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! Wilsdruffer Tageblatt I s 2. Blatt Nr. 161 — Donnerstag, den 13. Juli 1933 Tagesspruch. Nicht im Gewühl der lauten Menge erstarkt des Friedens zarter Keim, nur in des Hauses trauter Enge: „Am eigenen Herd, im eigenen Heim," I. Moos, Reue Verordnungen des Volksbildungsministeri'ums. Geländesport in den Schulen. In einer Verordnung des sächsischen Volksbildungs- Ministeriums zur Pflege des Geländesports heißt es unter anderem: Mit Rücksicht auf seinen hohen vaterländischen und erzieherischen Wert ist der Geländesport in stärkerem Maße als bisher in den Unterricht einzureihen. Die plan mäßige Ausbildung der Schüler im Geländesport beginnt an den neunstufigen höheren Lehranstalten in den Klassen OII und OI nach den diesjährigen Sommer ferien. Mädchen sind von der Teilnahme ausgeschlossen. Es stehen zunächst die Marsch- und Wandertage und die Nachmittage des Landheimaufenthaltes zur Verfügung. Nach Michaelis werden die früheren verbindlichen Spiel nachmittage in der Form von Geländesportnachmittagen für das ganze Schuljahr wieder eingeführt, über die Ein führung von vorbereitenden Übungen des Geländesportes an den Mittelklassen UIII bis UH der höheren Schulen, im 8. Schuljahre der Volksschulen und im 1. und im 2. Schuljahre der berufsbildenden Schulen ergeht beson dere Verfügung. Zur Durchsicht der Schulbüchcreieu. Das Ministerium für Volksbildung und das Wirt- schaftsministerium erlassen zu der Durchsicht der Schul büchereien eine Verordnung, die unter anderem besagt: In den Fällen, wo Zweifel bestehen, ob ein Schriftsteller loder ein Werk auszuscheiden ist oder nicht, ist das Erscheinen der vom Reichsministerium für Volksaus- Rärung und Propaganda angekündigten Liste abzuwarten. Die fraglichen Werke sind bis dahin der Benutzung zu entziehen. Bei der Durchsicht ist von einzelnen Schulen keinerlei Unterschied gemacht worden zwischen Lehrer- und ^Schülerbücherei. Es wird aber manches für Schüler un geeignet oder bedenklich erscheinende Buch aus der Schüler in die Lehrerbücherei übernommen werden können. Nament lich gilt dies von Werken religiösen, philosophischen, naturwissenschaftlichen und wirtschaftspolitischen Inhalts, süber deren wissenschaftlichen Wert Zweifel nicht bestehen können. Die wissenschaftlich-marxistische Literatur jedoch, foweit sie agitatorisch und propagandistisch gerichtet ist, stst grundsätzlich auch aus den Lehrerbüchereien zu ent fernen. Das gleiche gilt von der sogenannten Asphalt literatur, deren undeutsche, art- und wesensfremde Er zeugnisse in der Tages- und Fachpresse und in den von Akademischer Seite veröffentlichten schwarzen Listen ge nügend gekennzeichnet worden sind. Werke fremder Lite raturen sind nach den gleichen Gesichtspunkten zu prüfen «wie die deutschen Bücher. Daß ein Werk einer fremden Literatur entstammt, ist an und für sich kein Grund zn feiner Entfernung. Bei Neuanschaffungen jedoch ist künftig das deutsche Schrifttum unserer Zeit in erster Linie zu berücksichtigen. Die endgültig ausgeschiedenen Bücher sind zu vernichten. Die dadurch entstandenen Lücken sind nach Maßgabe der verfügbaren Mittel zu schließet,, vornehmlich durch Werke, die in die Gedankenwelt des nationalsozialistischen Aufbaues einführen, durch Werke der nationalen Dichter unserer Zeit und Werke aus dem Bereich der Wissenschaften, die das deutsche Volkstum und seine Lebensäußerungen und Lebensnotwendigkeiten zum Gegenstände haben. Der neue Dienstanzug der Stahlhclmer. Der neue Dienstanzug der Stahlhelmer sieht zu dem bisherigen feldgrauen Anzug eine rote Armbinde mit schwarzem Hakenkreuz in weißem Feld sowie an der Mütze das nationalsozialistische Hoheitsabzeichen