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Wilsdruffer Tageblatt 2. Blatt Nr. 283 — Sonnabend, den 3. Dezember 1932 Aävent. Durch den rauhen Alltag will Heller Glockenklang heut' schwingen. Durch das Dunkel warm und still Goldner Kerzenschimmer dringen, Ferner Weihnachtsschein, der nicht Von der kalten Erde stammte, Abglanz von dem Himmelslicht, Das um Bethlehem einst flammte. Heimlich Märchenflüstern zieht Durch die blaue Dämmerstunde, And ein erstes Weihnachtslied Jauchzt aus frohem Kindermunde. In den Kinderaugen lebt Glanz schon goldner Weihnachtssterne, And die ew'ge Liebe schwebt Erdwärts nun aus Himmelsferne. Selig Ahnen einer Nacht, Da die Welt in Schuld verloren And aus Gottes Liebesmacht Der Erlöser ihr geboren, Will in dunkler Winterzeit Licht uns tragen Heller Kerzen And der Hoffnung Seligkeit Wecken in den Menschenherzen. O, du müde Seele, last Vom Adventslicht nun dich führen! Mach, erlöst, von Leid und Haß, Weit dem Schein des Herzens Türen! Glanz von ew'ger Seligkeit Will still himmelan dich ziehen — Aeber eine kurze Zeit Sollst du vor der Krippe knien! Felix Leo Göckeritz. Hitler im Thüringer Kommunalwahlkampf. Adolf Hitler sprach anläßlich der bevorstehenden thüringischen Kommunalwahlen in Altenburg. Er hielt die Kommunalpolitik nur dann für fruchtbar, wenn ihr eine fruchtbare Reichspolitik vorausgehe. Es hätten viele nicht verstanden, daß er am 13. August nicht in die Regierung gegangen sei. Heute aber würde man den Kopf schütteln, wenn er es getan hätte. Der Nationalsozialismus sei die einzige Plattform, aus der ein neues Reich erbaut werden könne. Auf die Berliner und westdeutschen Streiks eingehend, erklärte er, daß er nicht für den Streik, wohl aber für das Leben der Arbeiter besorgt sei. Die Verhandlungen in Berlin Hütten nur den Zweck gehabt, die NSDAP, ins Unrecht zu setzen, ihn selbst aber in eine Fallezu locken. Man solle nicht glauben, daß er in eine Falle gehe, die »hm bereits schon einmal gestellt worden sei. Für die Nächste Zeit, erklärte Hitler, sei nichts weiter zu erwarten als die Fortsetzung seines Kampfes. Er als Fanatiker würde fein Ziel erreichen. Roch heute sei er jederzeit bereit, die Verantwortung zu übernehmen. Aber, wenn man das nicht wolle, so sei er auch bereit zum Kampf. * Entgegen Meldungen über die angeblich außer ordentlich schwierige Finanzlage der NSDA P. stellt die Nationalsozialistische Korrespondenz fest, alle diese durchsichtigen Behauptungen über die finan ziellen Schwierigkeiten der NSDAP, seien ausschließlich tendenziöse Entstellungen zu dem Zweck, das Ansehen der nationalsozialistischen OrganiKtion zu beein trächtigen. Die Finanzlage der NSDAP, sei nach wie vor gesund und nicht zn erschüttern. t,»«kS5il-«ecurrLc»urr oo«c" (50. Fortsetzung.) Mechtild öffnete zum ersten Male einem Menschen ihr Herz. Age hielt den Atem an, und zugleich packte sie bitteres Weh. Mechtild Barrys hatte ihr Herz gefunden. Sie liebte. All thr« Sehnsucht rief nach dem Mann, dem großen Künstler. Sw sprach es nicht aus mit Worten, es lag nur zwischen den Worten Aber Age fühlte es, und ein Bedauern mit dem schönen Wesen, das ihr gegenüberlaß, ergriff sie. denn sie wußte: Eine Frau nur hatte der einsame Mann