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Darge« schriebene Eischcinungs- er, tage und Plagvorschrilten werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtig«. Anzeigen, annahme bisvorm.lOUHr. Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage cingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meisten, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 279 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.-. „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 29. November 1932 Der neue Nichtangriffspakt. Vor zehn Jahren, als auf der Konferenz von Genua die Alliierten mit Herrn Lloyd George an der Spitze di« deutschen Vertreter wieder einmal übel kujonierten, gab es auf einmal einen fürchterlichen Krach: die „Bo mbe von Rapallo" schlug ein, die Kunde von dem dort abge schlossenen deutsch-russischen Vertrag, der die gesamten politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse zwischen Deutschland und Sowjetrußland bereinigte und natürlich auch die gegenseitige völker rechtliche Anerkennung in sich schloß, — zmn ersten mal hatte das die Sowjetregierung erreicht. Am weitesten riß da Lloyd George den Mund auf und ver langt' entweder Vorlegung des Vertrages von Rapollo an die werten zwecks Genehmigung oder die Annullierung des Übereinkommens. Diese Proteste Verliesen im Sande, und fünf Jahre später wurde der Vertrag auf unbestimmte Zeit erneuert. Lange Zeit hindurch ist es der Moskauer Regierung nicht gelungen, mit einer Großmacht einen derartigen Ver trag abzuschließen. Im vergangenen Jahre aber ver mochte die zähe Arbeit B r i a n d s — als Gegner der von PoincarS immer befolgten oder empfohlenen „Politik der Intervention" gegenüber Rußland — wenigstens die Nus« enbeitung eines „Nichtangriffspaktes" zwischen Frankreich und Rußland durchzusetzcn, der zwar „para phiert", aber noch nicht „ratifiziert" wurde, also noch keine Rechtskraft erhielt. Tenn die Pariser Negierung — und nun fangt die Geschichte an, recht verwickelt zu werden! — drängte darauf, daß auch zwischen Warschau und Moskau em solcher Nichtangriffspakt abgeschlossen wurde. Dre polnische Regierung war „grundsätzlich" dazu bereit, Werl man sich daraus eine Rückendeckung gegenüber Deutschland versprach, forderte aber ihrerseits als stärkste Macht unter den „Nandstaaten" Livland, E st land, Finnland, Litauen, zusammen mit diesen oder vielmehr an deren Spitze zu einem derartigen Pakt zu ge langen. Und ferner wollte man in Warschau nicht ab schließen, wenn nicht auch zwischen Rußland und Rumänien eine solche vertragsmäßige Einigung zu stande gebracht würde; dieser steht der Streit um Bessarabien entgegen, das sich Rum äni en zurZeit der Bürger- und Interventionskriege in Rußland einfach eroberte. Moskau aber weigert sich, dieses Land verloren zu geben. Der Sowjetregierung, genauer gesagt: der Taktik Litwinows, des Volkskommissars für das Aus wärtige und Nachfolgers Tschitscherins, ist es gelungen, alle diese „Vorbedingungen" fortzuräumen. Mit jedem der Randstaaten schloß Rußland seinen Sonderpakt; Polen entschloß sich jetzt auch dazu, obwohl die russisch- rumänischen Verhandlungen soeben glatt gescheitert sind und der jetzige Außenminister Titulescu es offen erklärte. Auch inParis zögerte man nicht länger: der französisch- russische Nichtangriffspakt ist perfekt. Mehr noch nicht, wohlgemerkt! Aber es beginnen schon in Paris die Handelsvertragsverhandlungen mit dem russischen Botschafter. Ob man dabei wieder auf die russischen Vorkriegs- und Kriegsschulden zurückkommen