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Ottendorfer Zeitung : 01.01.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-01-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190901013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19090101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19090101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-01
- Tag 1909-01-01
-
Monat
1909-01
-
Jahr
1909
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 01.01.1909
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Vie Antwort auf äie türkische ^kronreäc. Die Antwortadresse auf die türkische Thron rede ist durch die dazu ernannte Kommission nunmehr fertiggestellt worden. Sie beschäftigt sich zunächst mit der Auflösung des ersten tür kischen Parlaments und wendet sich dann in scharfer Sprache gegen die damaligen Ratgeber des Sultans. Die Adresse sagt, wenn sich der Sultan in der Vergangenheit nicht von den trügerischen Einflüsterungen unzuverlässiger Per sonen hätte berücken lassen, so würde man in der Türkei in den letzten dreißig Jahren an vielen Stellen des Reiches blühende Oasen an Stelle von Ruinen, Fortschritt an Stelle des Verfalles haben erstehen sehen, dann würden der Nation, die einige wenige Individuen unter dem Schutze des Despotismus für eigennützige Zwecke ausbeuteten, nicht so viele Wunden geschlagen worden sein. Zur äußeren Politik übergehend, bemerkt der Ent wurf, das; die ganze Nation den Schmerz des Sultans über die Unabhängigkeitserklärung Bulgariens und die Angliederung Bosniens und der Herzegowina teile, und fährt fort: „Die Kammer wird einer Politik der internationalen Freundschaft folgen, die Nation, die im Jnlande sie friedliche Umwälzung durchgeführt hat, wird der Welt zeigen, daß sie auch dem Aus lande gegenüber unentwegt die Friedens politik weiter verfolgen wird. Wir hoffen, daß dadurch das Land sich zu der Stellung Hinanfarbeiten wird, die es im Konzerte der Großmächte verdient, daß es den Schutz des Völkerrechtes genießen und die Liebe und die Achtung aller verdienen wird, daß die erwähnten politischen Fragen bald zu einem guten Ende geführt werden, dank dem freundlichen Beistand der Großmächte, dis unsrer friedlichen Absichten ebenso unsres Eifers und unsrer Loyalität sicher sind." Als nächste Aufgabe der Kammer nennt der Entwurf die Regelung des Finanzwesens. Tie Kammer werde dafür Sorge tragen, daß es nicht erlaubt sei, auch nur einen Pfennig aus der Staatskasse oder auch nur einen Heller aus der Tasche der Steuerzahler im Widerspruch mit dem Budgetgesetz auszn- - geben. Trotz der unglaublichen Verschwendung, die Jahre hindurch getrieben sei, wofür die G?- j schichte der Finanzen kein Beispiel fände, werde ' die Kammer es versuchen, geordnete Verhältnisse - berzustellen und dadurch eine Erhöhung des -Kredits herbeizuführsn. Die Adresse schließt: Wir freuen uns, Eurer Majestät unsre Gefühle j des Stolzes und der Dankbarkeit kundgeben . zu können darüber, das; der Wille des Volkes derartig fest ist, daß keine Macht der Erde ihn j erschüttern kann. Darüber, daß wir bei Er- , öffnung der Kammer, jenes Abbildes der ' Volksselbstästdigkeit, Eure Majestät haben vor , Augen sehen können, und zum Zeichen dafür, daß alle Schranken zwischen Herrscher und , Volk auf immer gefallen sind, fließt unser Herz über einzig und allein von der Liebe zum s Vaterlands und zu unserm Volke." — Auf t kaiserlichen Befehl ist dann Achmed Riza zum Präsidenten der Depntiertenkammer, der Adria- ' nopeler Deputierte Taalaat zum Vizepräsidenten ernannt worden. Achmed Riza versicherte