einst und immer geliebt, und sie liebte er heute noch. Und nie würde er eine andere lieben können. Nach einer zwei Stunden währenden Aussprache trennte sich Mechtild Barrys von Age. Als dann Rainer plötzlich in das Wohnzimmer trat, sagte Age: „Mechtild Barrys war da. Sie läßt Sie grüßen, Rainer'" ..Mechtild Barrys! Sie kommt von Lammel, ich kann's mir denken." „Nein, ihr Herz trieb sie. Sie aufzusuchen, Rainer!" Er sah sie fragend an. „Mechtild Barrys . . . liebt Sie, Rainer!" „Warum sagen Sie mir das?" fragte er bitter. „Es soll Sie aufrichten! Sie sollen nicht verzagt sein. Es ist «ooiel Lieb« um Sie. und Sie verstecken sich vor ihr." Rainer schüttelte den Kopf „Nein, Age, das tue ich nicht. Aber fühlen Sie nicht, daß auch Liebe, die dargebracht wird, weh tun kann?" „Ich weiß es nicht, Rainer! Ich bin ein Weib, dem Liebe so hohe Beglückung ist, höher als alle Kunst " „Es ist nicht immer Liebe, was man so nennt, Age! Oft lst es nur egoistisches Begehren. Wo ist Liebs auf der Welt? Im Mutterherzen ist sie lauter und rein " „Nicht so bitter, lieber, armer Freund! Haben Sie sich immer »och nicht gefunden? Sie müssen überwinden!" Schleichers Ministerliste Die hervorstechendste Tatsache der Ministerliste be steht darin, daß der neue Reichskanzler auch zu gleicher Zeit die Leitung des Reichswehrministerinms beibehalten wird. Die Herstellung dieser Personalunion war in den letzten Tagen besonders hart umstritten und bildete den Ausgangspunkt zu den Nachrichten, daß die Betrauung des Wehrministers Schleicher mit dem Reichs kanzleramt scheitern würde, da Hindenburg unter keinen Umständen einem Wechsel in der Leitung der Reichswehr zustimmen wollte. Reichskanzler von Schleicher beab sichtigt übrigens die endgültige Besetzung des Wirtschafts ministeriums, des Arbeitsministeriums und des Ernäh rungsministeriums erst dann vorznnchmen, wenn die hierfür in Frage kommenden Minister nach eingehenden Beratungen einen klaren Kurs der künftigen Wirt schaftspolitik festgelegt haben. Zu den Beratungen soll auch Reichsbankpräsideut Luther maßgeblich zugezogcn werden. Kurt von Schleicher. Der mit der Regierungsbildung beauftragte Reichs- Wehrminister, Generalleutnant Kurt von Schleicher, ist am 7. April 1882 in Brandenburg geboren. Mit einer Unter- brechung im Sommer 1917, wo er ein Frontkommando innehatte, war Schleicher während des Krieges im Stab des Generalquartiermeisters im Großen Hauptquartier tätig. Am 15. Juli 1918 wurde er zum Major befördert. Als Gröner die Berufung in die oberste Heeresleitung erhielt, wurde Schleicher in seinen persönlichen Stab heran- gezogeu. Das Werden und die Arbeit der Reichswehr, des Zwergheeres, das Versailles dem Deutschen Reich ge lasst n hat, hat Schleicher vom ersten Tage an mitbestimmt. 1924 wurde er zum Oberstleutnant befördert und am 1. Februar 192b zum Abteilungsleiter im Reichswehr- ministerium ernannt. 