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Beilage zu No. 144. Donnerstag, den 8. Dezember 1898. Gedenktage des Jahres §898. Aus dem Leben König Alberts und Sachsens Geschichte von 1828-1898. 8. Dezember. 1863. Der sächsische Generallieutenant von Hake erhält den Oberbefehl über das nach Schleswig-Holstein zu entsendende Bundesexukutionskorps. 9. Dezember. 1870. Es wird mit der Unschädlichmachung des Mont Avron vor Paris begonnen. Vaterländische Wilsdruff, den 7. Dezember 1898. — Tagesordnung für die am Donnerstag, den 8. De zember 1898, Abends 6 Uhr stattfindende öffentliche Stadtgemeinderathssitzung. 1., Eingänge und Mit- theilungen. 2., Vermietbung der Wohnung in der Turn halle. 3., Antrag des Ausschusses für die Stadtverord- nelenwahlen, die Vermehrung des Kollegiums betreffend. 4., Einrichtung eines Christmarktes. 5., Bericht der Eisen bahndeputation, die Linie Wilsdruff-Miltitz—Gadewitz betreffend. 6., Anbringung von Tischkasten in der Tafel des Sitzungssaales. — Das Reichspostamt richtet auch in diesem Jahre an das Publikum das Ersuchen, mit den Weihnachtsver sendungen bald zu beginnen, damit die Packetmassen sich in den letzten Tagen vor dem Feste nicht zu sehr zusammen drängen, wodurch die Pünktlichkeit in der Beförderung leidet. Die Packete sind dauerhaft zu verpacken. Dünne Pappkasten, schwache Schachteln, Zigarrenkisten zc. sind nicht zu benutzen. Die Aufschrift der Packete muß deutlich, vollständig und haltbar hergestcllt sein. Kann die Auf schrift nicht in deutlicher Weise auf das Packet gesetzt werden, so empfiehlt sich die Verwendung eines neuen weißen Stück Papieres, welches der ganzen Fläche nach fest aufgeklebt werden muß. Bei Fleischsendungen und solchen Gegen ständen in Leinwandverpackung, welche Feuchtigkeit, Fett, Blut absetzen, darf die Aufschrift nicht auf die Umhüllung geklebt werden. Am zweckmäßigsten sind gedruckte Auf schriften auf weißem Papier. Dagegen dürfen Farmulare zu Postpacketadresseu für Packetaufschriften nicht verwendet werden. Der Name des Bestimmungsortes muß stets recht groß und kräftig gedruckt oder geschrieben sein. Die Packetaufschrift muß sämmtliche Angaben der Begleitadresse enthalten, zutreffendenfalls also den Frankovermerk, den Nachnahmebetrag nebst Namen und Wohnung des Ab senders, den Vermerk der Eilbestellung ec., damit im Falle des Verlustes der Begleitadresse das Packet auch ohne dieselbe dem Empfänger zugestellt werden kann. Auf Packeten nach größeren Orten ist die Wohnung des Em pfängers, auf solchen nach Berlin "'ich der Buchstabe des Postbezirkes (O, W., 80. usw.) anzug^en. Zur Be schleunigung des Betriebes trägt es wesentlich mit hü!, wenn die Packete frankirt aufgeliefert werden; die Ver einigung mehrerer Packete zu einer Begleitadresse ist mög lichst zu vermeiden. — Der heutigen Auflage liegt ein Prospekt des be kannten Spezialisten Theod. Konetzky in Stein (Aargau, Schweiz) bei. - Bekanntmachung. Vom 15. Dezember d. I. ab wird bei Gesprächen im Fernverkehr, welche dadurch nicht zu Stande kommen, daß der gewünschte Theilnehmcr, sei es wegen Abwesenheit, sei es wegen gestörter Leitung, nicht zu errufen ist, der gerufene Theilnehmer von dem erfolgten Anruf durch die Anstalt, an welche er angeschloffen ist, benachrichtigt werden. Die Benachrichtigungen erfolgen unentgeltlich und zwar wenn sie sich nicht durch den Fernsprecher übermitteln lassen, durch die Telegraphenbotcn oder vermittels der Post. — Zur Erleichterung des Weihnachtspersonenverkehrs gelten im Bereiche der sächsischen Staatsbahnverwaltung die am 18. Dezember d. I. und an den folgenden Tagen gelösten gewöhnlichen Rückfahrkarten von tarifmäßig kürzerer Dauer bis einschließlich 8. Januar n. I., und zwar sowohl die Rückfahrkarten im sächsischen Binnenverkehre als auch diejenigen im Verkehre mit Stationen