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MMche Glbjeitmg. Amts- und AnzeLgeblatt für das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Schandau und den Stadtgemeinderath zn Hohnstein. Die „Sachs. Elb«Zeit»ng" erscheint Mittwoch und Sonnabend und ist durch alle Postanstaltcn, sowie durch die Expedition dics/Vl. für I Mark vicrtcljährl. zu beziehen. — »k-k» Inserate für das Mittwochsblatt werden bis Dienstag früh 8 Uhr, für das SonnabcndSblatt spätestens bis Freitag früh v Uhr erbeten. — Preis für die ge spaltene CorpuSzcile oder deren Naum 10 Pf., Inserate unter 5 Zeilen werden mit 50 Pf. berechnet, (tabellarische oder complicirte nach Ucbcrcinkunft.) — Inserate für die Elbzeitung nehmen au in Hohnstein Herr Bürgermstr. Hesse, in Dresden und Leipzig die Annoncen-VürcauS von Haasenstcin L Bögler, Jnvalidendank und Nud. Mosse. 72. Schandau, Mittwoch, den 8. September 1886. Politische Rundschau. Herr v. GicrS, der russische Minister des Aus wärtigen, traf, von Franzenöbad kommend, in dcr zweiten Morgenstunde dcS Freitag in Berlin ein und wurde im Laufe des gcuauntcn Tagcö zunächst vom Kronprinzen »nd dann vom Kaiser empfangen. Außer dem pflog der russische Staatsmann an dem genann ten Tage sowohl wie auch am folgende» Tage mehr- fache Unterredungen mit dem Fürsten Bismarck; am Sonntag früh dürfte Herr v. GicrS die Weiterreise nach Petersburg fortgesetzt haben. Der zweitägige Aufenthalt des leitenden Staatsmannes Rußlands in Berlin und die Coufcrcuzcn, die letzterer daselbst mit den maßgebende» Persönlichkeiten gehabt hat, ist ein netter Beweis für die migeschwächtc Fortdauer des Einverständnisses Rußlands mit Deutschland — und selbstverständlich auch mit Oesterreich — und bedeutet die Ergänzung der Franzcnobadcr Besprechungen zwi schen dem Fürsten Bismarck und Herrn von Gicrö. Bor Allem erhellt aus der Borsprachc des letzteren in Berlin, daß auch die neueste überraschende Wend ung in der bulgarischen Frage, wie sic sich durch die schroffe Antwort des Kaisers Alexanders ans daö ErgcbcnhcitStclcgramm des Fürsten von Bulgarien documcnlirt, nicht im Geringsten vermocht hat, das Einvernehmen zwischen den drei Kaisermächtcn zu stören. Ja wenn es nach de» Wünschen gewisser clcri- calcr und freisinniger Politiker gegangen wäre, so hätte sich Deutschland in Sache» der bulgarische» Affairc sofort entschieden ans die Seite des Fürsten Alexander stellen müssen, selbst ans die Gefahr hin, hierdurch eine» europäische» Kriegsbrand zn entzünden. Glücklicherweise hat sich die dcmschc Politik in ihrer Bcartheiliing der bulgarischen Frage nicht durch bloße Gefühlsäußerungen nud Stimmnngcn der angcdcntelcn „Politiker" irre machen lassen. So aufrichtigen An theil man an dem Geschick des dcmschc» Fürstcnsohncö, dcr bis jetzt die bulgarische Dornenkrone trug, nch- men, so sehr man ihm die zahlreichen Ergebcnhcits- bcwcisc, die ihm die bulgarische Nation anläßlich seiner Rückkehr dargcbracht hat, gönnen mag—um dcr blo- ßcu persönlichen Sympathien für den Battcnbcrgcr willcn kann sich Deutschland in keinen Krieg mit Nnßland stürzen! Das berühmte Wort des Fürsten Bismarck von den Knochen dcö pommcr'schcn Mnö- kclicrö gilt auch heute