1926 erfolgte die Ernennung Schleichers zum Obersten, 1929 zum Generalmajor. Am 1. April 1929 übernahm Schleicher dann das neu ge bildete Ministeramt im Reichs Wehrmini sterium und wurde kurze Zeit darauf zum General leutnant befördert. Anfang Juni 1932 übernahm Schleicher die Leitung des Reichswehrministeriums im Kabinett von Papen. * Oie Haltung des Zentrums. In Zentrumskreisen ist man der Ansicht, datz das neue Kabinett von Schleicher keineswegs eine ideal« Lösung darstelle, aber immerhin das, was zur Zeit er reichbar gewesen sei. Staatspolitisch gesehen, bedeute, s» erklärt man, ein Kabinett Schleicher etwas Besseres als der bisherige Zustand. Man glaube auch, daß vor» Schleicher ehrlich genug sei, um ernstlich eine Abkehr vo» dem bisherigen Kurs vorzunehmcn und eine Ver ständigung auf breiter Grundlage anzu streben. Allerdings müßte die Zusammensetzung de) neuen Kabinetts abgewartet werden und dann vor allem seine Taten. Aus allen Personenfragen, so wird weiter erklärt, scheide das Zentrum selbstverständlich voll kommen aus. Die Auswahl seiner Kabinettsmitglieder sei ausschließlich Sache des Reichskanzlers selbst. über die Haltung der Bayerischen Volkspartei unterrichtet die Münchener Bayerische Volksparteikorro- spondenz, die zur Lösung der Kabinettskrise u. a. schreibt« Der Sinn und Zweck der Berufung Schleichers werde darin bestehen, den äußersten Konflikt mit dem Parla ment zu vermeiden. Die Aufhebung des Kriegszu standes mit dem Reichstag und damit mit den Parteien werde davon abhängen, ob die NSDAP, davon absehe, ihre Opposition l^ zum parlamentarischen Bündnis mit den Kommunisten zu treiben. Die Bayerische Volks partei werde ihre Haltung zu einer Regierung Schleiche«! von deren Programm und vor allem von ihren Taten ab hängig machen muffen. Entscheidend werde natürlich sein, wie der neue Reichskanzler zu Bayern stehe. Steh«! man auf dem Standpunkt, daß die Berufung Schleichers! eine Chance der Rettung bedeute, so ergebe sich, für eine verantwortungsbewußte Partei di« Schlußfolgerung, daß diese Chance nicht gefährde« werden dürfe, solange sie sich als eine solche erweise. * Oer Kabmeitswechsel im Spiegel -er presse. Die Aufnahme, die die Beauftragung SchleicherD mit der Kabinettsbildung in der politischen Presse ge funden hat, stellt sich in kurzen Auszügen aus den be treffenden Artikeln folgendermaßen dar: Der sozialdemokratische „Abend" schreibt« Nun ist Papen erledigt. Der Hauptvcrantwortliche heißt nicht mehr Papen, sondern Schleicher. Die Re gierungskrise ist bis auf weiteres beendet, die Staatskrise dauert fort nnd die Wirtschaftskrise, ihr vulkanischer Untergrund, besteht weiter. Die Sozialdemokratie kämpft weiter gegen die Feinde der Arbeiterklaffe, die feudale nnd die faschistische Reaktion, die noch immer stark und gefährlich, aber in ihren Hauptstellungen er schüttert sind. Das demokratische Berliner Tageblatt schreibt: Hindenburgs Entscheidung mutz auch von denen mit Genugtuung ausgenommen werden, die dem kom- An diesem Abend ging Rainer zu dem Intendanten. Schulenburg begrüßte ihn sehr herzlich „Ich habe auf Sie gewartet, Herr Markgraf. Und unser« Hörer warten auch " „Ich will meinen Dienst wieder aufnehmen, Herr Inten dant " „Auch Ihre Stunden des Austausches mit den Hörern?" „Ja. auch dis. Herr Intendant." „Wir müssen die vorgesehene Sportübertragung aus dem Sportpalast zwischen neun und zehn Uhr ausfallen lassen. Wollen Sie diese Zeit ausfüllen. Herr Markgraf?" „Gern. Herr Intendant." Als Rainer ging, iah ihm der Intendant lange nach. Er hatte