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I Wilsdruffer Tageblatt I I 2. Blatt Nr. 184 — Mittwoch, den 9. August 1933 I Tagesfpruch Jedem Menschen für sein Leben Ist ein Maß von Kraft gegeben. Das er nicht erweitern kann; Aber nach den rechten Zielen Seine Kräfte lassen spielen, Soll und kann ein rechter Mann. (Rückert.) * Junge Weise, alte Toren, Dor der Zeit kann nichts gedeih'n -- Wenn der Most nicht ausgegoren, Gibt es keinen guten Wein. Fr. von Bodenstedt. „Oie Tränen -es heiligen Lameniius." Sternschnuppen im August. Eine hübsche Himmelserscheinung dürfen wir uns im August nicht entgehen lassen: in den Tagen vom 8. oder 9. bis zum 11. oder 16. August durchkreuzt die Erde aus ihrer Bahn eine großen Meteorschwarm. Reichliche Sternschnuppen sind zu erwarten — ein besonders gün stige Gelegenheit, Wünsche in Ersüllung gehen zu lassen! Denn es ist von alters her bekannt, und jeder Weitz das, datz Wünsche, die man ausspricht oder auch nur denkt, wenn „ein Stern vom Himmel fällt", von einer höheren Macht unbedingt erfüllt werde. Die Augustmeteore werden im Volksmund oft als „Tränen des heili gen Laurentius" bezeichnet, weil am 10. August, der der Gedächtnistag des heiligen Laurentius ist, die Sternschnuppenfälle besonders stark sein sollen. Laurentius war unter Papst Sixtus ll. Dia- konus der römischen Gemeinde und erlitt während der Christenverfolgung unter Valerianus im Jahre 258 den Märtyrertod. Als ihn die heidnische Behörde aufsorderte, die Schätze der Kirche auszuliefern, bezeichnete er als „Schätze der Kirche" die versammelten Armen und Kranken der Gemeinde. Infolgedessen wurde er an einem langsamen Feuer zu Tode gemartert. Die Tränen, die er am Marterpfahl vergotz, das sind die Sternschnuppen. Der Astronom, der sachlicher und kühler denkt, nennt den Strom dieser winzigen Weltenbummler nicht „Tränen des heiligen Laurentius", sondern Perseiden, weil der Ausstrahlungspunkt der flüchtigen Lichtbahnen im Sternbilde des Perseus liegt. Von dieser Tatsache kann sich leicht jeder, der am Sternenhimmel ein bißchen Be scheid weiß, selbst überzeugen: verlängert man die Meteor bahnen rückwärts, so stößt man fast ausnahmslos auf die Perseussterne. Was sind denn nun aber überhaupt Stern schnuppen? Die Wissenschaft nennt so diejenigen Meteore, welche einem fortschietzenden oder herabfallenden Stern ähnlich sehen. In Gestalt eines mehr oder weniger Hellen Sterns erscheint plötzlich ein Lichtpunkt am Him mel, der sich über einen Teil desselben in nahezu grad liniger Bahn fortbcwegt und dann entweder plötzlich ver schwindet oder allmählich beim Verschwinden an Helligkeit abnimmt. Bisweilen bleibt auf der Bahn ein mehrere Sekunden lang andauernder Lichtstreifen sichtbar. In beträchtlicher Anzahl sind Sternschnuppen tatsächlich auf die Erde herabgefallen und als metallische oder steinige Massen, Aerolithe oder Meteorsteine genannt, auf gesunden worden. Die Höhe, in der Sternschnuppen sichtbar werden, ist durch genaue Beobachtungen zu durchschnittlich 100 bis 150 Kilometer bestimmt worden; größere Höhe als ;60 Kilometer dürften kaum Vorkommen. Die Ge schwindigkeit der Bewegung der Sternschnuppen beträgt zwischen 20 und 70 Kilometer in der Sekunde. Vereinzelte oder sporadische Sternschnuppen kann mau, wenn man Glück hat. in jeder Sternennacht sehen. In gewissen Zeiten aber nehmen die Sternschnuppen außer ordentlich an Häufigkeit zu und treten in förmlichen (44. Fortsetzung.) „Wir müssen Döllnitz helfen, um jeden Preis!" Stein ist aufs äußerste erregt. „Man muß alles versuchen, das Leben dieses Braven zu retten!" * * Der alte Blücher hat recht behalten: Der diplomatische Schritt ist bereits da! Aufgeregt betritt der französische Gesandte, Graf St. Mar fan, das Arbeitszimmer des Staatskanzlers Hardenberg im Breslauer Schloß. Der Höflichkeit wird wenig Zeit gegeben. Scharf beginnt der Gesandte die Unterredung: „Herr von Hardenberg — sagen Sie mir, was diese Szene von heute vormittag bedeuten