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Teuksprüche für Gemüt und Verstand. Aufs Unglück sei gefaßt, denn morgen kann es kommen; Gefaßt wie auf den Gast, der sein will ausgenommen. A«r Wilsdruff, den 29. Ium. In Sebnitz nahm die Polizei einen aus Goldbach bei Bischofswerda stammenden Anstreicher fest, weil er sich am Abend vorher an einem 13jährigen Schulmädchen in unsittlicher Weise schwer vergangen hatte. Herr Lehrer Zenker in Hohlen hat ein ungewöhn liches Jagdglück zu verzeichnen. Er erlegte durch einen Schuß aus seinem Jagdgewehr mit einfachem Zweier- Schrot einen weißköpfigen Geier von 2'/, Meter Flug weite Wie der seltene Gast sich in die Gegend verirrte, ist bisher nicht aufgeklärt. Ein eigenartiger Karpf trug sich dieser Tage in einem Kamenzer Gehöft zwischen einer Katze und einer Gluckhenne zu. In ihrer Dreistigkeit hatte sich die Katze der Henne, welche ihre Kücklein bei sich hatte, in pür- schenver Weise genähert; lebhaft auf die Küchlein äugend. Entweder beabsichtigte die Katze, mit den Küchlein zu spielen, oder sie ging auf Raub aus. Diese drohende Gefahr war aber von der Glucke sofort bemerkt worden. Mit einem lauten Aufschrei und wütenden Flügelschlag stürzte sie sich auf die noch im Ansp unge sitzende Katze, welche ganz überrascht zu sein schien, und bekämpfte sie mit ihrem Schnabel und den Krallen der art, daß die Katze gar bald unterlag und kurz darauf verendete. Siegesbewußt scharte die Henne ihre Jungen um sich und trollte mit ihnen weiter. Die Familie des Gutsbesitzers Krause in Brockwitz bei Lampertswalde wurde durch den Tod einer blühenden achtzehnjährigen Tochter schwer heimgesucht. In einem zum Verbrauch während der Heuernte aufbewahrten Schinken hatte sich das überaus gefährliche sogenannte Wurstgift gebildet, durch dessen Genuß das Unglück herbeigeftihlt wurde. Die ersten Krankheitserscheinungeu mach en sich durch Brennen im Halse, unstillbaren Durst und auffällige Schwächung der Sehkraft bemerkbar. Größere Schmerzen waren nicht eingetreten. Die jüngere Schwester und die Mutter der Verstorbenen sind gleich falls erkrankt. Die Mutter ist inzwischen ebenfalls der Vergiftung erlegen. In den Anlagen des Volksbrausebades am Kreuz in Leipzig-Connewitz wurde am 16. Juni der Leichnam eines neugeborenen Kindes aufgefunden. Die Leiche befand sich in einem Karton. Als Todesursache wurde bei der Sektion der Leiche Erdrosselung festgestellt. Trotz der mit Sorgfalt abgekratzten Adresse auf dem Korbe gelang es, den Eigentümer des Kartons zu ermitteln. Durch Beobachtungen und Recherchen kam die Kriminal polizei zu der Ansicht, daß die Kindesmutter nur in einem Dienstmädchen des in Oetzsch wohnhaften Eigentümers des Kartons zu suchen sei. Als gestern morgen Beamte in die Wohnung kamen, um die Recherchen fortzusetzen eventl. zur Festnahme des Dienstmädchens zu schreiten; war letzteres plötzlich verschwunden. Das Mädchen hatte sich in seiner Kammer eingeschlossen und, wie es sich nach gewaltsamer Oeffnung der Tür ergab, m t einer Schnur zu erdrosseln versucht. Es war bereits bewußtlos. Die von einem Kriminalbeamten angestellten längeren Wieder belebungsversuche waren schließlich von Erfolg. Das Mädchen, das nicht vernehmungsfähig ist, wurde zunächst nach dem Krankenhause St. Jakob gebracht. Leim Abbruch des Kontorgebäudes der vormals Wiedeschen Maschinenfabrik in Chemnitz löste sich ein Stück Dachstms in der Länge von etwa 7 Meter, stürzte aus einer Höhe von 12 Meter herab und durchschlug die im Hofraum an dem Gebäude angebrachte Schutzplanke. Von einem losgerissenen Brett