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Wilsdruffer Tageblatt : 17.08.1933
- Erscheinungsdatum
- 1933-08-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193308176
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19330817
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19330817
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1933
-
Monat
1933-08
- Tag 1933-08-17
-
Monat
1933-08
-
Jahr
1933
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 17.08.1933
- Autor
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Spionin gegen Spionin. Glück und Ende einer Tänzerin. — Unsichtbarer Kampf auf Tod und Leben. — Verliebte Verräter. Von Otto König. Aus vielen kleinen Einzelgeschehnissen der letzten Monate, so aus wohlgesetzten Reden und aus gegenseitigen Besuchen militärischer Art könnte man den Eindruck gewinnen, als bahne sich langsam zwischen den bisher feindlichen Nachbarn Rußland und Polen ein angenehmes Verhältnis an. Doch die Höflichkeit ist nur Schein, vielleicht dazu be stimmt, Eindruck auf andere Mächte zu machen. In Wirklich keit führen die beiden Staaten im Dunkeln einen erbitterten Kampf miteinander. Bezeichnend ist hier der Kampf, den zwei Frauen mit einander führten. Polen hatte den Versuch unternommen, den Westen Sowjetrußlands mit einem Spionagenetz größten Umfang zu überziehen. Anfängliche Erfolge waren plötzlich durch schwerste Niederlagen abgelöst worden. Ein polnischer Spion nach dem anderen wurde in rascher Reihenfolge ent larvt und von den Bolschewisten ohne viel Federlesen an die Wand gestellt. Die Sowjetbehörden hatten sicher aus einer in Polen selbst zu suchenden Quelle die Namen der in Rußland arbeitenden gegnerischen Spione erfahren. Der alte Grundsatz „Sucht nach der Frau!" wurde auch hier befolgt. Der Geheimdienst richtete sein Augenmerk be sonders auf solche Weiblichkeit, die Zutritt zu Offizierskreisen hatte. Die vornehmen Lokale wurden unauffällig beobachtet. In den Theaterlogen, hinter den Kulissen wachten die Ge heimagenten. Unter den schönen Frauen der Warschauer Gesellschaft, die in dieser Hinsicht besondere Beachtung fanden, war auch die bekannte Tänzerin Tiodoza Majewska. Sie wurde viel in Gesellschaft von polnischen Offizieren gesehen, doch war sonst kein Anhaltspunkt vorhanden, der einen Verdacht gerecht fertigt hätte. Da die Arbeit des Geheimdienstes zu keinem Erfolg führte, sicherte man sich die Unterstützung einer Frau von ungewöhnlicher Schönheit und weitem Gewissen, einer Wienerin. Sie wußte sich unausfällig Zugang zu den lebens lustigen vornehmen Warschauer Kreisen zu verschaffen. Von ihren Auftraggebern war der Wienerin auch der Name der jungen Tänzerin genannt worden. Bevor die Ge heimagentin die Majewska zu sehen bekam, stieß sie durch einen Zufall auf einen jungen Lebemann, der sich als der Bruder der Tänzerin entpuppte. Rein instinktmäßig beschloß die Wienerin, die flüchtige Bekanntschaft zu vertiefen. Ihrer berückenden Schönheit fiel es nicht schwer. Majewski verfiel vollständig ihrem Bann. Er wurde absichtlich ein wenig von oben herab behandelt. Deshalb hatte er das natürliche Be streben, sich in den Augen seiner Angebeteten wichtig zu machen. Er ließ Andeutungen darüber fallen, daß er das Leben Dutzender von Menschen in der Hand habe. Die Wienerin täuschte in geschickter Weise Zweifel an seinen Be hauptungen über seinen Einfluß vor, und sie reizte dadurch den Verliebten dazu, noch viel mehr