Volltext Seite (XML)
MOmsserTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das .Wilsdruff«! Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittags 8 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— NM. Irri Haus, bei Pastbcstellung 1,80 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern IO Rpsg. Alle Poftanstalten und Post- NttZrttN^ Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend ke'^Im^ Gewalt, Krieg od. sonstiger Betriebsstörungen besteht Geein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis! die «gespaltene Raumzeile 20 Rpsg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs» Pfennige, die »gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile I RM. Nachweisungsgebühr 20 R^ichspsennige. Borge schrieben- Eischeinungs. „ tage und Platzoorschristen werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen, annahme bisoorm.lOUHr. — > Fitt die Aichügdeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabaltanspruch erlischt, wenn der Bettag durch Klage eingezogen werden must oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 302 — 91. Jahraana Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dre-den Posticheck: Dresden 2640 Dienstag, den 27. Dezember 1932 Selbsthilfe. Mehr als genug ist geredet oder geschrieben worden über die Not der Jugend nach dem Kriege. Es wurde vielleicht zu viel darüber geredet und geschrieben damals, als die materielle Not noch längst nicht so hoch angeschwollen war, wie das heute in so furchtbarem Maße der Fall ist. Dem nüchterner Urteilenden kam immer wieder die Frage in den Sinn: Wie soll das werden, wenn diese Jugend früher oder später und nur auf sich selbst gestellt der Härte des Lebens gegenübersteht, und zwar einer Härte, die sich ständig steigert! Allerdings hätte man damals auch nicht im entferntesten geahnt, daß diese Härte eine so furchtbare Größe erreichen und die Jugend aller sozialen Schichten in gleichem Maße packen würde, auch wenn bestes Wissen und Können vorhanden ist, dazu ein geradezu wilder Drang, arbeiten, nur arbeiten zu wollen. Zu der entsetzlichen materiellen Not gesellt sich die gerade in dem besten und wertvollsten Teil dieser Jugend besonders stark empfundene seelische, arbeiten zu wollen, aber nicht arbeiten zu können. Es ist kein Arbeitsplatz für sie da, — und so ist die politische Radi kalisierung der Jugend in größtem Umfang keine Zu- fallserscheinung, sondern nur zu verständlich. Wenn die Gegenwart ihr nichts für die Betätigung der körperlichen und geistigen Kräfte zu bieten vermag, dann strebt man eben einer irgendwie andersgestalteten Zukunft zu. Aber die Jugend darf einfach nicht von der „Gesell schaft", dem Staat und seinem Dasein ausgeschlossen bleiben, nicht beiseitegestellt sein oder sich beiseitegestellt fühlen. Wenn sich die Jugend in allen möglichen Organi sationen zu- und aneinanderdrängt, so spricht dabei nicht zuletzt das Gefühl einer Art Hilflosigkeit, einer Art — Angst, der Härte des Lebens sicherlich zu erliegen, wenn man allein bleibt. Auch noch so stolze Worte können nicht darüber hinwegtäuschcn, worin der letzte und tiefste Grund dieses Zusammendrängens liegt. Man stützt sich, schützt sich, „erwärmt" sich seelisch aneinander. Und ist doch vor allem unbedingt davon überzeugt, einem un verdienten Schicksal ausgeliefert zu sein. Wenn die Gesellschaft, der Staat zahlreiche Organisationen usw. sich der Jugend annehmen mit mehr oder minder großen finanziellen Mitteln, dann wird das von der Jugend vielfach als eine Art Almosen empfunden, — und man will nicht ein „verschämter Armer" sein: man will arbeiten, sich