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sächsische LlbMung. Amts- und AnzeLgMstt für das Königl. Amtsgericht und den Stadtrath zn Schandau nnd den Stadtgemeinderath zu Hohnstein. 16. Schandau, Mittwoch, den 24. Februar 1886. Politische Rundschau. Branntweinmonopol und Socialistcngcsctz theilc» sich augenblicklich in das Tagcöintercsse, während die preußische kirchenpolitischc Vorlage wieder etwas mehr in den Hintergrund getreten ist. Was znnächst das Branntweinmonopol anbelaugt, so hat der Biiiideö- rath den hierauf bczilglichen NcgierungScntwurf mit den von den Ausschüsse» beantragten Slendernngcn in voriger Woche definitiv angenommen und dürfte der letztere dem Reichstage zur Stnnde wohl schon z»gc- gangen sein. A» dem Entwürfe sind in zweiter Les ung zahlreiche Äcndcrungen vorgcnouinicn worden, die aber trotzdem von keiner grundsätzlichen Bedeutung, sonder» meist nur rcdactionellcr und formeller Natur sind. Am bcmcrkcuöwcrthcstcu erscheint noch die Ae»- dcrung, daß die Ncctification nnd die Fabrikation al koholischer Getränke, soweit sic für die Ausfuhr statt findet, dem Privatbetriebe überlassen bleiben soll Ferner verdient noch hcrvorgchoben zu werden, da der Verkauf des Uebcrschnsscs der heimischen Spiritus. Production über den Verbrauch behufs des Exportes iuö Ausland nicht freihändig, wie die ursprüngliche Vorlage bestimmte, sondern für gewöhnlich durch Aiic- tioucu erfolge» soll. Außerdem ist vom Bnudcörathc beschlösse» worde», daß das Branntweinmonopol vor läufig in Bayern, Württemberg und Baden nicht zur Einführung gelange», sonder» dort erst später und zwar, wenn die genannten Staaten ans ihr Rcscrval- rccht verzichten, durch kaiserliche Verordnung cingcführt werden soll; auch bleiben die für Hamburg und Bre men beschlossenen Frcihafcngcbictc vom Monopol a»S- gcnommcn. Im Ucbrigcu haben sich aber die Aus sichten für die Annahme des MonopolentwurfcS auch trotz der vom BnndcSrathc vorgcnommcncn Aciidcr- ungen, die geeignet erscheinen, manche Bedenke» gcgc» das Gesetz zu beseitigen, nicht gebessert. — Im Reichs, tage hat die Generaldebatte über die Vorlage, bctr. die Verlängerung dcö Socialistciigesctzcs, wider Er warte» nur zwei Tage erfordert; freilich ist dieses Thema auch schon so vollständig erschöpft, daß sich im Reichstage Neues hierüber füglich nichts mehr Vor bringen ließ. Am ersten Tage der GcueraldiScussiou, am Donnerstage, sprachen aus der Mitte des Hanfes fast nur Socialdcmvcraten, die Herren Viereck, Frohme, Singer nnd Bebel und rcpräseutirtcu die Ausführungen der drei erstgenannten Abgeordneten, im Ganze» gc- nommc», lediglich ei» Ncdclouruicr mit dem Minister von Pnttkamer über die polizeiliche Handhabung der Auönahmcgcwalt. Socialdcmocratischerseitö wurden nach dieser Richtung hi» ci«c gaiize Reihe von Be schwerden erhoben und spielte hierbei die bekannte Frankfurter FriedhvsSaffairc eine besondere Nolle; im klebrigen lcngnctcn die socialdcmocratischcn Abgeord neten, daß ihre Partei anarchistische Tendenzen ver folge. In diesem Simic bewegte sich auch die lange Rede des Abgeordneten Bebel, der aber hierbei offen die zuversichtliche Erwartung aussprach, daß die So- cialdcmocratie ihre Ziele erreichen werde; von Mit gliedern anderer Parteien sprach am Donnerstage »och Abgeordneter Karl Mayer, der Führer der süddeutsche» Volkspartci und zwar gegen das Socialistcngcsctz. Ein großer Theil der Frcitagösitzmig