auszuvlaudern, bis für sie kein Zweifel mehr daran bestand, daß sie Majewska die Spionin war, die den Russen die Namen der polnischen Ge heimagenten verriet. Trotzdem sollte noch nicht zugegrifsen werden. Denn die Wienerin hatte aus den Andeutungen Majewskis entnommen, daß seine Schwester noch einen größeren Schlag plane, der vielleicht für das Geschick eines ganzen Landes entscheidend sein würde. Er sagte aber nichts davon, daß die Tänzerin sich seit einiger Zeit beobachtet fühlte und Wert darauf legte, ihr Gastspiel in Polen bald mit einem großen Erfolg zu beschließen. Die Majewska hatte auf einen polnischen Generalstabs offizier einen noch nachhaltigeren Eindruck gemacht als die Wienerin auf ihren Bruder. Eines Abends saß sie in vor- züglicker Stimmung mit ihm in einem der besten Warschauer Weinlokale und ließ ihre Reize wirken. Sie gab sich dabei ein wenig spröde und steigerte dadurch nur das Verlangen des Polen. Er war bereit, alles zu tun, was sie verlangte. Keiner der beiden ahnte, daß sie beobachtet wurden. Der höfliche neue Empfangschef mit dem unbeweglichen Gesicht war ein Geheimagent. Er sah, wie der Offizier ein Papier aus der Tasche zog und unter fein Mundtuch legte. Bald darauf wanderte das Papier in die Handtasche der Tänzerin. Der Geheimagent wußte genug. Dann erhob sich das Paar. Draußen wartete ein Kraft wagen. Der Offizier begleitete die Majewska bis an den Schlag. Dann verabschiedete ihn die Tänzerin mit Scherz worten und dem Versprechen baldigen Wiedersehens. Die beiden sahen sich nie wieder. Der Kraftwagen blieb nicht in Warschau, sondern strebte mit aller Schnelligkeit, die der Zustand der polnischen Straßen zuließ, der Danziger Grenze zu. Die Majewska lag in den Weichen Polstern. Sie ließ sich von ihrem Bruder, der im Wagen auf sie gewartet hatte, eine Zigarette reichen. Zur Beruhigung, denn die letzten Stunden waren ein wenig aufregend gewesen. Doch jetzt hatte sie ihren größten Schlag ausgeführt. In wenigen Stunden würde sie jenseits der Grenze mit dem kostbaren Siegespreis in Sicherheit sein. Sie kam nicht über dis Grenze. Der Wagen wurde von Zollbeamten angehalten. Ein Mann, der verzweifelte Aehn- lichkeit mit dem Empfangschef aus dem Weinlokal hatte, bat die Majewska und ihren Bruder auszusteigen. Die Hand tasche der Tänzerin wurde zuerst untersucht. Man fand darin den Aufmarschplan einer der polnischen Armeen. Die schöne Majewska und ihr unvorsichtiger Bruder endeten unter dem Feuer des Exekutionskommandos. Der Offizier machte seinem Leben selbst ein Ende. Die schöne Wienerin konnte ihre Aufgabe als beendet betrachten. In einem Nachbarstaat warteten ihrer neue Aufgaben. DasGefechtvonBir-Tanari Erzählt von G. W. Brandstetter. Die Gefechtspause dauerte schon über eine Stunde. Dem Major brannte es in den Fingern, nach der Pfeife zu greifen und das Signal zum Angriff auf die Anhöhen von Bir-Tanari zu geben. Doch er wußte, seine Fremdenlegionäre würden nicht gehorchen. Denn sie liefen sonst in den Tod hinein, der dort irgendwo versteckt hinter den Felstrümmern lag und mit Hunderten von Kabylengewehren auf seine Opfer wartete. Der Fremdenlegionär Den Dixon kauerte hinter seiner Deckung. Er hatte vor dem blendenden Widerschein der Mittagsglut die Augen geschlossen, und die Gedanken wander ten. Er dachte daran, wie er zur Legion gekommen war, zum verlorenen Haufen: Vor fünf Jahren hatte er drüben in Eng land ein Mädchen gehabt und einen Freund. Die Betty