dieser Planke wurde der in der Nähe beschäftigte 18jährige Handarbeiter Schneider an den Kopf getroffen, so daß er heftig rücklings zu Boden stürzte und rot liegen blieb. Nach Aussage eines hinzugerufenen Arztes hatte der Unglückliche bei diesem Sturze das Rückgrat gebrochen. Ein frecher Bursche sprach in Langenberg bei Köstritz auf der Straße Kinder an und fragte, ob bei ihnen jemand zu Hause sei oder ob sie allein wären. Von zwei Knaben erfuhr er das letztere. Sogleich forderte er die Kinder auf, mit ihm nach Hause zu gehen. Er gab sich als Würstchenhändler vom derzeitigen Vogel schießen aus und versprach, den Kindern einige Würstchen zu kochen. Mittlerweile kam nun die Zeit, daß die beiden sechs- und neunjährigen Kinder zur Schule mußten. Er forderte sie auf, nur ruhig zu gehen, er wolle schlafen, bis sie wieder kämen. Während dieser Zeit erbrach der freche Bursche den Kleiderschrank und eine Kommode, legte seine schlechten Kleider und Schuhe ab und zog einen vorhandenen guten Anzug und ein Paar neue Stiefel an. Außerdem wechselte er das Chemisett, den Kragen und den Schlips und hieß noch gegen sechs Mark in barem Gelde mitgehen. Ehe die Kinder aus der Schule kamen, war alles geschehen Eine Frau entdeckte den Diebstahl, aber zu spät Die Würstchen, die der Einbrecher versprach und auch wirklich bei sich hatte, hatte er kurz vorher bei einem Einbruch in eine Würsteibude an sich genommen. Zuletzt hat sich der Dieb noch von zwei Knaben nach dem Bahnhof Köstritz begleiten lassen. Von dort aus ist er mit der Bahn in der Richtung nach Zeitz spurlos verschwunden. Von einem „Athleten" beim Ringen (!) schwer verletzt wurde ein Bergarbeiter in Oelsuitz i. E., der sich während des Schützenfestes in einer Schaubude in einen Ringkampf eingelassen hatte; sein Gegner drückte ihm den Brustkasten ein, sodaß er jetzt schwerkrank im Otto- Hospitale liegt. Zur Elsterberger Mordaffäre verlautet noch, daß die Nachforschungen jetzt nach einer anderen Richtung fortgesetzt werden. Der verhaftete Gelegenheitsarbeiter Schneider aus Reichenbach wird jedenfalls nicht als Täter in Betracht kommen. Schneider gibt zu, in dem Hause der ermordeten Witwe Rau gewesen zu sein, um zu betteln, er habe aber die Tür zur Wohnung ver schlossen gefunden. Der 39jährige Maurer Heinrich Gruner in Leitlitz bei Schleiz mißhandelte vor vierzehn Tagen seine hoch betagte Mutter derartig, daß sie sich nicht vom Boden erheben konnte. Der Sohn entfernte sich und ließ die Frau liegen. Durch ihr Wehklagen wurden Vorüber gehende aufmerksam, die sich ihrer annahmen. Doch blieb die Frau mehrere Tage ohne ärztliche Hilfe. Als endlich doch auf Veranlassung Dritter ein Arzt geholt wurde, stellte es sich heraus, daß die Frau einen Ober schenkelbruch erlitten hatte. Die Unglückliche ist am Freitag gestorben. Der mißratene Sohn wurde Sonn abend nachmittag verhaftet und ins Schleizer Amts gerichtsgefängnis gebracht. Wie man aus Teplitz (Böhmen) berichtet, wurde die 16 Jahre alte Fabrikarbeiterin Marie Dittrich aus Graupen seit dem 13. Juni vermißt. Das Mädchen hatte sich während des Nachmittags nach Graupen begeben, um einem Leichenbegängnisse einer Freundin beizuwohnen. Seither ist sie weder in die Fabrik noch nach Hause zurückgekehrt Am Freitag wurde nun das Mädchen oberhalb der Sobortner Kolonie in einem Kornfelde er mordet aufgefunden. Sind die Weltstädtischen Zeitungen interessanter als die Kreis- und Lokal zeitungen. .Welche Frage!" wird sicher mancher Leser denken, „selbstverständlich sind die großen Zeitungen interessanter, denn sie sind ja weit