wird, die heute — theoretisch und „rechtlich" - die runde, nette Summe von ungefähr 150 Milliarden Mark aus machen? Sowjetrußland hat sie nie anerkannt und wird sie auch nie anerkennen. Für Rumänien aber erreichte Herriot von der Moskauer Regierung die Zusicherung, im Streit wegen der bessarabischen Frage nicht zur Gewalt zu greifen. Polen hatte besonders heftig zum Abschluß gedrängt und — bezeichnend ist, daß die endliche Einigimg mit Rußland in Paris erfolgte; es war die erste politische Tat des neuen polnischen Außenministers Beck. Er er reichte in dem Abkommen nun aber nicht, daß ihm Ruß land auch die polnische West grenze garanierte; andererseits muß man in Warschau auch gewisse aus schweifende Hoffnungen zu Grabe tragen, die auf einen Vorstoß in südöstlicher Richtung über die Ukraine bis zum Schwarzen Meer zielten. Der Nichtangriffspakt bezieht sich also nur auf die russisch-polnische Grenze. Selbstverständlich liegt diesen politischen Vertrags abschlüssen vor allem das Streben der Moskauer Re gierung zugrunde, im Interesse des wirtschaftlichen Ausbaues vor äußeren Konflikten mit Europa bewahrt zu bleiben. Darauf ist Stalins Politik jetzt so sehr abgestellt, daß er die Verträge mit dem Westen seinerseits wieder als eine Rückendeckung dafür betrachtet, wenn ans dem Kampf um die Mandschurei eine gefährliche Feuers brunst entstehen sollte. Denn dort hat sich die Reibungs- slache mit Japan zusehends vergrößert. Wirtschafts politische Gründe naheliegender Art sprechen auch für die Bereinigung des Verhältnisses mit dem gold- und kredit- mächtigen Frankreich, das ja bereits die zaristische Re- llwrung mit so großen Erfolgen angepumpt hat. Mtt diesen Nichtangriffspakt-Abschlüssen ist die Sowjetregierung sozusagen wieder ein Stück weiter zwischen die europäischen Staaten hineingerückt, — und das ist etwas, was vom deutschen Standpunkt aus an dieser Entwicklung zu begrüßen ist! Flugs haben ja französische Md polnische Zeitungen daraus eis Ab- Wird WWr dH Reichskanzler? Schleichers Besprechungen. Um den politischen Burgfrieden. Die bereits am Sonntag begonnene^ inoffiziellen Be sprechungen über die Neubildung der Reichsregierung sind am Montag fortgesetzt worden. Diese Besprechungen wur den von drei dem Reichspräsidenten nahestehenden Persön lichkeiten geführt. Staatssekretär Meißner verhandelte mit Vertretern des Zentrums vor allem über die Frage des inneren Waffenstillstandes, während der geschäfts führende Reichskanzler von Papen Aussprachen mit Führern der deutschen Wirtschaft hatte. Im Mittelpunkt der politischen Besprechungen stehen allerdings die Konferenzen, die General von Schleicher in den letzten Tagen mit Politikern und Wirtschaftlern hatte. Allgemein beachtet wurde hierbei, datz General von Schleicher auch Vertreter der Sozialdemokratie empfangen hat, und zwar den Führer der sozialdemokratischen Reichs tagsfraktion Dr. Breitscheid sowie den Vorsitzenden des aus sozialdemokratischem Boden stehenden Allgemeinen Deutschen Gewcrkschaftsbundes, Lcipart, und den Ge werkschaftsführer Eggert von den Freien Gewerkschaften. Die Besprechungen des Generals von Schleicher laufen vor allem darauf hinaus, die Haltung der Parteien gegen über einem von ihm als Reichskanzler geführten Kabinett festzustellen. General von Schleicher will, bevor er den Auftrag zur Bildung der Reichsregierung übernimmt, untersuchen, ob die Parteien geneigt sind, ein Kabinett Schleicher über die Wintcrmonaw zu tolerieren. Nur in diesem Falle würde er sich bereit erklären, das Reichs- kanzlcramt zu