wollte auf ihn warten, bis er Geld genug verdiente, um eine Familie gründen zu können, und der Freund, Ralph Kidstone, hatte ihm einen Wink gegeben: „Drüben auf der Malaienhalbinsel läßt sich in den Minen viel Geld verdienen. Ich kenne dort einen Ingenieur; vielleicht kann er Dich anbringen." So war Ben Dixon nach Hinterindien gegangen. Betty und der Freund blieben zurück. Briefe wurden gewechselt. Das Mädchen schrieb von seiner Liebe und dem zukünftigen Glück. Doch ein Jahr später suchte Ben diese Worte in den Briefen vergebens. Es war nur noch von Freundschaft die Rede, und zuletzt kam keine Zeile mehr. Da fuhr Ben selbst nach England: Das Mädchen saß im Gefängnis! Es war in Ralph Kidstones Hände geraten, hatte sich ihm zuliebe an einem Betrug beteiligt und nicht recht zeitig in Sicherheit bringen können. Der Schuft selbst war geflüchtet, verschwunden. Man sprach von der Fremdenlegion. Ben wollte die Betty sehen. Sie ließ ihm aber sagen, sie sei es nicht mehr wert, daß er sein Leben an ihr verpfuschtes kette und sie wolle es auch nicht. Da war Ben Dixon zur Fremden legion gegangen, halb aus Verzweiflung, halb in der Hoffnung, den Schuft und Todfeind dort zu treffen. Seitdem waren zwei harte Jahre vergangen, doch von Ralph Kidstone hatte Ben nichts gehört und... Der Fremdenlegionär sah Plötzlich auf. Sein Name war ge rufen worden. Der Unteroffizier neben ihm zeigte auf das Steinfeld vor der Linie: „Da draußen liegt ein Verwundeter von :s. Anscheinend vom zweiten Regiment, das heute morgen zurückgehen mußte. Schade um den armen Kerl. Wir werden die Stellung aufgeben müssen, und dann schneiden ihm die Kabylen den Hals durch." Ben Dixon ließ sich den Feldstecher des Unteroffiziers geben. Dort drüben lag wirklich, hinter einem Stein zu sammengekauert, ein Legionär, ein Weißes Tuch, vielleicht einen Hemdfetzen, um das Bein gebunden. Ein Kamerad, in Gefahr, wie ein Stück Vieh zu enden. Ben überlegte nicht lange. Er bat sich die Pistole des Unteroffiziers aus und kroch vor. Fast das ganze Bataillon beobachtete ihn, sah ihn von Stein zu Stein schleichen, springen, sich niederwerfen, warten. Der Major verstand, was der Mann wollte. Er befahl Schützenfeuer, um die Kabylen abzulenken. Ben Dixon erreichte den Verwundeten, kroch neben ihn. Die beiden Legionäre sahen sich an. Sie sprachen kein Wort. Denn Ben Dixon hatte seinen Todfeind gefunden! Den Legionär Kidstone vom zweiten Regiment, durch Schenkelschuß schwer verwundet. Unwillkürlich griff Ben nach der Pistole. Doch sofort nahm er die Hand wieder zurück. Er konnte nicht auf den ^Wehrlosen schießen. Er war gekommen, um einen Kameraden wor den Kabylen zn retten. Er mußte seine Aufgabe erfüllen. So griff er schweigend nach seinem Verbandpäckchen, schnitt das Beinkleid seines Feindes auf, der vor Furcht zitterte, ver band die Wunde. Dann legte er sich flach ans die Erde, herrschte den anderen an: „Kriech auf meinen Rücken." Ralph Kidstone gehorchte .willenlos- unv Sann vollführte der Legionär Dixon jene Tat, von der man in beiden Regimentern noch lange sprechen wird: Wie er mit dem Verwundeten auf dem Rücken hochsprang zum nächsten Felsbrocken zurück, wie er weiter kroch, wie die Kabylengeschosse Dutzende von kleinen Sandfontänen um ihn hochzauberten, wie der Major Schnellfeuer aus allen Gewehren befahl, unt den Feind zu stören und von der menschlichen Ziel scheibe abzulenken, wie BeN Dixon sich die Stirn, das Gesicht, die Brust blutig