Volltext Seite (XML)
PAPIER-ZEITUNG. 867 Abschreibung und Kapitalvermögen. Rochsburg, 5. April 1893. Die im Briefkasten unter 355 in Nr. 26 gestellte Frage »Wieviel dürfen die gesetzlich zulässigen Abschreibungen bei einer Papierfabrik 1) an Gebäuden, 2) an Maschinen betragen? 3) Ist der abgeschriebene Betrag als Kapitalvermögen anzusehen und bei Vermögensangabe mit anzugeben? gestatte ich mir wie folgt zu beantworten. Ein Fabrikant, welcher am Schlüsse des Geschäftsjahres seine Ge bäude und Motoren-Anlage, seine Maschinen, Utensilien, Geschirre usw. zu demselben Werth in die Inventur einsetzen wollte, zu welchem sie am Beginne des Geschäftsjahres gebucht standen, würde sich selbst belügen, denn alle diese Gegenstände haben nur noch den um die Be nutzung und Abnutzung in dem verflossenen Jahre verringerten Werth. Es müssen mithin alljährlich Abschreibungen vorgenommen werden, welche der eingetretenen Werthverminderung möglichst entsprechen sollen. Hieraus folgt, dass diese Abschreibungen nicht für alle Papier fabriken und auch nicht für alle Gebäude-Anlagen und Einrichtungen in gleicher Höhe gemacht werden können, sondern den verschiedenen Verhältnissen und Umständen entsprechend zu bemessen sind. Erfahrungsgemäss entsprachen Abschreibungen von 4 bis 8 pCt. auf Wasserbauten und Fabrikgebäude, in welchen starke Kraftmotoren und Transmissionen arbeiten, oder Wärme und Feuchtigkeit ungünstig auf die Gebäude einwirken den thatsächlichen Verhältnissen. Auf andere Betriebsgebäude werden 3 pCt., auf Wohn- und Niederlags- Gebäude 2 pCt., auf Motoren und Maschinen 10 pCt., auf Utensilien und Geschirre 20 pCt. in den meisten Fällen der durch einjährige Be nutzung eingetretenen Werthverminderung entsprechen. Demnach giebt es erst Geschäftsertrag, nachdem die Abschreibung in richtiger Höhe bewirkt ist. Mögen nun diese Abschreibungen, wie es am besten wäre und wie es bei Aktien.Gesellschaften vielfach geschieht, zu einem Fond an gesammelt und zinsbar angelegt werden, um aus denselben die nöthigen Erneuerungen und Amortisationen vornehmen zu können, oder mögen solche im Geschäftsbetriebe als Betriebskapital oder sonstwie Be nutzung und Verwendung finden; — in jedem Fall sind und bleiben sie meiner Auffassung nach Vermögen, welches bei Vermögensnach weisen mit anzugeben ist, und in dem Falle, dass die Abschreibungs beträge, wie es meistentheils geschieht, im Geschäftsbetriebe mit ver wendet worden sind, von demselben garnicht getrennt werden können. Ich halte daher die in Ihrem geschätzten Blatte auf Punkt 3 ge gebene Antwort dahingehend, dass der abgeschriebene Betrag als verloren zu betrachten und verschwunden sei, in diesem Sinne nicht für zutreffend. Dies wäre nur der Fall, wenn der Geschäftsbetrieb nicht einmal einen solchen Ertrag geliefert hätte, dass die Abschreibung aus demselben möglich wäre. Das bei Beginn eines Geschäftsjahres durch die vorhergehende Inventur nachgewiesene Vermögen ist gewiss am Schlüsse des Geschäfts jahres um die stattgefundene Abnutzung vermindert, wird aber dadurch ergänzt, dass ein dieser Werthverringerung entsprechender Betrag als Abschreibung vorweg aus den Geschäftserträgnissen dafür angewiesen und damit das Vermögen intakt erhalten wird, vorausgesetzt, dass der Geschäftsbetrieb