von Seeliger gehört welch bitterer Schlag Markgraf getroffen, da sich Frau Ingrid endgültig von ihm losgeiagt hatte. Man sah es Rainer an, daß er litt Ein Schmerzenszug war in seinem Antlitz, aber «r adelte es in unerhörter Weise. Schulenburg dachte an den Wsihnachtstag, da er Rainer engagiert hatte. „Hübscher, sympathischer Mensch, ganz herr liches Organ!" das hatte er damals festgestellt. War er denn blind gewesen, daß er die Schönheit des Mannes nicht gesehen hatte, oder hatte ihn seine Aufgab« erst so gestaltet? Als Rainers Zeit kam, stellte er den Lautsprecher an und lauschte den Worten. Warm, weich und voll sang die Stimme in den Aether« Schwere Resignation bedruckte anfangs Rainers Red«, aber er überwand sie, ging aus sich heraus, tröstend sprach er, Aufrichtung wallte er geben, sich selber» wie auch den Hörern. Schulenburg fühlt«, daß das große Leid des Mannes durch seine Worte ging. Ein Sehnen nach Frieden klang aus ihnen Als Rainer an diesem Abend nach Hause fuhr, war ihm freier zumute. Der dumpfe Druck, der lähmend auf ihm ge legen hatte, war gewichen und hatte einer stillen Resignation Platz gemacht „Du mußt verzichten!" Das redete er seinem Herzen ein. Aber noch sträubte es sich dagegen, denn in ihm war der Glaube an ein großes Wunder. 8. Auf den 18. Mai war die Uraufführung des Tonfilms? „Das letzte Tor" gesetzt, die vom Publikum und der Preffe mit der denkbar größten Spannung erwartet wurde In Vorbesprechungen hatte die Presse bereits auf die Be deutung dieses Werkes für die Entwicklung des Tonfilms hingewiesen. Die Karten für die Uraufführung waren schon fett einer Woche ausverkauft. , Das Interesse der Lichtspielhäuser für den Film war ein außergewöhnlich starkes. , . Lammel und seine Getreuen konnten zufrieden sein Der Film wurde bestimmt auch ein gutes, wenn nicht gwrz glänzendes Geschäft. Aber Lammel war doch schlechter Laune. „Mr Forrest!" sagte er zu seinem Sekretär. „Wenn Mr. Markgraf der Uraufführung nicht beiwohnt, dann suche ich mir einen anderen Sekretär." (Fortsetzung folgt-j „Wenn es ginge, Ag«! Ich kämpfe darum, aber es geht nicht. Age, ich habe Ingrid in meiner Bitternis schlecht finden wollen. Zorn sollte mir helfen, aber es brach so rasch zusammen. Wir sind zusammengeschmiedet, und keine Macht der Erde wird uns freimachen. Das weiß ich heute mehr denn je. Daß Ingrid den Weg noch einmal zu mir findet? Nein, das wage ich nicht zu hoffen! Ich kenne ihr Inneres, klar, wie ein Buch liegt es vor mir, und ... ich kann ihr nicht grollen. Ich bin nicht mehr der Rainer von einst. Ich bin ein anderer geworden, der allen gehört. Aber ich denk« immer: Ein Wunder ... ein ganz großes Wunder muß kommen. Das Schicksal hat nicht nach meinem Willen gefragt, es hat mich gezwungen, und jetzt warte ich ganz still, auf das. was es tun wird. Soll es mir nur Bitternis bringen? Wird nicht durch das Schicksal einmal wieder Sonne ins Leben kommen?" „Das große Wunder! Rainer, wir warten ja alle darauf . . . aber es kommt ja nicht . . . für uns nicht." Ihre Augen trafen sich Schmerzliche Resignation sah Rainer in Ages schönen dunklen Augen leuchten. Sie hatte ihn geliebt und liebte ihn noch . . . und wußte doch, daß ihr nie Erfüllung werden würde.