zwischen den Kokarden vor. Wahl von Vornamen. In einem Runderlaß des preußischen Innen ministers wird folgendes bestimmt: Wird bei einem Standesbeamten der« Antrag gestellt, den Namen des Herrn Reichskanzlers als Vor namen, sei es auch in der weiblichen Form Hitlerine, Hitlerike oder dergl. einzutragen, so hat er dem An tragsteller nahezulegen, einen anderen Vornamen zu wählen, da die Annahme des gewählten Vornamens dem Herrn Reichskanzler unerwünscht ist. Entspricht der Antragsteller der Anregung des Standesbeamten nicht, so ist dem Minister zu berichten. polizeiliche Ltniersiützung für die Arbeits-Treuhänder. Ein Runderlatz Görings. Der preußische Minister des Innern hat in einem Runderlaß an alle Polizeibehörden eine Regelung für die Zusammenarbeit zwischen den vom Reichskanzler be stellten Treuhändern der Arbeit getroffen. Die Treuhänder der Arbeit können nach dem Gesetz die zu ständigen Reichs- und Landesbehörden um die Durch- sührungihrerAnordnungen und Verfügungen ersuchen. In seinem Nunderlast spricht nunmehr der preußische Junenminister die Erwartung aus, daß sämtliche Polizei, behörden auch über die gewissenhafte Durchführung der hiernach von den Treuhändern der Arbeit erlassenen An ordnungen und Verfügungen hinaus von sich aus alles tun, um die Treuhünver der Arbeit bei der Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben zu unterstützen. Insbesondere ist bei der Berichterstattung an die Staatspolizeistellen auch über alle Vorgänge zu be richten, die geeignet sind, den Arbeitsfrieden zu gefährden. Hierher gehören sowohl etwaige Fälle un sozialen Verhaltens von Arbeitgebern, wie auch Fälle der Erregung unbegründeter Unzufriedenheit in der Arbeit nehmerschaft. In Fällen schwerer Störung des Arbeits friedens haben die Polizeibehörden bei Gefahr im Verzüge — unter Vorbehalt der endgültigen Maßnahmen der Treuhänder der Arbeit — im Rahmen ihrer Zu ständigkeit die zur Abwendung solcher Störungen erfor- serljchen vorläufigen Maßnahmen zu treffen. (62. Fortsetzung.) Alle sehen fragend auf Ole. „Du willst . . - fort von hier?" fragt nun Toto zögernd. Ole senkt den Kopf. „Ja ... ich will ... ich muß fort! Ich werde das Bild der Toten hier nicht mehr los!" Paul begreift ihn, es geht ihm selbst nicht anders. Auch Toto und Anna verstehen Oles Entschluß. Sie beraten nicht lange. Ole besitzt ihr ganzes Vertrauen, er wird fahren und dann wird man sehen, was wird. Ole sitzt im Zuge, der ihn aber nicht nach Berlin , , . sondern . . . nach Hannover führt. Dort löst er sich eine Karte nach Hachendorf. Es ist ein schöner Märztag. Die Sonne scheint fast heiß. Ole wird es warm in seiner dicken Joppe. Endlich ist der Zug am Ziel. „Hachendorfl" ruft der Schaffner. Ole erhebt sich, reckt die Glieder und steigt aus. Er geht durch die Sperre, gibt seins Fahrkarte ab und wandert dann rüstig in der Sonne dem Dorf zu. Oft bleibt er stehen und schaut über die sprossenden Saaten. Atmet den Duft der frischen Erde tief ein und denkt glück lich: „Das ist Heimat!" Wie ein Träumender verfolgt er seinen Weg. Einsam ist die Straße. Auf einem Acker sieht er einen Bauer, der mit dem Pflug, von zwei dampfenden Gäulen ge zogen, Lie schweren Schollen umftürzt. Bald werden die ersten Häuser des Dorfes sichtbar. Kleine saubere Häuslerswohnungen mit hübschen Gärtchen. Dann tauchen die Höfe auf und fürwahr, nach den Wohn bauten, den Ställen und Scheunen zu urteilen, müssen es wohlhabende Besitzer sein. Ab und zu begegnet Ole einem Dorfbewohner. Verwun dert blicken sie alle den Riesen an und grüßen. „Glückauf!" dankt Ole fröhlich. Er kommt zu dem Wirtshaus, Tritt in die gemütliche, anheimelnde Schenkstube. Der Wirt ist der einzige Gast, er sitzt an einem