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MlsdmsserTageblati Nr. 282 — 91. Jahrgang Freitag, den 2. Dezember 1932 Wilsdruff-DreSden Postscheck: Dresden 2640 Telegr.-Adr.: .Amtsblatt" Geiml WWr bildet dar Winett Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt aktiver Offiziere und Unteroffiziere des öfteren Übun gen statt. Wenn man sich also in Genf so eifrig an den deutschen „Wehrverbänden" rieb, dann könnten sich die Herren dort noch schneller beruhigen, wenn auch sie einmal darauf blicken würden, wie es in dieser Beziehung rings um" Deutschland aussteht l Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das «Wilsdruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— AM. srei Haus, bei Postbestellung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Alle Postanstalten und Post boten, unsere Austräger u. . . ... Geschäftsstelle, nehmen zu jeder Zeit Bestellungen ent- Wochenblatt für Wllsdruff u. Umgegend gegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg od. sonstiger — — Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 20 Rpfg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs- Pfennige, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RM. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. Vorge- schriebcne Lrscheinungs- c" m tage und Platzvorschriften werden nach Möglichkeit AMl AAllAdkUff 6 berücksichtigt. Anzeigen annahme bis vorm.10 Uhr. —— -- » -- Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Die Behebung der Regierungskrise. Die lange Dauer der Regierungskrise hat, wie aus der Umgebung des Reichspräsidenten verlautet, zu einem Telegramm- und Bricssturin aus dein Lande an den Reichspräsidenten geführt, in dem Hindenburg dringend gebeten wird, im Interesse der Wirtschaft endlich eine rasche Entscheidung zu treffen. Allgemein wird angenommen, dass die Entscheidung darüber, wer das neue Kabinett bilden soll, spätestens am Freitag fallen wird, ohne daß es vorher noch zu einer persönlichen Aus sprache zwischen General Schleicher und Hitler gekommen wäre. Die Verhandlungen mit den Nationalsozialisten. Bei der Fühlungnahme in den letzten Tagen zwischen Schleicher und der nationalsozialistischen Führung handelt es sich auch, wie aus zuverlässiger Quelle verlafttet, nicht mehr um die Frage einer Beteiligung der Nationalsozia listen an einem Kabinett Schleicher, sondern nur um die Klärung der Frage, wie sich die Nationalsozialisten gegenüber einer Regierung Verhalten würden, an deren Spitze General Schleicher steht. Bei diesen Verhand lungen sollte festgestellt werden, ob die Nationalsozialisten etwa kommunistischen Mißtrauensanträgen gegenüber dem Kabinett Schleicher und Anträgen auf Aufhebung der letzten Notverordnung des Reichspräsidenten zustimmen würden. Weiter hat bei diesen Verhandlungen die Frage eine Rolle gespielt, ob etwa die Nationalsozialisten Anträge stellen oder annchmen würden, die auf Absetzung des Reichspräsidenten und Aufhebung des Artikels 48 der Reichsverfassung mit Hilfe einer Zweidrittelmehrheit hin- ziclen. Ein Brief Hitlers an Hindenburg. über das Ergebnis der internen Aussprache, die die nationalsozialistischen Führer in Weimar hatten, wird > nach wie vor strengstes Stillschweigen bewahrt. Die Pressestelle der Nationalsozialisten erklärt, daß für Hitler nach wie vor keine Veranlassung vorliege, nach Berlin zu kommen, da ja Hitler bereits am 23. November dem Reichspräsidenten seinen Vorschlag zur Lösung der Re gierungskrise unterbreitet habe. Es verlautet indessen, daß Hitler nochmals aus Weimar einen Brief an Hindenburg gesandt hat. In diesem Brief soll Hitler erklären, daß er zu keinerlei anderen Verhandlungen bereit sei, als über seine Kanzlerschaft. Auch