soll! Frankreich glaubt noch immer mit Preußen in Frieden zu leben; ja, wir betrachten es als unseren Bundesgenossen, und da wagt ein Universitätspro fessor in aller Oeffentlichkeit, unter den Augen Ihres Königs, uns quasi den Krieg zu erklären?!" Hardenbergs Antwort ist das Kabinettstück eines Diplo maten. „Die Gesinnung des Volkes, der Jugend, kann Ihnen kein Geheimnis sein. Die Rede konnten wir nicht verhindern. Daß sie gehalten wurde erfuhren wir erst, als sie beendigt war. Der König desavouiert sie. Fordern Sie Genugtuung, die soll Ihnen werden" St. Marsan ist nur halb beruhigt. Noch immer ist eine un verkennbare Heftigkeit in seinen Worten: „Ich werde sofort die nötigen Schritte einleiten und hoffe annehmen zu dürfen, daß Sie, Herr Minister, es an nichts fehlen lassen werden, dem Schuldigen die gerechte Strafe zuteil werden zu lassen." Hardenberg setzt eine undurchdringliche Miene auf. „Herr Graf, ich will Ihnen nicht verheimlichen, daß ein jeder Schritt gegen den übereilten Redner ihn in einen Märtyrer ver wandeln und eine Bewegung erregen wird, die uns in große Verlegenheit setzen würde und die wir schwerlich zu hemmen vermögen. Gegen den Willen des Volkes sind auch wir Machtlos." Schwärmen aus, so daß in wenigen Stunden deren viele Tausende gezählt werden können: die jetzt fälligen Perseiden, auch Laurentiusschwarm genannt, und die Leoniden, die in der Zeit vom l2. bis 14. November, aus dem Sterubilde des Löwen (Leo) kommen, sind die berühmtesten. Während aber die Augustschwärme beinahe jedes Jahr in gleicher Häufigkeit auftreten, sind die Leoniden nach astronomischen Berechnungen nur alle 33 Jahre Veranlassung zu den ganz besonders starken Stern schnuppenfällen im November gewesen, bis sie vor der Wiederkehr im Jahre 1899 in die Nähe der großen Pla neten Saturn und Jupiter kamen und stark aus ihrer Bahn gelenkt wurden, so datz sie nicht mehr in Erdnähe erschienen und voraussichtlich auch nicht mehr in solchen Mengen wie einst erscheinen werden. Das hat man im November vorigen Jahres, wo sie hätten kommen müssen, mit Bedauern feststellen können. Es gab eine Zeit, in der man, verführt durch das Wort „Schnup p e n" oder „Schneuzen" der Sterne, die Sternschnuppen als eine abgesonderte Unreinigkeit der Sterne ansah. Man hielt sie für aus der Erde empor gestiegene brennbare Dünste, die sich in der Luft ent zündeten und so lange leuchteten, bis sie selbst verbrannt waren. Selbst der große Astronom Kepler huldigte lange dieser Ansicht, und noch vor etwas mehr als hundert Jahren sprachen die besten Volksschriftsteller von den Sternschnuppen auf solche Art. Wo eine Sternschnuppe niedergefallen zu sein schien, fand man nicht selten eine schwarzgraue, klebrige Materie oder eine gallertartige Flechte, und das hielt man dann für das Produkt des Putzens oder Schneuzens der Sterne. Schön ist eine lettische Sage,von den Sternschnuppen. Die Spinnerin — das Schicksal — beginnt den Faden der neugeborenen Menschen am Himmel zu spinnen, und jeder Faden endet in einem Stern. Naht nun der Tod, so reißt der Faden, und der Stern fällt erbleichend nieder. Es ist eine Sage, die an die Parzen, die Schicksals- göttinen der alten Griechen, erinnert; auch sie spannen den Lebensfaden des Menschen und schnitten ihn dann entzwei! Mergruß in den preußischen Schulen. Der preußische Kultusminister hat eine Verfügung erlassen, wonach in den preußischen Schulen sich Lehrer und Schüler gegenseitig und untereinander mit Hand heben zu grüßen haben. Es werde von jedem Deutschen erwartet, daß er diesen Gruß ohne Rücksicht darauf, ob er Parteimitglied sei oder nicht, als Symbol des neuen Deutschland anwcnde. Den Schülern wurde diese Verfügung zum Beginn des ersten Schultages nach den großen Ferien während der Schulanfangsfeiern bekanntgcgeben. Von den Pionierübungen an der Weser. An Stelle der Manöver, die aus Sparsamkeitsgründen in diesem Jahre ausfallen, werden Truppenübungen durchgesührt, unter denen die Pionierübungen