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WUdmfferÄMM Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Dar .Wilsdruffer Tageblatt» erscheint an allen Werktagen nachmittags s Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. srei Haus, bei Poftbestcllung IM AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern IO Apsg. Sille Postanstalten und Pust« Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Gtwalt, Krieg od. sonstiger - > — Betriebsstörungen besteht Lein Anspruch aus Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis! die »gespaltene Naumzeile 20 Rpsg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs» psennige, die :t gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile l RM. Nachweisungsgebühr 20 Aeichspsennige. Borge« schrieben- L'schcinungs- .. . „ tage und Platzvorschrifteir werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtig,. Anzeigen, annahme bisoorm.10Uhr. » ' — Für die Richtigkeit der durch Fernrus übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 306 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-DreSden Postscheck: Dresden 2640 Sonnabend, den 31. Dezember 1932 1933. Der Weg zum Anstieg? Wieder einmal ist ein Jahr hinabgesunken in das Meer der Vergangenheit, und nur wenige werden ihm noch einen kurzen Abschiedsblick schenken, wenn es jetzt von uns geht. Und noch wenigeren' wird es einen zu friedenen Blick abgewinnen können. Wie ein ungebetener Gast schlechtesten Benehmens mutz es davonschleichen, ver folgt von harter Kritik, lautem Haß oder bitterer Ver zweiflung. Zum vi ertenmal stand ja der Jahreswechsel im Zeichen schwerer wirtschaftlicher Not erst Hunderttausen der, dann Millionen von Menschen, und kaum noch wagt sich der Wunsch nach einem „glücklichen" neuen Jahr rins heute über die Lippen. Wir sind skeptisch geworden, denn immer wieder wurden wir enttäuscht, ging jener Wunsch nicht nur nicht in Erfüllung, sondern jedesmal wurde es im neuen Jahr noch schlimmer als im Jahre zuvor. Immer höher erhob die bange, verzweiflungsvolle Frage ihr Haupt: „Was sollen wir essen, was sollen wir trinken, womit sollen wir uns bekleiden?" Aber es nützt nichts, den Blick fast gewaltsam Hinwegreißen zu wollen von dem, was das vergangene Jahr uns brachte, und ihn hoff nungsvoll oder skeptisch hinzuwenden auf das, was das neue Jahr uns erst noch bringen soll. Denn jenes ist Wirklichkeit, dieses aber nur eine vorerst un - gewisse Zukunft. Gerade um des Glaubens und der Hoffnung Willett auf dasjenige, was über dieser Wirklichkeit des Essens, Trinkens und Sich-kleidens steht, sollten wir aber das Auge nicht vor der g a n z e n H ä r t e dieser heutigen Wirklichkeit am Jahreswechsel verschließen. Sie sieht so aus: Eine Volkswirtschaft, von der man bei der Jahreswende — anders als dreimal zuvor — glauben und hoffen darf, daß sie ihren Tiefpunkt nun hinter sich hat oder — um auch den ärgsten Skeptikern zu genügen — ihn zum mindesten erreichte. Dazu ein Millionenheer von Arbeitslosen, das im Durchschnitt des Jahres 1932 größer ist als im Vorjahre, mag es in letzter Zeit auch langsamer zugenommen haben als im Jahre 1931; nahm es doch im Laufe des nun vergangenen Jahres auch weniger ab als im Jahre zuvor. Aus dem Erstar rung s z u st a n d, der auf unsere Wirtschaft immer stärker drückte und sie fast erdrückte, beginnen sich jetzt ein zelne Teile erst allmählich zu lösen, schwer leidend noch an hemmenden Lähmungserscheinungen. Und — das müssen wir beim Jahreswechsel uns nüchternen Blickes eingestehen — der kommende Winter wird noch härter für das deutsche Volk werden als jeder, den es seit dem Ende des Krieges zu durchleben hatte. Denn für mehr Deutsche als je wird jene Frage: „Was sollen wir essen, was sollen wir trinken, womit sollen wir uns bekleiden?" eine ganz ungenügende Antwort finden. Und so wollen wir uns damit begnügen, uns nur ein besseres neues Jahr zu wünschen. Uns und den ande ren B r o t zu wünschen und — Arbeit. Selbst die ärgsten Skeptiker fühlen es — nicht nur in der seelischen Erre gung, die bewußt oder unbewußt in allen Menschen sich regt, wenn ein neues Jahr an die Tür ihres Daseins pocht und das alte Vergangenheit wurde—, datzjener Wunsch nach Arbeit und Brot doch nicht mehr so hoffnungslos weit von jeglicher Erfüllungsmöglichkeit entfernt ist wie in steigen dem Maße an den letzten drei hinter uns liegenden Jahres wechseln, auch