Volltext Seite (XML)
MsdmfferÄWblalt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Klagt eingezogen werden mich oder der Auftraggeber in Konkurs gerät.' Nr. 297 — 91. Jahrftanft Wilsdrufs-DreSden Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Postscheck: Dresden 264>t Dienstaft, den 20. Dezember 1932 Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meiken des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ Das „Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. Irei Haus, bet Postbcstellung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpsg. Alle Postanstaltcn und Post- daten, unsere Austräger u. „ ,, ... .. ,, , Geschäftsstelle, nehmen zu jeder Zeit Bestellungen ent- stÄMhkNblftN fÜk VölksblUff U. tlMfteftLNd gegen. Im Falle höherer Gewalt,Krieg od. sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto beilicgt. "LLom^^ Fernsprecher: Ami Wilsdruff Nr. 6 LLN'ÄS durch Fernruf Übermittelten Auzeige.. übern wir b°7° GaranNe. d»^duH Von Herriot zu Paul-Vomom. Kurz vor Jahresschluß fordert zum viertenmal ein französischer Ministerpräsident von der Deputiertenkammer eine Vertrauenserklärung. Laval, Tardieu, Herriot und jetzt Paul-Boncvnr stellen eine politische Entwicklung dar, in der sich die beiden großen Probleme Finanzwirt - schäft und R ü st u n g s f r a g e deutlich kennzeichnen. In Laval personifizierte sich noch die völlige Unabhänaig- keit Frankreichs in der Behandlung dieser beiden Pro bleme; Laval hatte die amerikanische Negierung veranlaßt, sich trotz der damals nahe bevorstehenden Abrüstungs konferenz aus finanziellen Gründen für „uninteressiert" gegenüber den europäischen Finanznöten zu erklären. Frankreich besaß ja den großen Geldbeutel, aus dem heraus cs seine Bundesgenossen im Osten und Südosten Europas zu finanzieren vermochte. Auf der Abrüstungs konferenz brachte dann Tardieu seinen Plan zum Vor schein, der auch heute noch nicht ganz anfgegeben wurde, sondern in einzelnen Teilen wieder auftauchte in jenem anderen Plan, den Herriot der Welt und der Abrüstungs- konkerenz bescherte. Paul-Boncour, der neue französische Ministerpräsident. Der'geistige Vater dieses Planes war allerdings der damalige Kriegsminister Puul-Boncour, der jetzt zum Nachfolger Herriots als Ministerpräsident gemacht worden ist. In der Frage der Abrüstung jedenfalls bedeutet er insofern eine schärfere Rote als Herriot, weil ihm seit Beginn der Genfer Konferenz die Vertretung der fran zösischen Interessen anvertraut worden ist und er infolge dessen durchaus nicht unschuldig an der bisherigen Er gebnislosigkeit dieser Konfercnzarbeiten gewesen ist. Nicht an ihm hat es gelegen, daß die Fünfmächtekonferenz zu einer Art Zwischenlösung, die den Wiedereintritt Deutsch lands in die künftigen Arbeiten der Konferenz ermög lichte, gekommen ist. Die entscheidende Tagesfrage für Frankreich und seine neue Negierung ist aber jetzt die der Schulden an Amerik a. Paul-Boncour foll bereits als Mitglied des Kabinetts Herriot Gegner der damaligen Forderung des Ministerpräsidenten gewesen sein, entsprechend der eng lischen Haltung die Schuldenrate Frankreichs an Amerika unter gewissen Bedingungen zu bezahlen. Diese Bezahlung ist nicht erfolgt, und die französische Politik unter der Leitung Paul-Boncours wird darauf Hinzielen, die ganze Angelegenheit gewissermaßen hinauszuziehen, zum minde sten bis in den März nächsten Jahres, weil dann der neue amerikanische Staatspräsident Roosevelt ein ver handlungsfähigerer