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WiNmsserAgM« Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das „Wilsdruffer Tageblatt» erscheint an allen Werktagen nachmittags ö Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— SiM. »ei Haus, bei Postbestellung 1,80 SiM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Alle Postanstaltcn und Post- l>dcr Zeit Bestellungen-m« Wochenblatt für Wilsdritff u. Umgegend ^cgen. ^Im Falle Döhner E-ewalk, Krieg od. sonstiger - Betriebsstörungen besteht Lnn Anspruch aus Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 20 Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs, Pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RM. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. Borge, schriebene Erscheinungs- tage und Platzvorschris tc werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wllsdruss Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen« annahme bisvorm.10Uhr. " — Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muh oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 285 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: .Amtsblatt" Wilsdruff-DreSoen Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 6. Dezember 1932 Hinter den Kulissen. Über einen Mangel an Besprechungen der in Genf anwesenden Staatsmänner werden sich die Zuschauer der verschiedenen, dort tagenden oder vorbereiteten Konferen zen kaum beklagen können. Da aber „Schweigen im Walde" der hohen Diplomatie herrscht, sprechen Gerüchte und Vermutungen um so lauter. Hinter den Kulissen von Genf scheint es aber wirklich recht munter zuzugehen! Denn Äußerungen und Mitteilungen, die so etwas wie eine Art halbamtlichen Charakter tragen, haben schon seit einiger Zeit ein steigendes Durch- uud Gegeneinander offenbart. Die Dinge gehen entschieden im Krebsgang, und der Völkerbund, dessen außerordentliche Polltagung für den L. Dezember anberaumt worden ist, steht im Begriff, eine entscheidende Schlacht zu verlieren. Und zwar in der Fraac des Mandschurei-Konflikts. Ob man in Genf jetzt dazu kommen wird, die Staubwedel eifrig zu handhaben, — ob mau es überhaupt tun will, besitzt kaum noch einige Wahr scheinlichkeit Aber es ist nun auch recht unwahrscheinlich, daß cs darüber in Genf nun einen großen Krach geben wird, etwa zu demonstrativem Austritt Japans oder Chinas aus dem Völkerbund, je nachdem, ob nun die Ent scheidung gegen eines dieser beiden Länder fällt. So »geradezu" ist man auf diesem Tummelplatz der Diplo matie nicht! Wozu gibt es denn Sonderausschüsse, die ihrerseits wieder Unterausschüsse cinsetzen können! Der Bericht selbst enthält ja Empfehlungen, die mit einigem Geschick sür eine „weitere Behandlung dieser An gelegenheit" bildschön ausgcnutzt werden dürften. Viel leicht fällt dabei noch eine zweite Reife nach Japan oder China für irgendeinen neuen Ausschuß des Völkerbundes ab. Tenn nirgends in der Welt ist die d i p l o m a 1i s ch e K u n st des Verzögerns, Vertagens, Hinaus schleppens irgendeiner wirklichen Entscheidung so glän zend ausgebildet worden wie in Genf. Wir Deutsche könnten ja eine ganze Masse von Liedchens darüber singen. Denn macht- und wirtschaftspolitisch am meisten inter essiert an der ganzen Mandschureigcschichte ist doch Amerika, und aus dieses Land — das ist ja heute das eigentliche Thema sür die Verhandlungen der Staats männe-Hinter den Kulissen von Genf, auch wenn dies heftig bestritten wird — sind Frankreich und England sehr schlecht zu sprechen, weil Washington auf der Ichulden- bczahlung für den 15. Dezember besteht. Schon aus diesem Grunde hat man weder in Paris noch in London große Lust, den Amerikanern die mandschurischen Kastanien aus dem Feuer zu holen. Ganz im Gegenteil, — man las und hörte schon allerhand Liebesbeteuerungen an die Adresse des