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58, 11. Märr- Nichtamtlicher Theil. 923 des Volkswohls im Ganzen nichts einzuwenden. Ob aber auch nicht von Seiten des Buchhandels, das ist eine andere Frage. Jndeß, wie man diese Frage auch beantworten möge, die Sache muß hin genommen werden als eine Entwickelungsphase des neueren Buch handels und als eine nothwendige Conseguenz der jetzigen Gewerbe freiheit. Aber das muß nach Recht und Billigkeit gefordert und nach drücklich geltend gemacht werden, daß dieser Colportagebuchhandel nicht von den Verlegern besser behandelt werde, als der reguläre Buchhandel. Wir fürchten, er wird es. Die Colportage wirft sich auf wenige ausgesuchte, weil leicht verkäufliche Artikel. Sie concen- trirt hierauf ihre Kraft und erzielt dadurch Erfolge, die dem auf die ganze Breite der Literatur angewiesenen, mit Novitätenversenden belasteten, auf Rücksichten hingewiesenen Buchhandel unerreichbar sind. Für solchen Massenabsatz beansprucht die Colportage un gewöhnliche Vortheile und erhält sie, ja die Verleger kommen ihr sogar damit entgegen. So gleitet diese Art von Bücherabsatz aus den Händen des Buchhandels in die der Colportage. Wie lange dies dauern wird, muß abgewartet werden. Vor läufig muß aber nach Recht und Billigkeit die Forderung geltend gemacht werden, daß die betreffenden Verleger ihre Rabattbedingun gen so einrichten, daß auch der thätige Sortimenter davon profitiren kann, also auch bei minder massenhaftem Absatz. Und dies möchte, alles wohl erwogen, auch im Interesse des Verlegers liegen. Der Colportagehandel ist doch ein gar precäres, vielfach unsolides und widerwärtiges Geschäft. Wir appelliren an die Erfahrung der betreffenden Verleger: wie viel Verluste, welche Massen von Probeheften, abspringenden Continuationen und da durch incomplcten Exemplaren, zu hoch gegriffenen Auflagen, ärger lichen Differenzen u. s. w., so daß das Geschäft oft zu einem wider wärtigen, um nicht zu sagen uusaubcrn wir.d. Wir prognosticiren daher auch dein Colportagcgeschäft, das jetzt so üppig ins Kraut geschossen ist, keine gesunde Dauer und Zukunft. Es liegt das in der Natur der Sache, namentlich in der Natur der Exporteure. Trotz aller hohen Vortheilc, Freiexemplare und Gratishefte wirft die Colportage doch nicht so viel ab, daß ordentliche, solide Menschen sich diesem vielfach dcmüthigenden Berufe (wir meinen hier die Ex porteure selbst, nicht die sie ausschickenden Colportagehandlungen) widmen werden. Die meisten Kolporteure sind daher zweifelhafte, in andern Berufsarten verunglückte Menschen, die ihre Sache auf nichts gestellt haben und bei guter Gelegenheit durchbrcnnen. Oder ist cs nicht so, und muß nicht ein guter Theil des Gewinnes auf solche Verluste abgeschrieben werden? Darum wird sich der Colportagehandel schwerlich zu einem soliden und dauernden Zweig des Buchhandels heraufarbeiten, und der Verleger, wenn er auch zur Zeit mit ihm als einem tatsächlichen Factor zu rechnen hat, wird doch, auch kaufmännisch geurtheilt, Wohlthun, sich nicht zu sehr auf ihn zu stützen und darob die Füh lung mit dem soliden Sortimentshandel zu verlieren. Diese Füh lung behält er aber am besten, wenn er ihn mit collegialischer Billigkeit behandelt, deren erste Regel die ist, daß er ihn jenem Aufkömmling nicht nachsetzt. Uebrigens ist es sehr die Frage, ob jene unmäßigen Colportage- bedingungen den Verlegern nicht mehr schaden als nützen, ob sie nicht wenigstens meist überflüssig sind; denn auf gute, wirklich absatzfähige Artikel beißt die Colportage doch au, auch bei nicht schleudcrhaften Bedingungen, und an dubiösen Artikeln geht sie doch vorüber, trotz fabelhafter Vortheilc. Die Leute haben einen gar sichern Jnstinct. Freilich, welcher Verleger hielte sein