übernehmen. Natürlich werden auch die Parteien ihre Bedingungen stellen und man nimmt an, daß die Forderung auf Zurück stellung der V e r f a ssungsreform besonders für das Zentrum der Hauptpunkt ist. Die Verhandlungen über den Nichtangriffspakt werden auch auf besonderen Wunsch des Reichspräsidenten geführt, der das neue Präsidialkabinett auf möglichst breiter Grundlage aufgebaut sehen möchte. Deswegen werden auch nicht nur Besprechungen mit politischen Parteien, sondern auch mit wirtschaftlichen Organisationen ge pflogen. Hindenburg möchte alle Möglichkeiten erschöpfen, bevor er gezwungen wäre, sich zu ernsten Maßnahmen zu entschließen. In politischen Kreisen wird behauptet, datz in jedem Falle weitgehende Umbildung der Reichs regierung erfolgen wird. Angeblich soll nur Reichs wehrminister von Schleicher, Reichsaußenminister von Neurath, Reichsjustizminister Dr. Gürtner und Reichs finanzminister Graf Schwerin-Krosigk im Amte bleiben. Alle übrigen Ministerien sollen neu besetzt werden. * Die Unterredung Kaas-Schleicher. Falsche Behauptungen über Dr. Hugenberg Der Reichswehrminister von Schleicher hatte am Montag eine Unterredung mit dem Führer der Zentrums partei, dem Prälaten Kaas. Die Unterredung dauerte über zwei Stunden. Ergebnis und Inhalt wurden für streng vertraulich erklärt. Wie jedoch aus Zentrumskreisen verlautet, hat der General von Schleicher in der Unter redung über Art und Umfang des ihm vom Rcichspräsiden- cken zuteil gewordenen Auftrages berichtet. In der Unter redung wurde hieraus die Stellungnahme des Zentrums zu diesem Auftrag erörtert. Wie es heißt, ist der Gesamt- cindruck beim Zentrum günstig, und es wird nicht für aus geschlossen gehalten, daß auf der Grundlage dieses Auf trages eine Verständigung zu erreichen sei. Als Begründung hierfür wird angeführt, daß die ge samte Lage neuerdings auch bei der Linken nüchterner als bisher beurteilt werde. Auch sei den Gewerkschaften ein starkes Entgegenkommen hinsichtlich der sozialpolitischen und lohnpolitischen Notverordnungen, zum Teil sogar auch ihre Aufhebung zugesagt worden. Jedoch rechnet man in Zentrumskreisen damit, daß die Verhandlungen sich noch längere Zeit hinziehen werden, eventuell bis zum Zusammentritt des Reichstages, das heißt bis zum 6. Dezember. General von Schleicher beabsichtige jeden- rucken von Deutschland gemacht, dem man ja auch aller hand dunkle militärische Vereinbarungen mit Rußland nachzusagen gewohnt war. Das Gegenteil ist richtig: Immer hat Deutschland darauf hingedrängt, Rußland die Tore Europas weiter öffnen zu lassen, und wenn auf der Genfer Abrüstungskonferenz Litwinow seine für Frank reich nicht gerade sehr angenehme Rolle spielte, so konnte dies geschehen, weil auf deutschen Antrag im Völkerbund auch die Sowjetregierung zu den internationalen Ver handlungen über dieAbrüstungsfraae einaeladen worden lst. falls, nichts zu übereilen und die Verhandlungen in Ruhe zu führen. Eine Reihe von Zeitungen verzeichnen im Zusammen hang mit der politischen Lage die bekannte deutsch- nationale Forderung auf Zusammenlegung der vier wirt schaftlichen Ministerien zu einem Krisenministerium. Alle hieran geknüpften Betrachtungen und. Behauptungen, wo nach der Führer der Deutschnationalen, Dr. Hugenberg, die Bewilligung dieser Forderung zur Voraussetzung für die Unterstützung des kommenden Kabinetts gemacht habe, sind, wie betont wird, in das Reich der Kombinationen zu verweisen. Die SoMeldmg liegt bei -er NSDAP. Ein Übergangskabinett von Schleicher gesichert? Nach dem Ergebnis der Besprechungen, die