japanischen „Bundesgenossen von einst". Das würde einigermaßen dazu passen, daß man in Gens davon spricht, Herriot wolle so etwas wie eine europäische Schuldnerfront gegen Amerika Herstellen und bearbeite feinen englischen Kollegen Macdonald in diesem Sinne. Auch die Genfer Vertretungen Polens und der Tschecho slowakei dürften nach derselben Richtung drängen, Vie zum Ziel hat, daß sämtliche Schuldnerstaaten die Ameri kaner am 15. Dezember vor die Tatsache des Zahlungs verzuges stellen wollen. Schon die englische und die fran zösische Note zeigen auffallende Übereinstimmungen. Für Herriot ist übrigens die Lage noch deswegen besonders peinlich, weil einst, beim Abschluß des Schuldenabkom mens mit Amerika, die Französische Kammer den Vor behalt dabei machte, daß diese Schuldenzahlnngen an die Amerikaner nur aus den einlaufenden deutschen „Repara- ttons"raten bezahlt werden dürfen. Aber auch der Hin weis hieraus und auf die Gefahren, die aus diesem Ver halten der Amerikaner für die Lausanner Beschlüsse ent stehen müßten, hat die Ablehnung des französischen Stundungsersuchens durch Hoover nicht verhindert. Also weswegen sollte man sich da in Paris für die Wahrung Ler amerikanischen Interessen in der Mandschurei „ein Bein ausreißen"! Und gar für die Wahrnehmung des Völkerrechts . . .! Dafür besteht und bestand an der Genfer Diplomatenbörse feit Beginn „keine Meinung". Das wird sich auch Wohl, wie so ost, jetzt wieder bei der Behandlung der auf der Tagesordnung der Völkerbund versammlung stehenden Danziger Fragen zeigen. Am deutlichsten sichtbar ist der Krebsgang bei der Abrüstungsfrage geworden. Hier kann man ganz offen von einer schweren Krise sprechen, und zwar für die ganze Konferenz. Und dementsprechend auch sür Lie deutsche Gleichberechtigungsforderung, die Fünf- Al ächte-Konferenz usw. Hier drängen die Ameri kaner auf eine Klärung; es soll eine Konvention über die bisherigen Ergebnisse der Konferenz zustande gebracht werden. Und dann solle sie für alle Völker bindend sein. Um diesen Punkt geht zur Zeit das Gefecht in Genf, weil damit für die Konferenz selbst die Gefahr heraufrückt, ent weder mit einem offenen und vollen Mißerfolg ausein anderzuplatzen oder auf unbestimmte Zeit — vertagt zu werden. In beiden Fällen aber hätten die Amerikaner den Weg frei für die Schuldenverhandlungen, für die sie aber eine klare, übersehbare Lage der ganzen „Ab- rüstungs"frage brauchen. Es geht also auf der Genfer Diplomatenbörfe recht durcheinander zul Lulammentritt Sie erste Reichslagssißung. Verhandlungen Schleiche r—G öring. Der am 6. November neugewählte Reichstag tritt am Dienstagnachmittag um 3 Uhr zu feiner ersten Sitzung zusammen. Rcichslanzer von Schleicher hat sich mit dem bisherigen Rcichstagspräsidcnten Göring in Verbindung gesetzt, um einen störungslosen Verlauf der ersten Reichs tagssitzung sicherzustcllcn. Ob die Wahl des neuen Rcichs- tagspräsidiums, an dessen Spitze wieder Abg. Göring stehen dürfte, bereits in der ersten Sitzung erfolgen wird, steht noch nicht fest. Ebenso unsicher ist noch der Termin, an dem Reichskanzler von Schleicher die Regierungs erklärung abgcben wird. Es ist möglich, daß das noch in dieser Woche geschieht, ebenso möglich aber auch, daß der Reichstag erst in der nächsten Woche zur Entgegen nahme der Regierungserklärung zusammentritt, andere wollen sogar wissen, daß das Programm der Schleicher- Regierung sogar erst im Januar der Öffentlichkeit bekannt- gegeben werden soll. Die verschiedenen Fraktionen des Reichstages tagten bereits am Montag und Dienstag, um zu der wichtigen Frage der Vertagung des Reichstages Stellung zu nehmen. Hitler ist bereits wieder in Berlin eingetroffen, um die nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten für sich zu verpflichten. Die Regierung soll entschlossen sein, für den