inhalireicher." Diese Meinung in Ehren! Zutreffend vom Stand punkt derer, die sich das Heimatsgefüyl bewahrt haben, die „dem Ort, wo ihre Wiege stand" auch dann noch be sonderes Interesse entgegenbringen, wenn sie ihn längst verlassen haben — ist sie jedoch nicht. In einer Weltstadt — sagen wir Berlin — sind so zi mlich alte Kulturvölker des Erdballs vertreten. Die hier anwesenden Vertreter fremder Völker gehören saft ausschließlich den gebildeten Ständen an. Sie kommen hierher, teils aus Reiselust, teils aus Wissensdrang, wwie zur Anknüpfung von Geschäftsverbindungen usw. Wenn auch nicht vollständig, so sind sie der deutschen Sprache jedoch soweit mächtig, das sie deutsche Zeitungen lesen können. Für diese und ähnliche Besucher Berlins hat es natürlich Interesse, wenn sie in der ihnen fremden Stadt über ihr Land und Volk gedruckte Mitteilungen finden. Es ist deshalb von nicht zu unterschätzender Be deutung, wenn die weltstädtischen Zeitungen, den An forderungen des internationalen Verkehrs Rechnung tragend, mitunter auch Nachrichten aus den fernsten Winkeln des Erdballs bringen, an denen die einheimischen Leser nicht das geringste Interesse haben. Dasselbe gilt von anderen Gebieten des öffentlichen Lebens — insbesondere von Handel und Verkehr. Der Fabrikant, der seine Erzeuznisse auf dem Weltmarkt einführen will, muß sie in welt städtischen Z fitungen anprcisen. Der Kaufmann, der sein Lager dem Weltverkehr angepaßt hat, muß dies öffentlich bekannt machen. Und so geht dies weiter bei dem un beschreiblich m In- und Durcheinander des geschäftlichen Lebens einer Großstadt, herab bis zur allergewöhnlichsten Hantierung. Und nun erst gar die Politik! Hinter großen Zeitungen stehen zwar nicht selten auch hohe amtliche Schwer geprüft. Roman von Georg Gertz. 27 So kam es, daß der Kommerzienrat von Reinbolds Unglück nichts erfuhr. Als dann nach Verlauf mehrerer Wochen Reinhold noch immer nichts von sich hören ließ, sandte er seinen Diener zu ihm, nm sich zu erkundigen, ob ihm irgend ein Unglück passiert sei. Allein dieser kam mit der Nachricht zurück, der Herr Leutnant sei schon seit einer Woche verreist nud kehre jedenfalls nicht so bald zurück, da er die Wohnung auf- gegeben habe. Der Kommerzienrat war von dieser Nachricht anfs Höchste überrascht und zürnte dem jungen Offizier, daß er in so taktloser Weise, den Verkehr abgebrochen habe, nachdem er ihn doch in jeder Hinsicht so herzlich ausge nommen hatte. Aber eine innere Stimme sagt ihm, daß er Faber doch wohl Unrecht tue, das; er doch ivohl triftige Gründe für sein Fernbleiben haben muffe. Um sich Ge wißheit darüber zu verschaffen, begab er sich, als er wie der ausgehen konnte, zu Leutnant Wessel. „Sie werden über meinen Besuch erstaunt sein, nicht wahr Herr Leutnant," begann der Kommerzienrat, als die gegenseitige Begrüßung vorüber war. „In der Tat, ich bin überrascht," erwiderte Wessel, indem er den alten Herrn znm Sofa geleitete und dann ihm gegenüber Platz nahm. „Welchem Anlaß verdanke ich die Ehre ihres Besuches?" „Der Flucht Ihres Kameraden Faber," fuhr der Kom merzienrat fort. „Seit jenem Dalle bei mir, an dem er das Unglück hatte von dem plötzlichen Unwohlsein befallen zu werden, hat er sich nicht wieder bei mir blicken lassen. Und doch hatte ich ihm durch meinen Neffen sagen lassen, daß ich nicht der Ansicht mancher Lästerzungen sei, er habe den Unfall durch übermäßiges Trinken verschuldet. Mehrere Wochen bin ich durch mein altes Leiden wieder, Sache,, denn Faber erkannte die Unterschrift unter dem schwor, daß Faber ihm die 2000 Mark schulde, mußte