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veil '" killa. I^lXVL^Le22^L-VLevlX22<S0<VL-22esL-»L-DLevL^SIXVl>vl>» Eberhard von Güldenberg hatte von sei nen verstorbenen Eltern ein disponibles Vermögen von kaum hunderttausend Mark — ich bin hier zufällig bis ins kleinste orien- tiert — war also nach dem Begriff der obe ren Zehntausend keineswegs ein reicher Mann. Mr seine Lebenshaltung genügten rhm natürlich die Zinsen nicht, und er strebte darnach, seine Kapitalien möglichst gewinnbringend anzulegen. Sie müssen wis sen, daß Herr von Güldenberg bisher noch keinen besoldeten Posten im Staatsdienst be kleidet hat — er bewarb sich freilich um den Posten eines Gesandtschastsattachees. aber er wurde übergangen, weil er eben keine re präsentativen Mittel aufweisen konnte. Wie ich höre, hat Herr von Klöwer, sein alter Rivale fast auf jedem Gebiet, die Stellung erhalten. Das wurde ja nun schnell bekannt, daß Herr von Güldenberg Geld anlegen wollte in gewinnbringenden Spekulationen. Und zugleich brachten es die Schnüffler auch fehr bald heraus, daß Herr von Güldenberg to tal Laie war in Börsen- und Spekulations geschäften, und daher leicht übers Ohr zu hauen. Ich kenne die Sorte Ehrenmänner, moderne Wegelagerer und Strauchdiebe, die mit honigsüßen Worten ihr Spekulationsob- selt anpreisen und bis in den Himmel er heben und nachher, wenn der Gimpel auf dem Leim sitzt, auf Nimmerwiedersehen mit dem Raube verduften. Hand weg! sag rch, wenn mir so etwas geboten wird. Lieber ein paar Prozent weniger aus guten sicheren Papieren als marktschreierische Schwindel manöver, bei denen goldene Berge verspro chen werden und ein Trümmerhaufen übrig bleibt." Ein Diener reichte Wein und Gebäck. Der alte Herr stieß jovial sein Glas an unsere Kelche, und ich sah meiner hübschen Nachbarin beim Anstoßen tief in die Augen. Wäre meine Mutter dagewesen, sie hätte wohl wieder mit Bedauern konstatiert, daß Pfarrers Lutschen nur geringe Chancen hatte, einmal ihre Schwiegertochter zu wer den. Dies Mädchen gefiel mir immer mehr, je länger ich bei ihr war, und ich ließ alle meine Liebenswürdigkeit spielen, um bei ihr encn guten Eindruck zu machen. „Eines Tages," setzte Herr von Hollern leine Belehrung fort, „erschienen in der Wohnung des Herrn von Güldenberg drei Herren aus Wien Der eine nannte sich k. k. Hofrat Dr. Bleichenberg, der zweite Kom merzienrat Schaffnitz, und der dritte Berg assessor D. Börger. Sie waren sehr fein ge kleidet und trugen ein sehr sicheres Wesen zur Schau. Sofort rückten sie mit ihrem Anliegen heraus. Schaffnitz erklärte, daß er dem Herrn Ba ron eine Geldanlage empfehlen könne, wie üe ihm zum zweiten Male kaum geboten werd-m würde. An der galiziichen Grenze, ^hange der erzreichen Karpathen, be- "über Betrieb gesetztes Berg- einen mit rationellen ..ntteln ins Werk gesetzten Abbau hundert prozentig lohnen werde. Das Bergwerk . °u Anem ganz unverhältnismäßig niedrigen Preise zu Verkauf, da der jetzige Besitzer der übrigens aebenn bleiben wollte i°den Fall wz ^in wollte Die Gelegenheit ser äußerst günstig der Ge winn ohne Frage sehr bedeutend. ES ist mir unbegreiflich, wie Herr von Güldenberg in eine so Plumpe Falle gehen konnte. Nicht Wahr, mein gnädiges Fräu lein — wenn jemand ein rentables Berg werk besitzt, also eine Geldquelle ersten Ran ges. wird er dasselbe nicht um ein Butter brot verkaufen?" Leonore lachte wieder allerliebst und meinte, wenn sie die glückliche Besitzerin von einem Bergwerk wäre — leider besäße sie aber solche Schätze nicht — dann — „Nun, was würden Sie tun, Fräulein Leonore?" Sie dachte eifrig nach. „Ach was, in solch eine Lage komme ich nie. Aber gesetzt den Fall „Nun? „Ich würde das Geld in Säcke sam meln —" „Psui, also geizig!" „Und mit jedem Sack tausend arme Kin der glücklich machen, oder —" „Oder?" fragte ich belustigt. „Oder — ach, ich möchte allen Kranken und Armen in der Welt eine Freude ma chen!" „Bravo, Sie kleine Menschenbeglückerin! Wenn's Geld nur reichen wird?" bezweifelte Herr von Hollern. Ein gutes Herz hatte sie. Andere hät ten wohl zuerst an sich selbst gedacht. „Hören Sie nun, wie es weiter ging. Hofrat Dr. Bleichenberg vereinte seine Beredsamkeit mit der seines Kollegen, des Kommerzienrats, und der Bergassessor be leuchtete das Projekt vom fachmännischen Standpunkt aus. Sie brachten Herrn von Güldenberg schließlich so weit, daß er der Sache näher trat. Es wurde eine Fahrt nach dem galizischen Bergwerk verabredet und auch in Szene gesetzt. An einem schönen Frühlingsmorgen fuhr man zuerst eine weite Strecke mit dem Schnellzug und bestieg sodann ein leichtes Gefährt, um auf holprigem Landweg die