schlug beim Hinwerfen unter der Last des Verletzten und wie es ihm doch gelang, was unmöglich erschien, die eigene Linie zu erreichen, den Kameraden zum geschützten Verbandplatz zu schaffen. Doch damals verstand keiner, was jetzt geschah: Der Ver wundete wollte seinem Retter danken. Ben Dixon achtete nicht auf die Hand und schob sich wieder in die Linie vor auf seinen alten Platz. — Zwei Wochen später trat das Bataillon zur Parade an, weil der Oberst dem Legionär Dixon die Militärmedaille über reichen wollte. Ben nahm die Auszeichnung wie etwas Un angenehmes, und er faßte nach der Brust, als drohte dort die Münze ein Loch zu brennen. Die Kameraden sragten ihn: „Was ist es?" Dixon sagte kein Wort. Die anderen meinten, er hätte den Cafard, den Legionskoller, in einer neuen, harm loseren Form bekommen. — Ein halbes Jahr darauf erhielten sie eine Erklärung für Bens sonderbares Verhalten. Aus dem Lazarett als geheilt entlassen, kam eines Tages Ralph Kidstone ins Bataillons lager. Er meldete, sich bei der Wache und sagte, er wollte seinem Lebensretter danken. Man wies lhn in die Baracke, in der Ben Dixon lag. Der Legionär stand langsam auf, als sein Todfeind vor ihn trat, ihm die Hand bot. Doch dann fuhr .plötzlich seine Faust durch die Lust und warf Ralph Kidstone zu Boden: „Schuft!" Bei der Legion miscbi man sick nicht in den Streit anderer: Die Baracke war plötzlich leer, als Kidftone sich lang sam aufgerichtet hatte und seinem Feind und Retter wieder gegenüberstand. Ben Dixon hielt sein Seitengewehr in der Hand. Da zog der andere auch seine Waffe. — Die Kameraden standen schweigend vor der Tür der Baracke, als Ben ein paar Minuten später heraustrat. Sie wußten, da drinnen mußte ein Toter liegen. Zweikämpfe sind bei der Legion verboten. Das Kriegs gericht fand den Legionär Dixon schuldig und verurteilte ihn zum Tode. Das Staatsoberhaupt hat vor kurzem die Strafe in zehnjährige Zwangsarbeit umgewandelt. Ben Dixon wird zu den Achthundert gehören, die demnächst mit der „Martinique" nach Cayenne gebracht werden. Blumen. Skizze von Gertrud Grote-München. Frau Annemarie stichelt an ihrer Flickarbeit. Kleine Sorgen und große Sorgen! Die knappe Witwenpension — die vorzeitige Einsamkeit — die schwere Pflicht, Uli, ihren Einzigen richtig zu erziehen! Zehn Jahre ist der Junge nun alt, und doch so ungeduldig und flatterhaft noch — im Grunde ein gutes Kind, ganz gewiß — aber so wild und rücksichtslos — Die hin und her wandernden Gedanken spiegeln sich auf dem noch jungen Gesicht der Frau, während sie bald eifrig, bald langsam die Nadel durch den Stoff von Ulis übel zugerichteter Sonntagsjacke führt. „Von mir selbst hat er ja diese rasch zu fahrende Art geerbt", denkt sie seufzend — und keine halbe Mi nnie später schießt richtig ihr eigenes Temperament in den gereizten Ruf: „Uli!" — Sie hat im Nebenzimmer schleichende Schritte gehört. Was hat der Junge wieder vor, daß er so vor sichtig ist? Uli kommt zögernd herein, ein hübscher Kerl mit blondem Haarschopf, sonnenverbrannt und barfuß. „Komm', Uli!" —- ^?rau Annemarie weiß nickt eimnaEuLNüU. Was. llL vE_UU ivrm ves rsr ryr nur Veourfms, ryn von Zerr zu Zen zu jeyen und zu revidieren, in Aerger oder in Freude, gleichviel! — Diesmal schlägt ihre Stimmung sofort zum Guten um. Uli hält einen frischgepflückten Wiesenblumenstrauß in der Hand, zierlich und liebevoll geordnet aus Schafgarbe, Löwen zahn, magerem Klee, Gräsern — allem, was aus staubigen