in der Kammer, sein hauptsächlichstes Streben werde sein die Erfüllung der Pflichten, die das ihm auvertrante Amt von ihm fordere. Ter Präsident empfahl daran; den Deputierten Pflichteifer, Ernst und Höflichkeit. Raffen- nnd Religionsverschiedenheit sott das Urteil der Te.mitn'rten nicht trüben. Man möge nicht vergessen, das; die Worte, die in der Kammer gesprochen werden, nicht nur von Türken, ! sondern von der ganzen, zivilisierten Welt ge hör: werden. Jetzt müsse man politische Fähig keit beweisen. Von unci fern. Tas Ergebnis der Zeppelinspende. Der Schlußbeirag der Zeppelinspende betragt 6060500 Mk. LO2 Unbestellbare Weihnachtspakete. Der größte Teil der Bevölkerung wird sich wohl i schwerlich ein Bild davon machen, welche große ! Zahl von Paketen im Weihnachtsvwkehr einfach „untergehen". Bleist handelt es sich hierbei um Sendungen, die unrichtig adressiert sind, oder aber deren Adressat nach außerhalb mit unbe kanntem Ziel verzogen ist. In den meisten Fällen erkenm man bei solchen Paketen schon ungefähr den Inhalt, und es ist gewiß kein schlechtes Zeichen, wenn die Post errät, daß die Mehrzahl aller unbestellbaren Pakete —um im Berliner Jargon zu reden — Freffabilien enthalten. Solche Sendungen erreichen wohl schwerlich bei falscher Adresse den Empfänger, sie kommen vielmehr nach dem Haupt-Paket- Postamt und werden versteigert, noch bevor sie in Fäulnis übergehen. Bei Paketen andern Inhalts wird natürlich immer erst durch öffent lichen Aushang nach dem Adressaten gesucht, aber immer noch ist die Zahl der unbestellbaren Sendungen — in Berlin weit über tausend — so groß, weil vielen Paketen auch noch die Adresse des Absenders fehlt. Auch in diesem Jahre haben sich in der Oranienburgerstraße zu Berlin derartige Pakete zu hohen Bergen ange häuft, so manche Überraschung ist durch sie ver eitelt worden, wieviel Erwartungen sind vielleicht getäuscht, trotzdem nur ein Versehen zugrunde liegt, dem die Post leider nicht nachhelfen kann. An giftigen Gasen erstickt. Durch einem schadhaften Schornstein entweichende Gase ist in Hamburg ein Kaufmann im Ver einshause des Fechtklubs „Hammonia" erstickt. Drei in demselben Raume befindliche Frauen sind schwer erkrankt. Verschwundener Geldbeutel. Aus dem Münchener Hauptbahnhyf ist ein Postbeutel ab- hauden gekommen, der 70 000 Mark enthalten haben soll. Ein schwerer Bauunfall hat sich in her bayrischen Brauschule Weihenstephan bei Frei sing ereignet. Dort stürzte bei Umbauten ein Giebelaufsatz herab, durchschlug das Gerüst und riß zwei Arbeitswille mit in die Tiefe. Den; Maurerpolier wurde das Rückgrat gebrochen und einem Maurer der Fuß abgeschlagen und das Gesicht gespalten. Beide starben bald darauf. A Chinesisches Schweinefleisch für Europa. In kurzer Zeit wird man in Europa Gelegenheit haben, das Fleisch von Schweinen zu kaufen, die im Reiche der Blüte gezüchtet wurden. Die Peninsula and Oriental Steamship- Gesellschaft übernimmt jetzt in größerem Maß stabe die langgeplante Einführung chinesischen Schweinefleisches nach England? Die ge schlachteten Tiere werden in Schanghai ver laden und in besonders konstruierten großen Kühlräumen nach England verfrachtet. Die Chinesen haben.bekanntlich, eine große Vorliebe für Schweinefleisch und betreiben daher die Schweinezucht in größtem - Umfange. - Falls das Fleisch durch den Transport nicht zu kost spielig wird, hat es alle Aussichten, sich schnell in Europa einznbürgern, um so mehr, als Fach leute versichern, daß die Chinesen in der Kunst des Schweinemästens den europäischen Züchtern überlegen se'n sollen. Ein gefährlicher