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Zonntags-Üeilage Nr.rs lvilsaruirri« Tageblatt >. 7. IYZZ Die (Schm Eine Geschichte um August den Bereitwilligst überließ der von Pylau die Uhr seinem hohen Herrn und bat ihn, ganz nach Gutdünken darüber zu verfügen, wobei er lebhaft seine hohe Befriedigung kundtat, dem Kur fürsten einen Gefallen erweisen zu können. Die Hauptursache dieser hohen Befriedigung lag allerdings in der Aussicht auf den ihm bei dem Ankauf der Uhr durch den Kurfürsten zu- fließenden, sicher, sehr ansehnlichen Gewinn; doch davon ließ der Minister sich wohlweislich nichts merken. Um so rückhaltloser gab er seiner Freude Ausdruck, als er, zu Hause angelangt, seiner jungen Frau von dem wundersamen Schicksal berichtete, das der Uhr des Juden in der letzten Stun de zuteil geworden war. Und er brach in ein unbändiges Ge lächter aus, als er auf das Aufgeld zu sprechen kam, daß ihm, falls der Kauf abgeschlossen wurde, der Kurfürst zugesichert hatte. Die unbändige Freude ihres Gemahls teilte die schöne Ministergattin jedoch keineswegs. Ihr war vielmehr bei der Erzählung von den Geschicken der Uhr zunächst ganz blümerant, bald darauf sogar schwarz vor den Augen geworden. Und als sie vernommen hatte, daß die Uhr sich wieder im Gewahrsam des Kurfürsten befand, versagten ihr die Beine den Dienst, so daß sie sich in einen Sessel fallen lasten mußte. Ganz entsetzt starrte sie vor sich hin. Es wollte ihr einfach nicht in den Kopf, daß dieselbe Uhr, die ihr Galan am Bormittag vom Kurfür sten empfangen hatte, drei knappe Stunden später bereits wie der den Weg in die "Tasche des hohen Spenders zurückgefunden haben sollte.-Nur über das eine war sie sich völlig im klaren: eine Katastrophe schien nunmehr unausbleiblich. Von der Seelennvt seiner Frau merkte der von Pylau indes nicht das mindeste. Der jagte in sichtlich gehobener Stim mung durch alle Zimmer, erwog allerhand Pläne, die ihm im Hinblick auf den erwarteten Gewinst aufgekommen waren, und überlegte, wie er das Kapital am vorteilhaftesten anlegen könn te, denn er gehörte zu jenen Männern, die, je älter sie wer den, um so mehr der Habgier und Knickrigkeit verfallen. Endlich hatte auch Frau Eleonore, wenigstens einiger maßen, ihre Fassung und Entschlußkraft wiedererlangt. Sie ging in ihr Zimmer und schrieb in großer Hast dem Grafen Moritz ein kurzes Billett, worin sie ihm von allem Vorgefalle nen, insbesondere aber davon berichtete, daß seine Uhr in die Tasche des Kurfürsten zurückgekehrt sei. Fieberhaft wartete sie auf die Antwort, was jetzt zu geschehen hätte. Allein das Un glück wollte es, daß das Briefchen nicht in die Hände besten gelangte, für den es bestimmt war: der geheime Eilbote brachte nach langer, langer Zeit die niederschmetternde Nachricht, der junge Herr Graf seien nicht aufzufinden gewesen. Da ließ die Aermste auch die letzte Hoffnung auf einen guten Ausweg der so fatalen Geschichte sinken und fügte sich mit Ergebung in ihr schweres Geschick, bas nun wohl unabwendbar geworden schien. Am Abend aber saß, als Jüngster unter den würdigen Herren, die die kurfürstliche Tafelrtmbe bildeten, unbefangen und unbekümmert, der Sieger von Ohlau. In seiner Ahnungs losigkeit bemerkte er gar nicht, wie oft die Blicke seines Herrn j und Gebieters ernst auf ihm ruhten. Er war guter Dinge, ließ es sich schmecken und sprach dem Weine wacker zu. Nach der Tafel rief ihn der Kurfürst zu sich und begann mit ihm ein Gespräch, das sich zunächst um unbedeutende Dinge drehte. Dann aber fragte der Kurfürst plötzlich nach der Zeit. Das Eräflein fährt wohl sofort nach der Uhrtasche, zuckt jedoch im nächsten Augenblick zusammen. Es kommt ihm nämlich zum Bewußtsein, daß es das, was es sucht, dort ja nicht finden kann. An die Uhr hatte