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der Mauer noch riesige Kalkstein-Quadern von 20 bis 25 Fuß Länge, welche aus der Salomonischen Epoche stammen sollen. Die goldene Pforte führt auf das Plateau des Morija, auf dem der Tempel Salomos stand und jetzt die Moschee Omars steht. Man übersieht den großen, mit dieser prächtigen Moschee und vielen dazu gehörigen Arkaden, Kapellen und kleinern Moscheen bedeckten Platz vom Oel- berge aus sehr gut. Er ist den Muselmännern heilig, und früher hatte kein Christ zu demselben Zugang. Daun übersieht man den ganzen Berg Zion mit der Burg Davids, die Grabeskirche mit ihren beiden Kuppeln, die neue evan gelische Erlöserkirche, die Via äolorosa, den Weg, welchen Christus von dem Hause des Pilatus auf dem Berge Moriah nach Golgatha wanderte, die große Kuppel der neuen Synagoge der Juden, diejenige des armenischen Klosters, und endlich im Nordosten außerhalb der Stadt das große russische Hospiz mit seiner schönen Kirche und den sieben Kuppeln und das deutsche Mädchen-Waisenhaus „Talitha kumi". Dort erhebt sich auch das stattliche syrische Waisenhaus, die Stiftung Vater Schnellers, wo 250 syrische Waisenknaben zu tüchtigen Handwerkern erzogen werden, und von hier aus eine Mission im heiligen Lande entfaltet wird, durch die nicht nur dem evangelischen Christenthum, sondern auch der europäischen Kultur eine große Anzahl von HäusernimheiligenLande gewonnen ist. Größenwahn. Roman von E. Heinrichs. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) »Sie scheinen sich schwer an Gehorsam, wie überhaupt an Geseke gewöhnen zu können, mein junger Freund," begann er kurz und mit finster gefalteter Stirn. „Wenn ich spreche oder nur winke, muh Alles an seinen Posten fliegen. Merken Sie sich das, da cs Ihr Wille oder Wunsch ist, hier zu bleioen." „Als Wärter oder Diener des Kommerzienraths, ganz recht, Herr Direktor," versetzte Adolf ruhig. „Das wird sich finden, mein Lieber. Ich muß überhaupt sehen, ob Sie zu einem solchen schweren Amte taugen. Sie mögen sich zuerst bei den leichten Kranken versuchen." „Das ist wider die Abrede, mein Herr!" rief Adolf, über rascht zurücktretend. „Ich bin kein Jrrenwärter von Profession; wozu ich mich erbot, war nur eine Handlung der Dankbarkeit." „Ah so, ich vergaß, mein Freund," sagte der Direktor, wie zufällig an die Klingelschnur ziehend. „Ja, das thut mir leid, dankbare Wärter lassen sich in deer Regel weder von einer ärztlichen zwingenden Vorschrift, noch von der eigenen Vernunft leiten, sie folgen einzig ihrem mitleidigen und dankbaren Herzen und richten damit ost ein größeres Unheil an, als sie je wieder gut machen können. Sehen Sie, mein Lieber, der Wahnsinn ist wie die Pest; er steckt an, besonders schwache Naturen, Pri vate, welche sich tollkühn in seinen furchtbaren Bereich wagen, — dagegen sind nur Aerzte und stahlfeste Wärter von Profession sicher. Der periodische Wahnsinn ist am gefährlichsten, er ver bindet List und Schlauheit mit der größten Arglosigkeit im Halbwegs vernünftigen Zustande und versteht es meisterhaft, alle Welt zu täuschen. Darum, mein junger Freund, halte ich es fürs Beste, Sie einstweilen vor dieser Ansteckung zu schützen und einem geeigneten Lehrer zur nöthigen Unterweisung in der schweren Kunst eines Jrrenwärters zu übergeben." Er wandte sich bei diesen letzten Worten rasch zu einem ältlichen Mann, der mittlerweile eingetreten «ar, und gab ihm einen verständlichen Wink. Dieser näherte sich ebenso rasch dem bestürzt dastehenden jungen Mann und wollte ihn ohne Umstände am Arm ergreifen und fortführen. Mit einer heftigen Bewegung sprang Adolf zurück und rief in größter Aufregung: „Sind Sie selber toll geworden, mein Herr Direktor, oder wähnen Sie, ungestraft ein zweite- Verbrechen seit dem gestrigen Tage an dem gesunden Menschen verstände begehen zu dürfen?" „Diese Raisonnements kennen wir," lachte der Direktor etwas gezwungen; „folgen Eie diesem Manne gutwillig, mein Freund, und es soll Ihnen nichts geschehen. Nur da« Eine Zweites Blatt W SU Tharandt, DD, Mealeyn and die UmMildt« bend Ä N». 