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143, 24. Juni 1S02. Nichtamtlicher Teil. 5167 In rückwirkendem Sinne ist also nur die Stellung des Originalwcrkes verändert worden, wenn seine Schutzfrist noch nicht abgelaufen ist. Es ist demnach kein Zweifel darüber vorhanden, daß seit dem 1. Januar 1902 keine neue Bearbeitung in einem andern Verlage erscheinen dürfte als in dein des Originals, selbst wenn sie, ivie z. B. die Liszt'sche Fantasie über das Spinnerlied aus dem Fliegen den Holländer, alle Merkmale einer eigentümlichen Kom position an sich trüge. Alle diejenigen Bearbeitungen aber, die, wie z. B. die erwähnte Liszt'sche, erlaubterweise vor dem 1. Januar 1992 in einem andern Verlage als dem des bearbeiteten Originals erschienen sind, dürfen auch ferner ohne weiteres durch den fremden Verlag vervielfältigt und verbreitet werden, denn die Befugnis des Bearbeiters bezw. seines Rechtsnachfolgers dazu bleibt nach 8 62, Satz 2 unberührt. An dieser klaren Bestimmung hat nun, ivie die an uns gerichteten Anfragen erweisen, der Wortlaut des 8 63 Zweifel aufkommen lassen, die zu zerstreuen der Zweck dieser Aus einandersetzung ist. Zunächst muß es doch als ausgeschlossen erscheinen, daß der Gesetzgeber, der eben erklärt hat, gewisse bereits er schienene Bearbeitungen sollen auch ferner erlaubt bleiben, im nächstfolgenden Paragraphen, in dem er von den nicht mehr erlaubten Vervielfältigungen spricht, hierunter eben diese Bearbeitungen mit einbcgreife. Es handelt sich in § 63 vielmehr um alle andern früher erschienenen Vervielfältigungen, die das neue Gesetz, im Gegensatz zu dem bisherige», mit rückwirkender Kraft verbietet, ohne davon Ausnahmen zuzulasscn, wie sie für die »künstlerischen- Bearbeitungen in 8 62 festgesetzt worden sind. Das neue Gesetz behandelt die Werke der Litteratur und der Tonkunst gemeinsam, die Bestimmungen des 8 63 umfassen daher auch beide Gebiete, ihre Anwendung ist aber fast ausschließlich aus das litterarischc Gebiet beschränkt, wo z. B. die Anthologien, Sammlungen von Reden rc. in Betracht kommen. Der Musikverlag wird durch den 8 63 in nur sehr unwesentlichen Fällen betroffen, z. B.: 1. Nach dem Gesetz vom 11. Juni 1870 war cs er laubt, größere Dichtungen, die nicht, wie Opern- tcxte, nur für die musikalische Komposition Bedeutung haben, ohne Erlaubnis des Textversassers, init der Mnsik zum Abdruck zu bringen. Ein Komponist konnte also »Die versunkene Glocke« von Gerhard Hauptmann, die doch als Drama ohne Hinblick auf eine Vertonung gedichtet worden ist, von Ansang bis Ende komponieren und die hieraus entstandene Oper ohne Einwilligung des Dichters vervielfältigen lassen. Nach dem Gesetz vom 19. Juni 1901 dürfen nur kleinere Teile einer Dichtung oder Gedichte von geringem Umfange als Texte zu einem neuen Werke der Tonkunst ohne Genehmigung des Textversassers benutzt werden 20). 2. Der gegenwärtig bestehende Zweifel, ob ein noch ge schützter Text in Verbindung mit einer gemein- freien Melodie gleichfalls abgedruckt werden darf, wird durch die Fassung des Z 20 (Text zu einem neuen Werke der Tonkunst) in verneinendem Sinne entschieden (vgl. Voigtländcr S. 101). Wenn bei einem Musikverleger Werke erschienen sind, auf welche die angeführten Beispiele Bezug haben, so ver bietet ihm der § 63, die Platten, Steine rc. hierzu nach dem 1. Juli 1902 weiter zu benutzen. Bei Bearbeitungen aber, die ein Mustkvcrleger über noch geschützte Werke eines fremden