es, weiß Gott, nicht mehr gedacht, so oft auch seine Gedanken bei der lieblichen Bewohnerin des Mimsterhaujes in der Brüdergasse weilten. Ls blickt daher ein Ahr. Starken. / Bon Alfred Schnnra. wenig unsicher in die Augen des Kurfürsten, die es fest auf sich gerichtet sieht, faßt sich aber schließlich und sagt, es habe seine Uhr zu Hause vergessen. Ein Diener möge sie holen, bestimmt Kurfürst August, da seine Gäste sie ihres hohen Kunstwerkes wegen auch einmal sehen sollten. Dem Gräflein wird es schwül zumute, doch es nickt zustimmend. Sendet einen Boten aus. Aber nicht zu sich nach Hause, sondern zu seiner Freundin in der Brüdergaste. Sie möge ihm um Gottes willen doch sofort die Uhr senden; sie würde ganz dringend gebraucht; der Kur fürst wolle sie seinen Gästen zeigen. Frau Eleonore war indes nicht daheim. Teils um sich ein wenig zu zerstreuen, teils weil es ihr rätlich erschien, die weitere Entwicklung der Dinge nicht im Hause ihres Gemahls abzuwarten, hatte sie eine Anver wandte aufgesucht. So kehrte auch dieser Bote unverrichteter- dinge zurück. Das Gräflein hat kaum die Trauerbotschaft ver nommen, da kommt auch schon 'der Kurfürst herangeschritten und begehrt die Uhr. Sie müsse ihm gestohlen worden sein, lügt in seiner Verzweiflung das Heldengräflein, denn sie sei in sei ner Wohnung nicht zu finden gewesen. Tb er vielleicht selbst einmal suchen gehen dürfte? Statt einer Entgegnung zieht August jetzt die Uhr aus der Tasche, hält sie dem armen Sün- der dicht vor die Nase und fragt ihn, ob das etwa die gestoh lene Uhr fei. Bei diesem unverhofften Wiedersehen vermeint das Gräflein in die Erde versinken zu müssen, und sein sonst so keckes Gesicht nimmt die Farbe des Bordeaux an, den es so eben an der kurfürstlichen Tafel mit so viel Behagen getrunken hat. Eine Zeitlang weidet sich August an der tödlichen Ver legenheit seines Leutnants, dann spricht er hart und mit gro ßem Nachdruck zu ihm: „So gering also achtet Ihr ein Geschenk aus meiner Hand, daß Ihr es, kaum empfangen, einem Juden verkaufen mußtet?" Da hebt das Gräflein die Augen auf, steht den Kurfürsten ehrlich an und sagt: „Nein, Sire, das habe ich nicht getan." August, der glaubt, sein Leutnant wolle weiterhin in Lügen sein Heil suchen, zieht zornig die Augenbrauen zusam men und ballt ingrimmig die Faust, als ob er den Verwegenen ob seiner Unwahrhaftigkeit auf der Stelle züchtigen wollte; doch im letzten Augenblick beherrscht er sich noch und richtet er neut das Wort an den Ertappten: „Wie kommt es dann, daß ein Jude Eure Uhr dem Herrn Minister von Pylau zum Kaufe anbieten konnte? Oder wollt Ihr weiter dabei bleiben, sie sei Euch gestohlen worden?" Da entschließt sich das Gräflein, das ja keine Ahnung von dem wahren Sachverhalt hat und nur annehmen kann, daß sein Hofieren im Ministerhause offenbar geworden sei, der Wahrheit die Ehre zu geben. Es sieht dem Kurfürsten ehrlich in die Augen und gesteht: „Sire, die Uhr ist mir nicht gestohlen worden, ich habe sie auch nicht verkauft." „Wie kam sie dann ins Haus des Herrn Ministers?" Das Gräflein zögert mit der Antwort. Es muß daran denken, daß der Kurfürst möglicherweise doch nicht alles weiß, und daß der gute Ruf der teuren Freundin auf dem Spiele steht, wenn es die Wahrheit gesteht. Allein, es weiß auch, daß es nicht mehr lügen darf und seinem Herrn volle Offenheit schuldig ist. So kämpft es halt einen schweren Kamps mit sich. August merkt gar wohl, daß etwas Besonderes im Innersten seines Offiziers vorgeht. „Ist etwa ein Geheimnis mit im Spiele?" forscht er da her mit gedämpfter Stimme. Noch immer schwankt das Gräflein. Schließlich «der faßt es ein HeLj, reißt sich zusammen, blickt seinem Herrn fest ins Auge und sagt: „Im Vertrauen auf die ritterliche Verschwiegenheit Eurer