noch, dieselben sollen weder wegen dcr Herzegowina »och Wege» Bulgariens ris- kirt werden! Die Interessen DcntschlandS ans dcr Balkanhalbittscl sind doch mir zweiter nnd dritter Ordnung nnd sie lassen sich anch ohne eine feindselige Stellungnahme unsererseits gegen Rußland vollkommen wahren. Waö aber die Stellung Rußlands in Bul garien nnd die hieran« angeblich für Europa resul- tircnden Gefahren aubclangt, so denken wir, Fürst Bismarck wird in dcr Bcnrthcilnng derselben denn doch noch ein klein wenig compctcntcr sein, als die Ncdaclcurc dcr „Germania" nnd dcr „Frcisinuigcn Zeitung". Daö deutsch-österreichische Frcundschnftöbüudniß hat soeben in dcr ungarischen Hauptstadt eine ucue Besiegelung erfahren. Anläßlich dcr Ofencr Jubcl- fcicr fand in Pest am Donnerstag ein von dcr Stadt den fremden Deputationen gegebenes Fcstbaiikct statt. Bei demselben toastete der Pester Oberbürgermeister in warmen Worten auf Kaiser Wilhelm, den glor. reiche» Bcrbüudctc» Kaiser Franz Josef'ö und pries den deutschen Kaiser als den wahren Fricdcnöfürstcn. In Erwiderung hierauf brachte Gcucrallicutenant von Schlichting, dcr Führer der preußischen Officicrs- dcpntation, ans cincm zweiten am Freitag stattgcfnn- dencn Festbankett, unter Hinweis auf die Thciluahmc dcr brandeuburgischcu Truppen an dcr Erstürmung Ofens, einen mit stürmischer Begeisterung anfgenom- mcncn Toast auf daö Fortbestehen dcr Waffenbrüder schaft zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn, ans Ungarn und ans die Stadt Ofen anS. Die Zwischenfälle von München und Berlin werden nun mehr wohl in Deutschland wie in Ungarn als ab- gcthm, betrachtet werden. Fürst Alexander von Bulgarien ist am 3. Sep tember in Sofia cingetroffcu; die Stadt war reich beflaggt. Eine große Anzahl Einwohner dcr Stadt nnd der umliegenden Ortschaften standen ans beiden Seiten dcr Chaussee und begrüßten den Fürsten herz lichst. In dcr Stadt wnrdc dcr Fürst vom diplama- tischcn Corps in großer Uniform empfangen. Dcr Vertreter Rußlands fehlte. Bei dem Empfang des Fürsten wurden 21 Kanonenschüsse gelöst. Alö dcr Fürst nach den ihm von dcr Bevölkcrnng dargcbrach- tcn Huldigungen nud nach dem Dcfilö dcr Truppe» i» sei» Palais zuriickgckchrt war, versammelte» sich i» dem große» Saale desselben die Officicrc nud die Mitglieder des diplomatischen Corps. An dieselben hielt dcr Fürst eine Ansprache, in welcher er etwa Folgendes sagte: Während sieben Jahren habe cr an dcr Unabhängigkeit nnd für die Interessen Bulgariens gearbeitet. Seine beständige Sorge habe besonders dcr Armee und den Osficicrcn gegolten; cr habe Letz tere wie seine Familie, wie seine Kinder betrachtet nnd sei, waö seine persönliche Lage anbclangc, beruhigt gewesen, da cr sich von Officiercu umgeben gesehen, die seine Geführten in den Kämpfe» für dc» Nnhm Bulgariens waren. In jener traurigen Nacht habe cr, als cr das erste Geräusch vernommen, gefragt, ob Truppen da seien und sei auf Bejahung dieser Frage beruhigt gewesen, da cr Vertrauen in seine Armee gehabt habe. Dicscö Vcrtrancn zn seinen Osficicrcn habe cr auch trotz dcn jüugstcu nnglückscligc» Ereignis se» nicht verloren; dieselben hätte» sich, Dank Popoff »nd Mutkuroff, bei dcn »ach