an der Weser besondere Beachtung verdienen. Im Mittel punkt der Übungen steht die Überwindung der Flutz- abschnitte, die an die Pioniere hohe Anforderungen stellt. Unser obiges Bild schildert die Verankerung der Seile iür die Fähre. Oie „A-o1f-Hii1er-E>pen-e -er -rutschen Wirtschaft". PPD. veröffentlicht folgende Bekanntgabe: Die „Adolf-Hi Iler-Spende der deutschen Wirtschaft" beruht auf einer Vereinbarung zwischen der Reichsleitung der NSDAP, und Beauftragten der deutschen Wirtschaft. Zweck der Spende ist: einer seits der Reichsleitung die Mitte! zur Verfügung zu stellen, die zur zentralen Durchführung von den Auf gaben, die SA., SS., St., HI., der politischen Organisa tion usw. zugute kommen, benötigt werden, andererseits den an der Spende sich beteiligenden Unternehmungen die Sicherheit zu geben, datz ihre Arbeit für den Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft nicht durch wilde und im voraus nicht zu übersehende Samm lungen gestört wird. Ich verbiete allen Angehörigen, Dienststellen und Einrichtungen der Partei das Sammeln von Geld beträgen bei allen Unternehmungen und Verbänden der Wirtschaft, die sich an der „Adolf-Hitler-Spende der deut schen Wirtschaft" beteiligen. Die Spender legitimieren sich durch einen mit meiner Unterschrift und dem Partei stempel versehenen Ausweis. Alle örtlichen oder bezirklichen Einzel- abmachungen der Dienststellen und Einrichtungen der Partei mit den für eine Beteiligung an der Spende in Frage kommenden Unternehmungen und Verbänden der Wirtschaft verlieren ihre Gültigkeit. Reue Ab machungen, die die Firmen oder Verbände der Wirtschaft von einer Beteiligung an der Spende abhalten könnten, sind verboten. Ebenso sind Eingriffe oder Maßnahmen hinsichtlich der Durchführung der Spende untersagt. gez. Rudolf Heß. Reue WirWaWettiebe der Gemeinde« werden nicht mehr errichtet. Der preußische Minister des Innern hat an die Nachgeordneten Behörden folgenden Rund er! aß gerichtet: Die wirtschaftliche Betätigung der Ge meinden und Gemeindeverbände hat in der Nachkriegszeit in zahlreichen Fällen einen Umfang angenommen, der in den Kreisen der Privatwirtschaft zu oft begrün deten Klagen Anlaß gegeben hat; namentlich in der Inflationszeit haben Gemeinden und Gemeinde verbände Wirtschaftsunternehmungen auf dem Gebiete der Industrie, des Handels, des Handwerks oder des Verkehrs begründet oder sich an derartigen Unternehmun gen beteiligt, ohne daß ein öffentlicher Zweck für eine derartige Wirtschaftsbetätigung der Gemeinden vorlag. Gegen eine Fortsetzung dieser Entwicklung bestehen unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten erheb- lichste Bedenken. Ich erwarte daher, datz die Gemeinden und Gemeinde verbände insbesondere im Interesse des g e w e r b l i ch e n Mittelstandes von jeder Einrichtung neuer wirt schaftlicher Betriebe oder der Übernahme neuer Betriebs zweige durch bestehende Betriebe Abstand nehmen. Auflösung der SWpoiizei iu Preußen. Wie der Amtliche Preußische Pressedienst mitteilt, hat der preußische Ministerpräsident und Minister des Innern, Göring, die Hilsspolizei, nachdem sie ihrer Zweck bestimmung in vollem Umfange gerecht geworden ist, m i 1 dem 15. August I93R aufgelöst. Eine weitere Ausbildung findet daher nicht mehr statt. Die bisherigen Rundcrlassc treten mit Ablauf des 15. August 1933 außer Gültigkeit. an keMen lAUsn - - - das herrlich erhält die Zähie erfrischende "" T - gesund und weiß Tsknpssts . IVI unci wLsser Kurz darauf hat General Scharnhorst Audienz beim König. Wie immer in den letzten Tagen, steht der Mobilmachungs befehl zur Diskussion. Wie immer aber zögert der König. Heute ist Scharnhorst entschlossen, seinen Willen durchzusetzen. Ruhig und sicher wie stets hält der General Vortrag: „Majestät — ich verbürge mich dafür: Wir bringen die hun derttausend Mann Landwehr auf! Sie werden sich den Linientruppen anschließen, die wir auf hundertzwanzigtau send Mann bringen können. Außerdem, Majestät, haben