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1546 PAPIER-ZEITUNG No 52. neugebaut und wird betrieben durch Wasserkraft eines kleinen Niagarafalls von etwa 9000 Pferdestärken. Tägliche Produktion etwa 1400 Centner Papier mit 7 Maschinen. Die chemische Abtheilung wird von einem Süddeutschen, Meurer, geleitet, welcher mich sehr freundlich aufnahm und mich führte, nachdem ich mich dem Oberleiter und Mitbesitzer Curtis vorgestellt hatte. Mit der grossen Produktion der amerikanischen Fabriken steht auch der Verbrauch der Zeitungen in Einklang, so braucht die Chicago Tribune z. B. täglich 600 Centner Rotationsdruck, die New Yorker »World« über 800 Centner. Dies ist nicht zu verwundern, wenn man bedenkt, dass jeder Arbeiter, jede Arbeiterin, sogar die Jungen gegen Abend ihre Zeitung lesen. Das Zeitungswesen blüht hier zu Lande wie nirgends auf der Welt. Infolgedessen können die Blätter auch zu sehr billigem Preise, meist 1 Cents per Nummer von 8 und mehr Seiten geliefert werden. Das amerikanische Zeitungspapier ist mit unserm deutschen nicht zu vergleichen, die Güte ist viel geringer, ich glaube, dass man derartig schlechtes Papier bei uns nicht kaufen würde. Trotz der theuern Arbeitslöhne und in Anbetracht dessen, dass das Holz für Schleifereizwecke schon jetzt mehrere hundert englische Meilen weit aus Canada hergeholt werden muss, ist der Preis für Rotationsdruck doch sehr billig und unserm fast gleich. Dagegen bestehen für holzfreie Bücherpapiere, wie sie Holyoke fertigt, sehr hohe Preise (2 M. 50 Pf. bis 3 M. das Kilo gramm). Der Amerikaner legt für solche Sorten mehr an, und man muss zugestehen, dass die holzfreien Papiere von sehr guter Qualität und Reinheit sind. Die deutschen Mittelsorten kennt man fast garnicht. Auf meiner Weiterreise berührte ich noch Niagara Falls, das Eldorado amerikanischer Naturschönheiten, hier trifft auch die amerikanische Redensart »the largest in the world« thatsächlich zu. Es ist ein herrlicher Aufenthalt an den Fällen, und zum grossen Vortheil für die Anlagen haben die amerikanische und canadische Regierung den Grund und Boden zu beiden Seiten erworben, um ihn in seiner Ursprünglichkeit zu erhalten. All jährlich wird viel Geld für Verbesserung der Parkanlagen auf gewandt. Die noch vor 5 Jahren bestehenden Fabriken auf den Inselchen in den Stromschnellen vor den Fällen sind abgebrochen und weiter stromabwärts verlegt. Wie mir scheint, sollen nach und nach auch diese verschwinden und oberhalb des Falles an den Erie-See (etwa 5 km) verlegt werden, wo jetzt der lange Tunnel nach dem untern Theil im Bau begriffen ist. Wie be kannt, werden durch diese Wasserkraft-Anlage etwa 150000 Pferde stärken nutzbar gemacht; noch in diesem Jahr soll der Bau be endet werden. Eine Papierfabrik ist daselbst schon im Betrieb, vorläufig mit Dampf, später Wasserkraft, etwa 3300 Pferdestärken für Holzschleiferei und zum Betrieb. Die starke Anzapfung des Niagara thut diesem aber wenig Eintrag; es werden auch Jahre vergehen, bis die projektirten 150000 Pferdestärken nutzbar ver- werthet werden können, grosse elektrische Anlagen sind geplant. In Niagara Falls wird nur Druckpapier hergestellt. Von Niagara Falls reiste ich direkt nach