wenn jetzt eine besonders dicke Schneedecke der materiellen Not über Deutschland und fast der ganzen Welt liegt. Wenn das Dasein durch diese materielle Not bit ter ist und den Sinn so vieler Millionen tief verbittert, dann ist es schwer, dem Wunsch und der Erkenntnis Aus druck zu geben: Nicht Arbeit, nicht Brot würden uns gege ben, solange jene Verbitterung der Seele, jene Verworren heit des Geistes bleibt und herrscht! Und nur Vertrauen, Geduld und — Duldsamkeit vermögen diesen furchtbaren Ring zu sprengen! Gewiß ist teils verschuldetes, teils un verschuldetes Schicksal mit der Krise über uns hereingebro chen, aber so müßig wie es wäre, über diese Schuld und jenes Unverschulden im Rückblick auf das vergangene Jahr zu.streiten, — ebenso falsch .wäre es auch, im hoffnungs losen, trttenschcnen Msmetglauben nur darauf zn warten, daß diese Krise, diese Notzeit nun auch ebenso geht wie sie gekommen ist. Brot und Arbeit fallen nicht vom Himmel und Erfolg ist den Menschen immer nur durch eine zielgerichtete Tätig keit gegeben worden. Diese Tätigkeit konnte freilich im größeren Teil des vergangenen Jahres nur darauf ge richtet sein, die Stötze jenes Krisenschicksals so gut oder so schlecht zu parieren und den schlimmsten Streichen zu entgehen, als dies nur eben möglich war. An die Heilung der Wunden, an die Sammlung des Rest e s der körperlichen, aber auch der seelischen Kräfte unserer Wirtschaft und Wirtschaftenden konnte erst heran gegangen werden, als jene Stöße und Streiche nachließen und aufhörten. Immer wieder ist bei uns in Deutschland daher festgestellt worden, daß wir wirtschaftlich jetzt auf der „Talsohle" stehen, wtt da' Institut für Kon junkturforschung in seinem letzten Jahresbericht für 1932 äutzerte, und daß es gilt, die Möglichkeiten eines kommen den Aufstieges zu nutzen. Freilich — „it is a lang to TiMerar^", wie ein englisches Soldatenlied beginnt; es ist noch ein langer Weg bis zu jenem Punkt, wo der eigentliche Aufstieg erst beginnt. Um den Weg auf der „Talsohle" znrücklegen zu können, bedarf es aber neben den körperlichen Anstren gungen auch jener seelischen Voraussetzungen des Vertrauens, der Geduld und — ganz besonders — der Duldsamkeit. Neue politische oder wirtschaftliche Störungen sind das genaue Gegenteil dessen, was uns körperlich und seelisch, staatlich und wirtschaftspolitisch not tut. Damit ist nun keineswegs gesagt, soll auch nicht gesagt werden, daß die viel zu oft gehörte und noch öfter gestörte Mahnung zur Einigkeit gleich alle Meinungsver schiedenheiten und -kämpfe bannen will, — aber wenn uns das neue Jahr vorwärts- und aufwärtsführen soll, dann kann dies nur geschehen, wenn die Jahreswende auch eine Wendung zu gegenseitiger menschlicher Ach tung bringt. Dann wird uns sicherlich ein besseres neues Jahr beschieden werden. Dr. Pr. Hindenburgs Aeujahrsgruß an die Vel-Macht. Reichspräsident von Hindenburg hat zu Neu jahr folgende Kundgebung an die Wehrmacht erlassen: Zum Ncujahrstag spreche ich allen Angehörigen der Wehrmacht, Reichsheer und Reichsmarine, meine herz lichsten Glückwünsche aus. Die alten Soldatentugenden, Treue, Gehorsam und Pflichterfüllung, sollen wie bisher die Richtschnur eures Handelns bleiben. Berlin, 31. Dezember 1932. Der Reichspräsident Der Reichswehrminister gez.: von Hindenburg. gez.: von Schleicher. Deutsche Schicksalswende. Von Werner Beumelburg. Rein äußerlich betrachtet ist keine der großen Aufgaben des nationalen Wiederaufbaus, die dem vergangenen Jahre ge stellt waren, gelöst worden. Im Gegenteil, es hat den Anschein, als ob die Kräfte, auf deren Zusammenwirken es ankommt, sich mehr denn je von einander entfernt hätten. Das neue Jahr wird neue schwere Kämpfe bringen, die inneren Auseinander setzungen sind unumgänglich, und es wird allein darauf an kommen, ob das bittere Jahr 1932 und seine tragischen Er eignisse von den Berufenen in ihrer tieferen Bedeumng erkannt und begriffen worden sind. Darf man Hoffnung haben? Man darf es, wenn man sich zu der Ueberzeugung durchringt, daß die Wende zu einer besseren Zeit nur das Ergebnis einer seelischen Wandlung sein kann. Man darf es, wenn man sich bewußt loslöst von den peinlichen Eindrücken, die der innervolitiiche Kampf in seiner mißeren Form auf den Beobachter hinterläßt, und wenn ma» den Versuch unternimmt, die Dinge in ihren imponderabile» Ursprüngen zu erkennen. Man darf es vor allem