seiner Abreise vorge- kommcncn Unrnhcn ans der Höhe der Situation be funden. (Hier umarmte dcr Fürst die genannten Of ficicrc.) Die Ehre dcr bulgarischen Armee sei wieder hcrgcstcllt. Er sehe heute Officicrc um sich versam melt, die ihm ihre Ergebenheit bewiesen Hütten. Er könne Bulgarien verlassen, ohne daß die Ordnnng ge stört werde, welches auch immer die Umstünde sein möchten, in denen cr selbst sich befinde. Er werde stets zu Gott beten für dieses Land, sein Herz werde stets mit seinen Officiercu sein nnd cr wcrde dcr Erste sein, dcr alö Freiwilliger zugclasscn zu werden verlangte in einem Fcldzngc für Makedonien. Er könne nicht in Bulgarien bleiben, denn der Kaiser von Nnßland wolle cö nicht, weil seine Anwescnhcit in Bulgarien im Widerspruche stehe mit dcn Interes sen dcö Landes. Er sei also gezwungen das Land zn verlassen. Hier bemerkte Popoff: Wir waren, sind nnd werden stets mit Ihnen sein. Muth! VorwürtS! Dcr Fürst erwiderte, die Unabhüngigkcit Bulgariens verlange, daß cr daö Laud verlasse, dcuu, wen» cr dies nicht thütc, würde cö zu ciucr Okkupation durch Ruß land kommen. Aber bevor er gehe, wcrde cr dic höheren Officicrc befragen nnd eine Regentschaft cin- sctzcn, welche versuchen solle, dic Interessen der Offi cicrc sicherznstellcn. In allen Füllen rechne cr anf dic Armee. — In dem am 5. September stattgchab- ten Conseil crklürtc dcr Fürst Alexander formell, daß cr abdankcn wcrde. Dic Minister und dic Befehls haber dcr Armee sprachen sich gegen diesen Entschluß aus und ersuchten dcn Fürsten, die Regierung zn be halten. Dcr Fürst setzte darauf wiederholt auseinan der, daß cö ihm angesichts dcr entgegengesetzten Wil- lcnSmcinnng des Kaisers von Nnßland, sowie bei der mangelnden Unterstützung dcr übrigen Mächte unmög lich sei, dic Negierung fortznführcn; das einzige Mit tel, eine Occupation zn vermeiden, sei seine Abreise. Die Frage dcr Einsetzung einer Regentschaft kam nicht znr Besprechung; dic Sitzung des Conseils wurde anf- gchobeu, ohne daß ein Beschluß gefaßt war. Deutsche und Magyaren. Die glünzcudcn Festlichkeiten, welche am 2. d. in dcr ungarischen Hauptstadt anläßlich dcr zweihundertjäh- rigcn Erinncrnngöfcicr dcr Befreiung Ofens von dcr Türkcnherrschaft stattgcfnndc» haben, vermochten in Deutschland nur sehr gemischte Empfindungen hervor zurufen. Sic lenken nnwillkürlich den Blick auf das ! Verhältnis; zwischen Deutschen nnd Ungarn, uamcnl- lieh in Folge dcr bekannten Ablehnung, welche Berlin nnd München dcr Einladung des Pcstcr Magistrats, sich an dcr Jnbelfcicr durch Abgcsaudtc zu bcthciligcu, haben zn Theil werden lassen und in welcher Ablehn ung sich jenes Verhältuiß ganz deutlich widerspiegelt. Dcr Korb, dcn dic Gcincindcvcrtrctnngcn dcr beidcn größten dcntschcn Residenzstädte dem Gcmcindcrathc dcr ungarischen Hauptstadt gaben, ist in unseren offi- ciöscn Kreisen mehr oder weniger mißgünstig commcn- tirt worden, aber das deutsche Volk iu seiner über wiegenden Mehrheit stimmte dem Verhalten dcr städti schen Collcgicn von Berlin und München offen zn nud die Uufläthigkcitcn, mit denen ein gewisser Theil dcr magyarischen Presse unsere Nation wegen dicscö Vor falles überschüttete, beweisen nur, daß die