Chicago und habe etwa 8 Tage lang täglich die Ausstellung besucht. Um nur einigermaassen ein Gesammtbild von ihr zu bekommen, ist diese Zeit erforderlich; sie hat eine ungeheure Ausdehnung (etwa 4—5fache Flächen-Ausdehnung der Pariser 1889). Die Gesammt-Anordnung der Ausstellung ist geschmackvoll, der Aufenthalt angenehm, da meist eine kühlere Luft vom Michigan-See herweht, während die Stadt Chicago stets in eine dichte Rauchwolke gehüllt ist und im übrigen den an Sauberkeit gewöhnten Deutschen durchaus nicht gefallen kann. Man muss allerdings an amerikanische Städte einen andern Maassstab legen und bedenken, mit welcher fabelhaften Schnelligkeit dieselben wachsen. Die Verwaltung kann damit nicht gleichen Schritt halten. In der Ausstellung dagegen ist viel Geschmack entwickelt worden, deutsche Künstler haben wesentlich hierzu beigetragen. Das, was geboten wird, ist natürlich sehr reichhaltig, Deutschland nimmt die erste Stelle ein, sowohl was die Kunst betrifft, als auch in industrieller Beziehung. Das »deutsche Haus«, am See ge legen, ist ein Schmuckkästchen. Vom Papierfach fand ich wider Erwarten recht wenig. Trotz grosser Mühe und vielen Erkundigungen konnte ich von deutschen Ausstellern nur die Zellstoff-Fabrik Waldhof entdecken (nach dem amtlichen Katalog sind mehrere Papierfabriken und die Vereinigten Strohstofffabriken vertreten), welche einen recht ungünstigen Platz auf der Hinterseite des deutschen Hauses erhielt. Genannte Fabrik stellt den Zellstoff in verschiedenen Stadien, vom rohen geschnitzten Holze bis zum fertigen Fabrikat, aus, die Lösungen, Ablaugen (condens.) in Gläsern, Papier (farbige satinirte Umschlag- und Packpapiersorten) in Rollen. Von amerikanischen Firmen haben ausgestellt: Whiting paper Co., Holyoke (auf der Galerie des manufact. building), sehr ge schmackvoll ausgestattete Briefpapiere und Umschläge in Kassetten, Riesen und Taschen, auch buntfarbig. — Hurlbut Paper Co. South Lee, Mass., photographische Papiere und Handpapiere (geschöpft), künstlerisch ausgestattet. Diese Fabrik ist die einzige in Amerika, welche photographische Papiere herstellt. — Patterson Parchment Paper Co., Passaic, New Jersey, fettdichtes vegetabilisches Per gamentpapier. — Brown Paper Co., Adams, Mass., gute holzfreie Bücherpapiere. — Byron Weston Co., Dalton, Mass., Bücher- Papiere. — Die Fabriken von Crane Brothers, Westfield, Mass., sowie C. & W. M. Crane, Dalton, und Crane Co. haben Banknoten- Papieer, letztere das für die amerikanische Regierung farbig und weiss angefertigte, ausgestellt. — Crane Bros, zeigen ausserdem einige Kuppeltheile aus Papiermache'. — Vertreten ist dann noch die Scott Paper Co., Philadelphia, mit Flaschen- und Klosetpapieren und die National Paper Board Co., Ohio, mit doppelseitigen farbigen Papieren und Kartons. Ein recht hübsches einheitliches Arrangement auf einem Holz gestell, in altnorwegischem Geschmack bunt bemalt, zeigen die nor wegischen Zellstofffabriken: Moss Cellulosefabrik, Skien Cellulose fabrik, Skotselven, Hunsfos, Ranheim, Bohnsdalen u. A. Dieselben sind theilweise auch mit Papieren vertreten; man bekommt da eine ganze Sammlung Handmuster zusammen. Italien ist vertreten durch Pietro Miliani, Fabriano, mit