der meisten außer- sächsischen, knbesonvere der preußischen Bahnen. Das Nähere ist aus den auf den sächsischen Stationen ange schlagenen Bekanntmachungen zu ersehen. — Anfang November 1899 wird eine größere An zahl Dreijährig-Freiwilliger bei den Seebataillonen zur Einstellung gelangen. Die Dreijährig-Freiwilligen müssen gemäß 8 11, 3b der Marineordnung von kräftigem Körper bau, mindestens 1,65 cm groß und von guter Sehleistung sei». Auch wird die Anforderung der Tropendieust- fähigkeit an dieselben gestellt, da sie im Frühjahr 1900 nach Kiautschou entsandt werden. Geeignete Leute haben sich unter Einsendung des Meldescheins und sonstiger Zeugnisse, sowie unter Angabe der Körpergröße möglichst bald an das Kommando des I. Seebataillons in Kiel bczw. des II. Seebataillons in Wilhelmshaven zu wenden. Anmeldungen ohne diese Papiere pp. bleiben unberück sichtigt. Den Meldeschein hat der Freiwillige bei dem Zivilvorsitzenden der Ersatzkommission seines Aufenthalts ortes zu erbitten und hierbei folgende Papiere vorzulegen: 2) eine schriftliche Einwilligung seines Vaters oder Vor mundes, b) eine obrigkeitliche Bescheinigung, daß er durch Zivilverhältnisse nicht gebunden ist, und sich untadelhaft geführt hat, c) ein Geburtszeugniß (Auszug aus dem Standesamtsregister seines Geburtsortes). — Am 9. Dezember er., Nachmittags '^5 Uhr, wird Herr Kommissionsrath Lungwitz, Dozent an der kgl. thierärztlichen Hochschule zu Dresden, im oberen Saale der „Drei Raben" einen Vortrag über Huf- und Beinleiden halten. Der Vortrag ist vom landwirthschaft- lichen Verein „Dresdner Elbthal" veranstaltet, aber allen Pferde-Jnteressenten rc. der Eintritt ohne Weiteres gestattet. — An der Gestaltung und Einrichtung des Bazars „Ein Weihnachtsmarkt in Jerusalem", welcher voraussichtlich am Sonntag, den 11. Dezember, in sämmt- lichen Räumen des „Wiener Gartens" eröffnet wird und mit allerhöchster Genehmigung zum Besten des „Albert- Vereins" stattfindet, arbeiten zur Zeit folgende Künstler: Architekt Hans Pätzel, Maler Mißbach von der König!. Akademie, Hoftheatermaler Rieck, die Bildhauer Herren Petrenz und Eichler (Atelier Professor Diez). Es sind sämmtliche Künstler, sowie auch die Handwerker, Tape- zirer und Dekorateure bemüht, nur wahrheitsgetreue Nach bildungen von Palästina und seinen Bauten und Ein richtungen zu schaffen. — Scyon heule können wir mittheilen, daß das in Tha randt so einzig schön gelegene Schloß Graf SuminSky bereits in andere Hände übergegangen ist. Ein — Berliner Bankier hat es erworben, um durch Ausschlachtung desselben ein schönes Stück Geld zu verdienen. Die so seltenen und werthvollen Gemälde, Kunstgegenstände und Antiquitäten sind bereits öffent lich in sächsischen Blättern zum Verkauf ausgeboten. — Ein höchst frecher Einbruchsdiebstahl wurde in der Nacht zum Sonntag im Herklotz'schen Gasthof in Naundorf verübt. Die Diebe waren, nachdem sie eine Fensterscheibe aus geschnitten und das Fenster geöffnet, in die Räume des Wirthes eingestiegen und haben dort einen bedeutenden Posten Zi garren gestohlen. — Ein Hochstabler schlimmster Sorte ist in Großen hain aufgetreten und hat einen jungen Mann angeblich als Kaffendiener engagirt. Als Beide auf der Reise nach dem Bestimmungsorte in Finsterwalde übernachteten, hat der Gauner dem Ahnungslosen eine größere Summe Baargeld, die Legiti- mationSpapierc und ein Einlagenbuch, auf 500 Mark lautend, abgenommen und ist dann verduftet. — Zwickau. Ein revidirender Beamte hatte dieser Tage festgestellt, daß in einem großen Dampfkessel „kein Kesselstein vorhanden ist". Der Schutzmann, der dem Fabrikbesitzer das Protokoll zustellte, ergänzte es, unbekannt mit den Kesselverhält nissen, seinerseits liebenswürdig: „Na, das war ja bei ihnen selbstverständlich, daß Alles in Ordnung ist, na, und wegen dem fehlenden