der Tische und liest in seiner Zeitung. Beim Eintritt Oles erhebt er sich und entbietet ihm einen guten Morgen. „Was darf ich bringen?" fragt er. „Bier ist noch nicht angesteckt. Leider kein Geschäft hier!" „Kann ich eine Tasse Kaffee haben?" „Jawohl, Herr!" „ „Und was dazu, eine Semmel und ein Ei?" „Alles da! Augenblick! Kommt gleich!" Er geht in die Küche und bestellt das Verlangte. Dann setzt er sich zu Ole, um einen kleinen Schwatz mit ihm anzufangen. Er ist selbst nicht von hier, sondern stammt aus der Pro vinz Sachsen, und wie alle Sachsen, liebt er die Unter haltung, und so macht er sich an jeden Fremden gleich heran. „Geschäfte in Hachendorf?" „Wie man's nimmt! Macht was kaufen. Soll hier guter Boden sein." „Prima Boden, alles reiche Bauern! Das Eckardtsche Gut wäre zum Beispiel verkäuflich. Vierzig Acker Land." Er zählt in der Gegend noch vier ausgebotene Güter auf. Ole nickt nur zu seinen Ausführungen, dann fragt er plötz lich: „Hat hier nicht auch einmal ein gewisser Karsten seinen Besitz gehabt?" „Karsten? Natürlich, das Karstensche Gut . . . das ist ganz draußen das letzte. Aber das ist nicht zu verkaufen, da sitzt der alte Karsten selber wieder drauf und bewirt schaftet es!" Ole zuckt zusammen. „Der alte Karsten? Ich denke, der ist gestorben?" „Bewahre! Wissen Sie, es war mal eine Geschichte mit dem Sohn, der hat sich beim Militär schlecht geführt, da haben sie ihn eingesperrt, wohl gar ins Zuchthaus! Das hat den Alten mächtig getroffen. Den Alten müßten Sie kennen! Ein Kerl wie Siel Nicht so groß, aber wie ein Baum ist der Mann! Zählt jetzt dreiundsiebzig Jahre, aber er schafft noch für zwei. Der Alte war kaisertreu bis auf die Knochen, ein harter Kopf, und diese Enttäuschung mit dem Sohn schien er nicht zu verwinden. Hat das Gut Knall und Fall verkauft und ist fort. Aber vor fünf Jahren hat er sich's wieder zurückgeholt. War elend heruntergekommen. Er hat jahraus, jahrein geschuftet und jetzt ist's wieder ein Hof, der sich sehen lassen kann! Ich glaube, er hat den Besitz nur zurückgekauft, weil er hofft, daß eines Tages sein Junge wiederkommen wird! Aber man hat ihn seit acht Jahren, so Starke Rachfrage nach Ernte-eisern. Landwirtschaft-Studierende als Hilfskräfte. Die Pressestelle des Stabsamts des Reichs« bauernführers teilt mit: Die Erntezeit hat be- gönnen! In allen Provinzen und Gauen rüstet der deutsche Bauer zur Bergung der Ernte, um das Er gebnis seiner harten und mühevollen Jahresarbeit unier Dach und Fach zu bringen. Nach den Berichten der Arbeitsämter ist schon jetzt die Nachfrage nach Ernte helfern außerordentlich stark. Wie in jedem Jahre, so stellen sich auch diesmal wieder die Studierenden der Landwirtschaftlichen Hochschulen und Universitäten während der Semesterferien von Ende Juli bis Ende Oktober als Erntehelfer zur Ver fügung. Der Bauer hat hierbei die Gewähr» daß er in der praktischen Landwirtschaft eingearbeitet« Kräfte erhält, die mit der Erntearbeit vertraut sind und daher sofort eingesetzt werden können. Muß doch jeder Landwirtschaft Studierende, der den Grad eines Diplom landwirts erwerben will, vor Beginn seines Studiums eine mehrjährige praktische Tätigkeit durchmachen. Durch die Arbeit als Erntehelfer erweitern die Studierenden der Landwirtschaft aber auch ihren Gesichtskreis in der Praxis und gewinnen aufs neue die enge Verbun denheit mit dem Bauerntum. Gleichzeitig ver dienen sie sich dadurch einen Zuschuß zu dem heute immer kleiner werdenden väterlichen Wechsel. Wer derartige praktisch geschulte Hilfskräfte während der Erntemonate in einem Betrieb einzustellen beabsichtigt, wendet sich am besten an die landwirtschaftliche Fach schaften der landwirtschaftlichen Hochschulen