Stelle zu erreichen. Das verlassene Berg werk lag sehr einsam, nur schmutzige Hütten standen am Wege. Herr von Güldenberg hatte sich an verschiedenen Stellen über die Rentabilität seines Unternehmens erkundigt und eine Auskunft erhalten, die seine Zwei fel nicht ganz beseitigte. Als jedoch beim Durchklettern der verfallenen Gänge und Stollen nicht nur von ihm, sondern auch von anderen silberhaltiges Gestein, ja sogar eine Stufe reinen Silbers gesunden wurde siegte der Wunsch, mühelos zu Besitz und Geld zu gelangen, über seine letzten Bedenken. Der Kauf wurde perfekt und der Kaufschilling erlegt. Eberhard von Güldenberg war Be sitzer einer Silbermine, deren Ausbeutung er nun natürlich mit Nachdruck ins Werk zu setzen gedachte." „Und dann?" „Dann kam die große Ernüchterung und Enttäuschung. Die Silberfunde waren eitel Spiegelfechterei gewesen — man hatte die Stücke vorher zu Platz geschafft. Die saube ren Herren, welche den Kauf vermittelt hat ten. waren nirgends aufzufinden. Hosrat von Bleichenberg, Kommerzienrat Schaffnitz und Bergasfessor Dr. Börger waren raffi nierte Schwindler gewesen. Aber der Kaus war gültig. Nur seine Aussicht, das Ma jorat einmal zu erobern gab Eberhard Kre dit, sich über Wasser zu halten. Die Geschichte ist eine Illustration zu der alten Wahrheit, daß Geschäftsunkundige die Hände von der Spekulation lassen sollen. Ich habe irt dürren Worten wiedergegeben, was ich von Bekannten erfuhr, und die Ge schichte klingt kaum glaublich. Trotzdem er eignet sie sich ost genug. Die schlauen Kerle verfügen über ein solches Matz von Unver frorenheit, Ueberredungskunst und Geschäfts- gewandtheit. daß auch mißtrauischere Leute auf den Leim gehen." „Garnichts wert ist also die Mine?" „Na, sie mag ja noch Werte haben, aber den Abbau nicht verlohnen. Was nutzt es jetzt dem Herrn von Güldenberg, darüber nachzudenken? Er sitzt dran, und dasselbe Manöver an einem zweiten Dummen zu ver suchen, dafür halte ich ihn nicht für fähig." „Er sitzt ja auch hinter Schloß und Nie gel." „In Untersuchungshaft. Entschieden ist noch nichts." „Einerlei. Armer Kerl." Sie bedauern ihn auch, gnädiges Fräu lein?" „Von Herzen. Einst ein flotter Kavalier und jetzt als Mörder verdächtigt und ge- brandmarkt. Das mutz furchtbar sein." „Wenn er nun unschuldig ist? Wer er setzt ihm die Stunden der Qual? Wer ent schädigt ihn für die Einbutze an Ehre und Reputation?" „Darüber wollen wir uns nicht den Kopf zerbrechen. Ich vertraue auf die Gerechtig keit unserer Richter und die Findigkeit unse rer Polizei. Nicht wahr, Herr Referendar?" „Sie haben eine gute Meinung von uns, Herr von Hollern. Aber wir Richter und Rechtsbeschützer sind auch schwache Men schen." Das Gespräch hatte eine ernste Wendung genommen, und das war mir.eigentlich an diesem Abend gegen den Strich. Der heitere und neckische Ausdruck war aus Leonorens Zügen verschwunden. Ich gab mir alle Mühe, ihn wieder hin einzuzaubern, dazu mußte mir die Musik dienen. Ich war ein leidlicher Klavierspie ler und forderte meine liebliche Nachbarin auf, mit mir zusammen ein Liedchen vor zutragen. Sie meinte, sie könnte nicht genug. Etwas befangen, aber durchaus nicht ge ziert, gab sie dann nach. Unter den Hau fen von Noten, die im Musikzimmer lagen, wählte sie Passendes aus und sang zu mei nem Entzücken mit frischer, glockenreiner, freilich nicht sehr großer Stimme ein paar volkstümliche Lieder. Allgemeiner Applaus belohnte sie. Von den andern getrennt, weltverloren, saßen wir bei herabgebrannten Klavierlich tern noch, als die Uhr Mitternacht schlug. Ich saß aus dem Sessel von dem Instru ment, und meine Hände glitten träumerisch durch die Tasten, einzelne Töne aufklingen lassend. Leonore hockte zwei Schritt von mir auf einem niedrigen Klappstuhl. Wir redeten im Flüsterton, bald Ernstes, bald Scherzhaftes — und ich, ich verlor in die sen beiden wonnigen Abendstunden etwas, das man nur durch Eintausch eines anderen wiederbekommt, — mein Herz. Gründlich. Unheilbar. Das fühlte ich. Leonore legte wie in Ermüdung das run de Kinn in die kleine Hand. In ihren braunen Haaren spielten die Lichter der aufflackernden Flammen. „Woran denken Sie?" fragte ich. „An den armen Eberhard von Gülden berg." Da schwiegen wir beide. Wie mochte er diesen Abend hingcbracht haben! Eine Riesentatze legte sich auf meine Schulter. Nur Hans besaß solche Fäuste. „Zu Bett, Mein Lieher. Mein alter Herr gähnt, und Mutter ist gewöhnt, bei uns in Pommerland mit den Hühnern den Tag zu beschließen. Wir standen versonnen auf. Leonor« reicht mir ihre kühle Hand; sie mhte einen Augenblick sanft in der meinen. Mit einem raschen Druck ließ ich sie los. —