hierzu genügenden Ertrag ergeben hat. Jeder vorsichtige Fabrikant wird daher diese Abschreibung nur nach sorgfältiger Prüfung und keinesfalls zu niedrig vornehmen. Feld- und Wiesengrundstücke erfordern Abschreibungen nicht, weil diese bei ordnungsgemässer Bewirthschaftung keine Werthverminderung erleiden. Die Steuerbehörde hat kein Interesse daran, dass die Abschreibungen zu niedrig gemacht werden, denn die Summe, von welcher abzuschreiben ist, verringert sich mit jeder Abschreibung, und das Unternehmen wird um so gesünder und steuerkräftiger, je mehr es sich durch Ab schreibung festigt. Leider scheinen gar manche Fabrikanten darüber noch nicht ganz klar zu sein, dass es keinen Reinertrag giebt, bevor für Abnutzung und Verbrauch ihrer Anlagen und für Amortisation ausreichende Ab schreibungen gemacht sind, denn sonst würde nicht mitunter zu Preisen geliefert, bei denen weder Abschreibungen für Abnutzung und Amortisation noch angemessene Zinsen für das Anlage-Kapital berechnet sein können. Bei der grossen Wichtigkeit, welche die Abschreibungen für Ab nutzung und Amortisation für einen gesunden Geschäftsbetrieb haben, glaubte ich, dass eine ausführliche Beantwortung der gestellten Fragen nützlich seig und habe solche nach bestem Wissen versucht. Christian Braun. Wir danken verbindlichst für vorstehende klare Richtig stellung unserer Antwort in Nr. 26. D. Red. Neu patentirte alte Erfindungen. Alles ist schon dagewesen. Nur ist es eigenthümlich, dass solche schon dagewesenen Dinge auch patentfähig sind. Ich will nur aus letzter Zeit Einiges hervorsuchen. In Nr. 24, Seite 694 der Papier-Zeitung wird als Erfindung D. R. P. 66 270 eine Lagerung des Walzenschabers für die Gautsch presse an Papiermaschinen beschrieben. Es soll eine neue »Aus führungsform des durch Patent Nr. 54939 geschützten Walzen schabers« sein. Das Patent Nr. 54939, ertheilt an Wilhelm Kittner in Antonsthai bei Schwarzenberg anfangs 1891, beschrieben in der Papier-Zeitung Nr. 54, vom Jahre 1891, Seite 1400, ist aber gerade so wenig wie das D. R. P. 66270 etwas Neues. Mit 18. September 1887 erhielt schon Oskar Koletzky in Rudnia, Gouvernement Volhynien in Russland, ein österreichisches Patent auf einen Walzenschaber, der aus einer Gummiwalze be steht, welche » durch Vermittlung von Kautschukeinlagen, die aber auch etwa durch Federn ersetzt werden könnten«, (siehe Dinglers Polyt. Journal 1888, Seite 102) an die obere Gautschwalze an gepresst wird. Also war etwa 31/2 Jahre vor dem Kittner’schen Patente die elastische Anpressung eines solchen Walzenschabers patentirt. Mir aber ist auch bekannt, dass vor dem Jahre 1887, also vor dem Koletzky’schen Patente, bereits solche Walzenschaber mit bestem Erfolge in Verwendung waren. Auf Tafel IV des Dropisch’schen Werkes »Die Papiermaschine« (Braunschweig 1878, bei Fr. Vieweg & Sohn) ist eine Kartonmaschine abgebildet, welche bereits eine in Schlitzlagern verschiebbare Walze statt des festen Schabers auf der oberen Gautschwalze hat. Also war das Ding im Jahre 1878 auch schon veröffentlicht. Die einfache Walze mit elastischer Anpressung war also, wie gesagt, zur grössten Zufriedenheit schon viele Jahre vor allen diesen Patenten in Verwendung. Die später dazugekommenen und in den zwei letzterwähnten