wurde durch die Ausführungen des Ministers von Pnttkamer gegen die Rede des Abgeordneten Bebel ausgcfülll und be tonte er hierbei, wie sehr das Socialistcngcsctz seit seinem achtjährigen Bestehen dazu gedient habe, die revolutionären Bestrebungen der Socialdcmocratic »icdcrzuhaltcn. Von Seiten der Deutschfrcisinuige» suchte Abg. McycrHallc darzMhuu, daß durch das Socialistcngcsctz dic socialdcmocratische Bewegung nicht gehemmt worden sei und erklärte er im Weiteren, daß seine Partei gegen dic Vorlage stimmen würde. Na mens des CcntrnmS beantragte Abg. vr. Windthorst verschiedene Abänderungen dcS Socialistcngcsctzcs, er hob hervor, daß dic wirksamsten Mittel gegen dic So- cialdcmocratie dic Fortbildung der Arbcitcrschntzgesetz- gebung, dic Thätigkeit der Kirche und die Nückberuf uug der Orden seien und beantragte CommissionS- bcrathnng der Vorlage. Nationalliberalcrscitö sprach sich Abgeordneter Margnardscu dahin aus, daß die von der Negierung bcautragtc Verlängerung des Ge setzes auf fünf Jahre nur sehr mangelhaft begründet sei, erkannte aber im Ucbrigen an, daß dasselbe dic Anödchnnng der socialdcmocratischcn Bewegung auf daö platte Land verhindert habe. Von Rednern an derer Parteien sprachen am Freitage nur uoch die Ab geordnete» v. Schlieckmann (cons.) und Geiser (soc.- dcmocr.^), ersterer für, letzterer natürlich gegen die Vor lage; dieselbe wnrdc schließlich an eine Commission von 21 Mitgliedern verwiesen. Am Sonnabend trat de Reichstag in die dritte Lesung der Nordostsce-Canal Vorlage ein und dürfte letztere ohne Zweifel gcnchmigt worden sein. — Was den allgemeinen Eindruck der zweitägigen Socialistcndcbattc im Reichstage anbctrifft, so läßt sich hierüber nur soviel sagen, daß die Gegner wie dic Vcrtheidigcr der Vorlage in ihre» Anschau ungen über die Zweckmäßigkeit der vorgcschlagcucn Verlängerung des Socialistcngcsctzcs ans dem alten Flecke stehen gcbliebcn sind. Etwas Neues ist in den Verhandlungen über dieses Thema am Donnerstag und Freitag jedenfalls nicht gesagt worden, aber mau konnte dies bei einer Frage, welche inner- und außerhalb der parlamentarische» Kreise schon so ost erörtert worden ist, anch nicht gut erwarten. Ucbcr die Stellung des Centrumö znr Socialistenvorlage hat anch die Rede des Abgeordneten Windthorst keinen gcilügcndc» Auf schluß gebracht, doch ist ans seinen Worte» zn ent nehmen, daß dic Eenlrumspartci im Falle der An nahme der von ihrem Führer gestellte» mildernden Amendements unbedingt für die Vcrläugcnmg des Ge setzes stimmen wird. Wie sich daö Ccntrmn aber ver halten wird, wenn diese Negierung diese Abänderungen als unannehmbar findet, erscheint noch völlig ungewiß. Daö preußische Abgeordnetenhaus steckt »och immer tief i» der Spccialbcrnthu»g dcö Etats und ist augen blicklich mit derjenigen der Eiscnbahnvcrwaltnng be schäftigt. Ein äußerst reichhaltiges Material bietet die dem Abgeorducteuhause uoch iu voriger Woche zu, gegangene Vorlage über den Bau »euer Eisenbahnen, Vcrmchnmg der Betriebsmittel, Erweiterung von Bahnhöfen rc., wofür iusgesammt ca. 58 Millionen Mark gefordert werden. Aus Jena meldet mau das Ableben des Generals der Infanterie und Gemraladjntantcn dcö Kaisers, v. Boycn, welcher daselbst an der Lnngeiicntzündung gestorben ist. Fürst Nicolaus von Montenegro hat sich auch während seines zweitägigen Aufenthaltes in Berlin von Seiten dcö HofcS einer zuvorkommenden Anfuahme zu erfreue» gehabt. Der Sonverä» der „Schwarze» Berge" ist vom Kaiser wie vou den kronprmzlichm Herrschaften empfange» worden und nm Donnerstage stattete ihm der Reichskanzler einen halbstündigen Bc such ab. Nur hat mau mit dem interessanten Gaste aus den „Schwarzen Bergen" in der deutschen Reichs- Hauptstadt keine» solchen Luxus getrieben wie iu Peters burg, wo er gefeiert worden ist, als wäre er nicht der Beherrscher eines kleinen Fürstcuthumö, sondern eines MillionenreicheS. Nun, man hat au der Newa hierzu jedenfalls seine guten Gründe gehabt! Am Freitag früh ist Fürst Nicolaus in Wien cingetroffcu, womit die merkwürdige europäische Rundreise des montcmcgriiiischcn Herrschers ihren Abschluß findet. Im österreichische» Abgeordnetenhaus«! wird die Situativ» uoch immer durch die Verhandlungen über dic Verstaatlichung der Prag-Duxcr und Dnx-Bodcu- bacher Bahn beherrscht. Bekaimllich hatte bei der Ge neraldebatte hierüber der deutschliberalc Abgeordnete Steinwender den Handclsminister Baron Pino i» hef tigster Weise angegriffen und ihm vorgcworfeu, er ;abe sich in seinen amtlichen Erwägungen durch ein ibcl beleumnndctcö Individuum stark beeinflussen lassen. Bci der am vorigen Freitag fortgesetzten Debatte wies Baron Pino diese Beschuldigungen nochmals auf das Bestimmteste zurück und forderte dic Linke auf, gegen ihn Anklage auf Gnmd dcö Ministervcrantwortlichkcitö- gcsctzcö zu erheben, falls mau bci dicscn Beschuldigungen verharre. Ei» hierauf gestellter Antrag Krouawcttcrö auf Ucbcrgang zur Tagesordnung wnrdc abgclchnt und beschloß daö Hans mit 165 gegen 135 Stimmen, m die Spccialbcrathung cinzutrcten; wahrscheinlich wird hiermit der peinliche Zwischenfall »och nicht er ledigt sei». Der „Moniteur dc Nome", eines der officiösci! Organe dcö Vaticanö, bringt nnnmchr einen Artikel über die neue preußische kirchenpolitischc Vorlage. derselbe begrüßt die Vorlage im Allgemeinen mit Gcuugthnung, hält aber jedes Urtheil vor der parla mentarischen Bcrnthcmg der Vorlage für verfrüht und verlangt vor Allem eine genauere Feststellung dessen, was unter Staatsaufsicht bci dem geistlichen Unterricht zu verstehe» sei. Erst wem, diese und »och andere Unklarheiten eine günstige Aufklärmig erfahre» sollte», würde dic Vorlage als eine amichmbnrc Kund gebung dcö guten Willens der preußischen Negierung zur endgültigen Schlichtung des Kirchcustrciteö zu be trachten sein. Das klingt freilich recht rcservirt und stimmt mit anderen römischen Meldungen überein, wonach der Papst das »cuc preußische Kirchciigcsctz uoch nicht gebilligt habe. Der am vorige» Domicrstag nach vicrzchntägiger Pause erfolgte Wicdcrzusnmmcutritt dcö englischen Parlaments hat eine bedeutsame Kundgebung der englische» Negierung zur Oricntkrisiö gebracht. In beiden Häuser» hat sic durch Herr» Gladstcmc, rcsp. durch Lord Noscbcrry die Erklärung abgcbcn lassen, daß sic entschlossen sei, rückhaltlos dic Saliöbnry'sche Politik auf der Balkanhnlbinscl durchzuführc» nnd den Frieden zu erhalten. Dic Erklärung ist offenbar an dic Adresse der griechischen Negierung gerichtet nnd die Letztere wird nun wohl zur Genüge erfahren habe», wie wenig sic bei ihre» Prätcusiouc» auf dic Untcrstützn»g der englischen Negierung zu rechne» hat. — Im Unterhanse erklärte der Münster dcö Innere», Childers, cö scic» genügende Vorkehrungen getroffen, nm eine Wiederholung der Londoner Straßcucxccsse unmöglich zu machen. Der englische