Braud. Während viele Hunderte von Kindern und Frauen ihre Aus wahl unter den Haufen schöner Sachen in dem Basar in Landporth Portsmouth trafen, ertönte plötzlich der Schreckensruf: „Feuer!", und im Augenblick züngelte die Flamme an den leicht brennbaren Dekorationen entlang, von einem End? des Lokals zum andern. Eine unbeschreib liche Verwirrung entstand, die sicherlich viele Leben gekostet hätte, wenn die Angestellten des Lokals nicht ihre Besonnenheit bewahrt und die Kinder durch Fenster und Türen gerettet hätten. Trotzdem wurden zahlreiche Personen verletzt, aber glücklicherweise ist kein Menschenleben zu beklagen. Der Basar wurde in kurzer Zeit in einen Schutthaufen verwandelt.- - Lebendig begraben. In dem Kohlen bergwerk zu Hebburn am Tyne wurden fünf Arbeiter durch einen Kohlensturz begraben. Man stellte eine Öffnung her, durch die mau mit ihnen redete und ihnen Nahrung zukommen ließ. Nach mehrstündiger Arbeit icnmen alle fünf gerettet werden. Einer, von chnen er! :: schwere Verletzungen. Ein anher» Landes gefallener Mil- ltonsu-HauPtgcwinn hat in Spanien bei der Ziehung der großen Weihnachisiotteris erhebliche Enttäuschungen hervorgerufen. Der Hauptgewinn in Höhe von sechs Millionen Pesetas fiel nach Mexiko, und auch andre Prämien gingen ins Ausland. Der zweite Hauptgewinn von drei Millionen Pesetas kam dagegen nach Alicante und verteilte sich unter viel arme Leute. Ter Jubel dort war infolgedessen grenzenlos. Eine Witwe mit sieben Kindern, die ihre letzte Hoff nung auf die Lotterie gesetzt hatte, wurde, als sie hörte, daß sie gewonnen habe, vor Freude wahnsinnig. Auch in Barcelona, wo ungeheure Menschenmassen sich in Erwartung der Lottene- telsgramme auf den Plätzen angesammelt hatten, war die Freude groß, als die Nachricht eintraf, daß zwei Millionen dorthin gefallen'seien Gerickwkalle. Breslau. Eine jugendliche vielfach vorbsüraite Ladendiebin üand abermals vor den Richtern, weil sie ihrer Wirtin wochenlang Brot, Butter und der gleichen aus der verschlossenen Kammer mittels Nachschlüssels gestohlen hatte. Die kaum zwanzig- iährigc Angeklagte erhielt diesmal sieben Monate Gefängnis. 88 KotthuS. Sch war ani Grund einer Polizeiverordnung vom 4. Juni 1902 vom Schöffen gericht verurteilt worden, weil er ohne Erlaubnis auf fremden Grundstücken Kaninck-cn gefangen hatte: gleichzeitig hatte das Schöffengericht auf Einziehung des benutzten Frettchen und Netze erkannt. Die Berufung war von der Strafkammer verworfen worden. Diese Entscheidung focht Sch. durch Revi sion beim Kammergericht an und beantragte seine Freisprechung: auf Einziehung des Frettchen und der Netze hätte nicht erkannt werden dürfen. Das Kammergericht wies die Revision zurück, soweit -der Angeklagte auf Grund der Polizeiverordnung von: 4. Juni 4902 verurteilt worden war. Auf gehoben wnrde aber die Vorentscheidung, soweit die Einziehung der Netze mw des Frettchens aus gesprochen worden war. Aus den §8 41 und 77 der Jagdordnung ergebe sich nur, daß ans Einziehung von Schlingen erkannt werden könne. Frettchen und Netze werden in der Jagdordnung nicht er wähnt. New Hoek. Samuel Gomvcrs, der Präsiden! des amerikanischen Arbciterbundes, wurde zu einem Jahre, der Sekretär Morrison und der Vizepräsident Mitchell zu je neun Monaten Gefängnis verurteilt. Sic hatten die Sperre gegen eine Ofenfabrik, die die Forderungen der Arbeiterorganisation abgelehnt hatte, fortgesetzt, nachdem dies aus Grund einer gerichtlichen Entscheidung verboten worden war. Präsident Rooievclt hatte das Vorgehen der Arbeiter gebilligt. Vie UeuMZpräWngen von SübermunM