Patenten vorkommenden separaten Schaber an der Schaberwalze, wie auch das Schiff (Trüg') sind, wie ich glaube, keine Verbesserungen. Ich halte sie für überflüssig und bin fest überzeugt, dass das Zugehör selbst von Denjenigen, welche die patentirte Bauart verwendeten, später entfernt wurde, es sei denn, dass man es mit sehr mangelhafter Arbeit an der Papiermaschine zu thun hätte, die nicht ernst zu nehmen wäre. In Nr. 1, Seite 10 (1893) der Papier-Zeitung wird eine Schnür zange, patentirt unter D. R. P. 65773, beschrieben, und ich komme darauf, weil davon wieder unter Frage 354 in Nr. 26, Seite 770 (1893), Erwähnung gethan wird. Diese Schnürzange ist aber nur die in Hofmann’s Handbuch der Papierfabrikation, Neue Auflage, Seite 1047 und 1048 beschriebene Schnürzange. Die patentirte Zange ist bloss einerseits offen und hat einen Hubbegrenzungsstift. In Wirklichkeit ist sie bloss eine Aenderung der oben erwähnten Zange. Das Prinzip, dessen Ausführung, die Handhabung sind genau dieselben. Mir gefällt diese jüngste Ausführungsform; ob aber damit auch etwas wirklich Besseres, oder wenigstens Neues geschaffen ist, will ich nicht entscheiden. Das scheint Geschmack sache zu sein. Ist aber das Alles patentfähig? Wenn es nun Jemand einfallen würde, die offene Klaue der patentirten Zange anstatt, wie in der Abbildung zum Patente nach links, nach rechts zu stellen, wäre das noch einmal patentfähig? Das scheint noch offene Frage zu sein. In Nr. 4, Seite 122 vom Jahre 1893 des Centralblatts für die österreichisch-ungarische Papierindustrie wird unter »Technische Notizen, Verbesserung an Kollergängen« eine Ausführungsform erwähnt, die »ein Amerikaner jetzt in Anwendung gebracht hat« um verschiedenen Mängeln dieser Maschine zu begegnen. Diese Ausführungsform wird aber schon fast ein Dutzend Jahre gebaut, und die Maschinenfabrik von Escher, Wyss & Co., Filiale Baden, hat dies in der folgenden Nummer Seite 156 der erwähnten Zeit schrift auch zurechtgerückt. Nun ist aber auch noch der Kollergang, bei welchem die Steine in Kurbeln gelagert sind, im Hofmann’schen Handbuch, neue Auflage, Seiten 503, 505 und 506 beschrieben und abgebildet. Und das Alles ist einem »Patent- und technischen Bureau von Richard Lüders in Görlitz«, von welchem die Mittheilung in Nr. 4 des Centralblatts stammt, unbekannt? Wenn solch einem »Patent bureau« eine unwesentliche Aenderung von kleinen Einzelheiten an einem Tintenfass, Bleistiftspitzer, Cravattennadel oder Stiefelzieher entgeht, so ist es zu entschuldigen, wenn ihnen aber solch ein Lapsus bei einem so ernsten und mannigfaltig verwendeten Ding, wie es ein Kollergang ist, passirt, so ist das sehr eigenthümlich, und man muss sich unwillkürlich fragen, mit was sich eigentlich ein » Patent bureau « beschäftigt. (Mit der Beschaffung von Patenten für Solche, die ihm Aufträge ertheilen. Man kann von Patent-Agenten nicht erwarten, dass sie alle in dem grossen Gebiet der Industrie auf tauchenden Neuerungen kennen. D. Red.) Und so könnte man über sogenannte Erfindungen weiter Dinge erzählen, die vielleicht geeignet wären, eigene Gedanken über Erfindungsschutz, und was drum und dran ist, hervorzurufen. R. Jeder ist seines Glückes Schmied. Nur haben leider die Meisten gerade dieses Handwerk nicht gelernt.