des Lebens Notdurft erarbeiten. Man will sich nicht alles nur schenken lassen. Das vom Reichspräsidenten und der Reichsregierung vor den Weihnachtstagen vorgezeichnete Notwerk der deut schen Jugend will nun gerade hier mehr schaffen als bisher versucht oder tatsächlich geschaffen ist. Und zwar soll dieses rein finanzielle und organisierende Eingreifen der Be hörden über die bestehenden Organisationen erfolgen, die sich der arbeitslosen Jugend pfleglich annahmen, natürlich auch über solche wirtschaftlicher Art und vor allem über die Jugendverbände selbst. Sportliche oder geistige Be schäftigung ist gewiß gut und notwendig, — aber viel wich tiger erscheint dem Arbeitslosen die berufliche Arbeit, die bcruflicheFortbildung. Er will und muß anwenden können, was er gelernt hat. Bisher sind nur Ansätze zu jenen Be strebungen da, die man als „Selbsthilfe der Erwerbslosen" zu jenem Zweck bezeichnen kann. Der freiwillige Arbeitsdienst ist ja für die allermeisten, die sich ihm zu gewandt haben, doch nur ein Ersatz für die fehlende Be rufsarbeit, ist nur Arbeit an sich, der infolgedessen doch die letzte Befriedigung fehlen muß, weil eben doch das Tätig sein in dem erlernten Beruf fehlt. Und weil man das quä lende Gefühl nicht loswerden mag, daß man den geistigen und sozialethisch wertvollen Zusammenhang mit dem Beruf verliert. Der Winter hat schon mit einer gewaltigen Steigerung der Arbeitslosigkeit eingesetzt und die Jugend wird davon mit besonderer Schärfe getroffen. Darum ist jetzt, da wir in den vierten Elendswinter Hineingehen, besonders nötig, daß mit möglichster Beschleunigung ebenso auf feiten der Behörde wie bei den Organisationen schnellstens und mög lichst viel geschieht, um die kameradschaftliche Selbsthilfe im Notwerk der Jugend auf- und auszubauen. Der letzte deutsche Geistliche aus Eupen ausgewiesen! Nm Heiligen Abend wurde dem letzten deutschen Geist lichen in Eupen, dem Kaplan Gillis von der St. Rico laus-Kirche, aus Anweisung der belgischen Regierung der Ausweisungsbefehl zugestellt. Während der allseits beliebte Seelsorger m den Abendstunden Beichte hörte, erschienen beim Küster die ausführenden Organe der belgischen Staatsgewalt und forderten ihn auf, den Kaplan aus dem Beicht st uhl vor die Kirchentür zu rufen. Sie übergaben dann dem Kaplan den Ausweisungsbefehl, der eine Frist von nur 24 Stunden zubilligt und jede weitere gottesdienstliche Handlung untersagt. Diese neue Herausforderung der deutschen Katholiken hat in den deutschen Gebieten eine uue rhörte Empör un g aus gelöst. „Keine MeMtzW der Werling" Dreitscheid im Populäre. Paris, 26. Dezember. Breitscheid veröffentlicht am heu tigen Montag im Populair einen Artikel, in dem er die Hal tung der Sozialdemokraten gegenüber der Regierung von Schleicher darlegt. Breitscheid verwahrt sich gegen die im Ausland verbreitete Ansicht, daß die Neichsregierung von den Sozialdemokraten unterstützt oder auch nur gebilligt werde. Der erbitterte Kampf, den er und seine Freunde gegen das Ka binett Papen geführt hätten, habe im Ausland die Meinung aufkommen lassen, als ob sie sich mit dem Kabinett Schleicher abfinden würden, In Wirklichkeit nehme die deutsche Sozial demokratie jedoch eine streng oppositionelle Haltung ein. Die neue Regierung unterscheide sich zwar in verschiedenen Punk ten von der Papens; sie sei vor allem wesentlich geschickter und habe für die Notwendigkeiten der Gegenwart ein viel größe res Verständnis. Sie wisse, daß sie großen Schwierigkeiten begegne, die man nicht einfach aus dem Weg räumen könne, sondern die umgangen und vernichtet werden müßten. Wenn Schleicher