Partner für die Regelung der Schuldenfrage ist, als dies der jetzige Präsident Hoover sein kann. Irgendeine Gegenmaßnahme Amerikas wegen der Weigerung Frankreichs, seien Schulden zu bezahlen, ist bisher nicht erfolgt, und infolgedessen dürfte der Ministerpräsident Paul-Boncour hofsen, mit dieser Politik der Verzögerung Erfolg zu haben. Sehr viel drängender aber ist für ihn die Erledigung der innerfranzösischen Finanznöte. Die Politik der Frei gebigkeit gegenüber der einheimischen Wirtschaft und den stets geldbedürftigen Bundesgenossen im Osten Europas hat auch dazu geführt, daß Frankreich seine finanziellen Reserven eingehüßt hat. Der jetzige Finanzminister Chörou hatte in einem früheren Ministerium dafür ge sorgt, daß Frankreich etwa 20 Milliarden Franc, also rund 3 Milliarden Reichsmark, als Reserve besaß, — aber diese Summe ist inzwischen längst ausgegeben worden. Mehr noch: Man hat große Schulden gemacht, vor allem, um das gewaltige Verteidigungs- shstem an der ganzen Ostgrenze, vom Ärmelkanal bis zum Mittelmeer hinunter, zu schaffen. Infolgedessen hat Herr Chöron nun die Aufgabe, im Kabinett Boncour diese Ausgaben erst einmal zu finanzieren. Darum ist es für den neuen Ministerpräsidenten recht schwierig gewesen, überhaupt einen Finanzminister für sein Kabinett zu finden, denn dieser Minister wird sehr schnell der unpopulärste Mann in Frankreich werden! Schon Herriot hatte überaus scharfe Maßnahmen steuerlicher Art zur Er höhung der Staatseinnahmen vorgesehen und war auch durchaus nicht zurückhaltend gewesen in Plänen, die die Kürzung der Staatsansgaben vorsahen. Die Politik der Subventionen soll aufhören und man beabsichtigt sogar eine erhebliche Kürzung der Beamtengehälter. An einem PMW MMiMW veröffentlicht Berlin. Die politische Notverordnung, durch die die Notverordnungen gegen politische Ausschreitungen vom 14. und 28. Juni d. I., sowie die Notverordnungen zur Sicherung des inneren Friedens vom 9. August sowie die dazugehörigen Aus- führungsbestimMungen abgeändert werden, sowie die Bestim mungen, die anstelle des abgelaufenen Republikschutzgesetzes treten, wurden heute Dienstag veröffentlicht. Die Notverord nung heißt „Verordnung des Reichspräsidenten zur Erhaltung des inneren Friedens vom 19. Dezember 1932". Sie regelt in 19 Paragraphen die gesamte Materie neu. Gleichzeitig mit der Notverordnung, die im Reichsgesetzblatt 2X> Seiten umsaßt, veröffentlicht die Reichsregierung eine etwa 4 Schreibmajchi- nenseiten lange Erklärung, in der sie darauf hinweist, daß die Milderung der politischen Ausnahmebestimmungen ihren Zweck verfehlen würden, wenn nunmehr die Gewaltakte andauern sollten. Für diesen Fall werden neue Maßnahmen angeKindigt. Die Notverordnung stellt die politischen Freiheiten des Staats bürgers in weitem Umfange wieder her und enthält eine Reihe von Uebergangsbestimmungen, durch die festgelegt wird, wie mit Personen zu verfahren ist, die nach den alten Bestimmun gen bestraft worden sind usw. Als wichtigste neue Bestimmung enthält die Verordnung einen verstärkten Schutz des Reichs präsidenten. Außerdem wurden die üblichen Bestimmungen gegen die Verächtlichmachung des Reiches, der Länder, der Ltaatssorm, der Flaggen übernommen, sowie neu ein beson derer Schutz der Wehrmacht eingcführt. Weiter sallen die Son- dergerichle fort. Die Versammlungs- und Pressefreiheit wird wieder hergestellt. Als Verbotsgründe bleiben nur noch Hoch verrat und Landesverrat bestehen. Die Polizei darf künftig auch