werden dem Reiche größeren Gewinn abwerfen, der zur Verstärkung des Betriebsfonds benutzt werden soll. Ein derartiger Gewinn erwächst aber auch dem ostafrikanischsn Schutzgebiet. Die Einnahme ans der Prägung von Landesmünzen ist im ostafrikanischen Etat für 1909 auf 670 000 Mk. angesetzt oder um nahezu 400 000 Mark mehr als im voraufgchenden Jahre. In den drei seit Erlaß der Münzverordnung ver gangenen Rechnungsjahren 1905, 1906 und 1907 ist nämlich je für rund 2 Millionen Mk. Landes-Sflbergeld geprägt worden. Es ist zu erwarten, daß der Bargeldverkehr infolge der Bahnkanten sich weiter entwickeln und das Be dürfnis einer weiteren Vermehrung der Umlaufs mittel nach sich ziehen wird. Wenn dieses nun auch zum Teil durch Neuäusgaben von Noten der deuffch-östasrikanischen Bank, die übrigens ebenfalls zu einem Drittel metallisch zu decken sind, zu befriedigen sein wird, so kann doch an genommen werden, daß im Rechnungsjahre 1909 ein Drittel des bisherigen Durchschnitts, also 500 000 Rupien zum Kurse von 1^ Mk. gleich 670 000 Mark zur Ausprägung ge langen. Selbstverständlich verursacht diese Aus prägung Kosten, die gleichfalls in den Gtai eingestellt sind. Die Beschaffung des Präge- ank 470 000 Mk., die Kosten diw. Ausprägung sind auf 13 300 Mk., die VeMmdnng nach dem Schutzgebiet äüs 5000 Mk., die des Münz umlaufs im Schutzgebiet auf 25 700 Mk., die des Rücktransports zurückgezogener Ilmlaufs mittel aus 4000 Mk., die Gesamlkosten demnach auf 518 000 Mk. angenommen. Dec Gewinn, der aus der Silbermünzenprägung für Deutsch- ostasrika auf 1909 erhofft wird. belauf: 'ich demnach auf 152 000 Mk Ein Student als Mörder seines Vaters und dreier Schwestern. In Mainz hat der Sohn des früheren Reichs- und Preuß. Landtagsabgeordneten Racke seinen Vater und drei seiner erwachsenen Schwestern in der Nacht znm 26. d. ermordet. Die Bluttat erregt in Mainz ungeheures Auf sehen. Herr Meola Racke bewohnte hier mit Familie sein Haus in der Bauernstraßc 17. Seit 1904 war er znm zweiten Male Witwer. Ans seinen beiden Ehen find insgesamt achizsdn Kinder hervorgegangen, von denen zwölf leben. Sein Sohn, der im Jahre 1^7 ge borene Joseph Racke, der fetzt die furchtbare Tat verübt hat, trat nach Absolvierung des Gymnasiums zunächst in ein Kloster, um Ordensgeistticher zu werden. Diese Absicht gab er jedoch später ans und studierte seit vier Jahren zuerst Chemie, und in letzter' Zeit Astro nomie. Zu den Feiertagen kam der Student aus Bonn in das väterliche Haus. Als am zweiten Feiertag Herr Racke und seine Töchter um 9 Uhr noch nicht am Kaffeetisch erschienen, entdeckten ein Dienstmädchen nnd der hinzuge holte Küsermeister die Ermordung des Vater? nnd der in ihren Besten liegenden Töchter. Die Be amten der Kriminalpolizei und die' Staats anwaltschaft stellten alsbald fest, daß Herr Racke und die drei Schwestern durch Schläge mit einem schweren, scharfen Instrument über den Kopf und durch Nevolverschüsse im Schlafe getötet waren. Die Verdachts- gründe der Täterschaft häuften sich alsbald derart gegen den jungen Joseph Racke, den man schlafend in seinem Beite fand, daß er verhaftet und nach dem Arresthaufe gebracht wurde. Er gestand die Tat sogleich ein und erzählte, daß er nachts gegen zwei Uhr sich in die Zimmer seiner Angehörigen geschlichen und sie mittels eines Brodmesfer, das er schon am ersten Feiertage an den Vorderlauf eines Gewehres gebunden hatte, und "durch Schüsse aus einem Revolver ermordet hatte. Seine Ab sicht, auch die beiden andern Schwestern und ein Brüderchen zn töten, habe er ausgegeben, weil ihre Zimmer ihm zu