im Anblick der heranwachsettden Jugend, die heute noch in den verschie densten Lagern, unter den verschiedensten Bannern sich zu sammenschart, die aber schon jo viel Gemeinsames hat, daß ihre Forderungen, ihr Glaube und ihr Anspruch an den Staat und an die Nation eines TageS von den Führern nicht mehr überhört werden können. Das Jahr 1932 wird, wenn es auch äußerlich ergebnislo- gecndet hat, dennoch seine besondere Stellung in der politische« Nachkriegsentwicklung Deutschlands einnehmen als das Jahr der höchsten Not, des stärksten seelischen Drucks, der gefähr lichsten Spannungen, aber auch als das Jahr der innere« Sammlung, der neuen Zielsetzung, der entschlossenen Wen dung. Das neue Jahr wird diesem inneren Vorgang den äußeren Ausdruck zu verleiben haben DaS ist seine historische Aufgabe. Es ist kein Zufall, daß die seelische Wandlung des deut schen Volkes zeitlich mit der härtesten Not zusammenfällt. Auch das Elend hat seine schicksalhafte Rolle im Ablauf der Ge schichte, denn es bringt die Besinnung auf sich selbst, auf dir Nation, auf ihre kulturellen Bestandteile. Not lehrt Gemein schaftssinn, sie ist ein besserer Lehrmeister als das Glück, weil sie kein Ausweichen zuläßt. Wo die Begeisterung aufhört, ent steht der Charakter; wo die Hoffnung ihre Tore schließt, muß der Glaube die seinen öffnen. Wo der Hunger beginnt, da verliert die Phrase ihren Sinn und gibt jener Entschlossenheit Naum, die es mit ihren Forderungen ernst meint. Diese Ent schlossenheit zusammenzufassen als den Ausdruck eines ein heitlichen Wollens, das ist die Aufgabe des Staates, wenn er seiner Bestimmung gerecht werden will. Sind nicht schon erste Erfolge erzielt worden? Wir haben uns in diesem Jahre der Tribute entledigt, und kein Mensch in der Welt, der noch über Vernunft verfügt, glaubt daran, daß wir uns jemals wieder unter ihr Joch zwingen lassen werden. Wir haben erreicht, daß man unsern Anspruch aus Gleichberechtigung in der Wehrfrage wenigstens auf dem Papier anerkannt hat, und es wird von uns selbst abhängen, was wir aus diesem Papier machen werden. Wir denken nicht daran, diese Erfolge zu überschätzen, sie sind ein Anfang, eine erste Bresche, ein Wechsel auf die Zukunft, ein Ansporn zu weiteren Bemühungen. Aber es darf ausgesprochen werden, daß uns selbst diese ersten Schritte nicht gelungen wären, wen» nicht unsere Vertragspartner die Härte unserer Entschlossen heit gespürt hätten, der wir selbst immer noch mißtrauen. Unser unablässiger Kampf um die äußere Freiheit hat nichts mit Chauvinismus zu tun. Die deutsche Nation, die unsere Ge danken und Herzen bewegt, wird aus sich selbst heraus so stark sein, daß sie nicht scheel nach den anderen zu sehen braucht. Die Fortsetzung unseres Kampfes um die äußere Freiheit erfordert weit mehr als bisher die innere Zusammenfassung aller positiven Kräfte. Es ist eine Unmöglichkeit, eine deutsche Außenpolitik, über deren Richtung und Ziel kein Zweifel be stehen kann, aus inncrpolitifchen Gründen zu bekämpfen, nur weil dem einen die Nase des anderen nicht gefällt. Das Um gekehrte ist richtig — die Gemeinsamkeit des äußeren Zieles muß dazu beitragen, die inneren Spannungen zu mäßigen, bis zu einem Grade, daß der Staat im Innern und nach außen wieder zum Ausdruck und zur Form der Nation wird. Das ver gangene Jahr hat bei aller äußeren Tragik soviele Erkenntnisse gebracht, daß man getrost den Versuch unternehmen kann, auf ihnen aufzubauen. Es besteht kein Zweifel mehr über den Bei griff der Nation und über die Forderungen, die in innerpoli tischer Beziehung daraus abzuleiten sind. Die Nation ist uns die innere Lebens- und Schaffeusgemeinschaft des scheu Volkes und aller seiner Angehörigen. Wir begreifen d ? non nicht als eine durch Geschichte und Zufall zusammen tt rächte Gesellschaft von Individuen, sondern als eine Gemeins.l-aft, bej der jeder einzelne mit seinem Tun und Lassen der Allgemein^ heit verpflichtet ist. Wir haben verlernt, uns über Begrifft wie Sozialismus und Kapitalismus die Köpfe einzuschlage«, wir wollen nichts anderes, als soziale Gerechtigkeit, die jedem Deutschen die Liebe zu seinem Vaterland und den Glaube» an seine Größe'wiedergibt. So treten wir über die Schwelle zwischen den beide» Jahren, geläutert durch die große Not, gefestigt in unserem Willen, unbeirrt in unserem Glauben an das Vaterland. Möge das neue Jahr uns bringen, was das alte vorbereitet hat!