und Universi täten oder an den Reichsbund Deutscher Diplomlandwirte, Berlin SW. 11, Hafenplatz 5, dritter Stock. Nach deutschem Muster. Riesiges Arbeitsbeschassungsprogramm in Amerika. Auf die energische Initiative des Präsidenten Roose velt hat die amerikanische Negierung, die durch besonders berufene wirtschaftliche Sonderkommissare zu einem so genannten „Überkabinett" erweitert wurde, ein groß zügiges öffentliches Arbeitsbeschaffungsprogramm be schlossen, für das eine Milliarde Dollar auf gewendet werden soll. Von dieser Summe entfallen 40Ü Millionen Dollar auf den Bau von Landstraßen, 238 Millionen Dollar auf den Ausbau der Handelsflotte und der Rest auf andere öffentliche Zwecke. Es besteht kein Zweifel, daß für Amerika ein außer ordentlich kritischer Augenblick erreicht ist, an dem dis Überwindung der Depression auf des Messers Schneide steht. * Eine Mahnung des Retchsfiatthalters. Reichsstatthalter Mutschmann ersucht um Be achtung nachstehender Bekanntmachung: Aus den verschie densten Volksschichten wird bei mir täglich Klage geführt, daß es da oder dort noch Mißstände gibt, bestehende Mängel noch nicht abgestellt worden sind und gesetzliche Maßnahmen auf sich warten lassen. Wenn jeder Volksgenosse sein eigenes Ich zu nächst zurück st ellt, Eingaben den dafür zustän digen Behörden zuleitet und um persönliche Unter redung mit mir nur dann nachsucht, wenn es sich nicht um sich selbst dreht, sondern wenn er mir eine» brauchbaren Vorschlag für die Gesamt heit machen kann, dann finden ich und die Ministerien auch Zeit, die dringend notwendigen Maßnahmen durch zuführen. So gern ich jeden anhöre und für Vorschläge dankbar bin, so ist es mir doch unmöglich, mich füi Einzelinteressen einzusetzen. erzählt man, nicht mehr hier gesehen! Er weiß scheinbar überhaupt nicht, daß sein Vater wieder auf dem Hofe sitzt." Ole begreift das alles noch nicht. Pauls Vater lebte? Wie kam Paul dazu zu sagen, daß sein Vater tot sei? — „Wie heißt Karsten mit dem Vornamen?" „Johann." Das Frühstück wird aufgetragen und unterbricht die Unter haltung Ole ißt gedankenverloren, dann bezahlt er und schickl sich an zu gehen. „Gut Glück, Herr!" wünscht der Wirt. Ole dankt und verläßt das Wirtshaus. Wandert die Dorfstraße entlang und hat endlich das Karstensche Gut erreicht. Er bleibt stehen. Sieht über Zaun und Garten hinweg auf das Haus, das sich sauber und lang vor ihm dehnt. Sein Blick schweift über den Hof nach dem großen Stall und der mächtigen Scheune. Auf dem Hofe ist ein Knecht damit beschäftigt, einen Wagen zu reparieren. Ein großer Hund springt um ihn herum. Hühner scharren auf dem Misthaufen. Ole klinkt die Tür auf und "tritt in den Garten, durch schreitet ihn und gelangt durch die schmale Pforte in den Hoß Der Hund springt bellend auf ihn zu, bleibt aber in respekt voller Entfernung knurrend stehen. Ole geht ruhig weiter bis vor das Wohngebäude. Aus einer kleinen Hauslaube tritt ein alter Mann heraus, groß und stattlich. Johann Karsten! Ole erkennt ihn sofort an der großen Aehnlichkeit mit Paul. „Was wollt Ihr?" fragt der Bauer karg. Ole sieht ihn fest an und sagt: „Glückauf, Johann Karsten, ich bring dir Grüße aus der Ferne .. . von einem Menschen, der dich liebt!" Der alte Bauer starrt Ole ein paar Augenblicke an, dann schüttelt er den Kopf und sagt unsicher: „Komm herein, Fremder!" Er geht ihm voran in die gute Stube. Es ist ein echt niederdeutsches Gemach, das in hundert Jahren sich kaum verändert hat. . „Nimm Platz!" fordert Karsten auf, holt eine Flasche aus dem Schrank und schenkt zwei Gläser voll Stemschnaps Sie trinken, dann fragt der Alte: „Du bringst mir Grüße?" „Ja!" „Von wem?" „Von . . . Paul, deinem Sohn!' (Fortsetzursg jklgt.)