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No. 49. PAPIER-ZEITUNG. 1455 Urania-Säulen. (Schluss, zu Nr. 48.) Den in voriger Nummer veranschau lichten Reklamebildern, die in den Urania- Säulen ihren Platz gefunden haben, fügen wir nachstehend in Fig. 7 noch das wirk same Plakat der Berliner Morgen-Zeitung in Abbildung bei. Äusser diesen Plakaten enthalten die Säulen noch manches anziehende Schaustück, von denen sich jedoch nur die wenigsten zur Nachbil dung eignen. Die gegebenen Beispiele werden aber auch genügen, die Art der hierbei beliebten Ausstattung in bester Weise darzuthun. Fig- 7. oder flachrunder Tiefpressung, sind einige Tafeln vollständig aus geführt. Auch bei den die kleinern Felder füllenden Tafeln wird vom Buchbinder-Prägedruck in umfassender und wirksamer Weise Gebrauch gemacht. Neuerdings hat der von der Gesellschaft eingeführte Brauch bei den Plakat-Ausstellern Anklang gefunden, wonach eine und dieselbe Darstellung an vier Stellen, welche den von der Gesell schaft eingerichteten vier Bezirken der Stadt entsprechen, gleich zeitig ausgestellt wird. Alle Wochen erfolgt ein Austausch, und das Schaubild wandert in sieben Wochen durch alle Urania- Säulen seines Bezirks, diejenigen der andern Bezirke natürlich in derselben Weise. Der Wechsel der Ausstellungsgegenständeisteine der wichtigsten Voraussetzungen der Wirksamkeit dieser Einrichtung. DasPublikum darf sich nicht an die Gleichartigkeit des Anblicks gewöhnen, sondern muss möglichst oft »etwas anderes« zu sehen bekommen. Zur Instandhaltung der zarten mechanischen Einrichtungen und zum Wechseln der Tafeln hält die Urania-Säulen-Gesellschaft ein geschultes Personal, meist aus ehemaligen Soldaten bestehend, die an Pünktlichkeit und strenge Gewissenhaftigkeit gewöhnt sind. Die augenblickliche Vertheilung der Tafeln ist in den Räumen der Leitung jederzeit aus kleinen Modelltafeln ersichtlich, die eben so viel Ausschnitte haben, als an einer Säule Flächen zur Verfügung stehen. Der Preis für die Ausstellung einer Tafel grossen Formats für je eine Säule und Woche beträgt 30 M. Die übrigen Flächen kosten, je nach der Grösse, 10 und 5 M. für Säule und Woche. Die Höhe dieses Preises wird erklärlich, wenn man sich ver gegenwärtigt, dass für jede Säule annähernd 800 M. jährlich für Be leuchtung gezahlt werden, obschon die Gesellschaft nur den In dustriepreis für das verbrannte Gas entrichtet, und dass die Ge- sammtkosten für jede Säule alljährlich etwa 3000 M. betragen. Die Besprechung der Säule wäre unvollständig, wenn nicht auch dem für den Strassenverkehr wichtigsten Theil derselben, der Uhr, einige Worte gewidmet würden. Da die Uhren nicht von einer Centralstelle aus betrieben, sondern nur von einer solchen aus geregelt werden, so besitzt jede eine gewisse Selbständigkeit. Wenn diese Selbständigkeit voll kommen wäre, so würde angesichts der ungemein stark ein wirkenden Witterungs-Einflüsse die Herrlichkeit zuverlässiger Zeit bezeichnung bald vorüber sein. Die Urania-Uhr ist daher nicht völlig selbständig, sondern wird von einer irgendwo in der Nähe in einem Privathause aufgestellten grossen und zuverlässigen Re gulator-Uhr »gegängelt«. Die Urania-Uhr geht immer einige Sekunden vor und wird allstündlich durch eine geistreich erdachte elektrische Verbindung mit ihrer Leiterin in genaue Ueberein stimmung gebracht. Grössere Fehler in der Zeitangabe werden telegraphisch sofort in den Geschäftsräumen der Gesellschaft gemeldet, und gleichzeitig rollt ein Stoffstreifen vor der Uhr herab mit der