Product nicht für absatzfähig, sehr absatzfähig? Und so wird es denn auch künftig nicht an diesen fabelhaften Bedingungen fehlen. A. K. Miscellen. AndieHerrenVerleger- — Es ist an dieser Stelle schon oft, aber leider ohne den gewünschten Erfolg, die Bitte ausgesprochen worden, daß diejenigen Verleger, welche ihre Novitäten unver langt pro novitatv zu versenden pflegen, dieselben vor Erscheinen entweder per Circular, oder durch den Wahlzettel, oder durch's Börsenblatt so zeitig anzeigen sollten, daß diejenigen Sortimenter, welche zu wählen pflegen, ihren Bedarf noch vor der Versendung ver langen können und dadurch gleichzeitig mit denjenigen Handlungen in Besitz der betreffenden Novitäten gelangen, welche dieselben unverlangt zugesandt erhalten. Bekanntlich gehören nicht immer die unbedeutend sten Firmen zu denjenigen, welche wählen; im Gegentheil kommt cs sehr häufig vor, daß neue Firmen gern alles annehmen, um wenigstens möglichst viel Nova zu erhalten, während ältere bedeutendere Hand lungen, welche einen bestimmten Kundenkreis bereits besitzen, es vorziehen, zu wählen, um sich und Len Verlegern unnöthige Kosten und Mühe zu ersparen. Wenn nun die Novitäten erst nach der Ver sendung pro uov. angezeigt werden, wie es leider sehr häufig ge schieht, so kommen die wählenden Handlungen in jedem Falle in Unannehmlichkeiten und Verlust; denn entweder bestellen sie, dann erhalten sie zwar die Nova aber zu spät, oder aber sie bestellen nicht, weil es eben zu spät ist, und stehen also hinter den Concurrenten zurück; im letzteren Falle gewiß auch zum Schaden des Verlegers, dessen Artikel auf diese Weise nicht an alle die Orte gelangen, wo Aussicht auf Absatz ist. — Eine Beherzigung dieses Fingerzeigs scheint dringend geboten, besonders im Hinblick auf die überhand nehmende Production und auf die damit in Verbindung stehende zu nehmende Zahl der wählenden Sortimentshandlungen, welche mehr und mehr anfangen, ihre Hauptthätigkeit auf einzelne Branchen zu richten. Das König!. Polizei-Präsidium in Berlin hat unterm 20. Fe bruar folgende Bekanntmachung erlassen: „Die chemische Unter suchung von aufLeinwand gedruckten, fürKinder bestimm ten Bilderbüchern hat ergeben, daß die Leinwandblättcr mit einem bleiweißhaltigen Ueberzug versehen sind. Da die Gesundheit der Kinder, welchen derartige Bilderbücher in die Hand gegeben wer den, in hohem Grade gefährdet wird, so warnt das Polizei-Präsi dium vor dem Gebrauch dieser Bücher, indem es die Verkäufer zugleich auf die Bestimmungen der 324. und 326. des Straf gesetzbuches hinwcist." — Sonach sind die Berliner Sortiments- Buchhandlungen nun verpflichtet, mit dem Verkauf der Leinwand- Bilderbücher so lange innezuhalten, his die betreffenden Herren Ver leger in diesen Blättern die Erklärung abgegeben haben, daß ihre Fabrikate giftfrei sind. Die Zeitungsverleger Mitteldeutschlands werde» nach einer Correspondenz der Thüringer Zeitung in der Kürze in einer Versammlung darüber berathen, „ob bei den gesteigerten Ar beitslöhnen, Papier- und Kohlenpreisen eine Erhöhung der Abonne ments- und Jnsertionspreise ihrer Zeitungen gerathen erscheine, oder ob man das Format der Zeitungen beschränken resp. verkleinern solle, um so an Stempclgebühren (für die preußischenZeitungen), an Satz löhnen und Papier Ersparnisse zu machen". Die letztere Alternative dürfte sich wohl nicht empfehlen, da dies den Untergang des betreffen den Blattes bedeuten würde; daß aber die Zeitungen mit ihren alt gewohnten Preisen gegenüber den höhern Ansprüchen, die an sie ge stellt werden, noch lange bestehen können, wird wohl einem berechtig ten Zweifel unterliegen. Die obgedachte Versammlung wird daher Wohl sich der allgemeinen Strömung nicht entziehen können. (Dtsche. Allg. Ztg.) 123*