeit des Freun des übernommen, hatte mit der Baronin v. Alten lange geheime Konferenzen gehabt und war in der letzten Zeit beinahe Spe zialist für den Verkehr mit allerhand Liefe ranten geworden. Und da er während der großen Universitäts-Sommerferien diesem neuartigen Vertrauensposten auch alle seine Kräfte widmen konnte, so hatte er seine Aufträge zur vollsten Zufriedenheit der Ba ronin erledigt, die sich ebenso ganz nebenbei und ganz im geheimen die größte Mühe gab, den für die Ehe so wunderbar talen tierten, aber leider so hartgesottenen Jung gesellen mit einer passenden Lebensgefähr tin zu versehen, was ihr jedoch schwerlich gelingen sollte, weil Heinz Hagen für seiue goldene Freiheit nur zu sehr fürchtete und sich jungen Damen gegenüber daher stets als verschrobenes Gelehrtenoriginal auf spielte, während er doch in Wirklichkeit einer der liebenswürdigsten und genußfreu digsten Menschen war. Jetzt verlebte er auf Schloß Waldburg einige Ruhetage, bevor die Hochzeit wieder mit ihren mannig fachen Anforderungen an sein Festordner talent herantrat. Aber zu einer rechten Er holung sollten diese Tage für ihn nicht werden. Man brauchte ihn eben überall. Bald mußte er Gutachten über die Neu dekoration des Speisesaales abgeben, bald jagte ihn Baron von Alten mit der Bitte auf, doch einmal die Anordnung der Pal men um den Altar in der kleinen Schloß- kapelle auszuprobieren. Soeben hatte er nun an diesem so wun derbar klaren Septembervormittag einen weiten Spaziergang durch die sich bereits herbstlich färbenden Wälder unternehmen wollen, als er in der Ahnengalerie gerade vor dem Bilde des Herrn Melchior von Alten der Braut des Freundes begegnete, die sich sofort schmeichelnd an seinen Arm hing. „Lieber, guter Professor," bat sie mit einem schmeichelnden Blick, „Sie müssen uns helfen. Arthur ist vor wenigen Mi nuten mit dem Jagdwagen angekommcn, und wir wollen nun zusammen auf Mamas Wunsch die Hochzeitsgeschenke auspacken. Und ohne Ihren Beistand geht das wirklich nicht. Sie haben zu allem eine so geschickte Hand." Hagen wurde der Verzicht auf den be absichtigten Ausflug recht schwer. Aber dennoch begleitete er die Baronesse mit heimlichem Seufzer allerdings — in das große Bibliothekszimmer, in dem eine Un menge von Kisten und Paketen in allen Größen aufgespeichert war. Das Biblio thekszimmer lag im Ostflügel des Schlosses, und seine drei Fenster gingen auf den alten, jetzt zu einem Weiher umgestalteken Burg graben hinaus. Sie standen weit offen, und ein leichter Wind trug den kräftigen Erdgeruch von dem nahen Park bis in da? weite Gemach hinein. Mit Lachen und Scherzen wurde die Arbeit des Auspackeus begonnen, bei der allerdings Graf Kai- senberg nur den vergnügten Zuschauer machte, indem er erklärte, daß sich unter seinen Fingern gerade die teuersten Kaffee- und Teeservice und ähnliche leicht zu ver biegende Sachen unfehlbar in Scherben ver wandeln würden. Man ließ ihn daher auch unbelästigt in der Ecke des hohen Panecl- sofas sitzen und gab sich mit seinen kri tischen, meist recht humorvollen Bemerkun gen über die einzelnen Geschenke zufrieden. Baronesse Marga, der man ihre dreißig Jahre kaum ansah, wickelte dafür aber mit desto größerem Eifer und freudig geröte ten Wangen all die kostbaren Tafelaufsätze, Bilder usw. aus den vielfachen Hüllen und stellte sie auf den breiten Mitteltisch in die richtige Beleuchtung, während Hagen, der geschickt mit Hammer und Zange die Deckel von den Kisten löste, ihr die Gegenstände aus ihren Lagern von weicher Holzwolle zureichte. Soeben hatte der Professor ein neues Paket in Angriff genommen und wandte sich jetzt, während ein besonders widerspen stiger Nagel sich quietschend gegen die Zange wehrte, an den Majoratsherrn: „Artur, hier haben wir sogar etwas aus dem schönen Italien, aus Verona! Vorhin war auch