deshalb im Augenblick darauf verzichtet, das Pro gramm der Verfassungsänderung durchzuführen, so bedeute dies nicht, daß er ein überzeugter Demokrat sei, sondern daß er die bestehenden Schwierigkeiten nicht noch durch neue ver schärfen wolle. Der Beinahme „Sozialer General", den ihm die bürgerlichen Parteien gegeben hätten, sei jedoch unverdient, wie wenn man einen Offizier loben würde, da er für Unter bringung und Verpflegung seiner Soldaten sorge, um die Mo- ral der Truppe zu heben. General v. Schleicher sei zwar nicht aus demselben Holz geschnitzt wie der ehemalige Reichskanz ler von Papen. Das Holz stamme aber aus demselben Walds. Wenn Schleicher das Wirtschaftsprogramm seines Vorgängers übernehme, so bedeute das nicht einmal, daß er auf die kapi talistische Lösung verzichte, die sein Vergänger angestrebt habe, und die von den Sozialdemokraten immer wieder zurückge wiesen worden sei. General von Schleicher habe keinerlei Un terstützung von den Sozialdemokraten zu erwarten. Wenn er seine Bemühungen zur Herstellung einer parlamentarischen Grundlage von Erfolg gekrönt sehen wolle, so werde er sich an die Nationalsozialisten wenden müssen. Scharfer Landbundangriff gegen die Aetchsregierung. Der Vorstand des Pommerschen Landbun des hat an den Reichslandbund Berlin ein Tele gramm gerichtet, in dem es heißt, daß die Rundfunkrede des Ernährungsministers und der Kabinetts- beschlutz den Verzicht auf einen wirksamen Schutz der Ver edelungswirtschaft und obendrein die Preisgabe des Ge treidebaus bedeuteten, obwohl seit langem ein in alle Einzelheiten gehender Plan vorliege, der ohne Monopol und ohne Belastung der notleidenden Bevölkerung Lie Sperre für Ginheitspreisgeschäfie. Auch auf Großstädte ausgedehnt. In der nächsten Nummer des Reichsanzeigers wird eine Verordnung veröffentlicht, die unter Abänderung der Bestimmungen des Dritten Teils der Notverordnung vom 9. März 1932 die bisher nur für Städte mit weniger als 100 000 Einwohner geltende Sperre der Errichtung von Einheitspreisgeschäften auf alle Städte ausgedehnt. Damit gilt in Deutschland das Ver bot der Errichtung von Einheitspreisgeschäften ohne räumliche Einschränkung bis 1. April 1934. Zur Ausdehnung der Sperre hat die Feststellung ge führt, daß seit Erlaß der Notverordnung vom 9. Mürz 1932 in den von der dort ungeordneten Sperre nicht be troffenen Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern sich die Klagendes gewerblichen Mittelstandes über den Wett bewerb der Einheitspreisgeschäfte erheblich vermehrt haben. Diese Klagen haben auch dazu geführt, daß von der großen Mehrzahl der Regierungen derLänder eine Ausdehnung der Sperre für Einheitspreisgeschäfte schlecht hin als vordringlich bezeichnet worden ist. Die Verordnung enthält weiter eine gewisse Verschärfung der für die be stehenden Einheitspreisgeschäfte geltenden Betriebsvor schriften, insbesondere hinsichtlich des Verkaufs zu anderen als Einheitspreisen. Sie Auswirkung der sächsischen Amnestie. Beim Amtsgericht und der Staatsanwaltschaft Dresden. Nach den bis jetzt vorgenommenen Feststellungen sind vom Amtsgericht Dresden und von der Staatsanwaltschaft Dresden auf Grund der Amnestie 16 UntersuchuWsgefan- gene und 102 Strafgefangene entlassen worden- Veredelungs- und Getreidewirtschaft aus eine gesunde Grundlage stellen und damit überhaupt erst die Voraus setzungen zur Überwindung der Gesamtwirtschaftskrise schaffen könne. Der Retchslandbund müsse das Landvolk gemeinschaftlich mit dem gesamten, von der Not gepackten deutschen Volk schnellstens zu schärfstem Kampf gegen die Politik der Reichsregierung zusammenfassen. Erleichterungen