entfernt gewesen wären. Uber die Beweggründe zu seiner Tat gab der jugendliche Mörder keine Auskunft. Es scheint, daß er in einem Anfall von Geisteskrankheit gehandelt hat. Kuntes Merlei. L Was königliche Leichenbegängnisse tosten. Die Bestaltung des Königs" und des Kronprinzen von Portugal Hai eine ziemliche Summe gekostet, und doch legen sich jetzt hierin, wie auch in andern Hinsichten, dis Fürstlichkeiten eine weise Beschränkung auf. Kein Herrscher der neueren Zeit hat ein so kost spieliges Leichenbegängnis gehabt, wie Alexander der Große, für dqs nach unserm Gelde zwanzig Millionen Mark ausgegeben wurden. Aller dings wurde er auch in einem' massiv goldenen Sarge bestattet. Kaiser Wilhelm i. wurde mit einem Kostenaufwand von einer halben Million Mark beigesetzi, während die letzten Ehren des Grohlürsten Nikolaus 800 000 Mk. verschlangen. Als der ermordete Präsident Carnoi bestattet wurde, kosteten die Blumenspenden allein -120 000 Mk. Bei dem Leichenbegängnis der Königin Viktoria von England wurden 700 000 Mark ausgegeben, von denen 170 000 Mk. allein für die Unterbringung und Bewirtung königlicher und fürstlicher Gäste verbraucht wurden; 300000 Mk. allein kostete die Reffs, Verpflegung und Unterbringung von Truppen. ' Als der Herzog Wellington im Jahre 1852 zur letzten, Ruhe neigtet wurde, erhielt ec . das prächtigste Leichenbegängnis des 19. Jahrhun-.- der:?? das 1 400 000 Pik. kostete. - Vormittag zu Hause sein; geben Sie diese Karie meiner Kammerfrau und Sie werden sogleich vor- gelaisen werden." Dann stand sie auf; Leonhard hatte ihr eingcschärft, ihren Besuch bei dem Wucherer nicht zu lange auszudehnen, da ein kurzer Bs- ; such mehr imponiert. Seligmann erhob sich ebenfalls und ver sprach, jetzt schon etwas zugänglicher und ge- ichmeidiger geworden, sich zur bestimmten Stunde einznfinden. Er geleitete Livia dann hinaus. So wie beide den Flur betraten, ließ sich wieder das nervenerschütternds Geheul der Bulldogge ver nehmen. Der iunge Mensch war ebenfalls wieder zur Stelle und brachte die Dame bis an die Gattenpforte, durch die er sie vorher auch ein gelassen hatte. Livia entfernte sich, in ihrem Innern sehr zufrieden; der erste Teil ihres von Leonhard erhaltenen Auftrages war erfüllt. Die zweite Hälfte desselben war für Livia leichter aus- zuführen: sie sollte in ihrer eigenen Wohnung durch Liebenswürdigkeit und Geschicklichkeit dem alten Wucherer nur ein gewisses Geheimnis ent locken nnd ihn bei sich längere Zeit sesthalten. Da sie aber von Leonhard nicht völlig in dessen Pläne eingeweiht worden war, so täuschte sie sich sehr über die Tragweite ihrer Handlungs weise. Wenn sie auch überzeugt war, das; 'Leonhard ein Geheimnis zu verbergen hatte, so dielt sie ihn doch immer für den Hanshofmeister Hartwig des Majoratsherrn von Grödenitz und batte keine Ahnung davon, wer sich unter diesem Namen eigentlich verbarg. Zur festgesetzten Slunde sand sich Seligmann am nächsten Vormittage in der Wohnung der Fran von Bettini ein. Er händigte die Karie, die er von der Vertranten Leonhards emp fangen hatte, der alten Rosalie ein, die ihm die Korridortür geöffnet hatte und ihn darauf auch gleich in das Boudoir ihrer schönen Ge bieterin führte. Was Luxus und Eleganz darbiewn konnte, war in diesem kleinen Zimmer vereinigt, wo Livia im reizendsten Neglig-e aus einem Sofa lag. Rosaseidene Fenflervordänge sielen über weiße Spitzcngardinen und erzeugten eine künst liche Dämmerung, diee alles in märchenhaflem Rosenschimmer erglänzen ließ. Ans einer Kon sole rauchte eine durch eine Spiritusflamme er hitzte kleine