Staats papieren, theilweise geschöpften, mit einer grossen Anzahl sehr guter Wasserzeichen (eingerahmt), und mit feinen holzfreien, leicht getönten Papieren. — Die Cartiera Reali, Venezia, stellt farbige Einschlagpapiere in Rollen aus. Schweden erscheint in seinem National-Gebäude, nach Art der altschwedischen Kirchen aus Holz aufgeführt, im Papierfach mit folgenden Ausstellern: Holmens Bruk Actie-Bolag, Norköping, Beklebepapiere, roth, blau, weiss, für Streichholzschachteln, auf schmalen Rollen. — Munktells Pappers Fabriks Actie-Bolag. Grycksbo, Filtrirpapiere, sehr hübsch zusammengestellt. — Munksjö Pappersbruk, Zeilstoff-Einschlagpapiere. Von österreichischen Papierfabriken ist besonders hervorzuheben Leykam-Josephsthal, welches einen mit grossem Geschmack aus gestatteten Pavillon im Industriegebäude errichtet hat und darin holzfreie Papiere in verschiedenen Qualitäten ausstellt und graphi sche Darstellungen von seinem Export nach den verschiedenen Ländern giebt. Die jährliche Erzeugung beläuft sich auf 16000 Tons Papier, 10 000 Tons Sulfitzellstoff, 5000 Tons Holzstoff usw. — Piette in Freiheit stellt farbige Blumen-, Cigaretten- und Schreib papiere aus..— Neusiedl zeigt geschöpfte Handpapiere, Kupfer druck-, Banknoten- und Normalpapiere. — Schlöglmühl bringt geschöpfteWechselformulare, Briefpapiere, Schreib-, liniirte Papiere, Telegraphenrollen und 2 grosse Rotationsrollen zur Vorführung. Von der Papiermaschinerie sind nur eine Langsiebmaschine mit Holländer, welche demnächst in Gang kommt (Beloit iron works, Beloit, Wise.) und einige Kalander vertreten. Das Buchdruck- Maschinenwesen, hauptsächlich für Zeitungsdruck, ist gut re- präsentirt, so z. B. durch Hoek & Co., New York. Betreffs der hiesigen Wohnungsverhältnisse, worüber in Deutsch land vielfach falsche Nachrichten verbreitet sind, theile ich mit, dass man in Privatlogis für die Woche 5—8 Dollar ohne Be köstigung zahlt, und sowohl nahe der Stadt als auch an der Aus stellung noch viele Logis findet; man trifft sogar eine grosse Anzahl deutscher Familien, welche vermiethen. Dagegen sind die Hotels in der Stadt grösstentheils besetzt. Die Preise sind aber auch in diesen nicht übertrieben, man muss nur berücksichtigen, dass man in Amerika lebt. Z. B. zahle ich für ein gutes Zimmer ohne Beköstigung im Wellington Hotel, sehr bequem nahe dem See und der Abgangsstation für Dampfschiffe und die Expresszüge nach der Ausstellung (15 Minuten) gelegen, 3 Dollar den Tag, vor Eröffnung der Ausstellung kostete dieses Zimmer 2 Dollar. Bei Benutzung der Zimmer zu Zweien besteht nur eine kleine Erhöhung. In der Ausstellung kann man für je eine Mahlzeit etwa 1 Dollar rechnen, selbstredend kommt man beträchtlich billiger fort, wenn man sich entsprechend einrichtet. Kleine Nebenkosten verursachen die Schaustellungen, wie ausländische Theater, Konzerte, meist aber nur je 25 Cent, sodass man mit einigen Dollars ziemlich weit herumkommt. Eine Fahrt zu Wasser auf den Bassins mittels elektrischen Bootes und eine solche mit der elektrischen Hochbahn sollte man nicht versäumen. Besonders erstere, etwa 1 Stunde dauernd, ist sehr angenehm und interessant. J. Wiede, i. F. Joh. Wiede, Rosenthal, Reuss j. L.