in diesem Brief wird nochmals bezug genommen auf die ausführ lichen Darlegungen und Denkschriften der National sozialisten anläßlich der Verhandlungen, die mit dem Reichskanzler in der letzten Woche geführt worden sind. Schleicher beim Reichspräsidenten. In den frühen Nachmittagsstunden des Donnerstags hatten Reichskanzler v. Papen und Reichswehrminister v. Schleicher eine längere Aussprache, die der Lösung der Krise galt. Für die Abendstunden war ein Emvfang Schleichers beim Reichspräsidenten vorgesehen, in dem der Reichswehrminister nochmals Vortrag über seine politischen Gespräche und Bemühungen zur Behebung der Regierungskrise halten sollte. Wer wird Reichswehrminister? In politischen Kreisen wird allgemein damit gerechnet, daß Reichspräsident von Hindenburg nunmehr General von Schleicher zum Reichskanzler ernennen wird. Schwie rigkeiten bei der Neubildung des Reichskabinetts macht noch die Frage der Ernennung eines neuen Reichswehr ministers. Ursprünglich bestand die Absicht, im Falle der Ernennung von General Schleicher zum Reichskanzler diesem auch die Leitung des Reichswehrministeriums zu belassen. Gegen diese Regelung wurden aber bald Be denken laut, die darauf hinwiesen, daß das politische Kanzleramt nicht mit dem Amte des ausgesprochen mili tärischen Neichswehrministers belastet werden dürfe. Auch in dieser Frage trifft natürlich Hindenburg die letzte Ent scheidung, und es ist noch nicht zu erkennen, wie diese ausfallen wird. Reichstag und Regierung. Überhaupt glaubt man, daß, selbst wenn am Freitag bereits die Ernennung des neuen Kanzlers erfolgen sollte, die Kabinettsbildung selbst noch einige Tage in An spruch nehmen dürfte. Es ist noch keineswegs sicher, daß die Neubildung der Reichsregierung bis zum Zu sammentritt des Reichstages am 6. Dezember erfolgt sein wird. Der Reichstag würde sich also unter Um ständen noch dem geschäftsführenden Kabinett von Papen bei seinem Zusammentritt gegenübersehen. In politischen Kreisen wird darauf hingewiesen, daß ein solches Vor gehen unter Umständen den Vorteil haben könnte, daß derkünftige Kanzler aus dem Verhalten der Parteien im neuen Reichstag für das von ihm zu bildende Kabinett sowohl in personeller Hinsicht wie auch für das sachliche Programm gewisse Folgerungen ziehen könnte. Die Haltung der Deutschnationalen. Zur Stellungnahme der Deutschnationalen Volks partei zu einem eventuellen Kabinett des Generals von Schleicher liegt eine parteiamtliche Erklärung bisher nicht vor. Es mag das damit zusammenhängen, daß nach Auffassung der maßgebenden Parteikreise Herr von Schleicher seine Absichten sowohl hinsichtlich der per sonellen Besetzung als auch des Programms seines even tuellen Kabinetts noch so wenig hat bekannt werden lassen, daß es unmöglich ist, festzustellen, ob sie mit der bekannten Auffassung der Deutschnationalen — Forderung eines krisenfestenPräsidialkabinetts mit fest um- rissenem Wirtschaftsprogramm und Fortsetzung des Preußenkurses — in Übereinstimmung zu bringen sind. Kmdendmg trifft seine Entscheidung am Freitag. Reichskanzler von Papen und Reichswehrminister von Schleicher begaben sich am Donnerstag um 18 Uhr zum Reichspräsidenten, um diesem einen Zwischen bericht über die Lüge abzustatten. Die Beratungen beim Reichspräsidenten von Hinden burg über die Neubildung des Kabinetts waren am Donnerstagabend um 19.3Ü Uhr beendet. Eine Ent- scheidung ist am Donnerstagabend nicht gefallen. Sie wird nunmehr für die späten Vormittagsstunden des Freitags erwartet. Hitlers neues Schreiben. Wie ans zuverlässiger Quelle verlautet, erklärt Adolf Hitler in seinem Brief an den Reichspräsi denten von Hindenburg, daß sich seiner Ansicht nach in der politischen Lage nichts geändert habe, so daß er seine Anwesenheit in Berlin im gegenwärtigen Augenblick für unnötig halte. Er halte ferner seine dem Reichs präsidenten von Hindenburg brieflich gemachten Vor schläge voll aufrecht. Hitler hatte in den späten Abendstunden des Donners tag Weimar verlassen und sich, wie vorgesehen, nach Altenburg begeben, wo er am Abend sprach. Hitler wird ferner noch inGreiz sprechen, um sich dann wieder nach Weimar zurückzubegeben. Hindenburg empfängt Hugenberg. Der Führer der Deutschnationalen Volkspartei, Dr. Hugenberg, wird am Freitag mittag vom Reichspräsi denten empfangen werden. Vor der Entscheidung Hindenburg;. Berlin, 2. Dezember. In den Besprechungen zur Re gierungskrise und dem bevorstehenden Abschluß durch die Ent scheidung Hindenburgs wird von den Berliner Blättern fast allgemein mit einer Wiederkehr des Reichskanzlers von Papen gerechnet. Die „Germania,, schreibt: Es scheine kein Zweifel mehr daran zu bestehen, daß man noch am heutigen Freitag mit der Wiederbetrauung von Papens mit der Kanzlerschaft also mit einer Rückkehr des alten eben gestürzten Kabinetts mit den aus bekannten Gründen erforderlichen Personalver änderungen in einzelnen Ministerien rechnen müsse. Den äuße ren Anlaß zu der Tatsache, daß die Schleicherlösung, gegen die so eifrig intrigiert worden sei, in letzter Stunde doch noch habe zu Fall gebracht werden können, habe man in dem Schettern des gestrigen letzten Versuches zu sehen, die Nationalsozialisten für eine befristete Waffenruhe bis in den Januar hinein ge winnen zu können. Diese Feststellung allein reiche aber nicht im entferntesten dazu hin, die Entwickelung zu rechtfertigen, die die Krise allen Befürchtungen zum Trotz doch noch genom men habe. Ein Kabinett Schleicher hätte, erst einmal in Kurs gesetzt, zumindest eine Position in der Politik vorgefunden, die auf jeden Fall eine bessere Aussicht auf die Meisterung der po litischen Probleme der nächsten Zukunft geboten hätte, als sie irgendeinem Kabinett zugebilligt werden könne, daß in der Person des Kanzlers und in seiner übrigen Struktur unmittel bar an die gescheiterte Tradition der letzten sünf Monate an knüpfe. Wenn die Entscheidung so falle, wie es leider unav° änderlich scheint, dann könne man der weiteren politischen Ent wickelung nur mit der größten Skepsis entgegensehen. Rings um Deutschland. Gewiß ist es ticfschmerzlich für uns, aber doch nicht so ganz ohne Reiz, wenn man als Deutscher die Ohren wegwendet von dem hysterischen Geschrei über die „deutsche Gefahr" und ein paar Blicke hinaus über die Grenze auf unsere lieben Nachbarn wirft, die so maßlos rüsten müssen, weil sie vom Deutschen ganz schauerlich be droht werden. Um aber sogleich einmal von etwas an derem, heute schon ganz Vergessenem zu reden: Von einem Amerikaner, der zuwenig Prozente oder Provi sionen abbckam, ist vieles über die zähe, keine heim lichen Propagandakosten scheuende Arbeit der Rüstungs industrie gegen jede Einschränkung der militärischen Aus gaben für Heer, Marine, Luftflotte usw. enthüllt worden. Lie „öffentliche Meinung" soll in diesem Sinne be arbeitet werden. Man macht das so, wie es einst vor dem Kriege das zaristische Rußland in umfassendster Weise dnrchführte, wenn es in Frankreich zum Beispiel eine neue An leihe auflegen wollte. Dann bezogen die großen Pariser Blätter ihre „kleinen Geschenke", die die Freundschaft er halten füllten, und die nach dem Sturz des Zaren von der Sowsetregierung ganz genau veröffentlicht worden sind. D»s rief in den Pariser Zeitungsredak- ttoncn einige peinvolle, aber energisch totgeschwiegene Empimdungen hervor. So etwas lohnt sich auch heute; der Rüstungsindustrie geht es in diesem Jahre der Ab rüstungskonferenz