wir die Freiwilligen!" Der König, ohne Begsisterungsfähigkeit, ohne belebenden Schwung, versucht sich der sachlichen Gründlichkeit, der stillen, zwingenden Energie des Generals zu entziehen. Er glaubt das Argument zu haben. „Freiwillige? . . . Ganz gute Idee! Aber wieviel schließlich kommen? Abwarten, Scharnhorst! zu hoch alles! Zahlen — Zahlen. . " Scharnhorst steht unbeweglich. Aber in ihm kocht es. Betteln muß er, damit endlich die Kräfte mobil gemacht werden, die er trotz allem Widerstreben in harten Jahren für Preußens Wiederaufstieg geschaffen hat. Seine Stimme flackert vor Erregung: „Wir bringen zweihunderttausend Mann auf, Majestät! Und der Gei st Ler diese Truppe be seelt, wird ihr doppelte Stärke verleihen . ." Ein Ruck geht durch seine Gestalt, sein Körper strafft sich, seine Stimme wird fast zum Befehl: „Unterzeichnen Maje stät — und wir können marschieren!" Der König senkt den Blick. Er sitzt, schmal und blaß, in feinem Sessel. Der da vor ihm spricht scharf, weil er über zeugt ist, er spricht gut, weil er glaubt an das, was er zu sagen wagt — aber weiß er, ob es die lautere Wahrheit ist, die er vor Gott verantworten kann? Weiß er das?! Und wenn ers beschwört?! Was nützt es? Beweise — Beweise braucht es . . In die unheimliche Stille dieser Minuten brandet plötzlich donnerndes Rufen durch die hohen Fenster in den Raum. Der König horcht auf: „Was soll das bedeuten? Nachsehen, Scharnhorst!" Der General tritt zur Balkontür, öffnet. Musik, brausende Hochs, steigen machtvoll herauf. Da erhebt sich der König. Etwas Seltsames geht in ihm vor: Eine Räte überfliegt fein Gesicht, seine Augen bekommen einen merkwürdigen, nie gekannten Glanz. General Scharnhorst tritt vor ihn hin, seine Stimme klingt hart, wie Metall: „Die Freiwilligen — Majestät!" Der König tritt auf den Balkon. Taujendköpfig steht unten die Menge. Mann an Mann. In Uniform und Zivil. Junge und Alte. Reich und Arm. Sie sind e i n Wesen jetzt, ein Wille, ein Hoffen. Dröhnend hallt die Marschmusik herauf, von neuem grüßen den Herrscher die brausenden Hochrufe. Da geht ein Schütter» durch den Körper des Königs, Tränen stehen ihm in den Augen, diese Stunde wandest ihn für immer . . Er grüßt sein Volk, er hebt die Schwurhand: Für Vater land und Freiheit! Er wendet sich zu seinem General. Scharnhorst sucht den Blick seines Königs. „Die Stimme des Volkes — Majestät!" Und der König sagt schlicht und fest: „Wir marschieren!" In Scharnhorsts Augen leuchtet es sekundenlang bewegt auf: Seine Stunde ist gekommen! Sporenklirrend salutiert der General, soldatisch streng wie immer: „Zu Befehl — Majestät!" Preußen wird marschieren! 19. In Schloß und Dorf Löbau ist die Erregung auf das höchste gestiegen. Seit dem Fehlgehen des Befreiungsversuches droht stündlich offener Aufruhr auszubrechen. Wie ein Lauf feuer ist die Schreckensnachricht durch den ganzen Landkreis geeilt. Beim Schein der trüben Oellampen haben die Bauern die letzte Nacht zusammengesessen, Verzweiflung im Herzen. Heute soll das Urteil an Hauptmann Döllnitz vollstreckt werden, die französischen Henkersknechte werden kurzen Pro zeß machen: auch Schmied Wemper utid Karl von Löbau sind ihren Kugeln ausgeliefert. Der junge Jürgen Thorn ist inzwischen seinen Verletzungen erlegen. Man hat die Gefangenen zusammengesperrt. Endlos schien ihnen die letzte Nacht und nun, da der Tag anbricht, seit Aus gang des fahlen Morgenlichtes, das ihre müden Augen schmerzend blendet, verrinnt Stunde um Stunde in düsterem Schweigen. Einmal nur hat der Schmied Wemper, in letzter, zorniger Verzweiflung an der schweren Tür des Turm- zimmers gerüttelt, bis ihn die todgeweihten Kameraden müh sam beruhigt haben — hier ist alles zwecklos. Der Tod ist nahe, das ist die einzige, gewisse Hoffnung. Döllnitz hat längst alles hinter sich geworfen — m all diesen einsamen Wochen träumte er sich in ein sanftes Vergessen, in ein be seligendes Bewußtsein, am Ende einer großen Erfüllung W skAn. (Fortsetzung folgr.)