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994 No. 34. Buchdruck • © ® © © © Steindruck Buchgewerbe Buchbinderei © © © © © Buchhandel Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme. Mitarbeiter und. Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Ausbinden. Es ist eine auffallende und bedauerliche Thatsache, dass nur wenige Setzer richtig auszubinden verstehen. So wunderlich auch im ersten Augenblick der Versuch erscheinen mag, eine so alltäg liche Hantirung wie das Ausbinden zum Ziele eines Aufsatzes zu machen, dürfte es doch nicht überflüssig sein und bei Manchem die Ueberzeugung wecken, dass er das Ausbinden bisher in einer nicht zweck entsprechenden Weise ausübte. In Fig. A ist der ganze Vorgang des Ausbindens in sechs aufeinander folgen den Handstellungen dargestellt. Der Satz wird nach rechts ins Schiff gestellt und mit Unterschlag ver sehen. Als solcher sind Corpus- oder Cicero-Regletten aus einem Stück allem andern vorzuziehen. Der Satz erhält durch einen durchgehenden festen Steg viel grössere Festigkeit, als durch Quadraten- Unterschlag. Die Schnur soll fest und ohne Knoten sein. Die beim Ausbin den vorkommenden Handgriffe sind aus Fig. A ersichtlich. Die Zahlen 1—6 und 7—11 geben ihre Reihenfolge an. 1. Der Anfang der Schnur wird bei b mit dem Zeigefinger der linken Hand während des ganzen Ausbindens festgehalten. Das Ende a nach ein maliger Umwicke lung loszulassen, ist nichträthlich, es zieht sich dann leicht noch etwas nach, und die Schnur wird locker. 2. Die Rechte zieht den Bindfaden so stramm wie möglich und kippt dann, ohne nachzulassen, in die Stellung 3 über. Auf das Strammhalten der Schnur während des Ausbindens ist der grösste Werth zu legen, hierin und in der Endenbefestigung be ruht das »gute« Ausbinden. 3. Der Daumen wird vom Mittelfinger in der Führung abge löst, tritt aber sogleich (4) wieder in Thätigkeit. 4. Jetzt heisst es »Vorsehen!« Durch das Strammziehen kann leicht der Satz nach links gerissen werden. Dies zu verhüten, ist etwas Geschick nöthig. Der linke Zeigefinger {1) übt unterdessen bei b einen besonders starken Druck aus. Ungeübte oder ängstliche Setzer können zur Vorsicht durch Quadrate im untern Schiffstheil (da, wo der Daumen von 4 ruht) eine Versteifung herstellen, die den Satz gegen Herüberreissen sichert. Nach kurzer Gewöhnung hat man dies nicht mehr nöthig. 5. Auch hier ist Vorsicht nöthig, sonst wird der Satz in die Höhe gezerrt. Finger b muss seine Schuldigkeit thun. 6. Fortwährend so stramm wie nur möglich gezogen, wird die Schnur links oben über die Ausgangs-Ecke gelegt. Nun lässt Finger b los (punk- tirt), das Ende a aber wird festgehal ten. Die Schnur wird über den An fang gelegt (Fig. B), dann wieder in die Höhe, sodass später Windung über Win dung liegt, was für das Wieder-Auflösen wichtig ist. Das erstmalige Ueberspringen des Schnur-Anfangs (B) hat den Zweck, diesen zu klemmen. Nach dem dies geschehen, tritt Finger b (A) sofort wieder in Thä tigkeit, er hält jedes mal die letzthinzu gekommene Windung fest. Nun wird das bisher mit Daumen und Zeigefinger gehaltene Ende a (A) in die aus Fig. C ersichtliche Lage gezogen, dann nach Fig. D aufwärts gebogen. Finger b bleibt liegen. Die Rechte (Fig. A, 7 bis 10), geht nun mit dem andern Schnur-Ende das zweite Mal herum, legt bei Stellung 10 die zweite Lage, wie aus Fig. E ersichtlich, über das hochste hende Ende a und geht dann in 11 über. Mit 11 liegt die Schnur zweimal um den Satz. Das ist genug, wenn der Bindfaden gut und der Satz nicht zu gross ist. Man bildet nun die Schleife. Finger b hält die letzte Windung und damit das Ganze. Die Rechte lässt die bisher unausgesetzt gespannt gehaltene Schnur los, drückt das freie Ende d (Fig. E) mit einer Setzlinie oder Ahle zwischen Satz und Schnurlagen durch und zieht d so scharf wie möglich in die Ecke. Hierdurch wird die Sicherung gegen Nachlassen und Aufgehen der Schnur erreicht. Sodann wird Ende e herabgebogen, Schleife g (Fig. F) mit hin eingestecktem Setzlinien-Ohr, unter nochmaligem Anziehen, wie bei Figur E, verkleinert und darauf das Ende f so untergebracht, dass dessen Spitze etwas über den Satz vorsteht. Man sieht dann beim Auflösen sofort, wo man anzufassen hat. Ist das Ende länger 5 (10) 6 («) Lieber Setzer! 4 (%) der kaum das „Ansehen“ ver tragt, glücklich ins Format zu bringen. Noch zu guterletzt reisst eine falsch gewickelte Schnur oder ein Knoten eine Ecke fort, und der Korrektor muss auf fehlende oder ver steckte Buchstaben aufpassen wie ein Luchs. Für Dich, der Du alle diese Umstände herbeigeführt hast. Mache es Dir zur Pflicht, stets tadellos aus zubinden. Schlecht ausgebundener Schriftsatz ist garnicht zu entschuldigen, er zeugt von nach lässiger, lüderlicher Arbeit und wirkt wie ein ungünstiges Zeugniss. Durch gutes Ausbinden ersparst Du Zeit und Binde-Material, vermeidest Verdruss und Zwiebelfische. Verstehst Du richtig auszubinden, so bist Du mit „zweimal herum" fertig, und der Satz hält; — verstehst Du es nicht, so wickele vier- und fünfmal herum, und der Satz bleibt doch ein Angstprodukt von dem Augenblick an, wo ihn Deine leichtsinnigen Finger abgeben, bis dahin, wo er gequirlt oder mit abgefallenen Buchstaben in der Maschine landet. Dann hat noch der Drucker seine ganze Ge schicklichkeit nöthig, den schiefgewordenen Satz. ist keine typographische Strafe zu hart. Also, lieber Setzer, sieh dies an und versuche. Dein Freund HERMANN HOFFMANN. Fig. A. Darstellung des Ausbindens.