Dorstadt-Bauplätzen gedeiht. Etwas Rührendes liegt auf dem kleinen Gebilde. — „Wie hübsch, Uli! Das ist etwas ganz anderes als das abgeraufte Unkraut, das Du mir für gewöhn lich ins Zimmer schleppst!" Uli sieht die Mutter unschlüssig an und wetzt seine nackten Füße aneinander. Doch als sie nach dem Strauß greift, beginnt es um seinen Mund unmännlich zu zucken. „Die Blumen, Mutti, die Blumen — die hab ich ja für Ursel gepflückt, weil sie heute Abend von der Reise wiederkommt." Frau Annemarie senkt den Kopf und schweigt — ganz, gegen ihre Gewohnheit. Sie hält sich selbst vor: lächerlich ist es, sich von dem kleinen Mißverständnis so wehe tun zu lassen., Und doch kann sie es nicht ändern, daß es sie bis ins Herzj hinein schmerzt; sie möchte am liebsten weinen! Schuldbewußt lugt der Junge unter seinen langen Wim-, Pern hervor zu der stillen Mutter hin. Er kann ihr Gesicht! nicht sehen, und was da vor sich geht, fühlt er nur unklar. Aber plötzlich macht sich fein kleines Herz in lautem Geheul Luft.! Die Mutter legt die Hand auf seinen Nacken. „Komm, Uli,! weine nicht! Ich hab ja nicht gewußt, daß die Blumen für Ursel sind! Gib sie ihr nur, sie wird sich sehr freuen." — „Du! — Du kannst sie aber haben", schluchzt Uli, „ich hole für Ursel andere." Ein edler Wettstreit ist das! Die Mutter mag dem Jungem nicht begreiflich machen, daß es jetzt für sie keinen Wert mehr hat, die Blumen zu bekommen, und da er nicht nachgeben will, schickt sie ihn schließlich fort, nicht gerade unfreundlich, aber ungeduldig. Sie möchte allein sein. Lange Zeit sitzt sie da. — Eifersucht auf diese Kinder freundschaft? fragt sie sich. Eifersucht etwa auf das Mädel- chen Ursel mit dem braunen Zigeunergesicht? — Ja, vielleicht auch das! — Aber viel bitterer scheint doch das plötzliche Wissen^ daß sie der einzige Mensch ist, der für Uli jetzt und immer sein Leben hundertmal hingeben würde, so wie sie die Jahrs ihrer Jugend ihm schon hingegeben hat — und daß der Jungs ihr das niemals danken wird. Er wird zu anderen laufen und wird vielleicht immer von ihnen betrogen und im Stich gelassen! werden; und sie, die Mutter, ist zum Zusehen verurteilt! Was ist sie dem Jungen überhaupt jetzt noch? Eine un bequeme, mahnende Aufseherin, eine Dienerin zugleich, die! für sein Essen und seine Kleidung sorgt. Das welke Unkraut,! die Steine und die Tiere, die er nach Hause bringt — die darf sie aus dem Weg räumen; er fragt nicht einmal mehr, wo sie geblieben sind. Aber er geht hin und sammelt für ein fremdes! Kind Blumen, so sorgfältig, wie es die eigene Mutter ihm nie-! mals zugetraut hätte... Frau Annemarie fährt auf, als leise die Tür geht. Uli ist es, der sich wieder ins Zimmer hineindrückt. Er trägt vorsichtig, drei lange rote Nelken vor sich her, mit Draht und Grün ge bunden, schon etwas angewelkt. — „Da" — er streckt sie ihr un beholfen hin. „Das Geld hab ich aus meiner Sparbüchse ge schüttelt", fügt er plötzlich hinzu, und dann, in treuherzige» Entschuldigung ob dieser Verschwendung: „Ich hab sie auch etwas billiger bekommen." Die Mutter sieht in das eifrige Kindergesicht, sie sieht auf die steifen Blumen — und sie denkt unwillkürlich an den lieb lichen kleinen Wiesenstrauß. Es schmerzt noch immer, aber! schon rücken sich die Dinge sanft und leise wieder zurecht. Sie! nimmt Ulis kleine Hand, die schmutzig ist, wie stets; sie Weitz' auf einmal: der Junge ahnte ja nichts von dem Wert seine» mit erfinderischer Liebe