glänzend, und die größte Waffenfabrik Ler Welt, Schneider-Crcuzot in Frankreich, hat jetzt eine ihren Aktionären wohltuende Dividende von 25 Prozent ausscbütten können. Auch die großen fran zösischen Automobilsabriken sind stark beschäftigt, zwar nicht so sehr deswegen, weil sie besonders viele Antos verkaufen, sondern weil die Tanks und die Moto risierung des Heeres gewaltige Anfor derungen an die Produktion stellen, übrigens mag LZ interessieren, daß unter dieser Motorisierung nicht Ltwa nur die Zug- und Aufklärungsmaschinen zu ver- sstehen sind, sondern fast noch mehr die Transportmittel sür die Infanterie, „zwecks rascher und geheimer Konzen- ckrierung von Truppen und Material", wie der französische Luftfahrtminister ein wenig aus der Schule plauderte. Deswegen wurde das Straßennetz in Ostfrankreich noch wehr ausgebaut, als es früher schon war; denn „die ge heime Konzentrierung könne den Gegner überraschen". In kleinem Maßstab, aber doch entscheidend, haben wir Deutschen dies in der Schlacht an der Marne 1914 erlebt. Aber ehe das Rheinland endgültig von den Fran zosen geräumt wurde, mußten wir uns verpflichten und es ausführen, daß in der Pfalz eine doppelglei sige Eisenbahn zu einer eingleisigen abgebaut wurde, weil sonst der militärische Aufmarsch Deutsch lands zu schnell vor sich gegangen wäre! Und jede Bahn hofsrampe wurde geprüft, ob sie nicht etwa so lang war, daß man auf ihr einen T-ruppentransportzug hätte aus- ladcn können. In diesem Falle mußte sie verkürzt, meist aber überhaupt beseitigt werden. Übrigens möchte man jetzt bei dem Kampf um die deutsche Gleichberechtigung etwas lauter auf die entmilitarisierte Rhein landzone Hinweisen; in dieser Bestimmung liegt ja das Verbot, jedes, auch das kleinste militärische Ver- leidigungsmittel für dieses Land bis auf 50 Kilometer rechts des Rheins zu schaffen. Im Hinblick auf die Aus gestaltung der modernen Kriegsrüstung besonders in Frankreich ist eine solche „entmilitarisierte" Zone kein militärisches Hindernis, sondern nur die Schikane der ^.Sieger". Sie haben ja übrigens auch dafür gesorgt, daß unserer Ostgrenze die vorbereitenden Feld-Verteidigungs stellungen genommen wurden. Gerade im „polnischen Korridor" aber wird in letzter Zeit mit besonderem Eifer an der Aufstellung und Organisierung einer „Großen Reservearmee P o m m e r e l l e n s" gearbeitet. All die zahllosen mili tärischen Verbände von den „Legionären" über den Ver band der Eisenbahner „zur Vorbereitung für die Landes verteidigung", den Aufständischen und Ghmnasiasten- vereinen „Sokol" bis zu denJungmänner- und Pfadfinder- Vereinen und dem Feucrwehrverband haben sich zu sammengeschlossen. Ihre Übungen machen sie nicht gerade snit Holzgewehren, Fcuerwerkskörpcrn und Tankattrappen! Mcben diesem als „ziviler Grenzschutz", der übrigens ganz Vssiziell als militärisch anerkannt ist, besteht in Polen die Föderation der Vaterländischen Verbände, nämlich Militärbünde mit 400 000 Mitgliedern, die in jeder KLojewodschaft ein Infanterieregiment und eigene Ka vallerie aufstcllen; und dann „zwecks militärischer Vor- vcreuung", straff organisiert und ebenso modern bewaffnet wie die Armeen selbst, der Schützenverband mit 300 000 ^Mitgliedern. Ebenfalls staatlich anerkannt ist übrigens e^karde Pilsudskis; selbstverständlich trägt Lie,er Wehrverband auch Uniform. Der Name sagt als der eigentliche Zweck; denn dieser ist eine Volle Ausbildung im Schießen, Felddicnst, Meldewesen Mlw. Und wenn man über die Südost grenze blickt, dann sieht man dort die tschechischen „Sokols" mit sbren rund 650 000 Mitgliedern, für deren Ansbildung Las eben über Polen Gesagte gleichfalls gilt. Hier finden sann, um die Schlagkraft zu erhalten, unter Leituna