weiter politische Beauftragte in Versammlungen ent senden. Kampf «m dl- ReWtagsemberusung. Sitzungen des Ältestenrats und des Reichsrats. Bis in die Weihnachtswoche hinein erstrecken sich dies mal die parlamentarischen Arbeiten im Reichstag, im Reichsrat und im Preußischen Landtag Der Hauptkampf im innenpolitischen Leben des Reiches geht besonders um die Frage, ob der Reichstag noch einmal vor Weihnachten zusammentreten soll oder nicht. Der Ältestenrat des Reichstages hatte sich am Montag- nachmittag mit Kinern kommunistischen Antrag auf Ein berufung des Rcichsparlaments noch vor Weihnachten zu befassen. Der Ältestenrat beschloß, die Entscheidung erst nach der Vollsitzung des Rcichsrates am Dienstagabend zu fällen. Der Reichsrat tritt am Dienstag um 17 Uhr zu sammen, um zu der Frage der Amnestie Stellung zu nehmen. Sollte die Amnesticvorlage im Reichsrat scheitern, so ist mit ziemlicher Sicherheit damit zu rechnen, daß eine Mehrheit des Ältestenrats den Zu sammentritt des Reichstages für Donnerstag nachmittag beschließt. Wie die Entscheidung des Reichsrats ausfallen wird, läßt sich noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Die süddeut schen Länder haben keine große Neigung, dem Amnestie gesetz zuzustimmen. Gelänge es ihnen, mehr als ein Drittel der Reichsratsstimmen für einen Einspruch auf- zubringen, dann müßte das Gesetz vom Reichstag neuer lich mit einer Zweidrittelmehrheit angenommen werden, dann von neuem dem Reichsrat zugehen und unter Um ständen, bei nochmaliger Ablehnung durch den Reichsrat, einem Volksentscheid unterbreitet werden. Es ist aber zu erwarten, daß der Reichsrat keinen Einspruch erheben wird. Der Negierung Schleicher liegt ja, wie bekannt, aueromgs vars und wtro Paul-Boncour und sein Ftuanz- minister gewiß nicht rühren: an den Ausgaben für die Heeresrüstung, und den Lustfahrtminister Paiulevo hat er aus dem Kabinett Herriot übernommen. Man gibt der neuen Regierung infolgedessen kaum eine längere Lebensdauer, bezeichnet es als eine Art nber- gangskabinett zur Erledigung dringendster finanzieller Ausgaben und wartet darauf, daß der wichtigste Mann im politischen Leben Frankreichs wieder an das Steuer des Staates gerufen wird, also: Edouard Herriot. -i- Lrste Sihuna des neuen französischen Kabinetts. Ministerpräsident Paul-Boncour hat sein Amt au getreten. Alsbald trat dann das Kabinett zusammen, nm die Regierungserklärung, mit der sich Paul-Boncour am Donnerstag der Kammer vorstellen wird, auszuarbeitcn daran, den Reichstag wenigstens bis Mitte Januar pau- steren zu lassen, damit sie ungestört ihre notwendigsten Arbeiten erledigen kann. In politischen Kreisen ist das Gerücht verbreitet, daß die Neichsrcgicrung, falls es wirklich noch vor Weih nachten zu innenpolitischen Schwierigkeiten zwischen Negierung und Reichstag kommen sollte, eine Auf lösung des Reichstages sofort vornehmen und dann auch die Wahlen mit möglichst kurzer Frist an beraumen würde, damit nicht wieder, wie nach der Aus lösung des Reichstages am 12. Dezember, die innenpoli tische Entscheidung auf längere Zeit hinausgezögert würde, und damit ein längerer Wahlkampf vermieden wird. * Jm Reichstag trat der Ausschuß für das landwirt schaftliche Siedlungswesen zusammen, um sich mit einigen Anträgen zugunsten der Siedler zu beschäftigen. Im Preußischen Landtag fanden Sitzungen des Hauptausschusses statt, um noch einige dringliche An gelegenheiten vor den Weihnachtsferien zu erledigen. -i- Neue Kabinettsberatungen