122 Sonnabend, de« IS. Oktober 18S8 S«. Jahrg ober ober aus Bober TM eine - / Die Aaisevfahvt nach dem heiligen Lande. 1(6. Jerusalem. VI Der Blick vom Oelberge. Den folgenden Tag gingen wir durch das Stephans- thor nach dem Oelberge, kamen an dem muhammedanischen Begräbnißplatze und an der Stelle vorbei, an welcher Stephanus, der erste christliche Märtyrer, gesteinigt wurde, und gingen den steilen Abhang des Kidronthales, auch Thal Josaphat genannt, hinab, welches Jerusalem an der Ostseite begrenzt. In diesem Thale befindet sich eine unterirdische Kirche, in der die Apostel die Mutter Gottes beerdigt haben sollen und von wo sie, der Sage nach, gen Himmel fuhr. Daneben wurde uns auch die in eine kleine Kapelle verwandelte Grotte gezeigt, in welcher Christus Blut schwitzte. Dann führte uns ein alter Franziskaner in den Garten Gethsemane, der am Fuße des Oelbergs liegt. Von diesem Garten kann man auch mit Bestimmt heit sagen, daß es der Ort ist, von welchem die Bibel schreibt. In ihm stehen noch die alten Oelbäume, unter denen die Jünger schliefen; und die Naturforscher haben das bestätigt. Der Garten wird von den Franziskanern gut gehalten, vielleicht ist er etwas zu sehr Blumengarten. Ein großes Bouquet wurde jedem von uns gepflückt von Levkojen und andern Blumen. Boni Garten Gethsemane führt ein Weg den Oelberg hinauf. Dieser schön geformte Berg mit seinen drei Gipfeln, unter dessen Oelbäumen der Herr so gern verweilte, hat jetzt nur einen spärlichen Pflanzenwuchs und ist zum größten Theil sehr steinig. Oelbäume standen nur hier und da. Von dem Gipfel des Oelberges, auf dem sich die Himmelfahrtskapelle befindet, von der Christus gen Himmel gefahren sein soll, (was aber nicht mit der Bibel übereinstimmt, denn er ist in Bethanien gen Himmel ge fahren, Lucas 24,50), hat man von dem Minaret einer Moschee einen schönen Ausblick auf Jerusalem, das man mit allen seinen Kuppeln, Thürmen und*Minarets über blickt. Wir kennen nicht eine kleine Stadt, (Jerusalem hat nur 40000 Einwohner), welche sich so stattlich ausnimmt. Zunächst ist die Lage auf den Bergen Zion, Moriah, Akra und Bezetha eine sehr günstige. Diese Berge sind unter sich zusammenhängend. Die früher zwischen ihnen bestehenden Schluchten sind durch Schutt ausgefüllt und bebaut, sodaß nur noch der höchste von ihnen, der Berg Zion mit dem Thurme Davids, der jetzigen Citadelle, sich besonders auszeichnet. Nach allen Seiten hin fällt das Terrain sehr steil ab in das Thal Hinnom und das Thal Jofaphat. Auf der nordöstlichen Seite zieht sich die Berg kette höher hinauf, und daher sind hier die Befestigungen am stärksten. Die ganze Stadt ist von einer stattlichen, von Kalk stein-Quadern erbauten und mit Zinnen getränten Mauer umgeben. Vorstädte hat sie nicht, mit Ausnahme der Häufer, die jetzt am Jaffathore entstehen, und das giebt ihr ein geschlossenes, festes und imponirendes Ansehen. Nun sind auch alle Häuser von dem gelblichen Kalkstein, meist sogar in Quadern erbaut und mit Gewölben ein gedeckt aus demselben Material. Die bei uns zu Lande so häßlichen Dächer und Schornsteine sieht man nicht; dazu die vielen neuen und alten Kirchen, die Moscheen mit ihren Kuppeln, Thürmen und Minarets, alles in demselben Hellen Stein, das sieht so solide und tüchtig ans und dabei auch so romantisch und malerisch, daß man inne wird, vor einer der bedeutendsten Städte der Welt zu stehen. Und der Eindruck entspricht den hohen Vorstellungen, welche uns die alten Schriften von Jerusalem geben, obgleich die Stadt jetzt viel kleiner ist, als sie zur Zeit ihrer Blüthe war, und von den damals bestehenden Gebäuden und Tempeln nicht eins erhalten ist, bewahren die hier und da hervorragenden Palmen und Cypressen der Stadt noch ihren orientalischen Charakter. Vom Oelberge gesehen, hat man gerade vor sich in der Stadtmauer die goldene Pforte, durch welche Christus einzog; sie ist jetzt zugemauert uud man sagt, daß sie am jüngsten Tage sich öffnen werde. Ihr Bau stammt, nach den Kapitälen ihrer Pfeiler zu urthcilen, aus späterer Zeit, aber neben ihr finden sich in mmiu« j ändc Ter MA M aiii^ Rn, sich riG cheder MG U'itt-karl-' ne.