für die Kriegsopfer. Der N e i ch s a r b e i t s m i n i st e r hat auf Antrag des Neichsverbandes deutscher Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen sowie des Reichsbundes der Kriegsbeschädigten, Kriegsteilnehmer und Kriegshinter bliebenen angeordnet, daß für die Krisenunter- stützung von Personen, denen nach den Neichsgrundsätzen über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Für sorge gehobene Fürsorge zusteht, nicht der Richt satz der allgemeinen Fürsorge, sondern der der gehobenen Fürsorge obere Grenze im Rahmen der Sätze der Ar beitslosenversicherung sein soll. Der Erlaß tritt mit Wir kung vom 9. Januar 1933 in Kraft. Erweiterung der Winterhilfe gefordert. Der Vorstand des Gesamtverbandes der Christ lichen Gewerkschaften hat an dir Neichsregierung ein Schreiben gerichtet, in dem dringend gebeten wird, die Maßnahmen in bezug auf die Winterhilfe zu erweitern. Die Notlage sei in Anbetracht der auf ein Minimum ge kürzten Unterstützungen so groß, daß daraus nicht nur ernstr kulturelle und gesundheitliche Gefahren, sondern auch schwere Gefahren für den Staat und die Volksgesamtbeit entstehen müßten. Das, was bis jetzt an Beschlüssen für die Winterhilfe bekanntgeworden sei, reiche nicht aus, um der gewaltigen Not und der daraus resultierenden Gefahren Herr zu werden. Die pariamenie vor Zahresschluß. Für die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr wollten die Kommunisten eine Tagung des Reichs tages herbeiführen Dieser Wunsch wird aber keine Er füllung finden. Der Ältestenrat wird sich mit der Frage der Einberufung des Parlaments voraussicht lich erst am Donnerstag, den 29. Dezember, beschäftigen, so daß eine Neichstagssitzung im alten Jahr nichtmehr in Frage kommt. Auch der Preußische Landtag nimmt seine Arbeiten erst im Januar wieder auf. Eine ursprünglich für die letzten Tage dieses Jahres in Aussicht genommene Vollsitzung des Preußischen Staatsrates ist abgesagt worden. Im Landgcrichtsbezirk Chemnitz. Aus der Strafanstalt Chemnitz sind nach einer Mit teilung der Pressestelle beim Landgericht bis jetzt 34 Ge fangene entlassen worden. Weitere Einzel-Amnestierungen. Aus Anlaß des Weihnachtsfestes hat das Justiz ministerium wie alljährlich eine Reihe von Begnadigungen verfügt, durch die zu einem erheblichen Teile Gefangene in Freiheit gesetzt und im übrigen Strafen gemildert r bei erlassen oder Bewährungsfristen bewilligt worden sind. Angesichts der gegenwärtigen schweren Wirrschaftsnöte Hai das Justizministerium, unbeschadet der infolge dei Straffreiheitsgesetze vom 20. Dezember 1932 überdies eintretenden A m n e st i e r u n g en, in besonderem Maße solche Fälle berücksichtigt, die auf die allgemeine Not lage zurückzuführen sind, oder in denen durch den Gnaden erweis einer besonders schweren Lage von Angehörigen Bestrafter abgeholfen werden konnte. Die Zahl der aus gesprochenen Gnadenerweise liegt daher mit 525 sehr er heblich über der der Vorjahre. * Fall Bartl fällt nicht unter die Amnestie. Aber auch keine Hinrichtung. Die Angelegenheit des wegen Beteiligung an einer Schießerei in einem Chemnitzer Cafö zum Tode verurteil ten kommunistischen Arbeiters Bartl in Chemnitz fällt, wie verlautet, nicht unter die Amnestie. Indessen soll sicher zu erwarten sein, daß Bartl, wenn seine beim Reichsgericht eingelegte Berufung verworfen würde, trotzdem nicht hin- gerichtet wird, wie dies auch die sächsische Regierung be reits hat durchblicken lassen, da nach dem Urteil des Chem nitzer Schwurgerichts feststeht, daß der tödliche Schuß auf den Zahntechniker nicht von Bartl lelbü abaeaeben wurdet