Kesselstein, den werden Eie wohl bald versorgen, damit wir nicht erst Weitläufigkeiten haben." — Reichenbach i. V. Eine von Leipzig kommende Fremde, die in der Nacht zum Sonnabend hier eintraf und nach Mylau wandern wollte, genaß plötzlich auf der Bahnhof straße eines munteren Knäbleins. Der dienstthuende Schutz mann und ein mit Geschirr des Weges kommender Herr sorgten für Unterbringung von Mutter und Kind im Krankenhause. DasGeheimnißindenBergen. Erzählung von Felix Roderich. (Emilie Heinrichs.) (Fortsetzung.) Nachdruck verboten. Dreizehntes Kapitel. Acht Tage waren nach diesem letzten Morgen verstossen. Christian war vor lauter Geschäften noch nicht einmal dazu ge kommen, seine geliebten Berge und den alten ehrlichen Peter Malmström zu besuchen. Heute war Sonntag und zufällig einer, der seinem Namen Ehre machte, voll Sonnenschein und heiterer Lust. Heute wollte Christian hinaus in die Berge. Er sagte es dem Onkel, der zustimmend nickte, und so marschierte er schon früh hinaus, einen leichten Ueberzieher über sie Schulter geworfen, einen kräftigen Stock zum Bergsteigen in der Hand. Sein erster Weg führte ihn nach Peter Malmströms Hause, der vor seiner Thür im Sonnenschein saß und b.haglich sein Pfeifchen schmauchte. „Guten Morgen, Freund Malmström!" rief er ihm schon von weitem entgegen, und erstaunt legte der Alte die Hand über die Augen, um den Fremden genauer betrachten zu können. Jetzt stand Christian vor ihm und mit einem Ausruf der Freude streckte Peter Malmström ihm die Hand entgegen. „Herr Waldmann, so wahr ich lebe!" sprach er gerührt. „Welche Freude, Sie noch einmal wieder zu sehen!" Bevor Christian, welcher sich neben den Alten auf der Bank niedergelassen hotte, antworten konnte, stand auch die junge Frau laut jubelnd vor der Thüre, einen kräftigen Buben auf dem Arme. „Was macht meine Ingeborg?" fragte sie athemlos. „Sie ist wohlauf!" lächelte Christian. „Da habt Ihr ja einen prächtigen Ersatz!" „Nun freilich," schmunzelte der Alte. „Es ist ein kleiner Peter." „Ach ein derber Schifferjunge ist's!" lachte die Frau, einen Kuß auf des Kindes volle, rothe Wange drückend. „Aber koch kein so feines Engelein, wie die kleine Ingeborg, die mir noch im Herzen steckt." „Nun, tröstet Euch nur," lächelte Christian, „sie kommt bald, vielleicht schon in vierzehn Tagen mit der Mutter nach Bergen," Peter Malmström warf sein Käppchen vor Freuden in die Höhe, und die Frau hätte bald vor Ueberraschung den Burschen fallen lassen, der sich schreiend an sie anklammerte. „Haben sich fast garnicht verändert, Herr Waldmann!" meinte der ehrliche Schiffer, seine Pfeife wieder in Brand setzend. „Sind etwas größer, auch männlicher geworden. Na, es sind ja auch schon über sechs Jahre, seit wir uns zum letzten Male gesehen, ist immer eine gute Zeit, worin mancher Tropfen zum Meere läuft, sich mancher Mensch zur ewigen Ruhe niederlegt. Hätte mein alter, ehrlicher Martin Green- quist das noch erleben können! Sprach immer so viel von Ihnen und der kleinen Ingeborg. Als Ihr letzter Brief ankam — ich glaube es sind schon über zwei Jahre her, — da saß er hier neben mir, wo Sie sitzen und las mir den Brief vor. Er weinte vor Freuden, daß es Ihnen so gut ging, und meinte, vas könne auch gar nicht anders sein, da sie ein braver Herr seien. Und von der kleinen Ingeborg, ach, Herr Waldmann er konnte nicht genug von ihr hören und sprechen." „Ja, Martin war eine ehrliche Seele," versetzte Christian. „Hat er lange gelitten und wann ist er denn eigentlich gestorben?" „Hm, hat Ihnen der Herr Oheim nichts davon erzählt?" „Keine Silbe, mochte auch nicht darnach fragen." „Es hat sich viel in jenem Hause verändert, auch der Herr ist nicht mehr der alte," brummte der Schiffer, und fuhr nach einer kleinen Pause fort: „Martin starb vor einem halben Jahre, woran? — er ließ mich noch einmal zu sich kommen — daß der frühere Prokurist Lund, ein rechter Schurke, eigentlich Schuld an seinem raschen Ende sei. Dieser hatte sich schon damals aus dem Staube gemacht. Herr Jensen wollte die Sache vertuschen, es sollte nicht davon geredet werden; aber man munkelte doch von den Spitzbübereien dieses sauberen Herrn; nun, der Oheim traute ihm ja alles an und hielt die ganze Menschheit für nichtsnutzig. Verzeihen Sie, Herr Waldmann, aber der Oheim hats verdient, daß er so behandelt worden ist." Christian fragte leise, ob Martin ihm sonst nichts anver- trout hätte. Der Alte blickte ihn von der Seite an und schien zu über legen. „Er wollte mir sicherlich noch manches sagen," versetzte er nach einer Weile, „der Tod kam dazwischen, er starb in meinen Armen. Von Ihnen, Herr Waldmann, wollte er auch noch reden, es machte ihm ordentlich Angst, er nannte Ihren Namen, sprach von Ingeborg und konnte nichts Verständliches mehr heroorbringen. Dann deutete er auf sein Kopfkiffen, und als ich ihn aufrichtete, fand ich ein versiegeltes Papier ohne Auf schrift. Er öffnete den Mund, um noch etwas zu bestimmen, doch kam keine Silbe heraus, — und in der nächsten Minute war er schon todt." „Und das Papier, wo habt Ihr es gelassen?" fragte Christian erregt. „Ich habe es aufbewahrt," sagte Malmström. „Gebt es mir," rief Christian hastig. „Das Papier kann Wichtiges erbalten, das vielleicht dereinst in unrechte Hände ge- rathen könnte." „Habe auch schon darüber nachgedacht, lieber Herr!" meinte der Schiffer. „Bin ein alter Mann, der heute oder morgen abgefordert wird, und möchte nicht mit einer Sünde aus dem Leben scheiden, und Sünde ist es doch auch, ein Geheimniß, dessen Enthüllung Anderen nützen könnte, mit in's Grab zu nehmen." Er ging ins Haus, um nach wenigen Minuten mit den versiegelten Papier wieder zurückzukehren. „Hier ist es unversehrt, wie es der selige Martin mir ge geben. Nehmet es, in Euren Händen ist es am Besten aufge hoben." Christian dankte und verbarg es wie ein Heiligthum in seiner LZru"lLZ," „Gehen Sie in Berge?" fragte Malmström weiter. „Ja, wollt Ihr mich begleiten?" „Bin zu steif dazu, junger H^k! Muß im Thale blei ben," lächelte der Schiffer wehmüthig, „ah"* eine kleine Strecke gehe ich mit, wenn Eies erlauben; möchte noch ein Wort im Vertrauen mit Ihnen reden, Herr Waldmann!" „Nun dann kommt, Vater Malmström!" Schweigend schritten die Männer dahin. Der alte Schiffer blickte starr vor sich hin, seine Pfeife war ihm ausgegangen, ein sicheres Zeichen seiner inneren Erregung. Er kämpfte sichtlich mit einem Entschlusse und blieb dann plötzlich stehen. „Es geht nicht anders," sprach er mit fester Stimme, „ich kann heute noch sterben und mag die Sünde nicht auf mich loden. Mein Sohn ist selten daheim, meine Schwiegertochter, eine brave Seele, doch immer ein schwatzhafte« Weib. Sie sind ein Mann, den Martin Greenquist achtete und wie einen Sohn liebte. Er hätte es Ihnen gewiß übertragen, wären Sie in seiner Sterbestunde bei ihm gewesen, und vielleicht war eS auch sein letzter Wille, als er drei oder vier Mal Ihren Namen nannte. Martin hat mir sein kleines Vermögen, das er sich erspart, im Betrage von eintausend Spezies-ReichSthalern über geben, um davon, wie er es schon seit sechs Jahren gethan, eine arme Verwandte zu erhalten, die im stillen Wahnsinn bei einem Arzt in Drontheim lebt. Nehmen Sie mir dieses Geld, diese Verpflichtung ab, Herr Waldmann! Sie werden es ge wiß thun, wenn Sie den Inhalt des versiegelten Papiers erst kennen, das, wie ich ganz gewiß glaube, damit in näherem Zu sammenhang steht. Wollen Sie mir das versprechen, liebe» junger Herr?" „Gewiß, mein lieber Malmström!" versetzte Christian. »Ich gehe in die Berge, um das Papier zu lesen. Ich wert» das Siegel brechen, und damit vielleicht das Dunkel von einm