selbstgepflückten Blumen — er glaubt der Mutter jetzt etwas viel Besseres zu bieten als die gewöhn lichen, immer erreichbaren Wiesenkräuter. Doch, er hat seine! Mutter lieb auf seine Art; nicht nur das acktlos weaaeworiene Unkraut im alltäglichen Leben gehört ihr, sondern da, wo es darauf ankommt, auch besondere Ehre und Dankbarkeit, so gut es das Kind versteht. Daß aber Jugend zu Jugend eine andere Sprache spricht — die Muter seufzt ein letztes Mal auf — besser ist es wohl, man fügt sich vorahnend dahinein! „So wunderschöne Nelken, mein Uli! Die müssen wir in meine beste Kristallvase stellen!" Qcr Veioe Loo als Weuns des Menschen. Eine griechische Spinne vertilgt deutsche Wanzen. Von Eberhard Göschen. Zu den unangenehmsten, ja, man kann sagen widerlichsten Ungezieferarten, die manchem schon das Leben verleidet haben, gehört zweifellos die Bettwanze. Dort, wo sie sich einmal ein genistet hat, läßt sie sich außerordentlich schwer wieder ver treiben; eine wirklich zuverlässige Vertilgung ist eigentlich nur durch eine umständliche und gleichzeitig kostspielige Vergasung etwa mittels Blausäure möglich. Alle die beklagenswerten Besitzer wanzenverseuchter Woh nungen Werden daher mit Genugtuung vernehmen, daß es neuerdings gelungen ist, diese scheußliche Plage auf eine recht einfache Weise zu beseitigen. Und zwar mittels einer griechi schen Spinnenart, der Wissenschaft als Thanatos Flavidus, -- zu deutsch: der gelbe Tod — schon lange bekannt, die, wie ein Zufall gelehrt hat, ihrem Namen jedenfalls gegenüber den Wanzen alle Eyre macht. Man lernte ihre höchst schätzens werten Eigenschaften kennen, als in einem von Ungeziefer wimmelnden Barackenlager bei Athen die kleinen Blutsauger eines Tages verschwunden waren, obgleich man den scheinbar aussichtslosen Kampf gegen die Plagegeister schon seit langem aufgegeben hatte. Eine Untersuchung der so unerwartet ge reinigten Räume ergab, daß sich in ihnen sie oben erwähnte Spinne angesiedelt und offenbar mit den Wanzen gründlich aufgeräumt hatte. Als diese erfreuliche Wirkung des Gelben Todes bekannt wurde, wollte man ihn natürlich auch anderswo zur Wanzen vertilgung verwenden. Aber würde sich das an das warme Klima Griechenlands gewöhnte Tier auch in kälteren Breiten, etwa in Deutschland, wohlfühlen und — das war das Wichtigste — Wanzen vertilgen? Die Sache schien einen Versuch wert, und er wurde gemacht. Der deutsche Forscher A. Hase ließ sich aus Athen eine kleine Kolonie der Spinnen kommen. Sie trafen Wohl und munter in Berlin ein, und alsbald begannen die Versuche, die sich zunächst auf den Ge- schmack der Tiere erstreckten. Und wie in der fernen griechischen Heimat, bevorzugten sie auch bei uns immer und immer wieder aus den ihnen Vorgesetzten verschiedenen Insekten eine ganz besondere Art: die Bettwanze. Von wirklichem Nutzen konnten diese neuentdeckten Freunde des Menschen bei uns allerdings erst werden, wenn sie sich unter den rauheren klimatischen Verhältnissen auch fortpflanzten, da ein dauernder Bezug aus GriecheiÄand recht umständlich nnd teuer geworden wäre. Erfreulicherweise hat Hase auch in dieser Hinsicht befriedigende Ergebnisse erzielt, so daß einer allgemeineren Einführung des Gelben Todes in wanzenverseuchten Gegenden nichts weiter im Wege stehen dürfte. Hoffen wir, daß die Spinnen dann ihr Werk bei uns ebenso gründlich verrichten Wie in. dem athenischen Darückenianmü
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