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1454 PAPIER-ZEITUNG. No. 49 Berliner Typographische Gesellschaft. Die Satzschliesser von C. Jesinghaus, Düsseldorf, wurden vorgelegt und besprochen, fanden aber in der Versammlung wenig Freunde. Die überstehenden Ohren seien bei jeder Art von Satz hinderlich, auch sei starkes Rosten unausbleiblich. Als weitere Neuheit gelangten Perforirlinien von J. G. Scheiter & Giesecke zur Vorlage. Die Linien bestehen aus Nonparel starken Messingstücken, in welche kurze Stahlstifte so eingetrieben sind, dass sie kammartig vorstehen. Die Stifte sind obenauf glatt geschliffen und drücken sich beim Abdruck in das Papier ein, so den Anschein einer Maschinen-Perforirung machend. Es werden also keine Löcher aus geschlagen, sondern nur runde Eindrücke erzeugt, die den Verband des Papiers lockern und gutes Abreissen an der betreffenden Stelle bewirken. Das Verfahren von Husnik & Häusler, Prag, Autotypieen mittels gelieferter Gelatine-Reliefs zu drucken, um auf diese Weise die Kraft zurichtung zu ersparen, veranlasste eine längere Erörterung. Man war allseitig der Meinung, dass eine solche Erleichterung des Druckes von Autotypieen wohl annehmbar sei, dass aber doch der Preis der Reliefs, ihre Haltbarkeit und vor allem ihre Beständigkeit Punkte seien, über die man sich erst noch verständigen müsse. Ehe man sich weiter über diese Sache äussert, soll der praktische Versuch abgewartet werden, den die Papier-Zeitung nach dem gedachten Verfahren anzustellen vor hat. Herr Smalian hielt hierauf einen Vortrag über Signaturen, der sich in der Hauptsache auf der in Nr. 32 der Papier-Zeitung gegebenen Grundlage bewegte: eine gute, griffige runde Haupt-Signatur und Unter scheidung der verschiedenen Arten durch eingehobelte Neben-Signaturen. Wir werden auf diesen Vortrag noch zurückkommen.. Obwohl auch ab weichende Meinungen geäussert wurden, stimmte die Versammlung doch im allgemeinen dem Vortragenden zu. Es kann sich bei dieser Frage doch immer nur um Normen handeln, die für Durchschnitts-Verhältnisse aufgestellt werden müssen. Besondere Druckereiverhältnisse werden stets eine Abweichung hiervon bedingen, wobei man sich jedoch mög lichst an die Norm halten sollte. Die Papier-Zeitung wird diesen Gegen stand weiter verfolgen. Für das im Juli geplante Sommerfest der Gesellschaft wurde ein Ausschuss von drei Mitgliedern gewählt, und beschlossen, etwa 50 M. aus der Kasse dazu beizutragen. Ausstattung von Schulbüchern. In Nr. 41 brachten wir den Erlass des preussischen Kultus ministers, die Druck-Ausstattung von Schulbüchern betreffend. Da der Minister auf die Forderungen der Schul-Gesundheitslehre von Eulenberg und Bach sich bezieht, so lassen wir den Theil dieser Schrift, der vom »Lesen« handelt, hier stark verkürzt folgen: »Das Lesen eines Buches erfordert deutlichen schwarzen und ge nügend grossen Druck auf gutem Papier. Um billige Schulbücher herzustellen, hat man nicht selten die hygienischen Anforderungen hintangestellt. Die letzteren beziehen sich zunächst a. auf die Buchstabengrösse. Auf der Spitze der Typen, welche die Gestalt eines Kegels (!) haben, befindet sich der Buchstabe (!), nach dessen (!) Grösse der Buchdrucker Petit, Borgis, Korpus, Cicero, Mittel und 'Pertia unterscheidet. (Wieviel technischer Unsinn in diesen wenigen Zeilen! Konnte nicht der Drucker des Buches die gelehrten Verfasser zurechtweisen! D. Red.) Die zulässige Kleinheit einer Schulbuchschrift soll nach Cohn nicht unter 1,50 mm betragen. Wir möchten uns mehr dem »Elsasser Gut achten « anschliessen, welches eine durchschnittliche Grösse von 1,75 mm für die Bücher der untern Klasse als untere Grenze betrachtet, während für die obern Klassen sich diese Grösse zwischen 1,75 und 1,50 mm bewegen kann. Die Strich-Elemente des Buchstabens müssen eine Dicke von wenigstens 0,25 mm besitzen; das kleine n soll demnach eine Höhe von 1,75 mm und eine Breite von wenigstens 1 mm haben, sodass auf jeden der beiden senkrechten Striche 0,25 mm und auf den freien Raum zwischen ihnen 0,5 mm kommt. b. Der Raum zwischen benachbarten Buchstaben darf nicht unter 0,5 mm betragen. c. Der Abstand der Zeilen von einander darf nicht zu gering sein, weil sonst das Lesen sehr erschwert wird, und der Uebergang vom Ende einer Zeile zum Anfang der nächstfolgenden schwieriger ist. Allgemein wird ein Abstand von 2,50 mm empfohlen; wir würden einen solchen von wenigstens 3 mm in den untern Klassen für zweckmässiger halten. d. Die Zeilenlänge darf 100 mm nicht überschreiten. Unzweifel haft wird eine Druckschrift um so schwieriger lesbar, je länger die Zeilen sind. Das Elsasser Gutachten empfiehlt 80 bis 90 mm für Schul bücher als Normallänge und legt mit Recht auch auf einen breiten weissen Rand zu beiden Seiten des Druckes besondern Werth, weil er eine breite, gegen den Druck abstehende Fläche schafft und das Ueber- springen auf die folgende Zeile wesentlich erleichtert. Javal hat auch einen physiologischen Grund angeführt, welcher gegen die Verlängerung der Zeilen über 100 mm spricht: bei Kurz sichtigen mittlern und höhern Grades sei der Unterschied in der Ent fernung der Zeilenmitte einerseits und der Zeilen-Enden anderseits vom Auge eine nicht zu vernachlässigende Grösse: derselbe erfordere steten Wechsel der Anpassung, den man bei Kurzsichtigen sorgfältig vermeiden müsse; bei langen Zeilen werde er stets beträchtlicher ausfallen, als bei solchen von mittlerer Länge. e. Ein fetter, scharfkantiger Druck und eine recht dunkle Drucker schwärze soll die Buchstaben zum richtigen Ausdruck bringen. Nichts ist nachtheiliger für das Sehvermögen, als blasser, undeutlicher Druck. Deshalb darf auch die Dicke des Papiers nicht weniger als 0,075 mm betragen, seine Farbe sei weiss oder mattgelb. Am gefährlichsten für das Auge sind in höhern Klassen die Wörter bücher, bei denen man vorherrschend Perl-Fraktur (?), die kleinste Schrift, antrifft. Wenn irgendwo, so ist bei diesen eine Abhilfe geboten. Buchstabengrösse, Buchstabenweite und Zeilen-Abstand müssen so viel wie möglich den oben erörterten Anforderungen entsprechen, widrigen falls häusliche Beschäftigungen, bei denen die Wörterbücher fast aus schliesslich benutzt werden, alle Normativ-Bestimmungen hinfällig machen. Die Frage, ob die sogenannte Frakturschrift dem Auge schädlicher sei als die lateinische Schrift, die Antiqua, wird vielfach zu Ungunsten der erstem beantwortet. Dass Völker, welche sich der Antiqua be dienen, deshalb weniger an Kurzsichtigkeit leiden, ist eine nicht er wiesene Annahme. Namhafte Augenärzte sind der Ansicht, dass es für das Auge von keiner wesentlichen Bedeutung sei, ob es sich beim Lesen eines Buches um Fraktur oder Antiqua handele, vorausgesetzt, dass die Buchstaben von ausreichender Grösse, scharfem Druck und frei von unnöthigen Schnörkeln sind, dass ferner ein Abstand des Auges vom Buche mindestens 30—35 cm eingehalten wird. Es macht einen sonderbaren Eindruck auf den Fachmann, wenn eine Schrift mit sovielen technischen Irrthümern als Grundlage genommen wird, um daraufhin Drucker und Verleger zu verpflichten. Dass die Verfasser sich in drucktechnischer Beziehung als sehr wenig unterrichtet zeigen, ist schon weiter oben (bei a) ge sagt; es wird auch ferner (wir haben dies geändert) behauptet, der Abstand zwischen zwei Buchstaben heisse »Approche« usw. Hierfür wird eine Mindestweite von 0,5 mm gefordert, ohne dass ausgeführt wäre, wie die Normalweite sein muss. Eine Schrift kann nach so unvollständigen Ausführungen hergestellt und doch sehr undeutlich sein. Sämmtliche Zahlenangaben sind höchst anfechtbar. Als Grundlage müsste aufgestellt werden: Die Höhe des kleinen n soll das Anderthalbfache oder Eindreiviertelfache seiner Breite betragen, mindestens aber 1,75 mm zu 1 mm. Statt 0,5 mm für den Buchstaben-Abstand festzulegen, müsste es heissen: Der Abstand zwischen zwei n darf keinenfalls kleiner sein, als die innere Weite des Buchstabens beträgt. Es fehlt ferner jede An gabe über das Verhältniss der grossen zu den kleinen Buchstaben, welche doch für Normativ-Bestimmungen unerlässlich ist. Die Dicke der Grundstriche hätte ebenfalls in Verhältnisszahlen vor geschrieben werden müssen, also: Die Grundstriche eines Buch stabens sollen sich in der Dicke zu der innern Weite des Buch stabens verhalten wie 1 zu 2, oder dergleichen. Gleichfalls technisch verfehlt ist die Bestimmung über die Papierdicke. Die Verfasser wollen verhindern, dass das Papier durchsichtig sei, und sagen: »deshalb darf auch die Dicke des Papiers nicht weniger als 0,075 mm betragen« usw. Es kommt doch hierbei weniger auf die Dicke des Papiers an, als auf Stoff- Zusammensetzung und Bereitung. Dickes Papier kann unter Umständen durchsichtig sein, dünnes nicht. Ueber diesen Punkt hätte man doch vorher Papier-Fachleute befragen sollen, ehe man solche Weisheit in die Welt setzte. Darüber, ob das Papier für Schul-Lesebücher glatt oder rauh sein müsse, um den Anforde rungen der gelehrten Herren Augenhygieniker zu entsprechen, finden wir in den Darlegungen der Herren Eulenberg und Bach keine Angaben. Die Behörden sollten doch, statt sich über technische Dinge allein von gelehrten Leuten berichten zu lassen, deren Forderungen erfahrenen Fachleuten vorlegen, damit nicht schliesslich Verord nungen erfolgen, die dem Stande der Drucker und Verleger zur Last, der Sache aber nicht zum Segen gereichen. Amerikanischer Schriftgiesser - Trust. Wie vorauszusehen war, haben die amerikanischen Zeitungs- besitzer endlich gefunden, dass Ai^AmericanTypefoundersCompany aus ihrer Haut Riemen schneiden will. Nachdem sie Einblick in die Organisation dieser Vereinigung genommen und die letzten Zahlen- Uebersichten derselben mit frühem verglichen haben, erhebt sich plötzlich allgemeiner Aufstand gegen diesen Schriftgiesser Ring. Letzterer lässt zwar verbreiten, er sei kein »Trust« in des Wortes voller Bedeutung, aber es steht doch fest, dass die Ver einigung die gesammte Giesserei-Erzeugung theils direkt, theils durch die Macht seines Einflusses kontrolliren konnte, und dass er. die Preise bestimmt hat. Der Vortheil der Vereinigung war auf 100 pCt. gegen früher berechnet, ging aber durch falsche Maassnahmen grösstentheils wieder verloren. Der Unwille gegen den Trust ist so allgemein, dass Zeitungen und Buchdruck- Fachblätter die übrigen Drucker auffordern, nur bei denjenigen Giessereien zu kaufen, die dem Trust nicht angehören. Bei der Heftigkeit, mit der solche Kämpfe sich in Amerika abzuspielen pflegen, ist die Lage der Typefounders Co. recht bedenklich.