Admiral, Lord Haye, als Ober befehlshaber der in der Siidabay vereinigten euro päischen Dcmonstrationsflottc, hat nunmehr seine Instructionen erhallen. Dieselben lanteu dahin, daß alle erforderlichen Maßregeln zu ergreife» sind, um unter scharfer Ueberwnchung der griechischen Flotte jede Collision derselben mit türkischen Kriegsschiffen zn verhindern. Dic Befehlshaber der Schiffe der jenigen Mächte, welche im Einvernehmen mit England handeln, sind angewiesen, in entsprechender Weise vor- ugchcn. Der cnglischc Gesandte in Athen wurde von sei- icr Negierung angewiesen, sich die letzte Collcctivnote weiter zur Richtschnur dienen zu lassen. Mau nimmt an, daß eine »cnc Colleclivnolc nnr ergehen soll, wenn aus den Berichten dcö englischen Admirals hervor- gcht, daß eine Action znr See dringend geboten nnd zn befürchten ist, daß ei» Zusammenstoß zwischen Schiffen Griechenlands imd denen der übrigen Mächte erfolgen könne. In diesem Falle würden die Mächte >cr griechischen Regierung gegenüber sich von jeder Verantwortlichkeit für etwaige Folgen loösagcn. In zwischen dauern jedoch die Vorstellungen der Mächte ort, um Griechenland znm Eingehen ans deren Forder- nngcn zu bewegen. Das russische Mittelmeergeschwadcr ist am Freitag u der Sudabucht cingetroffen. Vom Landtag. I» der Sitzung der zweite» Kammer am 19. Februar in Anwesenheit des StaatSnünisterS v. Könneritz crtheilt dic Kam mer dem Bericht der Ncchenschaftsdcputation über den Stand der Altersrentenbank ohne weitere Debatte ihre Zustimmung. Sitzung der erste» Kammer am 19. Februar. Zur Berath- ung gelangt zuerst der Bericht der ersten Deputation über den Gesetzentwurf, Maßnahmen gegen das Ueberhandnehmcn von Feldtauben und die Aufhebung der Schonzeit wilder Tauben betr. Die Deputation beantragt, Punkt 1 mit den Abänder ungen der zweiten Kammer anzunehmen. Statt Punkt 2 schlägt die Deputation folgenden Satz vor: Dic Schon- und Hegezeit für tvilde Tauben wird auf die Zeit vom 1. März bis 30. Juni beschränkt. Mit dieser Fassung soll der Entwurf angenommen werden. Die Deputation schließt sich iu Bezug auf die Peti tion Teichgräbers in GohliS, das Ueberhandnehmen der wilden Kaninchen betr., den Beschlüssen der zweiten Kammer an. Dic Ncgierungsvorlagc wird einstimmig angenommen. Ferner be antragt die vierte Deputation, die Petition des Gutsbesitzers Straßburger iu Reinersdorf, die Aufhebung des Gesetzes vom 30. November 1813 über die Thcilung des GrundeigenthumS betr., auf sich beruhen zu lassen. Dies geschieht auch. Die erste Kammer beschäftigte sich nm 22. Februar iu Gegenwart der Herren Stantsminisler von Abeken nnd Freiherr» vou Könueritz an erster Stelle mit dem der Jni- ative der zweite» Kammer entsprungene» Gesetzentwürfe über den Wegfall des Urkundcnstempels für Quittungen nnd Ab tretungen vom 1. April dieses Jahres ab, mit welchem die Negiernng bereits ihr Einvcrständniß erklärt hat. Nach slatt- efundencr Debatte stimmt die Kammer dem Gesetzentwürfe zu. weiter Gegenstand der Tagesordnung ist dic Scblnßberathung bcr die Cap. 38 bis 41 des Etats der Zuschüsse, Justizdeparte- nent. Die Kammer bewilligte hierauf den zu Cap. 38 bis 41 ge orderten Zuschuß von iusgesammt 3 598175 M. und genehmigte, >aß das Justizministerium seinen Dispositionsfonds im Be trage von 12000 M. zur Entschädigung unschuldig Verurthcil- ter zu verwenden befugt sein solle. Die Sitzung der zweiten Kammer, welcher die Staats