über die Winterhilfe. Die Veröffentlichung der neuen politischen Verord nung zur inneren Befriedung dürfte im Laufe des Diens tags erfolgen. Am Mittwoch tritt das Kabinett noch ein mal zusammen, nm abschließend über die Winterhilfe maßnahmen zu beraten. Außerdem wird sich das Kabinett in dieser Sitzung mit einer Reihe von Fragen befassen, die bereits seit einiger Zeit unerledigt im Schoße der Ministerien schlummern. * Oie Sitzung des Ältestenrats des Reichstages. In der Sitzung des A l t e st e n r a t s des Reichstages war die Reichsregierung nicht vertreten und hatte auch dem Neichstagspräsidenten keine Mitteilungen zugehen lassen. Auch die Bayerische Volkspartei hatte keinen Ver treter entsandt, sie hatte aber schriftlich mitgeteilt, daß sie gegen eine vorzeitige Neichstagseinberufüng sei. Prä- sidentGöring erklärte einleitend, es würde sich wohl nicht empfehlen, noch vor Weihnachten eine Tagung des Reichstags abzuhalten, zumal der Reichsrat, falls er gegen die Amnestie Einspruch erhebe, noch eine Begrün dungsfrist von vierzehn Tagen habe. Die Sozialdemo kraten beantragten trotzdem, den Reichstag sofort für Donnerstag, 3 Uhr, einzuberufen nnd neben der even tuellen neuen Abstimmung über die Amnestie auch die Winter Hilfsanträge auf die Tagesordnung zu sehen. Die Kommunisten verlangten außerdem für Donnerstag schon die Behandlung der politischen Fragen und der Mißtrauensanträge. Beide Anträge wurden je doch vorläufig abgelehnt. Die innenpolitische Lage hat durch die heutige Stellung nahme der Parteien im Aeltestenrat eine neue Anspannung erfahren, aber angesichts der bei den Nationalsozialisten offen bar bestehenden Neigung, eine sofortige Einberufung des Reichstages zu vermeiden, ist immer noch die Möglichkeit vor handen, daß eine Lösung in dem Sinne gefunden wird, daß die Vertagung auf Mitte Januar aufrcchterhalten bleibt. Die Entscheidung der Nationalsozialisten wird voraussicht lich noch von einer Führerbesprechung abhängen, die die NS-° DAP. am Dienstagvormittag abhalten will. Man hat den Eindruck, daß dabei ein Ausgleich gefunden werden soll zwi schen der Linie des Reichstagspräsidenten Göring, der sich gegen die sofortige Einberufung des Reichstages wendet, und der Linie des Abgeordneten Stöhr, der diese Einberufung be fürwortet. * * Trotz der Wahrscheinlichkeit, daß der Aeltestenrat nicht zur Einberufung des Reichstages schreiten wird, hat in Re- gierungskreiscn eine etwas ernstere Auffassung der Gesamtlage Platz gegriffen, und man gibt in der Wilhelmstraße mit be merkenswertem Nachdruck zu erkennen, daß das Reichskabinett mit der gegenwärtigen Haltung des Reichstages keineswegs zufrieden ist. Man betont, daß die Regierung nicht damit ein verstanden sei, wenn der Reichstag etwa die Absicht habe, zu gelegentlichen kurzen Tagungen zusammenzutreten, um — ganz abgesehen von der Amnestiefrage — auf dem Gebiete der Win terhilfe oder auf anderen Gebieten der Bevölkerung gewisser maßen Geschenke zu machen, für die keine finanzielle Deckung vorhanden ist. Diese Einwendungen aus Negierungskreisen sind darauf zurückzuführen, daß im Aeltestenrat heute auch davon die Rede war, der Reichstag könnte, selbst wenn der Reichs rat keinen Einspruch gegen die Amnestie erhebt, wenigstens zur Besprechung der Winterhilfeaktion am Dienstag zusam- "'^Man wird diese Einstellung der Wilhelmstrahe zunächst im wesentlichen als ein Stimmungsmoment aufzufassen haben, aus dem sich vermutlich noch keine weiteren sachlichen Folgen