Fall, daß der Reichstag nicht auf eine Vertagung eingeht und ihr ein Mißtrauensvotum erteilt, oder eine der entscheidenden Not verordnungen des Reichspräsidenten aufhcbt, den Reichs tag erneut aufzulösen. In Regierungskreisen scheint man allerdings damit zu rechnen, daß der Reichstag, wenn auch nicht auf längere Zeit, so doch bis Anfang Januar sich vertagen wird. Vor der Eröffnung des Reichstages fand nach her gebrachter Sitte im Berliner Dom einGottesdienst für die Mitglieder der Reichsregierung, des Reichstags und des Reichsrats statt. Die Predigt hält der Geistliche, Vize präsident des Evangelischen Oberkirchenrats, Oberdom prediger Burghart. Auch Reichspräsident Hindenburg hatte sein Erscheinen zugesagt. Für die katholischen Ab geordneten fand ein Gottesdienst in der Hedwigskirche statt. Empfang von Syrup und Papen. Reichspräsident von Hindenburg hat am Montag- Vormittag den neuen Reichsarbeitsminister Dr. Syrup vereidigt. Da sämtliche übrigen Minister bereits Mit glieder des vorigen Kabinetts waren, ist für sie eine neuerliche Vereidigung nicht erforderlich. Außerdem empfing der Reichspräsident am Montag den Reichs kanzler von Papen zur Verabschiedung. Der Reichs präsident überreichte bei dieser Gelegenheit als äußeres Zeichen seines Dankes und seiner Anerkennung dem schei denden Reichskanzler sein Bild mit eigenhändiger Unterschrift. Beratung -es Regierungsprogramms. Reichskanzler von Schleicher hatte für Montag eine Chefbesprechung angesetzt, in der das künftige Negierungs programm beraten wurde. In diesem Programm sollen auch die Widerstände beseitigt werden, die im Kabinett Papen durch die Führung des Wirtschaftsministeriums und des Ernähruygsministeriums hervorgerufen worden find. Reichswirtschaftsminister Warmbold und Reichs- ernährungsminister von Braun, die unterdessen auch vom Reichspräsidenten in ihren Ämtern wieder bestätigt wor den sind, sollen sich nach längeren Verhandlungen dahin einig geworden sein, daß man den für notwendig er achteten Schutz für die Landwirtschaft weniger auf dem Wege der Kontingente als vielmehr auf Handels und zollpolitischem Wege erreichen will. Die Handels verträge mit Holland, Schweden und Südslawien laufen der Reihe nach am 1. Januar, 15. Februar und 1. März ab. Man überlegt, wie man die sogenannte Voreinfuhr, die vor einer Handelsvertragsänderung einzutreten pflegt, gesetzlich erfassen kann. Mitte der Woche beginnen die Wirtschaftsverhandluügen mit Frankreich. Eine eng lische Kommission ist am Montag in Berlin eingetroffen, mit der über die Einfuhr englischer Kohlen und die deutsche Einfuhr nach England verhandelt werden wird. GerekeS Arbeitsbereich. Der neue Reichskommissar für die Arbeitsbeschaffung, Dr. Gereke, tritt Anfang dieser Woche sein Amt an. Er wird voraussichtlich dem Reichskanzler unmittelbar unter stellt sein. In einer der nächsten Sitzungen des Reichs kabinetts dürfte entschieden werden, ob auch das Reichs kommissariat für die Siedlung Dr. Gereke übertragen werden soll. Bekanntlich gehören bis jetzt die Fragen der Osthilfe und der Siedlung zum Arbeitsbereich des Reichsernährungsministeriums. Es darf als sicher an genommen werden, daß die Osthilfefragen auch künftighin tzsm Reichsernährungsministerium behandelt werden. des Reichstags Wem nach der Ernennung Shrups zum Reichsarbeits minister das Kommissariat für den Freiwilligen Arbeits dienst unterstellt werden wird, ist zur Zeit noch ungeklärt. Nicht ausgeschlossen ist, daß Syrup diesen Aufgabenkreis beibehält. Nationalsozialisten und Freiwilliger Arbeitsdienst Der Beauftragte der NSDAP, für Arbeitsdienst, Oberst a. D. Hierl, beschäftigte sich im Völkischen Be obachter mit der bisherigen Regelung des Freiwilligen Arbeitsdienstes. Das bisherige System habe völlig ver sagt, und jetzt werde ^-er Freiwillige Arbeitsdienst sogar noch