Pfanne, - auk welcher Ambrapnlver gestreut worden war. Ein berauschender Duft stieg daraus ans und erfüllte das ganze Boudoir. Livia empfing den alten Wucherer mit einem freundlichen Morgengruß und wart ihm dabei einen feuer Blicke zu, von welchen fie wußte, daß fie ihren günstigen Eindruck nicht ver- whlen. Trotzdem zwei gewaltige Leidenschaften und Todsünden sich sehr selten in der Seele eines Menschen vereinigt finden und der Geiz der hervorstechendste Charakterzug Seligmanns war, konnte er sich doch nicht ganz der Wirkung ent ziehen, das der Anblick des schönen Weibes auf ihn ausübte. Dazu berauschte ihn der im Kabinett herrschende Ambraduft derartig, daß er alles wie durch einen Flor vor seinen Augen flimmern sah. Verwirrt setzte er sich ans den der Tür zu- nächst siebenden Sessel, dessen weiches Seiden polster ein neues Betäubungsmittel flir ihn war. Aber Seligmann hatte doch viel mehr vom Geizhals als vom Don Juan an sich, denn er musterte bald mit Kennermiene die vielen Kost barkeiten, mit denen Livias Boudoir in ver schwenderischer Fülle ausqestattet war. „Ich danke Ihnen," sagte Livia, nachdem sie dem alten Wucherer Zeit gelassen hatte, seine Musterung zu vollenden, „daß Sie Wort ge halten haben, mein lieber Herr Seligmann." „Es soll mich freuen," erwidsr'e er, tief Atem holend, denn die gehabten Eindrücke be engten ihm die Brnst, „wenn ich der gnädigen Fran einen Dienst erweisen kann." „Ich bedaure, selbst keinen Gebrauch von Ihrem freundlichen Anerbieten machen zu können," versetzte Livia, „und wenn ich Sie nm di? , Ehrs Ihres Besuches bat, io geschah es nur, um Ihre Güte für einen meiner Freunde in Anivruch zu nehmen, der eine Anleihe zu machen beabsichtigt; ich darf Ihnen anvertranen, daß e? ein Mann ist, d?r eine hohe gefellichastliche Stellung in der Welt entnimmt und ein sehr große? Vermöaen befitzl." „Ich versichere Sie, gnädig? Frau, daß es mein größtes, mein einziges Vergnügen ist, gerade solchen Herren zn dienen; geben Sic mir gefälligst seine Adrette nnd ich werde mich sogleich zn ihm begeben." „Ich würde Ihren Wunsch augenblicklich erfüllen, wenn ich nur wüßte, das; dem Herr-, Baron von Grödenitz jetzt Ihr Bestich -Willkomm m wär? —" „Gottes Wunder," riss der alt? Wucherer mir freudigem Erstaunen, „es handelt sich nm t den Herrn Baron von Grödenitz? Tie Familie - desselben ist mir sehr wohl bekannt, die ist sem, 'sehr fein, das weiß ich aus Erfahrung!" „Mso ist Ihnen sein Name bekannt?" fragte Livia Verwundert, als ob sie von nichts wisse. „Gewiß," fuhr Seligmann fort, „hab' ich 1 doch mit dem verstorbenen Baran Kuno - t Gott hab' ihn selig! — mehrer? große Kfichäste ! gemacht und bin später aus Heller und Mennig ' bezahlt worden!" „Jetzt handelt es sich nm den nei^n ! Maforatsherrn, Baron Chlodwig, der bi-? setzt i in Amerika gelebt hat " „Ich weiß, ich weiß" - unterbrach Selig- i mann Livias Worte mit jenem Eiker, den gesell schaftlich niedrig stehende Leute ost zeige", wenn es sich um das Vertrautsein mit den Familien- verhältnissen hochgestellter Personen handelt, „jede Summe, die ich anzuschaffen imstande bin, soll dem Herrn Baron zur Verfügung stehen." „Wie ich glaube, wünscht er ein Darlehen von einmalhundertzwanzigtausend Mark!" „Das ist freilich sehr viel Geld!" sagte Seligmann nnd kratzte sich bedenklich hin-er den Ohren. ..Sein Majorat hat einen Wett von zwei Millionen." „Freilich, aber — — —" „Mein Himmel," meinte Livia, „wenn Sie nich! Lust zu dem Geschäfte haben, werden wir Rm andern Geldmann finden." -Forneyunz loigt.l
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