über seine Großeltern zu machen. Er versprach mir Ne- Uud Durch den über ihn hereingebro- cheneu Schicksalsschlag, ist er natürlich noch nicht dazu das Ehrengericht so erkennen. Ich bin persönlich von der Schuldlosigkeit Fabers in dieser Sache ebenso überzeugt, wie davon, daß er auf dem Balle bei Ihnen das Opfer eines Schurken geworden, der ihm auf eine noch unauf geklärte Weise ein Betäubungsmittel beigebracht hat; und ich freue mich, daß Sie hier derselben Ansicht sind. Hoffentlich kommt die Wahrheit noch einmal au den Tag." Der Kommerzienrat nickte zustimmend mit dem Kopfe. „Ich mnß Ihnen gestehen, daß mir die Angelegenheit viel näher geht, als Sie vermuten. Ein unerklärliches Etwas zog mich zu dem jungen Manne hin und eine große Ähnlichkeit, die er mit meinem seit dreißig Jahren verschollenen Sohn hat, ließ in mir die Hoffnung aufleben, in ihm vielleicht einen Enkel wiedergefunden zu haben. Wie Sie jedenfalls wissen, stammt Faber aus Amerika, ist aber jung mit seiner Mutter nach Deutschland über- gckommen, und da er nun spurlos verschwunden ist, so muß ich auch meine Hoffnung, eine Spur meines Sohnes gefunden zu haben, wieder aufgeben." ans Zimmer gefesselt gewest» und da habe ich ihn schmerz- Ehrcnschcin rückhaltslos als die Seine an nnd versicherte lieh vermißt. Als ich nun, de? Wartens müde, vor eini- einmal über das andere, der Schein sei trovdcm falsch, er gen Tagen in seine Wohnung schickte, kommt mein Diener sschulde Herrn Nabe kein Geld. Wie die Unterschrift un- init der Meldung zurück, daß er seit mehr als einer Woche ter den Schein gekommen, vermöge er sich nicht zu erklä- abgereist sei und wohl nickt so bald zurückkehrcn werde.'reu. Dabei blieb er. Indes; die Ncbengründe, nament- Cic werde» mir gewiß AnSknnit geben können, wie cs lieh, daß er schon früher oft Summen von Nabe entliehen, ihm geht nnd um er sich befindet." .^sprachen zn seinen Ungunsten und da Herr Nabe auch be- Uberrascht hatte Leutnant Wessel ihn angehört und ' ' """" -- dies Erstaunen spiegelte sich aneh auf seinem Gesichte wic- gesiedclt, als sein Vater im amerikanischen Kriege gefallen ivar, und so wußte er über die Verhältnisse seiner Familie „Sie haben recht, Herr Kommerzienrat; es ist kaum glaublich, daß Faber das getan. Ja es ist eine dunkle! der, als er nun tagte: „Wie, Herr Kommerzienrat, Sie wußten von der gan zen traurigen Angelegenheit nichts, die Faber seine Stell ung gekostet hat? Sie wußten davon nichts, obgleich Ihr Neffe, Herr Nabe, doch in erster Linie daran beteiligt ist?" Jetzt war die Reihe des Erstaunens am Kommerzien rat. „Was sagen Sic, Faber wäre nicht mehr Offizier, und mein Neffe wäre bei der Sache beteiligt? Ich habe keine Ahnung, was geschehen ist. Bitte, sprechen Sie!" Und Leutnant Wessel erzählte dem gespannt lauschen den Kommerzienrat den ganzen Verlauf von Reinholds Anklage und Verurteilung. „Was sagen Sie? Faber hätte sein Ehrenwort ge brochen? lind mein Neffe hätte die Grausamkeit gehabt, ihm die Zahlungsfrist nicht zu verlängern? Sollte ich mich so in dem Charakter Hermanns getäuscht haben? , . . „ Aber sonderbar," fuhr der Kommerzienrat, mehr zu sich sehr wenig. Ich habe ihm zwar meine Vermutung nicht selbst als zu Wessel sprechend, fort, „sonderbar, von der ausgesprochen, bat ihn aber, mir nähere Mitteilungen ganzen Sache hat Hermann mir kein Wort gesagt. Ne- i'"- s''"" bcnbci bemerkt, ist er seit einigen Wochen geschäftlich ver- dieses am Ballabend. reist. Hm! hm! die Sache gibt mir zu denken. Und Faber sollte wirklich so leichtsinnig gewesen sein? Ich kann cs kaum glauben."