abgebaut. Dies bedeute die Bankrotterklä rung des bisherigen Systems. Es bestehe die Gefahr, daß der Arbeitsdienstgedanke überhaupt im Volke in Miß kredit komme. Die Neugestaltung sei von Grund auf notwendig. Oeutschnationale und das Kabinett Schleicher. In einem „Übergang oder Endlösung?" überschrie benen Artikel nimmt der Pressechef der DNVP., Brosius, in den parteiamtlichen Mitteilungen zum Kabinett Schleicher u. a. wie folgt: Ist das Kabinett Schleicher, das sich aus fast den gleichen Persönlichkeiten — mit den gleichen Gegensätzen — zusammensetzt, wie das frühere Kabinett, stark genug, um eine Endlösung darzustellen? Wenn nicht, wird es den Übergang bilden auf dem Rück wege rückwärts zum Parlamentarismus oder auf dem Wege zu Hitler oder auf dem Wege zu einer Staatsfüh rung, die das vollendet, was die Regierung Papen nicht durchzusetzen vermochte? Von dem Weg, den das neue Kabinett geht, wird es abhängen, wie sich die D N V P. zu ihm stellt. Die drei sachlichen Forderungen der Deutsch- nationalen sind: Der Weg vom Parlamentarismus von Weimar zum autoritären Staat muß entschlossen weitergegangen werden. Der Dualismus zwischen Reich und Preußen darf nicht wiederkommen, auch nicht auf dem Weg einer Einigung zwischen Nationalsozialisten und Zentrum in Preußen. Der Neubau der Wirtschaft muß nach neuheitlichem Plau und unter Ausschaltung aller sozialistischen Experiment- durchgeführt werden. Schärfste Kampfansage -er SPD. Mißtrauensantrag gegen das Kabinett von Schleicher. Der sozialdemokratische Parteivorstand hat einen Aufruf an die Parteimitglieder erlassen, in dem gesagt wird, daß an die Stelle des Kabinetts von Papen ein Kabinett von Schleicher getreten sei, welches nahezu ausschließlich aus Mitgliedern der alten Regierung be stehe. Auch ihm werde die Sozialdemokratie „nicht anders gegenüberstehen als in der allerschärfsten Oppo sition." Sie erblicke in ihm „nicht nur die Fortsetzung des bisherigen Kurses, sondern auch die einseitige Vertretung jenes kapitalistischen Wirtschaftssystems, dessen Versagen mit jedem Tage offenkundiger geworden" sei. Der Kamvf gelte nicht nur der Wiedereroberung verlorener Posi tionen, der Sicherung gefährdeter Volks- und Arbeiter- rechte, er gelte auch der Herstellung einer sozialistischen Wirtschaftsordnung. Die sozialdemokratische Reichs tag s fr aktion hat in ihrer Sitzung beschlossen, sofort einen Mißtrau ensantrag gegen die Regierung von Schleicher bei der Eröffnung des Reichstages ein zubringen. Die ReWtagssraltionen tagte«.. Die neugewählte deutschnationale Reichs tagsfraktion trat unter Vorsitz von Dr. Oberfohren zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Der Parteiführer, Dr. Hugenberg, erstattete ein eingehendes Referat über die gegenwärtige politische Lage und die Ereignisse der letzten Krisenwochen, das von der Fraktion mit starkem Beifall ausgenommen wurde. Die Fraktion legte ihre Stellung nahme für die ersten Sitzungen des Reichstages fest. Die Zentrumsfraktion des Reichstages be schäftigte sich in ihrer Sitzung insbesondere mit der Vor bereitung eines Jnitiativentwurfs, der sofort im Reichs tag eingebracht werden soll und der die sozialpolitischen Bestimmungen der letzten Notverordnung des Kabinetts Papen wieder aufheben will. Die Zentrumsfraktion sprach sich weiter für eine Vertagung des Reichs tages aus, da dem neuen Kabinett Gelegenheit gegeben werden müsse, seine Maßnahmen vorzubereiten. Die Reichstagsgruppen der Deutschen Volkspartei und des Christlichsozialen Volksdienstes, dem sich bereits der eine Deutsch-Hannoveraner angeschlossen hatte, haben sich zu einer „Fraktion der technischen Arbeitsgemein schaft" zusammengeschlossen. Die politische Selbständigkeit der beiden Gruppen bleibt durch die Bildung dieser tech nischen Fraktion völlia unberührt. Die neue siebente Frgk-