General von Schleicher und v o n P a p e n am Montag ge führt haben, muß es als nicht unwahrscheinlich gelten, daß es in Kürze gelingen wird, ein Übergangs kabinett unter der Führung des Generals v. Schleicher zu bilden. Das Ergebnis der bisherigen Besprechungen des Reichswehrministers Schleicher dürfte klargestellt haben, datz die S P D. grundsätzlich zu einem Kabinett Schleicher in Opposition steht, während sowohl Zentrum als auch Bayerische Volkspartei und DVP. nicht abgeneigt sein dürften, ein Kabinett Schleicher zu tolerieren. Eine Besprechung zwischen von Schleicher und Hugenberg hat nicht stattgefunden, ebensowenig übrigens, wie Hugenberg mit von Papen verhandelt hat. Die Ent scheidung über das Zustandekommen eines Übergangs kabinetts von Schleicher hängt also nur noch von den Ver handlungen mit der NSDAP, ab. Strasser und Frick werden voraussichtlich im Laufe des Dienstags in Berlin eintrefsen. In politischen Kreisen glaubt man, daß eine Ver- ständigung zwischen von Schleicher und der NSDAP, nicht ausgeschlossen ist, wenn von vornherein klar gestellt wird, datz das Kabinett nur ein überga » gs- labinettfür ganz kurze Zeit ist. Wenn dies eindeutig festgelegt wird und von Schleicher auch noch auf den Teil der sozialpoli tischen Maßnahmen und der Verfassungsrefo rm verzichtet, die von den Parteien, die sich nunmehr zu einer befristeten Tolerierung des Übergangskabinetts bereit er klären, bekämpft wurden, kann das Kabinett von Schleicher als gesichert gelten. Die letzte Entscheidung liegt jedoch in allen diesen Fragen beim Reichspräsidenten, so daß es durchaus noch möglich ist, daß von Papen doch noch einmal vom Reichspräsidenten mit der Kabinetts bildung beauftragt wird — vorausgesetzt, daß von Papen hierzu bereitist. Bezeichnend für den Optimismus, mit dem man die Bemühungen von Schleichers in Berlin verfolgt, ist, daß auch bereits die Kabinettsliste von Schleichers in den Blättern besprochen wird. So nimmt man an, daß von Schleicher als Reichskanzler auch das Wehrministerium zu behalten wünscht. Weiter, daß er das Innenministerium, falls es ihm nicht gelingt, hierfür einen nationalsozialistischen Vertrauens mann zu gewinnen, Dr. Bracht überträgt, daß das Landwirtschaftsministerium von Herrn von Knebel- Döberitz übernommen wird, und daß endlich Wirtschaft und Arbeit von Landrat a. D. Dr. Gereke übernommen werden. Die letzte Kombination wird allerdings noch nicht ganz ernst genommen. * Die Presse zur Lage. Berlin, 29. Nvv. Die Aussichten für eine „Schleicher- Lösung" sind nach der „D. A. Z." wieder langsam im Steigen begriffen, nachdem sie zeitweise bereits rückgängig bewertet worden seien. Heute (Dienstag) abend werde ein gemeinsamer Empfang des Reichskanzlers v. Papen, des Reichswehrmini- sters v. Schleicher und des Staatssekretärs Meißner beim Reichspräsidenten stattfinden. Er solle die Grundlagen für die Entscheidung Hindenburgs bringen. Nach der „D- A. Z." wird als Nachfolger des Reichsarbeitsministers Schäffer der Schlich« ter für Berlin, Brahn, genannt. Das Reichswehrministerium werde in einem Kabinett Schleicher vermutlich kommissarisch durch den Chef der Heeresleitung, General von Hammerstein, verwaltet werden. Die „Vossische Zeitung" erfährt, das Reichswehr minister v. Schleicher heute den Besuch Gregor Straffers er wartet. Das werde wohl die ausschlaggebende Unterredung sein, nach der sich Reichswehrminister v. Schleicher ein ge naues Bild davon werde machen können, ob eine Art politi sches Moratorium für die Wintermvnate erreichbar fei oder nicht.