Verlages vor dem 1. Januar 1902 herausgegeben hat, hat er sich nur die Frage vorzulegen, ob diese Bearbeitungen nach dem Gesetze vom 11. Juni 1870 erlaubt waren oder nicht. Im elfteren Falle darf er sie ohne Zeitbeschränkung weiterführen, d. h. von den alten oder neu zu stechenden Platten jederzeit drucken lassen und verbreiten, im verneinenden Falle kann der Berechtigte die Einziehung so lange erwirken, wie die 30jährige Schutzfrist für das Originalwerk dauert. Berlin, den 20. Juni 1902. Hugo Bock, Willibald Challicr, in Firma Ed. Bote L G. Bock. in Firma C. A. Challier L Co. Vom österreichischen Buch-, Kunst- und Mttsikalienhandci. Dem Jahresbericht für 1901 der niederösterrcichischcn Handels- und Gewerbekammer in Wien entnimmt die »Oestereichisch-Ungarische Buchhändler-Correspondenz- folgende Stellen: Buchhandel. Auch im verflossenen Jahre konnte eine Besserung des Geschäftsganges nicht beobachtet werden. Die allgemeinen Wirtschastsverhältnisse wirkten, ivie die Korporation der Buch-, Kunst- und Musikalienhändler in Wien bemerkt, auf den Buchhandel zurück. Von verschiedenen Firmen wird nament lich ein Rückgang des letzten Weihnachtsgeschäftes konstatiert, wobei allerdings auch die stets steigende Konkurrenz in Betracht zu ziehen ist. Der Absatz von billigen Geschenkwelken und Kinderbüchern dürfte kauin einen Ausfall erlitten haben; desgleichen ist bcini Absatz der Bedürfnisbücher, wie Schul- nnd Lehrbücher u. dgl., eine geivisse Verschiebung, aber kaum eine wirkliche Abnahme des Absatzes anzunehmen; dagegen erlitt das Geschäft in Luxusbüchern einen Ausfall. Hem menden Einfluß auf den Bücherverkauf übt auch die von Jahr zu Jahr wachsende Verbreitung von Zeitungen und Zeitschriften aus, da vielen deren Lektüre genügt. Die Produktion am deutschen Büchermärkte ist eine ge waltige; an gediegenen und preiswerten Werken ist gewiß kein Mangel, doch überwiegt die Mittel- und minder wertige Ware, und die Sortimenter bedenken mit Sorge, wo die alltäglich angekündigten neuen Erscheinungen ihre Käufer finden sollen. Der österreichische Verlagsbnch- handel hat eine Reihe wertvoller und gediegener Werke ge schaffen; viele hiesige Verleger betrachten nicht den Gewinn allein als maßgebend, sondern scheuen bei wissenschaftlicher oder kultureller Bedeutung eines Werkes auch vor Opsern nicht zurück. Dabei hat der österreichische, insbesondere der deutsch-österreichische Vcrlagsbuchhandel mit mancherlei Schwie rigkeiten zu kämpfen; die Verdrängung des Deutschtums in unscrm Staate entzieht ihm mehr und mehr den Boden seiner Existenz; auch die Prodnktions- und Verkehrsverhält- nissc sind minder günstig als im Deutschen Reiche, dessen Vcrlagsbuchhandel mit dem unsrigen vielfach konkurriert. Weiter ist der Abgang mancher und zumeist der tüchtigsten Gelehrten nach dem Auslande der Entfaltung des Verlags geschäfts hinderlich und endlich iibt der Umstand einen nach teiligen Einfluß aus, daß Oesterreich trotz der verschiedenen Vorstellungen der Schriftsteller- und Buchhändlerkreise, welche aus dem in Leipzig veranstalteten Verlegerkongreß in be sonderer, eindrucksvoller Form zusammengefaßt wurden, der Berner Konvention noch immer nicht beigetretcn ist. Der österreichische Autor befindet sich dadurch gegenüber jenen, deren Heimatsländer der Konventton angehören, in einer gefährdeten Stellung, und diese Unsicherheit übt ihre Rück wirkung auf den Verlagshandcl, namentlich auf den Musik verlag aus. 676-