-, f-gui" S-nntage nach Trinitatis. Mam 8,80: Was hülfe cs dein Menschen, wenn er die ganze Weit gewänne and nähme an seiner Seele Schaden. Gedenktage -es Jahves k dem Leben König Alberts und Sachsens Geschichte von 1828—1898. 15. Oktober. oc Prinz Albert wird als General der Infanterie patentirt. , 16. Oktober. " Kronprinz Albert eröffnet den 15. ordentlichen Landiag; sein Vater war erkrankt. . 17. Oktober. G Kronprinz Albert besucht seinen erkrankten Vater in Karlsbad. eue» (y. neetM" lober .^l »Pi"' ober Imlsblnll >ür d Ii >l. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Ugl. Lorstrentamt zu Tharandt. MI . i s, e.»« s seil! SI-I 8vP «cu Mittag lllmuH süss! ktober Mm Recheuexempel aus Gottes Rechenkunst', hat ein . JWiMr Amerikaner dies Verslein genannt. Zwei Besitz- werden uns hier vor Angen gestellt, beide von .bau Werthe: Die Welt und deine Seele. Welche ih», o beiden werthest du höher? Gilt dir die Welt mit ! Hr» '"ehr als deine Seele? Oder steht im letzten dir doch deine Seele und ihr Heil höher als die " und alles, was, drum und dran hängt? kz M sagen einige sehr erleuchtete Männer unserer Tage, tzs^bl gar keine Seele. Die graue Hirnrinde ist alles; Ws alle Thätigkeiten der sogenannten Seele zurück- M > So haben die gelehrten Herren vor zwei Jahren s" Frankfurt am Main gesagt und in die Welt «m^bosaunt. Ein kleiner Denkfehler ist ihnen dabei Erstens verwechselten sie Seele und Geist. ! verwechseln sie Instrument und Spieler. Die ist das Instrument des Geistes, nicht der Geist. M Mehrzahl der Menschen ist verständig genug, an ih^Mem der Seele zu glauben. Auch das Bewußtsein "Lieblichkeit haben die meisten Menschen. Wenn B. Sozialdemokraten unter vier Augen auf's tragt, ob sie meinen, eine unsterbliche Seele zu rix antworten von 100 Sozialdemokraten 99 mit Ja. dich, "Yen es aber nicht öffentlich sagen, denn es stimmt den Prinzipien ihrer Führer. — Indessen ist Mlkändniß noch nicht von großem Belang. Wv "" bas Dasein und die Unsterblichkeit der Pd,,Dauben und doch der Welt mit ihrer Lust viel A Werlh beimessen, als der Seele. In diesem dk h., " die ungeheure Mehrheit der Menschen. Jedoch, Uechnet sich arg. Mhni, Ghoe nnd Macht, Unabhängig- Gesundheit, Bildung und Lebensgenuß ein i^ i.nyerz vollkommen glücklich machen könnten, es, so befriedigen könnten, dann möchte die M allenfalls stimmen — es bliebe freilich immer ob sie auch für die Ewigkeit stimmte. ">ii . Mu"mt nicht einmal für diese Zeit, wie feder Mensch MM Lebenserfahrung zu giebt. «Der eine denkt, er hat's ergriffen, Und was er hat, ist nichts als Gold; Der will die ganze Welt umschiffen, ^'chts als ein Name wird sein Sold! ,^r geizt nach einem Siegerkranze Und der nach einem Lorbeerzweig — Und so wird nach verschied'nem Glanze Pi, wünscht ein jeder, keiner reich!" .bii f ganze Welt gewinnt in Wirklichkeit niemand; nur MM" nehmen einzelne in Besitz. Dann kommt 'IlWi w'. . keine Eigenthumsurkunde anerkennt, und > 'Ne,,. jenes Stückchen fort. Und dann ist dem "Wn-! die Welt für die Seele wählte, alles zer- . äz. UM vor dem grausigen Nichts. M^MMe so thöricht nicht fein, der Welt den Vorzug ich «eele zu geben. Nein, lieber das Stückchen Welt, Unfalls erreichen könnte, darangeben — als Schaden Me w! / seiner Seele. Und so länge ich athme, werde ich U'' M^'senden bitten, das Exempel aus Gottes Nechen- ^'g ZN lösen. ^äeini wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk.55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst.