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808 PAPIER-ZEITUNG. No. 28. nicht aus, «lass im Laufe der Zeit die Ergiebigkeit der Grube abnahm, und zuletzt fast nichts mehr übrig blieb als unreiner Abfall. Der noch jetzt hier und da vorkommende Graphit aus diesen Gruben kann nur als Seltenheit betrachtet werden. Für Handel und Industrie hat demnach der einst so hochgepriesene Cumberland-Graphit wenig Werth mehr; er gehört in dieser Be ziehung der Vergangenheit und der Geschichte an. Die Herstellung der Bleistifte aus Cumberland-Graphit war sehr einfach. Der Graphitblock wurde in einzelne Theile zersägt und diese wieder in längliche Stäbchen, welche dann in Holz gefasst wurden. Die Fabrikation blieb über 100 Jahre auf diesem primitiven Standpunkt, selbst dann noch, als man Graphit auch in Deutschland, Böhmen, Spanien, Mähren, Steiermark fand. Jedenfalls setzte sich die Bleistiftfabrikation schon anfangs des 18. Jahrhunderts in Bayern fest. Wir wissen darüber so gut wie garnichts Sicheres. Nur eins ist zu berücksichtigen: Man fand auf dem Festland nicht die grossen Graphitblöcke wie in England, auch kein so reines Material, und musste zur Herstellung der Bleistifte andere Wege einschlagen. Statt einer Beschreibung der weiteren hierauf bezüglichen Ver suche will ich ein Bild der deutschen Bleistift-Industrie geben, wie es in »Sprengel’s Handwerk und Künste 1772« uns über liefert ist. Dieses Bild gründet sich auf die Angaben eines Blei stiftmachers Namens Matthias Schmidt, der von König Friedrich Wilhelm 1726 aus Schwabach nach Berlin berufen wurde, um die Bleistift-Industrie daselbst einzuführen. Ueber das angewendete Herstellungsverfahren wird Folgendes angegeben: • Der Bleistiftmacher verfertigt Bleistifte in Holz gefasst, ganz dem Aeussern ähnlich wie die englischen. Beim Gebrauch bemerkt man aber leicht, dass sie geringhaltig sind, besonders wenn man eine Spitze anschneiden will. Die Bleistifte sind folgendergestalt verfertigt: Der Bleiweissschneider zerstösst das Wasserblei in einem Mörser und ent fernt durch 2, 3 maliges Sieben die fremden, irdischen Theile, wie z. B. Sand. In einem Schmelztiegel wird hierauf auf jedes Pfund Wasserblei 1/ oder 1/3 Pfund Schwefel flüssig gemacht, man lässt das Ganze schmelzen, dann abkühlen. Man schüttet nun die noch nicht ganz trockene Masse auf ein Brett und drückt daraus mit den Händen eine Art Kuchen. Dieser Letztere muss völlig erkalten, ehe man ihn weiter bearbeiten kann. Der Bleistiftmacher zerschneidet den Kuchen zuerst mit der Laubsäge in kleine Platten und dann aus diesen mit demselben Werk zeug viereckige Bleistifte nach ihrer Grösse. Jeder Stift darf endlich nur noch in Holz eingesetzt werden. Der Künstler zerspaltet das Holz in ilie erforderlichen Stücke, höhlet die Falze oder Rinne, worin der Bleistift liegt, mit einem Stichhobel aus oder brennt sie mit einem heissen Eisen ein. Der Bleistift wird in diese Falze mit Tischlerleim eingesetzt und seine sichtbare Seite mit einem schmalen Stück Holz bedeckt. Die eine Seite des Stiftes, an der der Stift hervorspringt, verwandelt er mit einer Feile in eine zierliche Spitze. Zuletzt wird die ganze äussere Seite der hölzernen Kapsel mit Glas beschabet. Es scheint aber, als wenn der Bleistiftmacher noch einige Vortheile ver schwiegen hat, denn bei dem wohlfeilen Preis muss er diese Arbeit in sehr kurzer Zeit vollbringen. Das Dutzend kostet 8 Groschen.« Es ist kindlich rührend zu sehen, dass man bei einer so primi tiven Fabrikationsweise noch eine gewisse Geheimthuerei pflegte; es ist aber geradezu erstaunlich, wenn man bedenkt, dass dieser so primitive Zustand in der Bleistiftfabrikation kaum erst siebenzig Jahre hinter uns liegt! Diejenigen Bleistifte wurden damals für die besten gehalten, deren Striche am leichtesten abzuwischen waren, was zu jener Zeit auch noch ziemlich schwer ging, denn man kannte ja die Anwendung des Reibe-Gummis für diesen Zweck noch nicht! Die Hauptschwierigkeit in der Bleistiftfabrikation lag darin, ein richtiges Bindemittel ausfindig zu machen, welches den zu Pulver gestossenen Graphit in eine dichte Masse verwandelte, ohne ihm die Eigenschaft des Abfärbens zu nehmen. Zuerst nahm man Schwefel, später Gummi arabicum, Leim, Traganth, Hausen blase, auch Harz, Schellack; schliesslich versuchte man es, Schwefelantimon mit Graphit zusammenzuschmelzen. Endlich kam im Jahre 1795 der Franzose Conte auf den Gedanken, dem gepulverten Graphit eine Beimischung von Thon zu geben. Und zwar mischte Conte' den Thon mit dem Graphit auf ka/tem Wege; er benutzte zur Auflösung beider gewöhnliches Brunnenwasser. Conte machte hierdurch eine Erfindung, die der Bleistiftfabrikation eine neue Gestalt gab. Alle früheren Her stellungsmethoden wurden durch diese Erfindung über den Haufen geworfen. Die Mischung von Thon und Graphit war eine bild same, leicht zu formende Masse und wies von selbst auf den Weg hin, der der ganzen modernen Bleistiftindustrie eine neue glänzende Zukunft eröffnete. Statt feste, harte Kuchen zu bilden, und die selben dann mühsam mit der Säge zu zerschneiden, benützte man die natürliche Weichheit und Dehnbarkeit der Masse, um aus ihr noch im weichen Zustande gleich die gewünschten Bleistifte zu machen, diese dann zu trocknen und zu härten. Mit der Verein fachung der Arbeit ging ein anderer wesentlicher Vortheil Hand in Hand. Durch grösseren oder geringeren Zusatz von Thon gelang es, den Stiften verschiedene Härten zu geben. Wenn schon in der Geschichte des Beistifts der Name eines Franzosen mit besonderer Auszeichnung als der Erfinder der heutigen Fabrikationsmethode genannt werden muss, so darf ich es doch, ohne unbescheiden zu sein, frei aussprechen, dass der hohe Aufschwung unserer Industrie sich doch erst an den Namen Faber knüpft, der in der Geschichte der Bleistift-Industrie eine be deutsame Rolle spielt. (Schluss folgt.) Wechselprolongation. Wechsel mit längerer als dreimonatlicher Sicht sind unbeliebt. Die Reichsbank nimmt sie nicht, im Privatverkehr begegnen sie einigem Misstrauen, weil man sie für Akkordwechsel hält, deren Urheber als zahlungsschwach gelten. Nicht selten ist aber doch eine längere als dreimonatliche Befristung der Wechselverbindlich keit auch im regelrechten Verkehr geboten. Ein laufender Kredit pflegt derart bewilligt zu werden, dass der Kreditsucher Geld gegen seine Dreimonatsaccepte erhält und der Kreditgeber sich verpflichtet, dieselben bei Ablauf immer wieder auf 3 Monate zu verlängern, so lange der Kreditverkehr besteht. Angenommen, der Wechsel über 5000 M. datirt vom 10. Januar 1893 und ist am 10. April 1893 fällig. Wie geschieht die Verlängerung? Auf den Wechsel darf ein Vermerk »Verlängert bis 10. Juli 1893« nicht gesetzt werden; dies würde keine wechselrechtliche Wirkung haben, auch dem Kreditgeber nichts nutzen, da er einen solchen Wechsel nicht begeben und zu Gelde machen könnte. Ein der artiges Accept würde auch trotz des dreimonatlichen Aufschubs am 10. April 1896 verjähren. Der Verkehr weiss sich aber zu helfen und versteht unter Wechselverlängerung die Annahme neuer Dreimonatswechsel. Im vorausgesetzten Falle domizilirt der Gläubiger den am 10. April fälligen Wechsel mit Zustimmung des Ausstellers bei sich selbst, lost ihn am 10. April ein und sendet ihn dem Aussteller, welcher ihm inzwischen das Accept auf den 10. Juli geschickt hat und die entstandenen Wechselunkosten in laufender Rechnung vergütet. Soweit ist alles in bester Ordnung. Mit Vertragstreuen Ge- schäftsfreunden lebt es sich angenehm. Wie aber, wenn der Schuldner den neuen Wechsel nicht einschickt? Der Gläubiger wird sich wohl hüten, den April-Wechsel dein Schuldner aüszu- händigen. Was soll ei - aber mit dein Wechsel anfangen? Muss er den Schuldner Zunächst auf Ausstellung des Juli-Wechsels ver klagen oder kann er, wenn dieser am 10. April nicht da ist, sofort Zahlung der 5000 M. mittels Wechselklage fordern? Letzteres ist richtig. Die entgegengesetzte Ansicht würde zu bedenklichen Folgen führen. Da die Klage auf Ausstellung eines Accepts nicht im Wechselprozesse angestellt werden könnte, so würde unter Berücksichtigung der vorgeschriebenen Fristen der Gläubiger im Zwangswege den neuen Wechsel erst nach dem 10. Juli erhalten können. Aus diesem könnte dann wieder nicht auf Zahlung geklagt werden, und das Prozessspiel würde sich wiederholen. Derartige Folgen liegen nicht in dem Willen ver ständiger Kontrahenten. Vielmehr ist das Verlängerungsabkommen dahin auszulegen: Das Recht des Gläubigers aus dem April-Wechsel ist unbedingt und unbetagt. Der Schuldner hat die Befugniss, die Verlängerung zu verlangen. Aber sein Recht auf Zahlungsaufschub ist nicht ein Recht auf einfache Befristung, sondern ein Recht auf eine durch ein Dreimonatsaccept zum Ausdruck gebrachte Befristung. Die Entstehung des Rechts des Gläubigers auf die nämliche Geld summe aus dem neuen Wechsel, nicht bloss seine Verpflichtung zur Annahme eines neuen gleichartigen Wechsels, sollte die Stundung bewirken. Er soll bei Fälligkeit nicht einen Wechsel haben, welcher wegen bestehender Verlängerungspflicht werthlos wäre, sondern sein Wechselrecht nur verlieren gegen Entstehung eines gleichartigen Wechselrechts mit späterem Verfalltage. Der Schuldner hat daher nicht lediglich das Verlangen nach Verlänge rung mündlich oder schriftlich zu stellen; vielmehr muss er zu gleich mitwirken an der Entstehung der Urkunde, welche bestimmt ist, das bestehende unbedingte Wechselrecht des Gläubigers zu ersetzen. Er muss alles thun, was an ihm liegt, dem Gläubiger den vereinbarten Ersatz zu verschaffen, muss mithin sein Pro- longationsaccept anbieten. Macht er in dieser Weise keinen Ge brauch von seinem Recht, auf Verlängerung, so besteht die fällige Wechselforderung des Gläubigers uneingeschränkt fort,