Ablehnung dcr ungarischen Einladung gerechtfertigt war! In dcr That, dic Ungarn können sich nicht rühmen, sonderliche Ansprüche anf dic Sympathien der Dent- scheu „draußen im Reiche" zn besitzen! Schon die Behandlung unserer deutschen Landsleute im Lande dcr Stesanökronc nnd im Spccicllcn dic Leidens geschichte der sicbenbürger Sachscn vermag nicht, un sere Bcwnndcrung für dic „ritterliche Nation ans Ar pads Stamm" zu erwecken; obwohl dic Deutschen, seit dem sie König Geisa II. Ende dcö elften Jahrhunderts in größeren Massen nach dem südlichen Ungarn bcricf, sich ihrem neuen Vatcrlandc mit dcr Hingebung und Trcnc, dic dcm germanischen Charakter eigen ist, gc- widmct, obwohl sic für dasselbe oft ihr Blut verspritzt und sich um dic Förderung der materiellen wie der geistigen Interessen dcö Magyarcnlandcö unvergäng liche Verdienste erworben haben, wurden sic dennoch von den Herren dcö Landes hierfür schlecht belohnt. Und gerade dic neuere Zeit hat himmelschreiende Tha- tcn vou Ungerechtigkeit und Vergewaltigung gesehen, welche dic Ungarn an dcn Dcntschcn ihrcö Landcü be gingen, um sic zu magyarisircu und dcm gegenüber erscheint die Thatsachc, daß cs anch dcn anderen Völkcr- minoritülcn innerhalb der grün-weiß-rothcn Grenz- Pfähle nicht viel besser ergeht, denn doch nur als ciu schlechter Trost! Wahrlich, schon diese mit allen Mitteln betriebene Magyasirnngöbcstrcbnngen, welche unsere Brüder in Ungarn seit einer Reihe von Jahren m immer ver. stärklcr Auflage über sich ergehen lassen müssen, wären allein geeignet, unsere» gerechte» Zor» gegc» dic Un gar» z» erregen. Aber cö gicbt noch eine andere Ur sache hierzu: Dic unverhohlenen Sympathien nnd Kundgclumgcii, welcher sich die Ungar» im Jahre 1870 bis 1871 für »»scre Feinde, die Franzose», befleißigten, »nd überhanpt das fast demonstrative Licbängcln des Magyarcnthnms mit dem Franzoscnthnm, das schon zu wiederholten Malen zn constatircn gewesen ist. Die franzoscnfrcundlichc» Demonstrationen dcr Magyarcn haben in Dcntschland von Anbeginn nur Unwillen er regt, sie konnten lediglich dazu dienen, dem Vorgehen dcr Magyarcn gcgcn »nscrc dcntschcn Stammcögcnos- scn cin um so bezeichnenderes Nclief zu verleihen und jetzt ist eben den ungarischen Heißspornen durch die Zwischenfälle vou München nnd Berlin einfach ein mal eine gebührende Quittung dcö deutschen Volke« zugcgangcn. Ucbrigcnö, Deutschland ist ja doch bei den Ofener Festlichkeiten vertrete» gewesen durch seinen Generalkonsul in Budapest und durch dic auf spcciellcu Befehl Kaiser Wilhelm'« hierzu entsendeten Officicrc, dic den ehemalig brandenburgischen Regimentern ent nommen waren, welche am 2. September 1086 Ofen mit erstürmen halfen. Es liegt hierin ein Beweis von Courtoisic unseres greisen Kaisers, dcn man hof fentlich wenigstens in den leitenden Pcstcr Kreisen zu schätzen wissen wird. Aber wenn sonach auch das deutsche Reich auö leicht begreiflichen Gründen in Budapest officicll ver treten war — die Repräsentanten dcö dcntschcn Volks- und Bürgcrthnms fehlten doch nud dies wird wohl dcn Magyarcn die Gefühle dcö deutschen Volkes über die Art und Weise, wie man in Ungarn mit dem deutschen Empfinden umspringt, znr Genüge verbot-