Inschrift »Äusser Betrieb«. Der Umstand, dass stets nur die verhältnissmässig kleine Zahl von 28 Ausstellungsstücken benöthigt wird, hat zur Folge ge habt, dass die meisten Plakate nicht mittels eines unserer mo dernen Druckverfahren hergestellt werden, sondern dass meist eine Mischung der verschiedensten Techniken zur Anwendung kam. Einige Bilder sind ganz gemalt, bei andern Darstellungen wird der grundlegende Druck durch Malerei vervollständigt. Die Verzierungen erhalten gelegentlich eine wirksame Ergänzung durch gestanzte und geprägte Bleche, durch Ziernägel und Beschläge, und auf diese Weise ergiebt sich eine wirksame Ver schmelzung der Druck-Industrie mit der dekorativen Kunst. Nicht selten sind die Firmen, welche von der Reklamekraft der Urania-Säulen Gebrauch machen wollen, schon im Besitz ge eigneter gedruckter Plakate oder grosser photographischer Auf nahmen, deren Verwendung an den Säulen sie wünschen. In diesem Falle werden die gelieferten Schaubilder dem Formate der Säulenflächen dadurch angepasst, dass sie auf Leinwand ge zogen und hinter einem »Passepartout«-Rahmen aus farbig oder goldig bestrichener Pappe angeordnet werden. Durch Aufträgen von Goldbronce von der Leinwand her auf das gelieferte Bild wird eine Verbindung beider Theile hergestellt, welche nach er folgter Eintragung gut eingepasster Schriftzeilen in den das Bild umgebenden Raum das Ganze als einheitliches Kunstwerk er scheinen lässt. Die Schriftzeilen werden auch nicht selten durch geschliffene Glas-Goldbuchstaben dargestellt, wie sie bei Firmen schildern zur Verwendung kommen. Aber nicht allein die Malerei und der Farbendruck spielen auf den Urania-Plakaten eine Rolle, sondern auch der buch binderische Golddruck. In dieser Technik, und zwar in eckiger Jede Urania-Uhr hat zwei Zifferblätter gewöhnlicher Art, die, einander gegenüberstehend, so gerichtet sind, dass der Vorüber kommende sie bereits in einer Entfernung von etwa 50 Schritten erkennen kann. Ausserdem ist aber noch ein drittes Zifferblatt vor handen, welche die Weltzeit angiebt. Den vierten Platz nimmt eine sich drehende, halb gelb, halb schwarz gehaltene Mondkugel ein, welche die Mondphasen angiebt. Die Urania-Säulen stehen sämmtlichü bereck zur Strasse, so dass von einer Vorder- und Rückseite eigentlich nicht gesprochen werden kann, sondern alle Seiten schon bei der ursprünglichen Anordnung der Schaubilder annähernd gleichwerthig sind. Ein vollständiger Ausgleich wird dadurch geschaffen, dass die grossen, an einer drehbaren Trommel befestigten Schaubilder alle Minuten ihre Stellung verändern. Die hierzu erforderliche Kraft liefert der Wasserdruck der städtischen Wasserleitung. Die übrigen Schaustellungen werden alle Morgen an eine andere Stelle der selben Säule gebracht, je nach Abmachung auch gleich den grossen Bildern von Säule zu Säule gewechselt. Die Errichtung der Urania-Säulen wird im allgemeinen vom Berliner Volke als eine wohlthätige und dankenswerthe That empfunden. Die in der ersten Zeit überaus rege Neugier ist freilich vermindert, und wer der Urania-Säule eine recht gründ liche Betrachtung zu Theil werden lässt, kennzeichnet sich damit sofort als Provinzler«. Aber jeder Strassenwanderer wirft doch gelegentlich einen freundlichen Blick namentlich auf die Dar stellung des Haupttheiles, der sich drehenden Trommel; und die Lieferer oder Besteller der kunstvollen Tafeln dürfen die Genug- thuung haben, dass von dem strassenbelebenden Theil der Berliner Jeder ihre Namen kennt, — und mehr wollen sie ja nicht. A. H,